Josef Ofner - Die Eisenstadt Steyr

79 In den Sitzungen wurden die laufenden Stadt- und Bürgerangelegen- heiten (Stipendien- und Bürgerrechtsverleihungen, Aufnahmen in die städti- schen Armenhäuser, Erbschaften, Haus- und Grundbesitz, Verwaltung der Stadtämter, Steuern, Ein- und Ausquartierungen von Soldaten, Handwerks- versammlungen) behandelt und die Beschlüsse zu Protokoll gebracht. Diese Niederschriften (Ratsprotokolle) sind in Steyr mit wenigen Ausnahmen seit dem Jahre 1569 vorhanden. Geheime Vorkommnisse wurden nur im inneren Rat behandelt. Das Kaiserliche Stadtgericht Seit dem Jahre 1523 übte der Stadtrichter zu Steyr auch die Blutge- richtsbarkeit aus. Nach seiner Wahl musste er beim Landesfürsten den „Bann- und Achtbrief“ einholen, was für die Stadt jedes Mal mit beträcht- lichen Unkosten verbunden war (zum Beispiel 268 fl. 41 kr. im Jahre 1724). Bei den Gerichtsverhandlungen führte der Richter den Vorsitz. Das Ur- teil fällten die Beisitzer (Ratsmitglieder, Genannte). Durch Abstimmung (die „Umfrag“) wurde das vomRichter vorgeschlagene Urteil entweder angenom- men oder abgelehnt. Die gesetzlichen Grundlagen für die Bemessung der Strafe bildeten die Halsgerichtsordnung Karls V. sowie die Landgerichtsordnung für das Land ob der Enns vom Jahre 1675. Die Verkündigung und Vollziehung des Rechtsspru- ches erfolgten durch den Richter. Während der Gerichtssitzung, die in früheren Jahrhunderten in der Stadt alle vierzehn Tage an einem Freitag, in Steyr- und Ennsdorf an einem Samstag stattfand, hielt der Richter den Bannstab („Szepter“, Gerichts- stab) in der Hand. Bei der Urteilsverkündung nahm er ihn in seine Rechte, während er das in der Scheide verwahrte Richterschwert neben sich auf dem Tisch liegen hatte. Das heute im Steyrer Heimathaus verwahrte Stadtrichterschwert (130 Zentimeter lang) wird als das schönste in Oberösterreich bezeichnet. Vom Stadtrichter wurde u. a. verlangt, dass er der Öffentlichkeit ein gutes Beispiel gebe und „sich mehr der Güte als der Schärf und Streng“ befleiße. Als Entschädigung für seine Dienste erhielt er 1689 aus den

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