Die kurbayerische und österreichische Landesdefension von 1702 bis 1704 zwischen Donau und Hausruck

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„Mit sovil Seufzen und Trenen des Unterthans“ Die kurbayerische und österreichische Landesdefension von 1702 bis 1704 zwischen Donau und Hausruck © Dr. Werner Robl, Berching, und Christian Steingruber, Linz, Version März 2016 3

Titelbild: Das historisch gewachsene Innviertel auf der Landtafel Philipp Apians von 1569, der Sauwald rechts oben. Titelzitat aus der Hoheneck’schen Relation. 4

Werner Robl: Der bayerisch-deutsche Krieg Kurbayern im Konflikt mit dem Erzherzogtum Österreich Mit dem Überfall auf die Reichsstädte Ulm, Memmingen, Lauingen und Dillingen im Herbst 1702 trat das Kurfürstentum Bayern unter dem Wittelsbachischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel, kurz Max Emanuel, aktiv in den Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) ein. Vorausgegangen war ein jahrelanges Lavieren des Landesherrn auf dem diplomatischen Parkett, wobei er durch gegenseitiges Ausverhandeln der Großmächte Österreich und Frankreich versuchte, seiner Familie eine Rangerhöhung und seinem Land die territoriale Aufwertung zum Königreich zu verschaffen. Nachdem sich seine begründete Hoffnung, über seinen Sohn Joseph Ferdinand die frei gewordene spanische Königskrone zu erlangen, mit dessen plötzlichem Tod zerschlagen hatte, und dabei das österreichische Kaiserhaus sogar in den Verdacht der Mitwirkung geraten war, ging Max Emanuel schließlich bei großzügigen Zugeständnissen des französischen Königs Ludwigs XIV. ein Bündnis mit Frankreich ein - wohl wissend, dass dies kurzfristig zum Aufrüsten und zum Krieg an mehreren Fronten führen würde. Ludwig XIV. hatte inzwischen die spanische Krone für seinen Enkel Philipp von Anjou beansprucht, was ihm von den österreichischen Habsburgern unter Kaiser Leopold I. streitig gemacht wurde. Daraufhin bot der französische König im Gegenzug Max Emanuel für seine Mithilfe bei der Durchsetzung der 5 Kurfürst Maximilian II. Emanuel, Gemälde von 1710, Ausschnitt.

französischen Interessen militärischen Beistand gegen Österreich an und stellte ihm im Falle des Sieges die Königskrone von Bayern in Aussicht. Wenig später stand die neue Allianz zwischen Frankreich, Savoyen, Kurbayern und Kurköln gegen das Erzherzogtum Österreich, das sich mit den reichsfreien Ständen von Preußen, Sachsen und Franken und den Mächten England und Niederlande verbündet hatte. 6 Das Erzherzogtums Österreich nach Nicolas Visscher, Karte von 1702: Zur Linken hell Kurbayern beiderseits des Inns, das bayerische Innviertel östlich des Inns. Zur Rechten farbig die oberösterreichischen Viertel. Das Phänomen, dass die Grenze nicht den Flüssen, sondern den Wasserscheiden zwischen den Flüssen folgt, findet sich auf mehreren frühneuzeitlichen Karten, ist aber insofern nicht korrekt, als schon seit Trennung der Herzogtümer und der Gründung der Grafschaft Schauenburg unter Friedrich Barbarossa im 12. Jahrhundert die Ostgrenze des Herzogtums Bayern dem Oberlauf der Pram folgte, wie nachfolgend geschildert.

In den Jahren zwischen 1702 und 1704 kam es zum Aufeinandertreffen dieser Mächte im sogenannten bayerisch-deutschen Krieg, der dem Ausscheren Kurbayerns aus dem Reichsverband folgte. Mit dem Auftakt der Kampfhandlungen im Westen Kurbayerns haben wir uns bereits andernorts befasst.1 Im Folgenden schildern wir den Ablauf des Kriegs an der Ostgrenze Bayerns summarisch2 und beschäftigen uns anschließend ausführlicher mit den kurbayerischen und österreichischen Verteidigungsanlagen, mit ihrer Lage, Funktion und Bedeutung. Der Kriegsverlauf im Südosten Kurbayerns Am 6. Dezember 1702 besetzten zunächst die kaiserlichen Truppen unter Oberstleutnant Peter Ernst d'Albon vom oberösterreichischen Peuerbach aus die Hochstiftstadt Passau, am 4. Januar 1703 auch den Nachbarort Neuburg am Inn, weil man hier die gefährlichste Einfallpforte der Kurbayern nach Österreich vermutete. Der bayerische Kurfürst Max Emanuel revanchierte sich umgehend mit der Einnahme der reichsunmittelbaren Grafschaft Ortenburg und des passauischen Marktes Obernberg am Inn, am 8. und 9. Januar 1703. Zu einer Zeit, als nach ungewöhnlich hartem Winter überall noch reichlich Schnee lag, und auf kurbayerischer Seite die Verschanzungen der Inn-Übergänge Schärding und Braunau gerade erst vollendet worden waren, erfolgte von zwei Seiten gleichzeitig der Angriff der kaiserlichen Armee auf Kurbayern. Dieser Tag ist exakt auf den 2. März 1703 festzulegen. Keine Frage, dass man sich bei diesem großräumigen Zangenangriff entsprechend abgesprochen hatte. In der eichstättischen Hochstiftstadt Greding setzte an diesem Tag Generalfeldmarschall Herrmann Otto Graf zu Limburg-Styrum ein kaiserliches Heeresaufgebot in Gang, das durch die Truppen des fränkischen Kreises verstärkt worden war. Ca. 7000 Soldaten rückten über die verschneiten Jurahöhen in Richtung Dietfurt an der Altmühl vor, wobei es zur ersten Feindberührung kam. Zwei Tage später schloss die kaiserliche Armee beim kurbayerischen Grenzdorf 1 Vgl. W. Robl: Die Schlacht von Mallerstetten am 4. März 1703 – Erste kurbayerische Feldschlacht im Spanischen Erbfolgekrieg, die Graf-Tilly'sche Landesdefension zwischen Sulz und Laber, Berching 2014, online: http://www.robl.de/mallerstetten/mallerstetten.html. 2 Ausführlicher hierzu neben diversen Geschichtswerken M. Hochedlinger: Oberösterreich im Spanischen Erbfolgekrieg 1702-1706, Heft 66 der Militärhistorischen Schriftenreihe des Heeresgeschichtlichen Instituts Wien, Wien 1993. Auch diverse Autoren in: „G'wunna hat z'letzt nur unseroans“, Der Bayerische Volksaufstand 1705/1706 im Spanischen Erbfolgekrieg, Ried 2015. 7

Mallerstetten Einheiten des Generals Moritz von Wolframsdorf auf einem Bergsporn ein, und in der dortigen Redoute fielen mehr als 500 Mann nach heroischem, aber aussichtslosem Kampf.3 Anschließend erfolgte der erfolgreiche Vorstoß der kaiserlichen Armee auf die Stadt Neumarkt in der Oberpfalz. Am selben 2. März 1703 nahm der Oberkommandierende im Erzherzogtum ob der Enns, Feldmarschall Leopold Anton Joseph Graf Schlick, von Wels aus mit einem Aufgebot von ca. 12000 Mann, das sich aus österreichischer Infanterie, sächsischer Kavallerie und dänischen Hilfstruppen zusammensetzte, die kurbayerischen Schanzen vor dem Grenzort Riedau ein und stieß ohne großen Widerstand auf den Ort Ried und anschließend auf die Festung Schärding vor. In der Zwischenzeit plünderten die Sachsen die Orte Zell, Raab und St. Willibald und schwärmten bis Taufkirchen aus. Noch ehe es vor Schärding am Inn zum Entscheidungskampf mit der bayerischen Besatzung unter General von Lützelburg kam, erfuhr Feldmarschall Schlick am 8. März 1703, das Kurfürst Max Emanuel mit 20000 Mann direkt auf Passau vorrücke. Hierauf ließ Schlick von Schärding ab, teilte sein Heer, schickte am 9. März Generalfeldwachtmeister Laurenz Victor Graf von Solari mit einer Vorhut von 2000 Mann nach Passau und rückte tags darauf selbst mit 10000 Mann nach. Der bayerische Vorstoß nach Passau war indes eine Finte, denn Kurfürst Max Emanuel wandte sich nicht nach Passau, sondern nach Schärding! Von dort aus überrumpelte er die ahnungslosen Rest-Einheiten der Schlick'schen Armee in Schardenberg und stellte am 11. März 1703 bei Eisenbirn unter starkem Schneefall ein feindliches Heeresaufgebot von ca. 10000 Mann - 4 sächsische Regimenter und etliche kaiserliche Schwadrone, welche einen großen Proviant3 Vgl. hierzu unsere zuvor genannte Arbeit zur Schlacht von Mallerstetten. 8 Feldmarschall Leopold Anton Joseph Graf von Schlick, SB Berlin, Portraitsammlung Hansen, Kriegsmänner, Bd. 3, Nr. 58.

und Ausrüstungszug bewachten. In der Schlacht von Eisenbirn kam es nach mehrstündig erbittertem Kampf zu einem glänzenden Sieg der Kurbayern. Bei den Kaiserlichen wurden die Verluste mit mehr als 250 Toten, vielen Verwundeten, über 300 Gefangenen und dem gesamten Nachschub von 100 Brotfuhren und 2000 Pferden beziffert, auf sächsischer Seite unterblieb dies, aber sicherlich fielen diese noch viel höher aus.4 In den kommenden Tagen nahmen die siegreichen Bayern auch noch den Ort Neuburg am Inn. Danach aber trafen im kurfürstlichen Hauptquartier beunruhigende Nachrichten über das Vorrücken der kaiserlichen Armee in der Oberpfalz ein. Max Emanuel verzichtete hierauf auf einen 4 Zur Schlacht bei Eisenbirn mehr bei A. Danzer: Spanischer Successions-Krieg, Feldzug 1703, in: Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, Serie 1, Bd. 5, Wien 1878, S.387ff. Auch R. Habermann: Die Friedenslinde von Eisenbirn, Schärding 1979, S. 35ff. 9 Die Friedenslinde in Eisenbirn von 1703. Die Schlacht von Eisenbirn, Kupferstich aus dem Imhoff'schen Bildersaal, Nürnberg 1710.

Angriff auf Passau und wandte sich am 19. März mit dem Gros seinen Truppen in Eilmärschen in die Oberpfalz, wo er am 28. März in der Schlacht von Schmidmühlen-Emhof einen weiteren Sieg über die Vorhut des Feldmarschalls von Limburg-Styrum errang. Feldmarschall von Schlick nutzte seinerseits das plötzliche militärische Vakuum am Inn, das durch den Abzug des Kurfürsten entstanden war, durchbrach mit 14700 Mann am 2. April die Verhaue von Neuburg und eroberte und brandschatzte zwei Tage später den Ort Vilshofen an der Donau, währenddessen der sächsische Oberkommandierende, General Schulenburg, über Riedau und Raab bis zum Innviertler Ort Taufkirchen vorrückte - unter Plünderung und Misshandlung der bayerischen Landbevölkerung. Der donauaufwärts gerichtete Vorstoß Schlicks veranlasste wiederum den bayerischen Kurfürsten zur Umkehr. Er ließ am 8. April 1703 trotz heftiger Proteste des „Immerwährenden Reichstags“ den strategisch wichtigen Donauübergang der freien Reichsstadt Regensburg besetzen. Nun griffen erstmals die Milizen der oberösterreichischen Landesdefension in den Kampf ein und attackierten unter dem Kommando des Reichsfreiherrn Johann Georg Adam von Hoheneck, der inzwischen zum Oberkommissär und Magazindirektor im Hausruckviertel ernannt worden war, vom befestigten Peuerbach aus die bayerischen Linien. Nachdem die Kurbayern aus ihren Stellungen zurückgedrängt worden waren, schwärmten in der Nacht vom 3. auf den 4. April 1703 2000 Schanzarbeiter des Freiherrn von Hoheneck nach Norden und Süden aus, um auf breiter Linie die erst jüngst errichteten Grenzbefestigungen der Kurbayern zu zerstören. Hierzu mehr später. 10 Reichsfreiherr Johann Georg Adam von Hoheneck, Kupferstich von F. L. Schmitner, 1748.

Wenig später kam es im Osten des Erzherzogtums unter dem Adeligen Franz II. Rákóczi zu einem für Wien bedrohlichen Aufstand der nordungarischen Kuruzzen, die in mehreren Einfällen Niederösterreich, das Burgenland und die Steiermark verheerten. Deshalb wurde im Juli 1703 Feldmarschall Schlick von Passau in den Osten des Erzherzogtums abberufen und Anfang Oktober zum Oberbefehlshaber der kaiserlichen Heere in Ungarn ernannt. An seine Stelle trat an der Grenze zu Kurbayern der dänische Generalfeldwachtmeister Christian Detlev Graf Reventlau. Rventlau gelang es, am 23. August mit seinem Kürassierregiment „Dittmarsch“ den Kurbayern Neuburg wieder zu entreißen. Vor Schärding und seiner Besatzung unter dem General von Tattenbach scheiterte allerdings der dänische General, wenngleich er dort großen Schaden durch Artilleriefeuer, Brandschatzung und Übergriffe auf die Zivilbevölkerung anrichtete. Ein Großteil der Schärdinger hatte sich ins benachbarte Kloster Suben geflüchtet und musste von dort aus den Attacken auf ihr Hab und Gut hilflos zusehen. Schon beim dänischen Durchmarsch zuvor waren die Landleute von Raab, Taufkirchen und Rainbach schwer in Mitleidenschaft gezogen worden; es war zu Plünderungen, Misshandlungen und Vergewaltigungen gekommen.5 Auf Reventlau folgte General Johann Franz Graf von Bronkhorst-Gronsfeld. Dieser General ließ vom 31. Oktober bis zum 10. November 1703 die inzwischen eingenommene und zerstörte Grenzredoute von St. Willibald erneut stark befestigen und weitere Schanzen an der Grenze zu Bayern neu anlegen. Zu einem erneuten Angriff des bayerischen Kurfürsten kam es indes in diesem Jahr 1703 nicht mehr, denn dieser hatte sich inzwischen mit seinen Truppen nach Tirol gewandt und dort am 20. Juni 1703 Kufstein, anschließend auch Wörgl, Rattenberg und Innsbruck erobert. Doch dann kam auch dieser Vorstoß ins Stocken: Im Juli mussten die bayerischen Truppen an der Pontlatzer Brücke im Oberinntal, wenig später auch am Brenner-Pass und bei Innsbruck Niederlagen einstecken und noch im Hochsommer erfolglos über Seefeld nach Bayern abziehen. Am 26. Juli war Tirol also wieder von der bayerischen Besatzung befreit – und der Einsatz des Kurfürsten vergebens gewesen! Erfolgreicher verlief für Kurbayern allerdings wenig später die erste Feldschlacht, die zusammen mit den Franzosen geschlagen wurde: Im Treffen von Höchstädt besiegte am 20. September 1703 eine französisch-bayerische Armee an der Donau etwa 17000 Soldaten der herangerückten kaiserlichen Truppen 5 Vgl. J. Klaffenböck: Die dänischen Truppen an der bayerisch-österreichischen Grenze 1703/04, in „G'wunna …“, a. a. O., S. 35. 11

unter von Limburg-Styrum, anschließend gelang den Kurbayern zusammen mit dem französischen Marschall Ferdinand de Marsin die Einnahme von Augsburg. Kurz nach der Jahreswende 1704 hatte sich die Kräfte auf kurbayerischer Seite wieder soweit gesammelt, dass Kurfürst Max Emanuel mit einer Streitmacht erneut nach Osten vorrücken und am 8. Januar Neuburg am Inn und am 9. Januar die Stadt Passau zur Übergabe zwingen konnte.6 Am 13. Januar 1704 räumten die entmutigten kaiserlichen Grenztruppen auch die Schanzen von St. Willibald und Riedau, welche Max Emanuel einnahm und umgehend schleifen ließ. In St. Willibald nahmen durch Brandschatzung nicht nur die österreichischen Blockhäuser Schaden, sondern auch alle Höfe und Privathäuser – mit Ausnahme der Kirche. Da die kaiserlich-dänische Streitmacht unter den Generälen von Gronsfeld und Trompp auch den Grenzwald Sallet bei St. Willibald verließ und kampflos nach Osten abzog, konnte der Kurfürst am 14. Januar ohne Widerstand in der österreichischen Festung Peuerbach einrücken und anschließend sogar eine Teileinheit über Waizenkirchen bis nach Eferding vorstoßen lassen. 6 Zur Eroberung von Passau vgl. auch G. Ratzenhofer: Spanischer Successions-Krieg, Feldzug 1704, in: Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, Serie 1, Bd. 6, Wien 1878, S. 316ff. 12 Die Eroberung Passaus, Kupferstich aus dem Imhoff'schen Bildersaal, Nürnberg 1710.

Wenige Tage später kam dieser erfolgreiche bayerische Vorstoß erneut zum Erliegen, weil von Westen her Nachrichten eintrafen, die eine sofortige Rückkehr des Kurfürsten nach Zentralbayern erzwangen. Ein kurzfristig verstärktes Aufgebot der Oberösterreicher rückte prompt in die entstandenen Freiräume nach, besetzte seinerseits die Landesgrenze und unternahm immer wieder Einfälle auf bayerisches Gebiet, was von Restbesatzungen auf der Gegenseite z. T. erwidert wurde. Der Krieg hatte sich also in der ersten Jahreshälfte 1704 mehr oder weniger in einen brutalen Stellungskrieg verwandelt, mit vielen Opfern auf beiden Seiten, aber ohne entscheidende Landgewinne. Je gesamtstrategisch bedeutungsloser die wechselseitigen Plünderungszüge waren, desto mehr kosteten sie Opfer auf beiden Seiten, nicht nur unter den Soldaten, sondern auch unter der Zivilbevölkerung. Ein Ende nahmen sie erst, als im Westen die vereinigte französisch-kurbayerische Armee von der vereinigten österreichisch-englischen Armee unter Prinz Eugen von Savoyen und John Churchill, Herzog von Marlborough, am 13. August 1704 vernichtend geschlagen wurde. Mehr als 25000 Verwundete und Tote auf beiden Seiten waren die Folge dieser kriegsentscheidenden 2. Schlacht von Höchstädt. 13 The Battle of Blenheim, Gemälde von John Wootton, um 1742.

Der Spanische Erbfolgekrieg ging an anderen Schauplätzen noch ein paar Jahre weiter, die bayerische Diversion war allerdings vorläufig beendet. Ganz Kurbayern fiel in die Hände des Kaisers, und Kurfürst Max Emanuel musste gedemütigt ins belgische Exil emigrieren. Im Jahr 1706 wurde über ihn und seinen Bruder Joseph Clemens, den Kölner Kurfürsten, auch noch die Reichsacht verhängt. Wie zuvor die bayerischen Truppen in Oberösterreich, so hausten jetzt die kaiserlichen Truppen in Kurbayern - mit Pogromen in Leoprechting, Taufkirchen, Schärding und vielen anderen Orten des Innviertels. Im Jahr 1705 folgte wegen der Unterdrückung jenseits des Inns ein großer Bauernaufstand aus dem bayerischen Ober- und Unterland heraus, der am Inn kurzfristig Erfolge zeigte und zur Rückeroberung von Braunau, Obernburg, Burghausen und Schärding führte. „Lieber bayerisch sterben als kaiserlich verderben“ hieß das damalige Losungswort. In harten Kämpfen wurde diese erste Revolution der Neuzeit um die Jahreswende 1705/06 brutal niedergeschlagen. Allein in der sog. Sendlinger Mordweihnacht fielen 1100 bayerische Widerständler. Erst unter Kaiser Karl VI. endete der Spanische Erbfolgekrieg, nachdem seine Vorgänger Leopold I. und Joseph I. bereits 1705 und 1711 verstorben waren. Am 6. und 7. März 1714 legten alle beteiligten Mächte Europas ihre Differenzen im Frieden von Rastatt bei. Kurbayern fiel mit den Rastätter Beschlüssen ab sofort wieder an den begnadigten Kurfürsten Max II. Emanuel. Das Kurfürstentum Bayern war damit dort angelangt, von wo es im Jahr 1702 aufgebrochen war: Sämtliche Opfer an Menschen und Material waren völlig umsonst gewesen. Soweit in aller Kürze zum „bayerisch-deutschen Krieg“. 14

Werner Robl: Die Verteidigungsmaßnahmen an der Innviertler Grenze Das kurbayerische Landesdefensionswerk von 1702 Im Herbst 1702 hatte der Kurfürst mehr aus psychologischer und wirtschaftlicher denn aus militärischer Erfordernis heraus die wehrfähige Umgrenzung seines Kurfürstentums angeordnet. Bei dieser kurbayerischen Landesdefensionslinie handelte sich um eine mehrere hundert Kilometer lange Linearverschanzung, unterbrochen von Pfeilschanzen und Redouten mit Blockhäusern, z. T. auch ergänzt durch komplexere Schanzanlagen und Waldverhaue. Die unendlich schwere Arbeit, das ganze Kurfürstentum zu umgrenzen, bewerkstelligten eilends ausgehobene, mit Hacken und Schaufeln bewehrte Schanzmannschaften, deren Arbeiter aus der Landbevölkerung, meist aus dem Bauernstand, kamen. Nur hin und wieder wurden diese zwangsrekrutierten Schanzer um militärische Einheiten ergänzt. Nach Fertigstellung sollten die neuen Linien mit neu aus der Zivilbevölkerung Bayerns ausgehobenen Landfahnen, d. h. mit Schützen und wehrfähigen Bauern besetzt werden. Bei frühzeitig hereinbrechendem Winter 1702 wurde den Schanzarbeitern eine physische Leistung abverlangt, die in dieser Zeit reiner Handarbeit gar nicht hoch genug veranschlagt werden kann. Nicht selten fanden die schlecht bezahlten und noch schlechter ernährten und bekleideten Schanzer den Tod, wie nebenstehende Mitteilung über ihre „Crepirung“ verrät. Wenn hier vom Aufgebot „des dritten Mannes“ die Rede ist, dann bedeutete dies nichts anderes, als dass zunächst jede dritte Feuerstelle, d. h. jeder dritte Haushalt, einen arbeitsfähigen Mann zum Schanzen abstellen musste, und die bei15 Aus C. Aquilinius alias Johann Jakob Hartmann: „Außführliche Historie Des jetzigen Bayrischen Kriegs“, Bd. 1, Cölln (i. e. Nürnberg) 1703, S. 190f.

den anderen Herdstellen dessen Funktion zuhause durch Mehrarbeit zu kompensieren hatten. Dass die entstehenden Schanzen schon zur Zeit der Erstellung nicht nur wegen der Menschenverluste, sondern auch in anderer Hinsicht Kritik fanden, schildert die Stellungnahme J. J. Hartmanns von 1703 ebenfalls. Wie unvollständig und anfällig, ja militärisch unsinnig die angestrebte Art der Linienverteidigung im Westabschnitt nördlich der Donau war, haben wir in einigen Arbeiten nachgewiesen, welche sich auch mit der Dokumentation der heute noch bestehenden Reste befassen.7 Der Meinung M. Hochedlingers, dass in Bayern die Landesdefension einen höheren Organisationsgrad als in den meisten Provinzen der Habsburger-Monarchie erreicht habe, stimmen wir aufgrund unserer Erfahrungen mit der Westgrenze - vor allem anlässlich der Schlacht bei Mallerstetten - nicht zu.8 Die bayerischen Landfahnen, die im Juli 1702 im Hinblick auf die zu verteidigende, lange Außengrenze den höchst unbefriedigenden Stand von nur ca. 4300 Mann erreicht hatten, waren nicht nur personell stark unterbesetzt, sondern auch miserabel ausgerüstet und ausgebildet. In realistischer Einschätzung ihrer aussichtslosen Lage an der Defensionsfront hatten obendrein die allermeisten Mitglieder im nachfolgenden Krieg keine Lust, dem Kurfürsten und seinen Generälen als Kanonenfutter zu dienen. Insofern war die Quote an Desertionen und Kapitulationen bei den Landfahnen erschreckend hoch. Erst am 30. Dezember 1702 - wegen des frühen Wintereinbruchs viel zu spät - entschloss sich der Kurfürst auf die zahlreichen Klagen hin zu einem Erlass über die ausreichende „Salarierung“ der Schanzmannschaften und Landfahnen.9 Dass das Geld je dort ankam, wo es hin sollte, bleibt zu bezweifeln. 7 Vgl. die weiter vorn erwähnte Arbeit über die Schlacht von Mallerstetten am 4. März 1703, dazu W. Robl: Die kurbayerische Landesdefensionslinie nördlich der Donau im Laser-Scan und Satellitenbild, Berching 2015, URI: http://www.robl.de/defensionslinie/defensionslinie.html. 8 Vgl. Hochedlinger, S. 22f. 9 Vgl. die Land-Verpflegungs-Ordonanz vom November 1702, in Anlage. 16 Titel eines Erlasses des Kurfürsten Max Emanuel vom November 1702.

Auch in das kurbayerische Innviertel waren im Herbst 1702 die entsprechenden kurfürstlichen Befehle zur Errichtung einer Linearverschanzung ergangen. Für eine Befestigung gegen das österreichische und Tiroler Gebiet hin war der kurbayerische Oberst Ludwig von Dockforth bestimmt worden, der am 30. Oktober 1702 nach einer Visitationsreise in München eine „Relation“ resp. seinen Bericht darüber abgab.10 Wenig später entstanden an der Grenze des Innviertels gegen das Hausruckviertel und das Land ob der Enns eine lange Kette von Grenzsicherungsanlagen - über die Ostgrenzen der Gemeinden Esternberg, St. Roman, Kopfing, Enzenkirchen, Raab, Zell an der Pram, Taiskirchen und Geiersberg, bis hin zum Nordkamm des Hausruck. Die Durchgangsrouten von Wien und Eferding nach Schärding wurden in den Grenzorten Geiersberg und St. Willibald mit ortsumgreifenden, palisadierten Schanzwerken besonders stark gesichert. Mit diesem kurbayerischen Defensionswerk im Innviertel ist jene Zick-Zack-Linie beschrieben, welche die nachfolgende Edangler-Mappa von 1705 zeigt. Mit diesen Schanzen wollen wir uns in der Folge schwerpunktmäßig beschäftigen. Die sonstigen Festlegungen des Obersten von Dockforth können wir dagegen übergehen, denn sie liegen weit außerhalb des hier interessierenden Abschnitts der kurbayerischen Defensionslinie.11 10 Vgl. den Bericht O. Kleemanns über die Dockforth'sche Relation, in O. Kleemann: Die Grenzbefestigungen im Kurfürsthenthume Bayern zur Zeit des spanischen Erbfolge-Krieges, in: Oberbayer. Archiv für Vaterländische Geschichte, Bd. 42, Jg. 1885, S. 312ff. 11 Dies betrifft z. B. die Befestigungsanlagen von Schärding, die nach Dockforth palisadiert, im Bereich des vorhandenen Schanzwerks repariert und mit 500 Mann Besatzung, neben 50 Reitern zum Patroullieren, belegt werden sollten. Dasselbe gilt für die weniger invasionsgefährdeten Waldberge des Hausruck und Kobernaußerwaldes, für die Schanzen an der Südgrenze des Innviertels, im Mattigtal und im Krenwald, bei Schloss Friedburg bis hin zur Salzach bei Wildshut, aber auch im Neuburger Wald jenseits des Inn, wo im Grenzgebiet Kurbayerns zum Hochstift Passau hin die wohl dichteste Besetzung an Schanzen, Palisadenwänden und Waldverhauen (das „Dickverhauene“) vorlag. Vgl. Kleemann, S. 308 und 313. 17

18 Ausschnitt aus der Karte Ferdinand Edanglers von 1705, die der weiter unten beschriebenen Relation des Freiherrn von Hoheneck beigelegt war. Die kurbayerische Defensionslinie zur Linken mit ihren Schanzwerken ist optisch hervorgehoben.

Die österreichische Landesdefension von 1702/04 Auch die österreichische Seite blieb nicht untätig: Mit Auftrag vom 14. Oktober 1702 unternahmen der Freiherr Franz David Engl von Wagrain und Matthias Ferdinand Castner von Siegmundslust auf Wolfsegg eine Grenzvisitation, bei der sie alle gegnerischen Maßnahmen auskundschafteten und den eigenen Handlungsbedarf, auch bezüglich der Versorgung und des Nachschubs, klärten. Hierauf wurden in Tollet, Peuerbach, Engelhartszell, Weidenholz, Erlach, Aistersheim, Wolfseck und Riedau Hauptprovianthäuser und Ausrüstungsstationen angelegt. Ende November 1702 schickte Wien zusätzlich den Obristleutnant Georg Pankraz Gückl von Weinbruch zur Organisation des Schanzenbaus. Ab dem 23. November 1702 erfolgte die Aushebung der Schanzmannschaften in den grenznahen Landgerichtsbezirken, wobei das Regime wegen der knappen Zeit noch härter ausfiel als auf kurbayerischer Seite: Ein Mann pro Feuerstätte oder Hof hatte mit entsprechenden Werkzeugen zur Schanzarbeit zu erscheinen!12 Für die Administration der ständischen Landesverteidigung wurden vier Proviantund Grenz-Oberkommissäre ernannt, darunter jener Genealoge namens Johann Georg Adam von Hoheneck, der bereits weiter oben vorgestellt wurde. Er hinterließ über seine Aktivitäten einen ausführlichen Bericht, die „Kommissions-Relation 1702 – 1705“, aus der wir im Folgenden immer wieder zitieren werden.13 Mit Hilfe dieser Männer ließen die Verordneten der obderennsischen Landstände in Linz an strategisch wichtigen Punkten die Grenze gegen Kurbayern ebenfalls mit Schanzen und Verhauen sichern. Dazu erließen sie am 23. November und 6. Dezember 1702 Patente über die Rekrutierung von Schanzarbeitern. Ursprünglich war eine ganze Kette von Grenzbefestigungen geplant, von Pöndorf im österreichisch-bayerisch-salzburgischen Dreiländereck, über Frankenburg, Wolfsegg, Geboltskirchen, Haag, Riedau, den Sallet-Wald nach Walleiten und St. Aegidi bis nach Engelhartszell.14 12 Vgl. Hochedlinger, S. 30f. 13 Vgl. Nachlass Seyrl., HS 1: Kommissions-Relation 1702-1705, von Georg Adam von Hochenegg (heute meist Hoheneck geschrieben). 14 Vgl. Hochedlinger, S. 31, wobei Hochedlinger in der Fußnote präzisiert, dass es sich überwiegend um Grenzverhaue, also nicht um Schanzwerke gehandelt habe. Inzwischen sind auch auf dem Südkamm des Hausrucks 2 österreichische Schanzwerke identifiziert, z. B. am sog. Tanzboden, an der Verbindungsstraße zwischen Eberschwang und Schwanenstadt, oder am Guggenberg, an der Verbindungsstraße zwischen Ried und Frankenburg/Vöcklamarkt. 19

Dieses Vorgehen wurde allerdings auf Veranlassung des Generalfeldwachtmeisters von Solari modifiziert. Von Solari entschied sich im Vergleich zur Gegenseite zu einem deutlich ökonomischeren Vorgehen: Zum einen verstand er es geschickt, natürliche Geländevorteile wie z. B. das Flüsschen Pram mit seinem Steilufer in die Defensionsplanung einzubeziehen, zum anderen deckte er im ganz südlichen wie im nördlichen Abschnitt weite Strecken durch Waldverhaue ab, die in Österreich auch „Verhack“ genannt wurden (z. B. im Sauwald und in der Sallet). Zum dritten entwickelte er an besonders invasionsgefährdeten Abschnitten ein in der Tiefe gestaffeltes System am Grenzwachen, die meist in den grenznahen Dörfern lagen und in der Edangler-Mappa an kleinen Mann-Symbolen erkenntlich sind. Diese „Postierungswachten“, die auf bayerischer Seite „Feldwachposten“ hießen, rekrutierten sich aus den Landes- und Scharfschützen des Hausruck- und Traunviertels. Es handelte sich immerhin um 744 Mann mit paramilitärischer Ausbildung und funktionsfähiger Schusswaffe.15 Den Bau von größeren Schanzwerken mit Palisadierung und ortsständigen Wachmannschaften beschränkte von Solari aber wegen des immensen Aufwands auf die strategisch bedeutsamen Durchgangsorte, wie z. B. Pram, Peuerbach, Neukirchen am Walde oder Schloss Erlach. Auch einzelne Durchgangsstraßen wurden mit Schanzwerken armiert. Dazu liest man in der Hoheneck’schen Relation: „Allein hat vorermelter Herr Graf Solar, nachdem schon die Gräniz und besichtiget/: denen wür auf Euer Gonst und Freundschafft von 12. Jannuary ad 1703 an uns erlassenen ordre von Engelzell bis Haag begleitet, spesiert und alle verlangte Außkhunfft gegeben/ solche Verschanzung eingestelt und hingegen nur die Märkht Neukhürchen am Waldt und Peurbach, das Schloß Erlach und Dorff Pramb, zu verpallisatieren, selbe mit regulierter Miliz zu besezen, und in underschiedlichen dazwischen auf der Gräniz gelegenen Dörffern Postierungswachten von ermelter Miliz aufzustekhen anbefolchen, welches alles auch nachgehendt solchergestalten verlangtermassen effectuiert worden …“16 Wie ausgeklügelt von Solari in Zusammenarbeit mit den Grenz-Kommissären vorging, wird sich an einem besonderen Beispiel zum Ende dieser Arbeit erweisen. 15 Vgl. A. Danzer: Spanischer Successions-Krieg, Feldzug 1703, in: Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, Serie 1, Bd. 5, Wien 1878, S. 382. 16 Vgl. Hoheneck, Relation. 20

21 Die Elemente der beiderseitigen Landesdefension im mittleren Abschnitt der Edangler-Mappa.

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Werner Robl: Der Grenzkrieg bei Riedau und St. Willibald Am 2. und 3. März 1703 rückte der kaiserliche Feldmarschall von Schlick mit ca. 12000 Mann aus dem Land ob der Enns über die Grenzfestung Riedau zum kurbayerischen Ort Ried vor. Die bayerischen Landfahnen an der Grenze leisteten angesichts der Übermacht keinen größeren Widerstand, ließen sich schlussendlich entwaffnen und wurden anschließend einfach nach Hause geschickt. Dasselbe galt für die Besatzung von Ried. Auch der Grenzort St. Willibald wurde besetzt, anschließend das Innviertel von plündernden Husaren durchstreift, wobei die benachbarten Kirchen von St. Willibald und Antlangkirchen (Filialen 23 Die Hauptschanzen des Kriegs von 1702/04, in der Edangler-Karte in unmittelbarer Nachbarschaft eingezeichnet, von uns optisch hervorgehoben: Unten die österreichische Festung Riedau mit Bastionen westlich der Pram, oben die kurbayerische Schanze St. Willibald, dazwischen eine Sternschanze in der bayerischen Grenzecke bei Habach. Die wichtigste kurbayerische Schanze bei Riedau, der „Bauer am Berg“, fehlt in dieser Darstellung.

des Klosters Suben am Inn) ihrer Paramente beraubt wurden.17 Es ist anzunehmen, dass die Österreicher auch die sonstigen bayerischen Redouten bei Riedau und St. Willibald von diesem Zeitpunkt an in ihrer Hand hatten.18 Als nach der verheerenden Niederlage vom Eisenbirn am 11. März 1703 die versprengten Resteinheiten der Sachsen ins österreichische Peuerbach flüchteten, dürften sie bei St. Willibald die Grenze ohne große Gefährdung passiert haben, zumal die bayerischen Kampftruppen von Westen her nicht nachsetzten. Der oberösterreichischen Zivilbevölkerung entstand allerdings durch die aufgereizten und ausgehungerten Sachsen, die gerade in eisiger Kälte ihre Haut gerettet hatten, genauso viel Bedrückung, als wenn der Feind selbst eingefallen wäre: Binnen kürzester Zeit war das zum Überleben wichtige Saatgetreide der Bauern vernichtet, viele Rinder fanden den Erfrierungstod! „Allein was die Bewachtungs Einrichtung nebst andernteillen Difficultäten gleich in ihren Anbeginn sehr schwer machte, wahr die Entziehung den 11. Marty vorübergangen unserseits unglicklichen Action zu Eisenbirn, und die flüchtig zurückkhommene Cavallerie/ welche sich aller Ohrten aigenmechtig einlogiert, und bey denen Underthanen auf Discretion (d. h. mit Willkür) lebte/ die übrige wenige Fueterey mehr verwüsst als consumierte, das Sambgetreaydt verfutterten, der Underthanen aigens Vich/ weillen sye sich der Ställ selber bedienet/ auf der Gassen alwers vor Hunger und Kelten crepiren muesste, hinaus jagten, den armen Underthanen aber in seinem Angsicht Küstten und Cästen mit Gewalt eröffnneten und das seinige abgenohmen, wesswegen der durch so villfältige Exaction (Machtmissbrauch) schwürig gemacht und fast zur Defension aufgebrachte Underthan nicht von Hauß zu bringen gewesen, noch thun solches der einquartierten Miliz völlig zuüberlassen, zuzumuthen wahren …“19 Kaum war Kurfürst Max Emanuel mit seiner Armee wieder außer Landes, stürmten die oberösterreichischen Landmilizen von Peuerbach her erneut die bayerische Linie. In der Nacht vom 3. auf den 4. April 1703 verließen unter dem Oberkommando des Freiherrn von Hoheneck 2000 mit Hauen, Hacken und Schaufeln versehene Schanzarbeiter ihre Quartiere in Peuerbach und Schloss Erlach bei Kallham und zerstörten - eingeteilt in 30 Trupps - unter entsprechender Schützendeckung die Grenzbefestigungen der kurbayerischen Defensionslinie. Dazu steht in der Hoheneck’schen Relation: 17 Vgl. Hochedlinger, S. 36. 18 Vgl. Kleemann, S. 314. 19 Vgl. Hoheneck, Relation. 24

„Die hohe Generalität unterdessen verlangte ein über das andermahl die Rasierung der überstigenen bayrischen Linie, und ungeachtet meiner öftern remonstration /das nehmlichen solche ohne genugsamber Bedeckhung der Arbeither unsererseits gefährlich … Mein Herr Concommissario und ich überlegten hierauf wie diese delicate Undernehmung anzugreiffen seye, und resolvirten solche durch eine große Anzahl Arbeither auf einmal zu bewürkhen, zu dem Endte wir von denen umbligendten Herrschaften proportione der Schüzen Stöllungen, 2000 mit Haun, Hacken, und Schauffeln versehene Arbeither auf den 3. April abends nacher Peuerbach und Erlach beschriben, solche mit Zurgebung einige zur Aufsicht bestelten Musquetieren und Schüzen in etlich und 30. Partheyen verthailt, nach Mitternacht aber den 4. Aprill in so vill underschiedlichen Ohrten an offt gedachte bayrische Linien anrückhen, und bey anbrechendtem Tag mit Einwerffung derselben zugleich den Anfang machen lassen, welches Undernehmen mit der Hülff Gottes auch solchergestalten reussirt, das ohne den geringsten Anstoss und ehe noch hiervon der Feindt zur Schärdting khaumb Kundschafft haben oder solches zu erwehren Anstalt machen können, disen Tag hindurch die maisten Redouten, Blockhäuser und Wachthütten eingerissen worden …“20 20 Vgl. Hoheneck, Relation. 25 Das Zerstörungswerk am 4. April 1703.

Es handelt sich exakt um die in der Edangler-Mappa eingezeichneten Schanzwerke, wie obenstehend abgebildet. Über die ganze Kette verteilt findet sich der Schriftzug: „Bayerische Linien, so den 4ten April rasiert worden.“ Die kurbayerische Defensionslinie im Innviertel hatte also als artialisches „Gesamtkunstwerk“ gerade 4 bis 5 Monate Bestand! Wie komplett die Zerstörungsaktion vom 4. April 1703 war, bleibt allerdings dahingestellt. Vermutlich beschränkte man sich wegen der knapp bemessenen Zeit auf die Zerstörung der hölzernen Aufbauten, Palisadenwände und Blockhäuser. Dass einige Erdwerke weiterbestanden, belegen vor allem die Großschanzen von Riedau, z. B. bei Wohlleiten und beim „Bauer am Berg“, welche nachweislich noch Anfang 1704 ihre militärische Funktion erfüllten ! Im Mai und Juni 1703 wurde in Oberösterreich zur Verstärkung der Landesverteidigung das Aufgebot des sog. „fünften Mannes“ ausgeschrieben, ca. 6000 Reservisten aus dem Traun- und Hausruckviertel wurden dem kommandierenden General an der oberösterreichischen Westfront unterstellt. Dies geschah vor allem deshalb, weil man zu dieser Zeit weiterhin eine breite und tiefe Invasion ins Erzherzogtums Österreich befürchtete, die jedoch zu keinem Zeitpunkt mehr stattfand, weder in diesem noch im folgenden Jahr. Die erneute Zwangsaushebung hatte gravierende Folgen für die bäuerliche Zivilbevölkerung, denn die Wirtschaftskraft litt durch den Einzug weiterer Arbeitskräfte schwer. Dieses Manko erweckte bei den betroffenen Landwirten einigen Unmut, den der Freiherr von Hoheneck durch eine wohnortnahe Stationierung der eingezogenen Kräfte zu entschärfen suchte: „…zu dem köndte nach gestilten Auflauff/ welches des Paurn natural am negsten khömt/ ieder gleich wieder zu Hauß seyn, dass Proviant leichtlich von dorthen erholt, alle vorige auf die leng denen herrschaften und Underthanen bey Aufbringung des fünnften Mann unerschwinglich scheinendte Vercosten aber erspart, die Gränizen mit einer Postierung von etlich Tausent Mann reguliert und exercierten Landtvolck besezt, und mithin das Landt gleichsamb mit einer lebendtigen Linia bedeckt werdten, den Vatterlandt aber/ außer denen waß zu Beyschaffung der Munition, Gewöhre und Solarierung der Herrn Officier vonnöth/ khein weithere Unkhosten aufgebürdtet würdte …“21 Die Rede war hier von einer „lebendigen Linie“, d. h. einer Defensionslinie, die nicht aus Schanzen, sondern aus Menschen bestand! 21 Vgl. Hoheneck, Relation. 26

Um deren Bezahlung und Verköstigung zu gewährleisten, wurden dem bayerischen Innviertel, das seiner militärischen Verteidigung entblößt war, besonders schwere Kontributionen abverlangt; Feldmarschall Schlick erschien dazu am 14. Juni 1703 persönlich in Riedau.22 Zum Eintreiben streiften Kavallerietrupps bis in die Gegend von Ried, plünderten dabei auch Schloss Wildenau. Dies ging bis zum Spätsommer 1703 so weiter. Auf den Kurbayern lastete der Druck so schwer, dass die Ortschaften am Ende sogar Selbsthilfetrupps aufboten, währenddessen sich die Kaiserlichen auf den lukrativeren Kirchendiebstahl verlegten, z. B. in Jebling, Taufkirchen, Rainbach und St. Jakob. Im Gegenzug kam es zu Revancheakten und Plünderungen seitens kurbayerischer Patrouillen. Am 26. Juli stürmten z. B. 400 bayerische Reiter die Kirche von Dorf an der Pram, in der das Volk zum Gottesdienst versammelt war, hieben wahllos auf Männer und Frauen ein, plünderten die Häuser und den Viehbestand des Ortes. Mit Losungschüssen und Kreidfeuern wurde von der österreichischen Grenzwacht Hilfe herbeigeholt. Es gelang schließlich einem Hilfscorps, den Bayern beim Rückzug einen Großteil der Beute wieder abzujagen und dabei 10 Soldaten zu töten, während auf österreichischer Seite nur 1 Soldat auf der Strecke blieb: „…also hat auch diese Einrichtung gleich darauf und hernach öffters ihren Effect gezeigt, dann alß den 26. July 1703 eine bayrische Parthey beyleiffig von 100 Pferdten, worunter 40 Husaren gewessen, und weillen eben zuselben Zeit alle Leuth in die Khürchen den Gottesdienst beywohnten/ sich der Kürchen und Glocken/ damit man nicht sturmleiten khönne/ bemechtigt, hernach die negst gelegenen Häuser geblündert und etliche unbewöhrte auß der Kürchen khombendte Leuth gefährlich verwundet haben sich von der negst gelegenen gemusterten Mannschaft auch andere bewöhrte Pauren auf die gegebenen Wahrnungszeichen eine große Anzahl nebst Ihren Herrn Officieren alsbaldt eingefunden, den Feindt ritterlich angegriffen, zerstreut, verzagt, ihme die Leuth wider maist abgenohmen, den 10. erlegt, und zway gefangen bekhomen …“23 Weitere bayerische Vorstöße, z. B. am 27. September 1703 auf die Grenzorte Riedau, Oberbubenberg bei Peuerbach und Gschaidt bei Natternbach, wurden ebenfalls zurückgeschlagen, mit Toten und Verwundeten auf beiden Seiten. 22 Vgl. A. Danzer: Spanischer Successions-Krieg, Feldzug 1703, in: Feldzüge des Prinzen Eugen von Savoyen, Serie 1, Bd. 5, Wien 1878, S. 499ff. 23 Vgl. Hoheneck, Relation. 27

Zu größeren militärischen Aktionen, die generalstabsmäßig vorbereitet war, kam es jedoch nicht mehr.24 General Johann Franz Graf von Bronkhorst-Gronsfeld ließ vom 31. Oktober bis zum 10. November 1703 die den Kurbayern abgenommene und zerstörte Grenzredoute von St. Willibald von 1000 Hoheneck'schen Schanzwerkern und zwangsverpflichteten bayerischen Bauern erneut stark befestigen. Er erging der Befehl, „die Schanz auszustöckhen.“25 St. Willibald war dabei nur die nördlichste von vier neuen österreichischen Schanzen, die in einer Kette bis zum Hochstift Salzburg entstanden und militärisch besetzt wurden. Weitere Schanzen entstanden in Riedau (ab 13. November 1703 erfolgte der Bau einer z. T. jenseits der Pram liegenden Vorschanze und mehrerer Blockhäuser), Geiersberg am Hausruck und Obermühlham südlich des Kobernaußerwaldes. In Geiersberg war dies allerdings keine echte Neuanlage, sondern sicherlich nur eine Restaurierung der alten kurbayerischen Schanze. 24 Vgl. Hochedlinger, S. 46ff. 25 Vgl. Hoheneck, Relation. 28 „Die Schantz zu S: Willibald“, begonnen am 21. Oktober 1703, im November vollendet.

„Hingegen beorderte der Herr General Graf v. Chronsfeldt des Herrn Obristleuth. Chüpperl mit 400 Mann Infanterie auf unserer Gräniz umb selbe mit Aufbauung ein: oder mehrerer Schanzwerkher besser zu verwahren, welche hierauf auf den 11. October mit ersagter Mannschaft in meinem Commisariat eintraffen und seinem Bevel gemess/ Crafft dessen er vier Hauptschanzen als eine zu St. Willibaldt, die andere zu Riedau, die dritte am Geyersberg bey Haag, und die viertte bey Ober Mühlhamb anzulegen und in solche eine Garnison von 2000 Mann ohne Zuetrag des kayl. oder der Landschafft Orario bloß ex hostico zu unterhalten, und mithin das Landt ohne dessen Beschwehrnuß zu bedenken sich offerierte/ bey euer Gonst und Frtschafft bloß die zur Auferbauung ermelter Schanzen benötigte Arbeithen und weniger reavisiten, wie auch die Verpflegung seiner Mannschaft nur bis die Contributiones reguliert seyn werden, solicierte, welches er auch/ weillen der commandierente Herr General gleichmessige instant machte …“26 Diesem Text zufolge hatte der kurbayerische Feind die gegen ihn gerichteten Schanzen selbst zu finanzieren! Kein Wunder, wenn die kaiserlichen Einheiten von den Kurbayern immer wieder aus dem Hinterhalt heraus attackiert wurden, wie z. B. in der Grenzgemeinde Kopfing im Oktober 1703, woraufhin die Österreicher mit ca. 500 Mann Infanterie und zwei Feldgeschützen im November 1703 die Anwesen der kleinen Ortschaft in Brand steckten, die Einwohner aus ihren Anwesen verjagten und dabei auch einige töteten.27 Der Ortstradition nach soll sich allerdings damals ein Teil der Kopfinger, ca. 100 Mann, erfolgreich gewehrt, im Kirchturm verschanzt 26 Vgl. Hoheneck, Relation. 27 Vgl. den Bericht des Joseph Maria von Leyden an Kurfürst Maximilian Emanuel vom 26. November 1703, im Anhang. Auch Hochedlinger, S. 54. Das Wirtshaus in Götzendorf und zwei Höfe in Voggetsedt und Glatzing gingen bei diesem Angriff in Flammen auf. 29 Das Mahnmal von Kopfing.

und den Österreichern von oben mit Gewehrschüssen Paroli geboten und ca. ein Dutzend von ihnen tödlich verwundet haben! Seit 1985 erinnert in Kopfing obiges Denkmal an jenen 25. November 1703. In Riedau war wiederum bei ungenügender militärischer Deckung das Schanzen so gefährlich, dass einmal über Nacht fast die Hälfte der 1000 Schanzarbeiter ausbüchste.28 Auch die Grenzhauptleute und Grenzkommissäre waren vor Vergeltungsschlägen der Bayern nicht sicher: Der Castner von Siegmundslust entging z. B. nur mit Mühe einer Gefangennahme durch bayerische Dragoner. Fast ein Jahr später wendet sich in der Grenzregion ein weiteres Mal das Blatt, und wieder war der bayerische Kurfürst Maximilian Emanuel persönlich die Ursache: Mitten im Winter, am 9. Januar 1704, hatte er mit einem Expeditionscorps die Stadt Passau eingenommen! Schon zuvor, am 5. Januar 1704, war starke bayerische Kavallerie vor St. Willibald erschienen und hatte der dortigen Besatzung so Angst eingejagt, dass nun von obderennsischer Seite aus die letzte Reserve, das Aufgebot „des zehnten Mannes“, ausgehoben wurde. Am 12. Januar rückte der Kurfürst mit seinem Hauptkontingent an die Grenze heran und bezog sein Hauptquartier in Schloss Zell an der Pram. Der österreichische Grenzort Riedau war an drei Seiten von Kurbayern umgeben und obendrein zu diesem Zeitpunkt nur relativ schwach besetzt: Die 182 Mann des Regimentes Solari wurden durch 111 Mann von Alt-Daun unterstützt, darunter etliche Husaren. Am 13. Januar 1404 griff das kurbayerische Heer in zwei Marschkolonnen Riedau und St. Willibald an und die im Vorjahr von den Österreichern eroberten und teil-zerstörten Schanzen wurden nach ausreichendem Artilleriefeuer im Gegenzug wieder genommen. Zu Riedau berichtete Freiherr von Hoheneck folgendermaßen: „Die feindlichen Truppen unter selbst aignen Commendo des Churfürstten von Bayern khommen den 12. Jenner abendts zu Zell negst Rie28 Vgl. Hoheneck, Relation. 30 Schloss Zell an der Pram, 1,5 Kilometer nördlich von Riedau.

dau an, und der hl. Churfürst hatte sein Hauptquartier im Schloß zu ersagten Zell, hierauf liessen sich frühe den 13. diss die Feindt von der Schanz innseiths des Wassers sehen, und defilierten nach dem bayrischen Vormarkht, umb sich daselbsten zu postieren …“29 Die österreichische Verteidigungskommission hatte inzwischen alle waffenfähigen Männer des Traun- und Hausruckviertels zur Landesverteidigung aufrufen. Die ersten Kontingente rückten von Peuerbach an und versammelten sich in der „kleinen Sallet“, einer Waldabteilung vor St. Willibald, hart an der Grenze zu Kurbayern. Der Wille zur Verteidigung war aber in St. Willibald wie auch in Riedau und Peuerbach bei den regulären Truppen äußerst gering, zumal dem General Gronsfeld zuvor beim Scharmützeln mit den Bayern das Pferd unter dem Leib weggeschossen worden war, und sich auch die Landmilizen aus dem Staub gemacht hatten. Hier ist wie bei allen Aktionen des Kurfürsten Maximilian Emanuel zu erkennen: Die Österreicher hatten vor ihm, dem Bezwinger der Türken vor Wien im Jahr 1683 und dem Sieger von Eisenbirn im Vorjahr, den allergrößten Respekt! Noch in derselben Nacht räumten die österreichischen Truppen widerstandslos den Wald, auch das befestigte Riedau und zogen sich auf Befehl Gronsfelds über Peuerbach bis Eferding und weiter bis nach Wels zurück. Selbst die Räumung von Linz wurde bereits vorbereitet! 29 Hoheneck, Relation. 31 St. Willibald und Peuerbach (damals Baierbach!) in der Franziszeischen Landesaufnahme (18061869). In der Mitte die Waldabteilung „kleine Sallet“.

„Es hate aber vorbeschribenermaßen das khay. Corpo nicht sobaldt Peuerbach verlassen, als sowohl Bürger und Pauren das Gewöhr ablegten, alle auseinander und nach Haus lieffen, und mit guetten/ das Böse wahr dermahlen mit a tempo/ sich zu Defendiren nit persuadieren ließen, thails thraten sogar ihre Officiere und mithin weillen nichts mehr mit selben zuthun wahr, verließen sowohl aber alß Unterofficier ihre Posten, und diese neuerhoffte Retirada hat den sonsten resoluten Landtvolckh sogar den Mueth genohmen …“30 Der Befehl zu Rückzug kam also einer allgemeinen Fahnenflucht nur zuvor! Der Kurfürst verschonte seinerseits Peuerbach, dessen Vorstadt die Kaiserlichen noch zuvor durch Brand niedergelegt hatten, und bezog dort Quartier. Eine Teileinheit ließ er bis nach Eferding vorstoßen; er selbst belegte nun seinerseits das ganze Hausruckviertel mit schweren Kontributionen: 600000 Gulden, 30000 Zentner Mehl, 100000 Metzen Hafer und 50000 Zentner Heu waren binnen 10 Tagen bei ihm abzuliefern!31 Ausgerechnet in diesem günstigen Augenblick trafen im kurfürstlichen Hauptquartier ähnlich wie im Vorjahr ungünstige Meldungen ein – nunmehr aus München, die von einem drohenden Einfall aus Tirol sprachen. Da damit das Zentrum seiner Herrschaft in Gefahr war, traute der Kurfürst der Sache nicht und erteilte am 17. Januar 1704 seinen Kampfeinheiten den Befehl zum Rückzug! Dass er einem Fehlalarm aufgesessen war, wird sich erst später herausstellen. Beim Abzug der Kurbayern muss die Stimmung auf beiden Seiten äußerst gereizt gewesen sein. Noch in Peuerbach kam es zu einigen Exzessen der wütenden und enttäuschten Bayern, ein Bürger wurde niedergesäbelt und eine Dienstmagd erschossen.32 30 Hoheneck, Relation. 31 Vgl. Hochedlinger, S. 63. 32 Vgl. Hochedlinger, S. 64. 32 Ein bayrischer Hartschier, Leibgardist des Kurfürsten Max Emanuel.

Die österreichischen Gegenaktionen ließen nicht lange auf sich warten, und es kam mit der verbliebenen Restbesatzung des Innviertels zu einigen Scharmützeln, bei denen u. a. auch das besetzte Schloss Starhemberg bei Haag zurückerobert wurde: „Wobey beederseiths ungeachtet des heuffig auf denen Paumben ligendten Schnees welcher von dem Schiessen herunter fielle und grosse Ungelegenheiten verursachte, ziemlich lang und starkh gefeyret wurdte, auch sowohl von dem Feindt als unserseiths nicht wenig geblieben sindt, wie man dan von unseren Paurn biß 30 begrabn auch ziemblich vill Geschödtigte eingebracht hat …“33 Wieder waren also Opfer unter der Zivilbevölkerung zu beklagen! Mit Patent vom 12. Februar 1704 riefen die Verordneten der Landstände in Linz ein weiteres Mal zur Stellung von Schanzarbeitern und Schützen auf. Man befürchtete also noch immer, dass der „blaue Kurfürst“, wie Max Emanuel auch genannt wurde, zurückkehrte! Mit diesen frisch ausgehobenen Leuten, die nun auch von weiter her, z. B. aus dem Traunviertel kamen, wollte man ein weiteres Mal die Grenzanlagen und die Grenzwacht zu Bayern hin verstärken. 33 Hoheneck, Relation. 33 Gedrucktes Patent der Verordneten über die Einberufung von Grenzschützen und Schanzarbeitern, OÖLA Linz, vom 12. Februar 1704.

Wenige Tage zuvor, am 8. Februar 1704, war der bayerische Generalfeldwachtmeister von Tattenbach mit ca. 800 Mann zur Eintreibung der vereinbarten Kontributionen über Riedau nach Neumarkt vor dem Walde vorgerückt und unterwegs, am 14. Februar, bei nebeligem Wetter und schlechter Sicht in unkluger Weise von den österreichischen Landmilizen attackiert worden. Die Bayern rächten sich fürchterlich, zuletzt auch mit einem Pogrom im nahen Neumarkt. Dabei wurde viele Bürger und Bauern, Frauen und Kinder getötet, der Pfarrer verprügelt und der Vikar entführt. „…den 14. Febrer aber frühe kham eine feindliche starkhe Troupp von Cavallerie und Infanterie unter Commando des bayrisch Obrist H. Wendt auf die Gränizwacht an, welche wegen des dickhen Nebels von selber vor eine khleine Parthey angesehen wurdte, die Wacht machte Lärmen und das Landtvolkh versambelte sich, marchierte auch gegen den anrückhendten Feindt unter Commando ihres Leuthn. Vor den Markht hinauß, postierte sich nach längs eines Gehölzes, und alß die feindlichen Tragoner anhielten, gaben sy/ aber zum Unglick auf peurischen Gebrauch/ alle zu gleich Feyr, verschossen sich mithin, und hatten nicht mehr Zeit zum Laden, sondern der Feindt trunge auf sy an, und mit ihm zugleich in den Markht Neumarkht ein. Da es dan ein grausambes Mezlen sowohl under den Bürgern alß Paurn, als Weiber und Kinder/ welche nicht entfliehen khöndten/ abgab, alles wurdte rain außgeblindert, ja des Allerheiligsten selber nicht verschonnt, dan das mit den hochheiligsten consecrierten Hostien gefüllte Ciborium/ nachdem selbe auf den Altar außgeschüttet …“34 Bei der Belagerung von Schloss Erlach wenige Kilometer weiter westlich wurden die ausfallenden Österreicher im nahen Schildorf von bayerischen Truppen gestellt und niedergehauen. Der bereits durch Schüsse verwundete Gränitzhauptmann Fieger wurde „noch lebendter in das Feur geworfen und (er hat) mit vorgedachten Dorf ellendiglich verbrennen müssen“.35 Am 10. Januar berichteten die Verordneten in Linz dem Kaiser in Wien, dass „…bey 200 Burger und Paurn erfunden und gezellet werden, welche auf so entsezliche barbarische Weis entleibet und von dem Feind zuschandten gerichtet, das thails auf erbärmlichste Arth erwirget, andere aufs Viechsmanier und vom Hals durch den Kopf ausgestochen, theils enthaubtet uund ihnen die Köpf heunisch unter die Armb gestekhet, ja sogar einer darunter lebendig gebratten … worden.“36 34 Vgl. Hoheneck, Relation. 35 Vgl. Hoheneck, Relation. 36 Vgl. Bericht der Verordneten nach Hof (10. Februar 1704), OÖLA LA Bd. 624 F. I. 9. 2. 34

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