Josef Ofner - Die Eisenstadt Steyr

JOSEFOFNER GESCHICHTLICHERUND KULTURELLERÜBERBLICK DIEEISENSTADT

JOSEF OFNER DIE EISENSTADT STEYR GESCHICHTLICHER UND KULTURELLER ÜBERBLICK STEYR 1956

VORWORT Mit vorliegender Arbeit wurde eine gedrängte Darstellung der geschichtlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung der Eisenstadt versucht. Sie ist keineswegs als eine „Geschichte“ der Stadt Steyr zu werten. In erster Linie soll diese Stoffsammlung den heimatkundlichen Unterricht an den städtischen Pflichtschulen fördern und allen Freunden der Stadtgeschichte zur „ersten Information“ dienen. Bei der Abfassung benützte ich die im Anhang verzeichneten Quellen und Druckwerke, weitgehend meine Aufsätze in den „Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr“. Für die Ermöglichung der Drucklegung danke ich geziemend Herrn Bürgermeister Ing. Leopold Steinbrecher. Besonderen Dank schulde ich auch den Herren des Gemeinderates, des Magistrates und der Schulbehörde, die meine Arbeit förderten. Ferner danke ich ergebenst dem Direktor des oö. Landesarchivs in Linz, Herrn Hofrat Univ.-Dozent Dr. A. Hoffmann und Herrn Seminardirektor Prof. Dr. B. Schilling für die Durchsicht des Manuskripts und für wertvolle Hinweise, Herrn Stadtarchivar Amtsrat A. Koller für seine Unterstützung bei der Archivarbeit und allen Herren, die in entgegenkommender Weise Klischees und Lichtbilder zur Verfügung stellten, vornehmlich dem Direktor der Landesbildstelle für Oberösterreich, Herrn Franz Ehrenstorfer. Möge dieses Büchlein die Liebe zur österreichischen Heimat vertiefen und zur weiteren Erforschung der reichen Geschichte unserer schönen Stadt anregen. Steyr, Pfingsten 1956. Josef Ofner

7 Siedler im Raume der Steyr-Mündung Geräte aus Stein und Bronze Bevorzugte Siedlungsplätze waren immer die Mündungsgebiete der Flüsse. Einerseits ergaben sich hier zumeist von Natur aus günstige Verkehrsmöglichkeiten, anderseits war die Siedlung von zwei Seiten durch das Wasser geschützt. So entwickelte sich auch schon frühzeitig amMündungssporn zwischen Enns und Steyr das Kernstück der heutigen Eisenstadt. An den Ufern dieser Gebirgsflüsse erheben sich aus den Alluvionen drei Stufen der diluvialen Niederterrasse, die nördlich der Steyr-Mündung und östlich am rechten Ennsufer in eine Hochterrasse übergehen. Die Terrassenfluren beider Gewässer waren zudem günstig für die Anlage von Verkehrswegen in südlicher Richtung, weit hinein in die Alpen. Aber auch gegen Norden, der Donau zu, stellte die Enns die Verbindung her. Nicht minder günstig war die Lage des Siedlungsraumes am Nordrand der Alpen, wo ein von Ost nachWest hinziehender Verkehrsweg, die südliche Voralpenstraße, seinen Verlauf nehmen konnte. Diesen Siedlungsraum, dessen Seehöhe 285 - 319 Meter beträgt und dessen geographische Lage mit 48° 4' 45'' n. B. und 14° 25' ö. L. angegeben wird, umsäumen im Süden die Berge der Sandsteinzone (Damberg, 811 Meter) und die Gipfel der Nördlichen Kalkalpen (Schoberstein, 1278 Meter, Hoher Nock, 1961 Meter). Nördlich erstreckt sich bis zur Donau das wellige Alpenvorland, bewässert von Traun und Enns. Über die Besiedlung dieses Mündungsraumes in der Urzeit, die R. Pittioni (Urgeschichte des österreichischen Raumes) in Lithikum, Keramikum und Metallikum gliedert, geben die bisher gemachten Streufunde (Lochäxte, Flachbeile), die dem Keramikum (Jungsteinzeit) zugerechnet werden, keinen hinreichenden Aufschluss. Zu den schönsten Funden zählen eine Lochaxt aus hellgrünem Serpentin (21,5 Zentimeter lang, gefunden 1941 in Steyr) und eine prachtvolle, vielseitig geschliffene Lochaxt von 15 Zentimeter Länge, die im Jahre 1950 in der Stadtrandsiedlung Reichenschwall geborgen wurde. Nicht unbe-

8 trächtlich ist die Zahl der nördlich und südlich der Steyr-Mündung (Gründberg, Wolfern, Dietach, Kronstorf, Garsten, Pesendorf, St. Ulrich und anderen Orten) gehobenen Steingeräte. Ihr Aussehen lässt vermuten, dass sie aus einer der keramikzeitlichen Siedlungen im Mühlbach- und Laussatal („Steinschlägeratelier“ an der Langensteinerwand) stammen. In Bezug auf die Kulturform gehören sie nach Pittioni zu der um 2000 v. Chr. In Oberösterreich, Salzburg und Bayern verbreiteten „Mondsee Gruppe“ der vollnordischen Schicht. Aus dem Metallikum sind in unserem Raum bisher nur zwei Funde bekannt geworden, eine mittelständige Lappenaxt aus der Bronzezeit und ein Antennenschwert mit gewulstetem Griffteil aus der Hallstattzeit. Eine größere Zahl von Funden aus den Metallzeiten lieferten die Hügelgräberfelder bei Kronstorf und der Ennser Boden. Um 500 v. Chr. Geb. vollzog sich die Ostwanderung keltischer Stämme. Sie gründeten im Ostalpenraum das Königreich Norikum und überschichteten die in unseremGebiet ansässige illyrische Bevölkerung. Bodenfunde aus dieser Zeit sind in unserer engsten Heimat noch nicht zum Vorschein gekommen. Der Schatz aus der Römerzeit Im Jahre 15 v. Chr. eroberten die Römer das Königreich Norikum. Kaiser Claudius gestaltete es zu einer römischen Provinz, die unter Diokletian (284 - 305) in eine nördliche und südliche Hälfte geteilt wurde, in Ufer-Norikum an der Donau und in Binnen-Norikum südlich der Tauern. Die ein halbes Jahrtausend währende Herrschaft der Römer in unserem Land führte an zahlreichen Orten zur Entfaltung der römischen Kultur. In unserer Gegend sind die Fundvorkommen zu spärlich, um von einer geschlossenen Römersiedlung sprechen zu können, wenn auch die Überlieferung den Bergfried der Styraburg als „Römerturm“ bezeichnet und von einer römischen Schmiede an der Steyr Mündung zu berichten weiß. Nach Preuenhueber (Annales Styrenses) und anderen Chronisten wurde im Jahre 1299 in der Umgebung von Steyr „ein vergrabener Schatz römischen oder heidnischen Geldes“, darunter einige Goldmünzen mit der Prägschrift „Faustina Augusti pii filia“, von Bauern gefunden. Herzog Albrecht, der als Landesfürst die Auslieferung dieses Fundes forderte, bekam

9 davon nur mehr einen kleinen Teil, da vorher die Münzen „dort und dahin“ verteilt worden waren. An der Fundstelle soll sich auch ein Jupiter-Altarstein befunden haben. Die in späterer Zeit gehobenen Funde aus der Römerzeit sind nicht zahlreich. Um 1780 wurden in Aichet mehrere viereckige Römermünzen ausgeackert. Vor Jahren fand man in der Schwimmschulstraße einen Silber-Denar des Kaisers Geta, beim Schlüsselhof und in der Nähe des Neutores Münzen aus der Regierungszeit des Kaisers Trajan. Im Sand der Enns wurde eine 6 Zentimeter hohe Bronzestatuette entdeckt, die ägyptische Göttin Isis mit ihrem Sohn Horus darstellend. Neben einer römischen Kleinbronze des Kaisers Probus aus dem Bereich des Hammerschmiedberges ist besonders beachtenswert ein im Jahre 1903 in der Schottergrube des Dammgutes in der Ortschaft Gründberg aufgedecktes Römergrab mit seltenen Beigaben. Die unserem Gebiet nächstgelegene große Römersiedlung war Lauriacum (Lorch). Noch im Jahr 404 n. Chr. bestand dort eine Schildfabrik. In den letzten zwei Jahrhunderten ihrer Herrschaft in Ufer-Norikum bezogen die Römer das Eisen vom steirischen Erzberg. Über das Vorhandensein eines Verkehrsweges vom Erzberg über Steyr nach Lorch zur Zeit der Römerherrschaft gehen die Ansichten der Historiker auseinander. Eine von Ost nach West führende Straße übersetzte damals die Enns wahrscheinlich bei der Reder-Insel. Für die Entstehung einer Siedlung an der Steyr-Mündung (Steyrdorf) mag sie vielleicht ausschlaggebend gewesen sein. Die günstige geographische Lage unseres Siedlungsgebietes berechtigt zu der Vermutung, dass hier eine römische Raststation für durchziehende Truppen bestand und vom Felsen an der Mündung der Steyr ein Wachtturm in die Ferne grüßte. Styria Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reiches verließ um 488 ein Großteil der Romanen unsere Heimat. Um die Mitte des 6. Jahrhunderts begann die Einwanderung der Baiern, die ein in Gaue gegliedertes Stammesherzogtum errichteten. Unter dem Druck der aus Osten anstürmenden Awaren drangen die Alpenslawen (Karantanen) in die südlichen

10 und östlichen Alpenländer ein und gelangten nicht nur in die Gegend zwischen Enns und Wienerwald, sondern auch in den baierischen Traungau, der sich von der Enns bis zum Hausruck erstreckte. Eine Anzahl Fluss-, Berg- und Siedlungsnamen erinnert noch heute an die Anwesenheit der Slawen (Slowenen) in unserem Gebiet, so zum Beispiel Sarning, Garsten, Raming, Gleink und andere. Der Fluss- und Ortsname Steyr stammt jedoch nicht, wie man bisher meinte, aus dem Slawischen. „Die Fachleute haben sich darüber“, so schreibt der bekannte Namenforscher E. Kranzmayer, „aus welcher Sprache Steyr stammt, noch nicht einigen können und noch weniger sind sie eines Sinnes darüber, was Steyr etymologisch bedeutet. Sicher ist immerhin zweierlei. Erstens, dass der Flussname zurückreicht bis in die vorgeschichtliche Zeit. Man ersieht das aus dem Umstand, dass in spätantiken Geschichtsquellen südlich von unserer Stadt ein offenbar keltischer Volksstamm die Bezeichnung Stiriaten geführt hatte, das heißt, genau genommen, so viel wie die Leute am Fluss Steyr, also die Steyrtaler. Überliefert ist allerdings nur der Ortsname Stiriate, den die Archäologen in der Gegend von Liezen suchen. Durch die Form Stiriate wird zweitens klar, dass der Fluss selbst in ältester Zeit Stiria geheißen haben muss; also nicht Stira, wie man vielleicht glauben könnte. Damit ist die kirchenlateinische Form Styria des Mittelalters und der Neuzeit vollauf gerechtfertigt. Sie muss uralt sein und knüpft auf uns unklarenWegen an eine Form an, die schon imAltertum dagewesen war.“ Die Siedlung Steyr dürfte erst in späterer Zeit Stiria geheißen haben. Ihre erste Bezeichnung, „Stirapurg“, stammt aus dem 10. Jahrhundert, die abgekürzte Form „Stira“ gehört dem Hochmittelalter an. Unter Karl dem Großen (768 - 814) wurde das aufstrebende baierische Großreich dem Frankenreich einverleibt und nach der Besiegung der Awaren (791- 796) der „baierische Grenzabschnitt im Osten“ geschaffen. Mit dem Sieg der Magyaren über das baierische Heer (907) war das Ende der „karolingischen Mark“ gekommen. Die Herrschaft der Ungarn in unserem Lande dauerte bis zu ihrer Niederlage auf dem Lechfeld im August 955. Die nach diesem Sieg abermals errichtete Grenzmark imOsten („Ostarrichi“), in der seit 976 das Geschlecht der Babenberger regierte, umfasste ursprünglich bloß den Westen Niederösterreichs, während der Traungau bei Baiern verblieb. Aus dem langen Zeitraum vom 6. bis 10. Jahrhundert stammt ein im

11 Frühjahr 1940 bei Ausgrabungsarbeiten in Münichholz freigelegtes Grab, in dem Skelettreste und eine 41 Zentimeter lange, weidenblattförmige Lanzenspitze aus der Karolingerzeit gefunden wurden. Jedenfalls hängt dieser Fund mit der Verteidigung der Enns-Grenze zur Zeit der Ungarn-Einfälle zusammen. In den Jahren 1952/1953 erfolgte die Aufdeckung eines Gräberfeldes aus dem 9. Jahrhundert in der Ortschaft Sierninghofen. Hier handelt es sich zweifellos um einen Bestattungsplatz frühdeutscher Ansiedler. Spinnwirtel oder „Specksteinperlen“ kamen in der Gründberg-Siedlung zum Vorschein. Diese Wirtel standen nicht nur in slawischen, sondern auch in deutschen Gebieten in der Zeit vom 9. bis zum 12. Jahrhundert in Verwendung.

12 Die Residenz des Steirischen Herzogs Die Steirischen Otakare Nach dem ersten Einfall der Magyaren im Jahre 900 wurde zur Sicherung des Reiches die feste Ennsburg errichtet. Wahrscheinlich entstand aus diesem Grund auch später am Zusammenfluss der Enns und Steyr die Styraburg. Wer sie erbaute, ist uns nicht überliefert. Erstmalig lesen wir von dieser Burg im ältesten Traditionsbuch des Hochstiftes Passau, das über die Synoden des Bischofs Pilgrim berichtet. Nach der Lechfeld-Schlacht suchte Pilgrim von Passau die alten kirchlichen Zehentrechte wieder zu ordnen und berief zu diesem Zweck in Mistelbach bei Wels, in Lorch und Mautern Synoden ein. Der Bericht über jene zu Mistelbach, die nach Zibermayr („Das oö. Landesarchiv in Linz“) schon um 972 stattfand, erwähnt erstmals die „Stirapurhc“, die wie Garsten und andere Orte am rechten Ufer der unteren Steyr an die Kirche zu Sierning den Zehent zu entrichten hatte. Die ausgedehnte Burgherrschaft Steyr war schon gegen Ende des 10. Jahrhunderts im Besitz des aus dem Chiemgau stammenden Grafengeschlechtes der Otakare. Um 1050 übertrug der Kaiser dem Grafen Otakar I. (III.) die Leitung der an der mittleren Mur gelegenen Kärntnermark. Als Markgrafen unterstanden die Otakare bis 1122 den Herzogen von Kärnten. Ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu den einflussreichsten Familien des Reiches und zu den Babenbergern - Otakar II. (IV.) war vermählt mit Elisabeth, der Tochter Leopolds II. - sowie bedeutende Erbschaften, vor allem durch das Aussterben der Eppensteiner, vergrößerten beträchtlich ihren Besitz in der Ober- und Mittelsteiermark. Im Wappen führten sie den Panther, das Feldzeichen der Kärntner Herzoge. Markgraf Otakar III. (V.) unternahm mit König Konrad III. im Jahr 1147 eine Kreuzfahrt ins Heilige Land und begleitete 1155 Friedrich Barbarossa zur Kaiserkrönung nach Rom. Die große Machtstellung der Markgrafen von Steyr kommt zum Ausdruck in der Errichtung eigener Münzstätten zu Fischau im Gebiet von Pitten und in der alten Handelsstadt Enns sowie in der Verleihung der Herzogswürde an Otakar IV. (VI.) (1164 bis 1192) auf dem Reichstag

13 zu Regensburg (1180). In den Urkunden nannte sich Otakar seit 1181 „Herzog von Steyr“ (dux Styrie), eine Bezeichnung, die seinen gesamten Machtbereich, das „Steyrland“, umfasste. Benediktiner-Abteien In kirchlicher Hinsicht wurden die Otakare für unser Gebiet durch die Stiftung der Benediktiner-Abteien Garsten und Gleink bedeutsam. Diese Gründungen entsprachen dem von den Klöstern Cluny, Hirsau und St. Blasien ausgehenden asketischen Geist des 11. Jahrhunderts. Verkünder dieses Geistes war im Ostalpenraum Bischof Altmann von Passau (1065 - 1091). Eine Reihe von Klostergründungen ist seinem Einfluss zuzuschreiben, auch die des Klosters Garsten. Im Jahre 1082 überließ er Otakar II. (gest. 12. November 1122) zur Errichtung dieser Abtei im Tauschwege das ausgedehnte Pfarrgebiet von Garsten. Der Passauer Bischof erhielt dafür die Pfarre Behamberg. Ursprünglich eine Stiftung für Weltpriester unter dem Vorsteher Eberhard, wurde 1107 das Kloster in eine BenediktinerAbtei umgewandelt, die anfangs vom Göttweiger Prior Wirnt geleitet wurde. Die Otakare bedachten die Gründung mit zahlreichen Schenkungen. Sie erlebte einen hervorragenden Aufschwung schon unter ihrem ersten Abt, dem im Rufe der Heiligkeit stehenden Berthold I. (1111 - 27. Juli 1142) und wurde zu einem überragenden Kulturzentrum des Landes, vorwiegend für das Steyr-, Enns- und Gaflenztal. Nördlich der Stadt wurde kurze Zeit nach der Gründung Garstens die Abtei Gleink gestiftet. Anfänglich erhob sich hier die bambergische Lehensburg Glunich, die der Besitzer Arnhalm I. von Glunich und später dessen Sohn Bruno in ein Benediktinerstift umgestalteten. Um 1120 bestanden bereits Kirche und Konvent, gewidmet dem hl. Apostel Andreas. Nachdem aber Bruno die Mittel für die weitere Ausstattung des Klosters nicht besaß, übernahmen es die steyrischen Markgrafen und begabten es mit Gütern im Windischgarstner Tal. Im Jahre 1125 unterzeichnete Markgraf Leopold die Stiftungsurkunde. Als ersten Abt finden wir Ulrich, ein Mitglied des Stiftes Garsten. Die Bischöfe von Bamberg, die Babenberger, die Volkenstorfer und andere Gönner förderten die neue Gründung.

14 Die „Eisenwurzel“ und das Bergregal Für den wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt Steyr war der von den Otakaren geförderte Abbau des steirischen Erzberges von größter Bedeutung. Dieser liegt in der nördlichen Steiermark im Gebiet der Grauwackenzone der Eisenerzer Alpen (1534 Meter). In seinen Kalken findet sich vorwiegend Eisenspat (Siderit), der durch Verwitterung in Brauneisenstein (Limonit) umgewandelt wird und den man besonders in ältester Zeit wegen der leichten Schmelzbarkeit bevorzugte. Der geröstete Spateisenstein enthält nur geringe Mengen von Schwefel und Phosphor, lässt sich demnach ohne weitere Zuschläge zu einer leichtflüssigen Schlacke verhütten und zählt daher zu den hochwertigen Erzvorkommen der „Eisenwurzel“, wie der Berg einstmals genannt wurde. Wie schon oben gesagt, fand bereits zur Zeit der Römer ein Abbau am Erzberg statt, ja man vermutet einen solchen lange vor Christi Geburt. Die Völker des Orients kannten die Eisengewinnung schon Jahrtausende vor Beginn unserer Zeitrechnung. Nach den unruhigen Zeiten der Völkerwanderung dürften die eingewanderten Slawen den Abbau am Erzberg wiederaufgenommen haben. Eine mehr sagenhafte als geschichtliche Nachricht, wonach das „Eisen- und Stahlwerk“ um 712 „erfunden“ worden sei, deutet darauf hin. In den frühesten Zeiten wurde das Eisen unter Ausnützung des natürlichenWindes in primitiven Schachtöfen, den „Rennfeuern“ oder „Windherden“ aus den Erzen getrieben. Das Erzeugnis war eine teigige Eisenmasse in der Größe eines Brotlaibes. Die „Maß“ oder das „Stück“, wie ein solcher Eisenklumpen bezeichnet wurde, befreite man durch mehrmaliges Ausheizen und Hämmern größtenteils von der Schlacke und gewann auf solche Art das Fertigprodukt. Nach dem Vordringen der Baiern in das von Slawen besetzte Kärnten befand sich das Erzlager vorübergehend im Besitz des bairischen Herzogs und ging schließlich an den fränkischen König über. Obwohl das Eisen stets ein Regal des Königs darstellte, gelangte der Erzberg in den Besitz der Otakare. Auf welche Weise dies geschah, ist uns nicht überliefert. Man vermutet eine Schenkung zu Anfang des 10. Jahrhunderts. Nach 1154 aber verlangte das Reichsrecht die Verleihung des königlichen Anrechtes auf alle Bo-

15 denschätze an den Beschenkten. Markgraf Otakar III. wurde daher von Kaiser Friedrich Barbarossa mit dem Bergregal belehnt. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Nachweise über die Erzgewinnung im Mittelalter. Sie finden sich in einer 1164 für die Karthause Seitz ausgestellten Urkunde und im Sekkauer Verbrüderungsbuch (1180). Diese Klöster sowie die zu Vorau und Rein beschenkten die Otakare mit den Produkten des Erzberges. Das Recht zur Erz- und Eisengewinnung war im Gebiet des steirischen Erzberges im 12. und 13. Jahrhundert jedenfalls mit dem Besitze einer Hube verbunden, für die ein Grundzins zu leisten war. Die Hube gab dem Bergmann nicht nur, was er für sich und sein Gesinde zum Lebensunterhalt brauchte, sie versorgte ihn meist auch mit dem nötigen Holz zur Eisengewinnung. Die Aufsicht führte ein landesfürstlicher Bergmeister, der auch die Plätze auszeigte, wo das Holz geschlägert werden konnte. Der „Eisenbauer“ entrichtete dem Landesfürsten für die Erzgewinnung den Bergzehent und für das Holz den Forstzins. Es mag wahrscheinlich schon zur Zeit der Otakare Gepflogenheit gewesen sein, dass das von den Eisenbauern produzierte Eisen in die Residenz Steyr geliefert werden musste. Über den Eisenhandel der Otakare fehlen urkundliche Nachrichten. Doch bestanden schon unter Herzog Otakar, wie eine von ihm gegebene Bestätigung der Jahrmarktsprivilegien der Stadt Enns vom Jahre 1190 bezeugt, Handelsbeziehungen zu Kaufleuten aus Regensburg, Ulm, Aachen, Köln, Maastricht und Russland. Dass schon damals das Eisen zu den gebräuchlichsten Handelsgütern zählte, können wir mit Recht annehmen. Am Hof der Otakare Als Residenz der begüterten Markgrafen, die über eine große Zahl von Dienstmannen verfügten, war die Styraburg wohl auch der Schauplatz echt ritterlichen Lebens. Obgleich über die Hofhaltung der Otakare keine Quellen berichten, so kann man doch vermuten, dass prächtige Turniere und Darbietungen fahrender Sänger Abwechslung in das Leben auf der Burg brachten. Zwei mittelhochdeutsche Dichtungen, entstanden auf Grund alter Sagen, erwähnen die Styraburg. Die eine, „Biterolf und Dietleib“, wurde vor

16 1210 von einem Spielmann gedichtet und umfasst über 13.000 Verse. Biterolf, König von Toledo, verließ seine Familie und zog an den Hof Etzels, wohin ihm später auch sein Sohn Dietleib folgte. Durch Markgraf Rüdiger von Pechlarn lernten sich Vater und Sohn kennen. Gemeinsam mit anderen Helden Etzels kämpften sie in Worms und wurden nach ihrer Rückkehr in die Burg des Hunnenkönigs für ihre Tapferkeit reichlich belohnt. „Darnach in kurzer Stunde bauen begunde der Held viel lobebäre Steir die Burg märe, die seit viel weitem wird erkannt, darnach die March war genannt.“ Biterolf zog nach der Erbauung der Burg in Begleitung seines Sohnes nach Spanien, holte dort seine Gemahlin Dietlinde und begab sich mit großem Gefolge zurück auf die Styraburg. Die zweite Dichtung „Laurin, oder der kleine Rosengarten“ erzählt die Entführung der Tochter Biterolfs durch den Zwerg Laurin nach Tirol. Dietleib befreit in harten Kämpfen seine Schwester Similde und bringt sie wohlbehalten nach Steyr zurück. Da in diesen Epen die Styraburg mehrmals genannt wird, wäre die Annahme, dass sie am Hof der Otakare gedichtet wurden, sicherlich berechtigt. Tatsächlich aber kennen wir weder den Entstehungsort noch den Dichter. Anton Ritter v. Spaun schrieb sie Heinrich von Ofterdingen zu, der am Hof der steirischen Markgrafen gelebt haben soll. Bis heute konnte aber hierfür kein Beweis erbracht werden. Die Georgenberger Handfeste Herzog Otakar IV. war vom Aussatz befallen. Er entschloss sich, seinen großen Besitz dem Babenberger Leopold V. zu vererben. Am 17. August 1186 kam auf dem Georgenberg bei Enns in Anwesenheit zahlreicher Adeliger aus der Steiermark, aus Österreich und Bayern der feierliche Erbvertrag zustande, der bestimmte, dass nach dem Ableben Otakars die Babenberger in der Steiermark den Besitz mit allen Rechten übernehmen sollen. Er sicherte zugleich den Klöstern und den steirischenMinisterialen ihre Freiheiten, die größer waren als die der Österreichischen Dienstmannen. Sie durften zum Beispiel Lehengrundstücke frei veräußern, waren befreit von der Zahlung bisher nicht gebräuchlicher Abgaben, sie konnten ihren Besitz

17 weiblichen Nachkommen erblich übertragen und sich am Hofe des Kaisers beschweren, falls der Herzog die im Georgenberger Vertrag festgelegten Rechte missachten sollte. So wurde, um mit Hantsch zu sprechen, der Erbvertrag „eine Handfeste für die Ministerialen, die Magna Charta ihrer späteren ständischen Machtentfaltung“. Diese bedeutungsvolle Urkunde im Archiv der steirischen Landesregierung beginnt mit folgenden Worten: „In nomine sancte trinitatis et individue unitatis. Otakarius dux Stire omnibus fidelibus in perpetuum.“ Obwohl schwer leidend, wollte der steirische Herzog noch am dritten Kreuzzug (1189 - 1192) teilnehmen. Er musste aber diesen Plan aufgeben. Otakar verschied am8. Mai 1192. Noch imgleichen Jahre belehnte Kaiser Heinrich VI. die Babenberger auf demWormser Reichstag mit der Steiermark. Durch die Georgenberger Handfeste wurden Burg und Herrschaft Steyr Eigentum der Österreichischen Landesfürsten, doch im Panther des Stadtwappens vermögen wir noch heute die enge Verbundenheit unserer Stadt mit dem einst so einflussreichen Markgrafen- und Herzogsgeschlecht zu erkennen. Der Styraburg und dem Erzberg verdankt die geographisch günstig gelegene Stadt Steyr nicht nur ihre Entstehung, sondern auch ihren raschen Aufstieg zur Österreichischen Eisenmetropole nördlich der Alpen. Die Stadt des weißen Panthers Die Dienstmannen der Otakare, die in Steyr zum Großteil dem rittermäßigen Adel angehörten, bewohnten Häuser in der Nähe der Burg. Ihr Wohngebiet im Raume der Hofgasse (nördlicher Teil der Berggasse) und der unteren Enge am linken Ennsufer kann als der älteste Teil der inneren Stadt angesehen werden. Kenner der städtischen Baugeschichte sind der Ansicht, dass das ehemalige Steyrtor und die einstige Mühle unterhalb der Burg (Zwischenbrücken Nr. 3 und Nr. 4) zur gleichen Zeit wie diese erbaut wurden und sich eine Wehrmauer mit Zwinger bei den Häusern Enge Nr. 1 und Nr. 3 zur Enns hin erstreckte, die den unteren Burghof gegen Süden abschloss. Gegen die Enge zu begleitete die durch den gotischen Torbogen führende steile Auffahrtsstraße zur Burg eine zinnengekrönte Mauer, von der heute noch ein Stück sichtbar ist. Ein viereckiger Torturm, der den Übergang über die Brücke des 35 Meter breiten und sieben Meter tiefen Burggrabens sicherte,

18 bildete den Abschluss dieser Mauer. Am Fuß der Styraburg entwickelte sich allmählich die Handelsstadt der Otakare, die sich immer mehr gegen Süden vorschob und schließlich die obere Zeile des Stadtplatzes umfasste. Urkunden aus dem 12. und 13. Jahrhundert bezeichnen Steyr als eine städtische Siedlung (1170: „urbs“; 1252: „civitas“). Über die Entwicklung der Vororte Ennsdorf und Steyrdorf sind wir mangelhaft unterrichtet. Wir wissen, dass in Ennsdorf ursprünglich Fischer ansässig waren („Fischhub“) und in Steyrdorf im 11. Jahrhundert in der Nähe des Bürgerspitals eine Mühle bestand. Wie das Stadtrecht vom Jahre 1287 erkennen lässt, besaß Steyr wahrscheinlich schon im 12. Jahrhundert Eisenhandelsprivilegien. Nach dem Erlöschen des Markgrafengeschlechtes blieben diese wichtigen Freiheiten auch weiterhin der Stadt erhalten, was vielleicht zum Teil dem hier sesshaft gewordenen Adel zugeschrieben werden mag, der durch seine Beziehungen zum Hof der Babenberger ein Abgleiten des Eisenhandels an die hierfür günstiger gelegene Handelsstadt Enns zu verhindern wusste. Gleich anderen Österreichischen Städten dürfte auch Steyr im 13. Jahrhundert durch die Babenberger, die mehrmals die Stadt besuchten, eine Erweiterung der städtischen Machtbefugnisse erfahren haben. Mit dem Aussterben dieses Herrschergeschlechtes (1246) begannen aber auch für die aufblühende Stadt schwere Zeiten. Bis zum Jahre 1252 unterstand sie Dietmar von Steyr, wurde anschließend von den Truppen des Böhmenkönigs Ottokar besetzt und 1276 mit anderen obderennsischen Städten an den Baiernherzog Heinrich verpfändet. Erst nach dem Sieg Rudolfs von Habsburg über Ottokar auf dem Marchfeld (1278) konnten die verpfändeten Gebiete wieder eingelöst werden. Am 23. August 1287 bestätigte Herzog Albrecht l. die alten Vorrechte der Eisenstadt und gewährte ihr neue Begünstigungen. Dieses Stadtrecht war für die weitere wirtschaftliche Entwicklung Steyrs von grundlegender Bedeutung. Die 565 Millimeter lange und 390 Millimeter hohe Pergamenturkunde, die mit einem an roten, grünen und weißen Seidenfäden hängenden einseitigen Reitersiegel versehen ist, wird heute noch im Stadtarchiv verwahrt. Das in lateinischer Sprache abgefasste „große Privilegium“, wie das Stadtrecht auch bezeichnet wird, ist die älteste Urkunde der Stadt.

19 Auf Grund dieses Privilegiums konnten u. a. die Bürger den Stadtrichter selbst wählen, sie waren berechtigt zum Weinausschank, sie durften Eisen, Brenn- und Bauholz zollfrei in die Stadt bringen und erhielten bedeutende Mautbegünstigungen. Der große Freiheitsbrief aber sicherte der Stadt auch das Stapelrecht auf Holz und Eisen aus dem Innerberg. Drei Tage lang mussten diese Rohstoffe den Bürgern feilgeboten werden. Erst wenn sich nach dieser Zeit kein Käufer gefunden hatte, konnte man sie weiterführen. Dieses, der mittelalterlichen Handelspolitik entspringende Zwangsrecht legte den sicheren Boden zum Emporblühen der mittelalterlichen Stadtwirtschaft, in der der Eisen- und Stahlhandel sowie die Eisenverarbeitung die vorherrschende Rolle spielten.

20 Die Blütezeit der Eisenniederlagsstadt im Spätmittelalter Die Bürgerschaft Nach dem Aussterben der Otakare begab sich eine Anzahl ihrer Dienstmannen „in der Bürger Recht“. Als Erbbürger oder Patrizier bildeten sie nun die oberste Schichte der Stadtbevölkerung, wurden reich durch den Fernhandel und bekleideten im Rat die höchsten Stellen. Eine Urkunde aus dem Jahre 1305 bezeichnet sie als die „Gemein der Ritter zu Steyr“, der die Milwanger, die Preuhaven, die Teurwanger und andere Geschlechter angehörten. Gleich dem Vorgang in anderen landesfürstlichen Städten überließ wahrscheinlich der Landesfürst dieser Rittergemeinde den städtischen Boden gegen Entrichtung des Burgrechtsdienstes in freier Erbleihe. Die Angehörigen dieser Patrizierfamilien waren im Mittelalter die eigentlichen Bürger (Vollbürger oder Kaufleute-Bürger). Sie waren die Besitzer jener Häuser der inneren Stadt, auf denen das „Kaufmanns- oder Vollbürgerrecht“ ruhte. Die Zahl dieser Häuser war genau festgelegt. Gelangten Bürgerhäuser in den Besitz des Adels oder der Geistlichkeit, so gingen die mit dem Hausbesitz verbundenen Handelsrechte verloren. Diese „Freihäuser“ unterstanden in der Regel nicht dem Stadtgericht und waren befreit von den städtischen Abgaben. Gegen Ende des Mittelalters verschwand das alte Patriziat, es machte sich als Kleinadel auf dem Lande sesshaft. Einzelne Geschlechter mögen noch in Steyr verblieben sein, doch finden wir in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in der Stadt schon zugewanderte Handelsherren. Bürger zweiter Ordnung waren jene Stadtbewohner, die zwar das Bürgerrecht besaßen, aber nicht über ein „Bürgerhaus“ im eigentlichen Sinne verfügten. Zu dieser Gruppe gehörten die Handwerker (Handwerker-Bürger). Anfänglich war ihr Verhältnis zu den Vollbürgern wie das der ländlichen Bevölkerung zum Grundherrn. Obwohl sie im Besitze der persönlichen Freizügigkeit und Freiheit waren, unterstanden sie doch in allen Angelegenheiten dem Rate der Stadt. Ihr Handel war beschränkt auf die eigenen Erzeugnisse. Durch Jahrhunderte war ihnen die Teilnahme an den Ratsobliegenheiten vorenthalten.

21 Jene Stadtbewohner, die in keinem eigenen Hause, sondern in gemieteten Räumen wohnten, nannte man Inwohner oder Inleute. An den Stadtprivilegien hatten sie nur geringen Anteil. Die in Steyr damals ansässigen Juden lebten nach ihrem eigenen Recht und standen nicht im Genuss der bürgerlichen Freiheiten. 1371 erlaubten ihnen Albrecht III. mit bestimmten Waren, Wein und Getreide ausgenommen, zu handeln, aber einige Jahrzehnte später (1420) erfolgte ihre erste Ausweisung. Das Bürgerspital Für alte, arme oder kranke Bürger bestand schon im 12. Jahrhundert in Steyrdorf eine Fürsorgeanstalt, das Spital. Eine Stiftung zu demselben durch Wezilo de Styre wird bereits um 1180 erwähnt. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts konsekrierte Bischof Ruger den dazugehörigen, für die Spitalsinsassen bestimmten Friedhof. Im Jahre 1302 wurde das Gebäude ein Raub der Flammen. Königin Elisabeth, damals Inhaberin der Herrschaft Steyr, ließ es wiederaufbauen, 1305 waren Kirche und Spital vollendet. Der Unterhalt der 32 Pflegepersonen wurde aus den Erträgnissen der zahlreichen Stiftungen bestritten. Die Königin begabte 1313 das Bürgerspital reichlich mit Gilten, darunter auch mit 30 Fuder Hallstätter Salz. Vermögende Bürger (Ponhalm, Scheck und andere) stifteten Dienste und Güter, aber auch Weinberge in Österreich unter der Enns. In einem kellerartigen Gewölbe unter der Kirche wurde später, wie Preuenhueber berichtet, der „Spitalwein“ ausgeschenkt. „Daher es für ein Wahrzeichen gehalten wird“, so schreibt der Chronist, „daß einer sei zu Steyer gewest, wann er anzuzeigen weiß, daß er allda ein Kirchen über einem Wirtshaus gesehen“. In rechtlicher Hinsicht unterstand diese karitative Einrichtung mit all ihren Liegenschaften dem Magistrat. Die Verwaltung oblag einem Ratsmitglied, dem Spitalverwalter. Neben der eigentlichen Haus- und Kirchenverwaltung hatte er nach einer späteren Instruktion auch die Untertanendienste zu überwachen und ein Urbar zu führen, denn das Bürgerspital trug den Charakter einer Grundherrschaft. Im Laufe der Jahrhunderte erfuhren die Kirche und das Spitalgebäude

22 bauliche Veränderungen. Heute fesselt uns besonders die Eingangshalle, getragen von drei prächtigen Marmorsäulen mit romanischen Zierformen. (Freigelegt im Jahre 1923.) Ein überaus eindrucksvolles Kruzifix, vermutlich eine Nürnberger Arbeit aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, schmückt den stimmungsvollen Raum. Der Burgfried Die ältesten Teile des von Vollbürgern bewohnten Stadtgebietes waren, wie vorher angedeutet, die Hofgasse, die untere Enge und die obere Zeile des Stadtplatzes. Im 13. und 14. Jahrhundert erfuhr dieser Siedlungsraum eine Erweiterung durch die Verbauung des Grünmarktes und der unteren Fläche des erstmals 1254 urkundlich erwähnten Stadtplatzes. Zu den Bürgerhäusern der geschlossenen Siedlung gehörten auch Grundstücke in der nächsten Umgebung der Stadt, die Burgrechtsgründe, deren Gesamtheit den Burgfried bildete. Er war gleichzeitig Niedergerichtsbezirk der Stadt, in dem der Landrichter keine Befugnisse hatte. Steyrdorf und Ennsdorf waren 1407 schon in den Burgfried einbezogen, da Herzog Ernst in diesem Jahre verfügte, dass die Veräußerung von Häusern oder Gründen in diesen Vororten im Einverständnis mit dem Stadtrichter zu erfolgen habe. Nach einer späteren Beschreibung des Burgfrieds (1512) verliefen dessen Grenzen ungefähr wie folgt: Enns —Kraxental — Fuchsortner Gut —Teufelsbach — Engelseck — Steyrfluss — Stadlmayrgut — Gleinker- und Steinerstraße — Ennsfluss — Fischhub — Ennsleite — Neuschönau. In diesem Raum gab es schon im Mittelalter über zwei Dutzend größere und kleinere Bauernhöfe, von denen einige heute noch bestehen. Hier seien nur genannt: Schlüsselhof (Schlüsselhofstraße), Taschlriedgut (Posthof), Stadlhof (Stadlmayrgut, Wolfernstraße), Wieshof (Wieserfeldplatz), Waschhof (Sierninger Straße), Stieglhof (Neulust), Quenghof (Aschacher Straße), Schwarzhof (Leopold-Werndl-Straße). Innerhalb des Burgfrieds der Stadt bestand ein solcher der Herrschaft Steyr rings um die Burg. Über dessen Ausdehnung zur damaligen Zeit fehlen aber nähere Angaben.

23 In Burgfriedsangelegenheiten kam es später mehrmals zu Auseinandersetzungen mit benachbarten Grundherrschaften, so 1584 mit dem Kloster Garsten, 1606 und 1678 mit der Herrschaft Steyr. Richter und Rat Inhaber der städtischen Gewalt war ursprünglich die gesamte Bürgerschaft (die universitas civium). Sie trat als Gesamtheit nur bei besonderen Anlässen (Kriegsgefahr, Ratswahlen und dgl.) in Erscheinung. Die Zunahme der Verwaltungsgeschäfte erforderte aber zu deren Durchführung eine eigene, aus mehreren tauglichen Bürgern bestehende Körperschaft, aus der sich in der Folgezeit der aus sechs Mitgliedern bestehende innere oder alte Rat entwickelte. Als sich das Stadtwesen vergrößerte, wurden weitere Bürger, die „Genannten“, zur Teilnahme an der Verwaltung herangezogen, die später den äußeren oder jungen Rat bildeten. In Steyr finden wir jedoch neben dem inneren und dem äußeren Rat noch im 17. Jahrhundert die „Genannten“ in der Stadtverwaltung. Die Wahl der Ratsmitglieder wurde im Spätmittelalter am Sonntag vor dem St.-Thomas-Tag durchgeführt. Im 16. Jahrhundert wählten in den neuen Rat der Bürgermeister und der abtretende Rat sechs Mitglieder aus den Genannten, Richter und Bürgerschaft ebenfalls sechs Bürger aus den zwölf alten Ratsherren. An der Spitze des städtischen Gerichts- und Verwaltungsbezirkes stand als Vertreter des Landesfürsten der Stadtrichter. Ein solcher wird in Steyr schon um 1180 erwähnt (Ulricus iudex de Styria). Nach dem Privilegium vom Jahre 1287 konnte die Bürgerschaft selbst den Richter wählen. Bis zum Jahre 1523 war er, von wenigen Ausnahmefällen abgesehen, nur zur Ausübung der niederen Gerichtsbarkeit berechtigt. Die hohe Gerichtsbarkeit (Blutgerichtsbarkeit, Blutbann) oblag dem Landrichter (Waldbot). Die Landgerichtsbarkeit besaß aber auch die landesfürstliche Herrschaft Steyr, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in die Landgerichte Hall und Steyr geteilt wurde. Ein Privilegium Herzog Albrechts vom Jahre 1378 hob die Jurisdiktion des Burggrafen oder Pflegers der Herrschaft Steyr über die Stadt auf. Trotzdem dauerte es noch viele Jahre, bis in dieser Hinsicht eine Verständigung zwischen Burg und Stadt erzielt werden konnte. Im genannten Jahre verfügte

24 auch der Landesfürst, dass der Hauptmann im Lande ob der Enns die Bürger von Steyr nicht vor sein Gericht fordern dürfe. Die Richterwahl, die der Wahl des Rates folgte, ging in der Weise vor sich, dass in Anwesenheit des Stadtschreibers jeder Bürger nach dem für das Richteramt tüchtigsten Ratsmitglied befragt wurde. Wer die höchste Stimmenzahl erreichte, war Stadtrichter. Im 15. Jahrhundert wurde das Richteramt einige Male ohne Wahl vergeben. Thomas der Lueger erhielt es 1406 vom Landesfürsten um jährlich 150 Gulden in Bestand (Pacht), ebenso Wolfgang Wiener im Jahre 1440. Die privilegierte Eisenniederlagsstadt Im 13. Jahrhundert erfuhr die Eisenproduktion durch technische Neuerungen eine wesentliche Steigerung. Schon vor dem Jahr 1205 wurde dem „Rennfeuer“ die Luft durch einen Blasbalg zugeführt. Um 1250 betrieben Wasserräder das Gebläse. Der unrentable „Rennofen“ wurde zum „Blähhaus“ und der „Eisenbauer“ zum „Radmeister“. Durch die Lage des Erzberges an der Wasserscheide zwischen Enns und Mur erfolgte vermutlich schon damals seine Ausbeutung im Südosten durch Vordernberg und im Nordosten durch Eisenerz, dessen weitausholender Industriebezirk früher die Bezeichnung „Inner- oder Hinterberg“ führte. Wurde das gewonnene Roheisen bisher im Blähhaus ausgeschmiedet, so finden wir gegen Ende des Jahrhunderts, bedingt durch den steigenden Holzmangel im Gebiet des Innerberges, bereits einige Hammerwerke an der Enns unter der Herrschaft Admont. Der Handel mit dem begehrten Innerberger Eisen lag im 13. Jahrhundert nicht ausschließlich in den Händen der Steyrer Kaufleute. Unter Leopold VI. besaß der Markt Aschbach das Eisenniederlagsrecht und die dem Bischof von Freising untertänige Stadt Waidhofen an der Ybbs bezog, wie es 1266 heißt, „seit alters“ Eisen aus dem Innerberg. Steyr, das auf Grund seiner alten Tradition das Eisenmonopol anstrebte, suchte sich von der Konkurrenz der beiden niederösterreichischen Orte freizumachen. Während sich Aschbach bald aus dem Streit zurückzog, kämpfte Waidhofen auch weiterhin um sein Eisenbezugsrecht. Mit dem im Jahre 1287 gewährten Stapelrecht wurde Steyr zur lan-

25 desfürstlich privilegierten Niederlagsstadt für das Innerberger Eisen erhoben. Auf diese bevorzugte Stellung der Stadt im österreichischen Eisenwesen haben die Landesfürsten wiederholt hingewiesen. Im Jahre 1360 befahl Herzog Rudolf IV., das Eisen aus dem Innerberg zur Maut nach Steyr zu bringen. 1371 untersagte der Landesfürst den Eisenbezug aus Böhmen und Bayern und gestattete den Bürgern von Waidhofen nur für die eigene Eisenverarbeitung den Ankauf des hierzu notwendigen Materials in Leoben und Vordernberg. Auch den Kirchdorfern wurde der Eisenbezug über den Pyhrn eingestellt und die Benützung der vom Abt zu Admont angelegten Straße über die Mendling zur oberen Ybbs verboten. Seit 1384 mussten Weyer und Waidhofen das zur Verarbeitung aus den Hammerwerken bezogene Eisen zuerst in Steyr durch drei Tage feilbieten. Nachdem Waidhofen seine Eisenbezugsrechte nicht aufgeben wollte und nebenbei einen schwunghaften Handel mit Venediger Waren unterhielt, entbrannte zwischen beiden Städten ein hartnäckiger Handelskrieg, der erst durch einen Schiedsspruch Kaiser Maximilians I. im Jahre 1501 zugunsten der Steyrer Bürgergemeinde entschieden wurde. Das von den Radmeistern produzierte Roheisen verarbeiteten die Hammermeister zu Weicheisen und verschiedenen Stahlsorten (Vorderkern-, Roh- und Mittelstahl). Im Mittelalter vollzog sich der Eisenbezug durch die Steyrer Eisenhändler wahrscheinlich in der Weise, dass die Hammermeister das auf Flößen nach Steyr verfrachtete Eisen den Bürgern drei Tage lang zum Kaufe anbieten mussten. Später deckten die Eisenhändler ihren Bedarf meist monatlich bei den Hammerwerken gegen Barzahlung. Schließlich kam es zum Abschluss von Lieferungsverträgen, worin sich die Eisenhändler zu einer Vorschusszahlung, die Hammermeister zur Lieferung einer bestimmten Eisen- und Stahlmenge verpflichteten. Die Steyrer verlegten auch Radwerke und trugen Sorge, dass die von ihnen bevorzugten Hammermeister mit genügend Roheisen versehen waren. Dieser Zustand bewirkte auf die Dauer nicht nur eine ungleichmäßige Beschäftigung in der Eisenproduktion, sondern machte auch Rad- und Hammermeister von ihren Verlegern völlig abhängig, weshalb landesfürstliche „Eisenordnungen“ ein geregeltes Verhältnis der „drei Glieder“ (Radmeister, Hammermeister, Steyrer Eisenhändler) herbeizuführen suchten. In Steyr verdrängte allmählich eine Minderheit wohlhabender Eisenherren die ärmeren Eisenhändler.

26 Es wurde daher schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts der Wunsch laut, dass die Stadtobrigkeit die Führung im Eisenhandel übernehmen möge. Der Handel mit Roheisen und Stahl war der ergiebigste Erwerbszweig der Steyrer Bürger, die zudem noch zeitweilig die landesfürstliche Eisenmaut gepachtet hatten. Sie verlegten auch die in Steyr erzeugten Eisenwaren, wie Messer- und Säbelklingen, Nägel, Sensen, Sicheln und dgl. Die Versorgung der Heimischen Eisenindustrie mit Rohstoffen Die Belieferung der zahlreichen städtischen Werkstätten mit Weicheisen und Stahl besorgte der Kleinhandel, „Detailwerk“ genannt. In der Folgezeit wurde hierfür die vom Magistrat überwachte „Pfundauswaage“ eingerichtet. Zeitweise war diese Versorgung recht mangelhaft, da die Art des Verkaufes den Eisenhändlern zu wenig Gewinn einbrachte. Die Meister klagten häufig über minderwertige Ware oder zu geringe Anlieferung. Zwischen Verlegern und Handwerkern wurden Lieferungsverträge abgeschlossen, wonach der Eisenhändler dem Handwerker das Rohmaterial beistellte und die abgelieferten Erzeugnisse pro Stück bezahlte. Die Versorgung der ober- und niederösterreichischen Industriegebiete mit den genannten Rohstoffen vollzog sich hauptsächlich über die Städte Enns, Linz, Wels, Freistadt, Krems und Wien. In diesen Städten, die auch im Fernhandel eine wichtige Rolle spielten und im Eisenpatent vom Jahre 1544 als landesfürstlich privilegierte Legorte bezeichnet werden, verkauften die Steyrer Eisenhändler das Rohmaterial direkt an die Verbraucher. Die Kaufleute der Legorte hingegen mussten das Eisen in Steyr beziehen. Bestimmte Gebiete, soweit sie im Bereiche der Widmungsbezirke lagen, wurden außerdem noch mit den „Proviantsorten“ beliefert. Die Bevölkerung im Raume des Erzberges produzierte anfangs selbst die unentbehrlichsten Lebensmittel. Als sie aber durch den Aufstieg des Eisenwesens immer mehr zunahm, mussten Lebensmittel aus den angrenzenden Gebieten, den „Widmungsbezirken“ eingeführt werden. Im Jahre 1490 verlangte eine kaiserliche Verordnung von den Bewohnern des unteren Ennstales, des Ybbs-, Erlauf- und Murtales die Ablieferung überschüssiger Lebensmittel (Getreide, Brot, Mehl, Speck, Schmalz, Vieh, Unschlitt) nach Eisenerz und Vordernberg. Die hervorragendsten Proviantmärkte waren

27 Scheibbs, Gresten, Purgstall und Waidhofen. Auch Steyr und Windischgarsten waren an dieser Lebensmittelversorgung beteiligt. Die Grenzen der Widmungsbezirke wurden mehrmals neu festgelegt. Die Provianthändler übernahmen von den Radmeistern als Rückfracht bestimmte Eisensorten („Proviantsorten“, z.B. Graglach und anderes Abfalleisen), die in den Schmieden der Widmungsbezirke verarbeitet wurden. Der Fernhandel Das günstigste Absatzgebiet für Innerberger Eisen und Stahl war Deutschland. Bereits 1287 hatten die Steyrer Zollermäßigungen in Regensburg. Handelsleute aus dieser Stadt sowie aus Passau, Ulm, Augsburg, Nürnberg und Frankfurt am Main fanden sich schon im Mittelalter in Steyr zum Eisenankauf ein. Besondere Bedeutung für unsere Stadt hatten die seit dem 15. Jahrhundert aufstrebenden Linzer Jahrmärkte (Ostermarkt, BartholomäiMarkt), da hier ein Großteil des Eisens an die oberdeutschen Städte verhandelt wurde. Die Kaufleute dieser Städte, in Nürnberg waren sie im Verband der „Steyrer Eisenhändler“ vereinigt, leiteten es weiter nach Nord- undWestdeutschland (Sachsen, Brandenburg, Preußen, Lübeck, Hamburg, Bremen), nach Frankreich und über die Hafenstädte Westeuropas nach Britannien und Spanien. Neben Scharsachstahl und Weicheisen wurden auch Erzeugnisse des heimischen Handwerks, hauptsächlich Klingen und Kleinwaren ins Reich geliefert. Diesem Export kam aber mindere Bedeutung zu. Die Eisenlieferungen in die nördlichen und östlichen europäischen Absatzgebiete gingen über die Städte Freistadt, Krems und Wien. Freistädter Kaufleute übernahmen das Roheisen und die Eisenwaren in Steyr und belieferten damit West- und Südböhmen, Meißen und die Lausitz. Eine Hauptabsatzstelle war Krems an der Donau, wo manchmal jährlich 20.000 Zentner Rohstoffe und Fertigwaren zum Verkauf kamen. Die Kremser Eisenhändler, die „sichersten Stützen“ des Steyrer Eisenhandels, vermittelten den Handel nach Böhmen, Mähren, Schlesien, Polen und Russland. In die polnischen Gebiete lieferte man, vorzugsweise im 16. Jahrhundert, große Mengen von Sicheln und Sensen, Messer- und Kleinwaren. Die Handelsbeziehungen zu Ungarn und damit zu den südöstlichen

28 Ländern Europas und zu Kleinasien stellte Wien her. Hier verkauften die Steyrer Verleger hauptsächlich Messer und Eisengschmeid. Der Absatz von Innerberger Eisen war hier nicht beträchtlich. Ging der Eisenhandel in die reichsdeutschen Gebiete, nach Nord- und Osteuropa vornehmlich durch die Vermittlung fremder Kaufleute („Gegenhändler“) vor sich, so lag der Handel mit Venedig gänzlich in den Händen der Steyrer Eisenhändler. Neben kleinem Eisengschmeid gelangten in der Hauptsache Klingenerzeugnisse nach Italien. Wie den Kaufleuten aus Deutschland standen in Venedig auch den Steyrer Handelsherren im Fondaco dei tedeschi am Kanal Grande eigene Räume („Kammern“) zur Abwicklung der Handelsgeschäfte zur Verfügung, wofür sie der venetianischen Regierung eine Miete zu entrichten hatten. Mannigfaltig waren die aus Venedig importierten Waren. In den Steyrer Archivalien werden genannt: Samt, Seide, Baumwolle, Öl, Seife, Glas, Pfeffer, Süßwein, Feigen, Mandeln, Weinbeeren, Seefische, Johannesbrot, Maroni, Oliven, Zitronen, Orangen und vieles andere. Im Handel mit Venedig, der durch die Erwerbung Kärntens (1335) mächtig gefördert wurde, nahm Steyr unter den landesfürstlichen Städten im Lande ob der Enns die führende Stelle ein. Das Handwerk Mit der Entwicklung des Handels vollzog sich gleichzeitig der Aufstieg des Handwerks, dessen früheste Geschichte nur spärlich mit urkundlichen Nachrichten belegt werden kann. Die günstigen Lebensbedingungen in den Städten förderten die Einwanderung von Handwerkern aus der Umgebung. Ursprünglich konnte in der Stadt jeder ungehindert sein Handwerk ausüben, doch nur so lange, bis die Zahl der Handwerker zur Deckung des Bedarfes erreicht war. Die schon ansässigen Gewerbetreibenden, die die Gefahr einer unliebsamen Konkurrenz abzuwehren suchten, waren eifrigst darauf bedacht, den Zuzug fremder Handwerker in ihre Stadt zu verhindern. Dass sich dadurch von selbst der Zusammenschluss gleichartiger Handwerker zu Handwerksverbänden (Zechen, Innungen) ergab, kann man, obwohl deren Ursprung noch ungeklärt ist, jedenfalls annehmen. Weitere Umstände, die eine sol-

29 che Vereinigung begünstigten, waren vermutlich Selbstverwaltungsbestrebungen und die große Kluft zwischen den ärmeren Handwerkern und den reichen Erbbürgern. Neben Konkurrenz und Standesunterschied waren auch religiöse und soziale Erwägungen für den Zusammenschluss der Handwerker maßgebend. Zwei Grundtypen treten uns hier entgegen: die Bruderschaften mit ihren religiös-kirchlichen Zielen und die Zechen, die entweder Bruderschaften oder ausgesprochene Standesorganisationen sein konnten. Schließlich gab es um 1500 fast keine wirtschaftliche Standesgruppe, die nicht in irgendeiner Weise, sei es durch einen Gottesdienst oder durch die Beteiligung am Fronleichnamsfest die Zugehörigkeit zur Kirche bezeugt hätte. Im 13. und 14. Jahrhundert standen die Landesfürsten den Handwerksverbänden nicht wohlwollend gegenüber, da sie in deren Eigenmächtigkeit eine Schädigung der übrigen städtischen Belange erblickten. In Steyr war 1435 den Zechen eine Versammlung nur auf dem Rathaus in Gegenwart von zwei Ratsmitgliedern gestattet. Doch der mächtige genossenschaftliche Zug unter den Handwerkern in den österreichischen Städten war nicht aufzuhalten. Fast jedes Handwerk suchte sich die rechtliche Grundlage durch eine von der Obrigkeit verliehene Handwerksordnung zu verschaffen. Die Aufrichtung einer solchen erbaten sich die Meister zur Abstellung von allerlei Missständen und zur „Pflanzung guter Mannszucht“. Die Handwerksfreiheiten gliedern sich in drei Hauptabschnitte: Lehrling, Geselle und Meister. Daneben enthalten sie Bestimmungen über die Wahl der Zech-, Für- und Beschaumeister, die Verwaltung von Geldbüchse und Lade, über den Jahrtag und andere Handwerksangelegenheiten. Die ältesten Nachrichten über das Steyrer Handwerk beziehen sich auf die Eisenverarbeitung und auf Gewerbetreibende, die Lebensmittel, Bekleidung und Gegenstände des täglichen Bedarfs den Stadtbewohnern zu liefern hatten. Das große Privilegium enthält die Bewilligung zur Errichtung von Fleischbänken, und in den landesfürstlichen Urbaren aus dem 13. und 14. Jahrhundert lesen wir von der Mühle unterhalb der Burg, von Fischern, Schneidern, Schustern und Webern. In Ennsdorf bestand um 1302 eine Hafnerwerkstätte. Im 14. Jahrhundert machte die Spezialisierung auf dem Gebiet der

30 Eisenverarbeitung rasche Fortschritte. 1367 berichtet eine Kremsmünsterer Urkunde von einem Harnischmacher in Steyr, 1373 erhielten die im Burgfried der Stadt, in der Raming und in Dambach arbeitenden Klingenschmiede vom Landesfürsten ihre Handwerksordnung. Den Messerern bestätigte Herzog Ernst zwischen 1407 und 1411 alle Privilegien, die die Herzoge Wilhelm und Albrecht schon früher den Meistern des Steyrer Messerer-Handwerks erteilt hatten. Neben dem Handwerk der Messerer gab es 1401 in Steyr eine Schmiedezeche und 1419 eine Zeche der Grobschmiede, 1427 wurden die Schlosser mit einer Handwerksordnung begabt. Die vielverzweigte Eisenindustrie breitete sich, die Wasserkräfte der Steyr ausnützend, hauptsächlich in Steyrdorf und Aichet aus. Am mächtigsten entfaltete sich die Messer-Erzeugung, die die Klingenschmiede, Schleifer und die Messerer umfasste. Die Herstellung eines Messers vollzog sich seit dem 15. Jahrhundert in der Weise, dass der Klingenschmied die Rohklinge schmiedete, der Schleifer ihr die „Schneid“ gab und der Messerer aus Buchsbaumholz, Messing oder Bein die Schale dazu anfertigte. Diese Arbeit verrichteten auch Lohnarbeiter, die Schrater oder Schalenmacher. Das tägliche Arbeitsquantum der Klingenschmiede war im Allgemeinen mit ein bis drei Schwertern oder 20 bis 40 Stück kleineren Klingen festgesetzt. Mit großer Sorgfalt wurde das Rohmaterial, der Stahl, ausgesucht, der „recht gegärbt, nicht rauh oder grob gezaint“ seinmusste. Sorgfältig war aber auch die Ausführung der Messerwaren. Die mit dem Zeichen der Steyrer Messerer, dem Bindenschild-Wappen, geschlagenen Erzeugnisse waren in aller Welt begehrt. Das Handwerkszeichen der Messerer bildete die Krone mit den drei Schwertern. Dieses Symbol führten nicht nur die österreichischen Werkstätten, es war im gesamten Römischen Reich Deutscher Nation verbreitet. Seit dem Jahre 1470 waren die Messerer-Innungen von Steyr, Wien, St. Pölten, Waidhofen, Wels und Krems in einem großen Zunftverband vereinigt, dessen Mittelpunkt („Hauptmesserwerkstätte“) Steyr war. „Unserer lieben Frauen-Zeche“ der Messerer, die allein das Recht besaß, ihre Zech- und Fürmeisterwahlen im Rathaus abzuhalten, überragte alle anderen Handwerksverbände der Stadt. Im Jahre 1447 erhielt die Dreifaltigkeitsze-

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