Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 1, 1981

Das Sazkammelgut reich Kulturzeitschrift ''■V'viö»«' n n IV! lUlÄi mm >" pant^n ^^alt^n^cc // A.^BalÖ!r*ec// lanot. fen^ in i)(!erretci? ob ^er ^nitß. t fett ■ 3 . jl jfait II bau litt^gg n. 4- .

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Das Salzkammergut Dr. Franz C. Lipp Region Salzkammergut 2 Dr. DIpl.-Ing. Winfried Aubell Die Soleleitung von Hallstatt nach Ebensee 17 Elfriede Priilinger Herzogliches zwischen Gmunden und Ebenzweier 25 Hans Pilz Bergerlebnis in der Voralpenregion des Salzkammergutes 35 Aipinschule Salzkammergut 45 Dipi.-Ing. Georg Praxmarer Die Dachsteinhöhlen 49 Kunst der Gegenwart Dr. Otto Wutzel Sepp Moser - ein Bildhauer des Salzkammergutes 83 Oberösterreich aktuell Helga Litschel Das Mondseeland - Geschichte und Kultur Sonderausstellung des Landes Oberösterreich im ehemaligen Benediktinerstift Mondsee Bücherecke 91 99 Kulturzeitschrift Oberösterreich 31. Jahrgang, Heft 1/1981 Vierteljahreszeitschrift: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; Redakteur: Dr. Otto Wutzel; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Elfriede Wutzel; Druck: 00. Landesverlag Linz, sämtliche 4020 Linz, Landstraße 41, Ruf (0 73 2) 78 1 21. Jahresabonnement (4 Hefte): S 230.-; Einzelverkaufspreis: S 75.-. (Alle Preise inkl. 8 % MWSt.) Historische Kunst Dr. Walter Kunze Das Mondseeland als Guggenbichler-Landschaft 53 Denkmalpflege Dr. Norbert Wibiral Der gotische Flügelaltar von St. Wolfgang als Aufgabe der Denkmalpflege 65 Landeskunde Karl Pilz Josef Steinbrecher und Paul EIßenwenger- Leben und Werk zweier Salzkammergütler 75 Umschlag: Miniatur imWaldbuch aus 1630 bis 1634 mit Darstellung der ,,Vier Haubtstukh des gantzen Saltzweesens in Osterreich ob der Enns. 1. Saltzberg zu Haalstatt, 2. Wald weesen, 3. Pfannhaußweesen, 4. Saltzverschleuß zu Wasser vndt Landt." Feder zeichnung und Deckfarben auf Pergament, Handschriftensammlung der österr. Natio nalbibliothek Wien, Hs. 7897. - Aufnahme: österr. Nationalbibliothek, siehe auch Al fred Marks: Oberösterreich in alten Ansich ten, Abb. 19. Gestaltung: Herbert Friedl Schwerpunktthema Heft 2/1981 Musik in Oberösterreich Seite 1 Winfried Aubell: Landschaft Salzkammergut, Zeichnung, 50 X 70 cm

Kulturzeitschrift Das Salzkammergut ist eine iandschaftiich unserer Reihe von Landschaftsheften dem in diesem Heft fehlen. Zur Ergänzung sind so großartige und kulturell so bedeutungs- Saizkammergut einmal einen bevorzugten die alten Jahrgänge unserer Zeitschrift hervoiie Region unseres Heimatlandes Ober- Platz einzuräumen. Nicht zuletzt bietet die anzuziehen. Österreich, daß einzelne Themen aus die- heurige Landesausstellung ,,Das Mondsee sem Gebiet in der Zeitschrift ,,Oberöster- land - Geschichte und Kultur" einen aktuel- Die Redaktion begrüßt neben altbewährten reich" "schon oft zur Darstellung gekommen len Anlaß. Autoren der Zeltschrift herzlich einige neue sind. Wir haben uns bemüht, neue Blickpunkte zu Mitarbeiter: Helga Litschel, W. Hofrat i. R. Verwiesen sei u. a. auf Heft 1 des Jahrgan- gewinnen. Auch in der Illustrierung wurde Dr. Dipl.-Ing. Winfried Aubell, Forstmeister ges 1980 mit dem Schwerpunktthema nach neuem Material gesucht. Oberforstrat Dipl.-Ing. Georg Praxmarer ,,Hallstatt und die Hallstattkultur". Trotzdem Unsere Leserwerden um Verständnis gebe- (ForstverwaltungGolsern) und Kurdirektor erschien es der Redaktion gerechtfertigt, in ten, daß viele bekannte Motive und Themen i. R. Karl Pilz. Tchlü Jmr'iiq Teice rn jtimminq, • -/sr^ ÖOSdU ■ To^ i; -berg vV Ufser im ä -f3osefl fioleiiübfi. ' SochwMd "%xci ^oiserf\ Tvauns^ 'Bad Ischl f^munden A l/i=r.<

Region Saizkammergut Franz C. Lipp Was heute als „Salzkammergut" benannt wird, ist wesentlich größer als ursprünglich, ,,von altersher", aufgefaßt und bezeichnet wurde. Der relativ junge Begriff taucht 1524 In der Wendung ,,Unseres camerguts des Saltzs" auf und erst 1656, mit dem dritten ,,Reformatlons-LlbeH"i, gebraucht Kaiser Ferdinand III. den Ausdruck ,,ln Unserm Salzkammergut" für das bisher meist als ,,Ischl-Land" beschriebene Gebiet der ,,Herrschaft Wildenstein", das sich prak tisch mit dem heutigen Gerichtsbezirk Bad Ischl deckt. Aber auch der östlich angren zende Bereich des Pfleggerichtes Pfllndsberg, heute als ,,Ausseer Land" bekannt, wurde seit der endgültigen Ablösung der ,,Hallinger", die Schürf-, Verhüttungs- und Vertriebsrechte am Altausseer Salzstock besaßen, durch den Landesfürsten genauso ,,Kammergut", d. h. Eigenbesitz, wie das jenseits der stelrlschen Grenze gelegene ,,österreichische" Gebiet. Die Bildung des ,,Salzkammergutes" als einheitlicher Wlrtschaftsraum war mit der Klärung der Besitz verhältnisse zugunsten des Landesfürsten, die Im stelrlschen Teil erst 150 Jahre nach der analogen Vorgangswelse auf oberöster reichischem Gebiet (In Hallstatt 1305) er folgte, Im Jahre 1460 vollzogen. Eine ge wisse Sonderentwicklung des stelrlschen Salzwesens, das länger den landesfürstli chen Ansprüchen widerstand und auch bis 1741 durch das Hallamt In Aussee verwaltet wurde, Ist unverkennbar. Ab diesem Jahr unterstand jedoch der Ausseer,, Verweser" genauso dem Salzoberamt In Gmunden wie der von Hallstatt, Ischl und Ebensee. Von dieser Kernzone um die Salzbergbaue von Aussee, Hallstatt und Ischl, auf der ja der spätere Landschaftsbegriff zunächst haftete, muß ausgegangen werden, wenn vom Salzkammergut die Rede Ist. Well diese Kernzone, In solcher Konsequenz beispiellos für Mitteleuropa, ganz eindeutig eine völlig dem Salzwesen untergeordnete Wirtschaftslandschaft war, wurde sie auch zur Kulturlandschaft, nicht etwa umgekehrt, denn von der Salzwirtschaft war auch der Mensch mit seinem Beruf, seinem Haushalt, seiner Familie, seiner karg bemessenen Freizelt abhängig. Das Amt, die Obrigkeit, der ,,Arar" (gespr. wie ,,Arär"), regelte, wer In das Kammergut ziehen durfte, wer ab wandern mußte. Es wurde damit aber auch jene Dauerhaftigkeit der Eigenart des Volksschlages an der oberen Traun erzielt, die den Wirtschaftsraum eindeutig zur Kul turlandschaft werden ließ. Dieser ursprünglichen Kultur- und Wirt schaftseinheit, dem Ur-Salzkammergut, das sich vom Sonnstein bis zum Salzstelgjoch und zur Grimmingsenke vor Pürgg er streckt, waren Im Norden und Im Westen sogenannte ,,Wldmungs"-Räume zugeord net, die den Ertrag des reinen Salzbezirkes ergänzen mußten. Berg und Salinen fraßen ja Unmengen von Holz - für die Erzeugung von einer Tonne Salz wurde ein Festmeter Holz benötigt, so daß zusammen mit dem Nutzholz für Zillen und Verpackung ab der Mitte des 14. Jahrhunderts, von Jahrzehnt zu Jahrzehnt steigend, pro Jahr für die Sa line In Hallstatt allein 71 Hektar Wald abge holzt werden mußten. Vorsorge wurde zwingend nötig. Sie geschah einerseits durch die Verlegung der Hauptsallne nach Ebensee am Beginn des 17. Jahrhunderts, andererseits durch die Bestimmung von Widmungswäldern, die außerhalb des ei gentlichen Kammergutes zum großen Teil In anderen als den landesfürstllch-habsburglschen Herrschaftsgebieten, z. B. Im Land des Salzburger Erzblschofs, lagen. Wid mungswälder solcher Art erstreckten sich vom Kolomansberg und dem Saurüsselwald bei Mondsee über die Waldungen am Schafberg, um den Hochzinken und Rinn kogel Im Westen und jenen der,,Grafschaft Ort" um Krahberg und Hongar Im Norden, so auch am Nordabhang des Höllengebirges vom Hochlecken bis wieder zum Sonnstein. Diese Widmungswälder, große, dunkle For ste Im freundlicheren Bauernland, vom Bell schlag und dem Zuruf, wohl nicht selten auch vom ,,Juhlzer" der ärarischen Forst leute und Holzknechte belebt, wuchsen all mählich dem Inneren Salzkammergut an und zu, obwohl sie In Ihrer bäuerlichen Grundstruktur durchwegs eigenständig blieben. Es herrschte Im Salzkammergut aber nicht nur Mangel an Holz, sondern auch an Nah rung: Mehl, Gries, Schmalz und Fleisch. Deshalb wurden ebenso Widmungsbezirke zum Aufbringen der Grundnahrungsmittel geschaffen. Solche waren die Viechtau, fer ner das ,,Hofmark" genannte ,,Gäu" um Pinsdorf, Ohlsdorf und KIrchham, sowie das Almtal von Vorchdorf über VIechtwang bis Grünau. Für Aussee und Hallstatt wurde das Ennstal von Wörschach bis Algen ,,gewid met": überschüssige Lebensmittel aus die sen Gemeinden durften nur Ins Salzkam mergut geliefert werden. Korn und Schmalz wurden vom Ärar, dem Kammeramt In Gmunden, aufgekauft und In den sogenann ten ,, Hofkästen" des Inneren Salzkammer gutes gespeichert. Ein Teil des Lohnes der ,,Salzkammerer" wurde In Naturallen aus gefolgt. - ,,Geht's krump oder grad, wann manurseln Hofkorn hat"-damit konnte sich der Salzknecht trösten. Eine durch die Landesgrenze Oberöster reich - Steiermark mindestens seit 1254 zweigeteilte Kernzone, ,,lschelland" und Ausseer Land, und drei sie umgebende Randgebiete - das Außere Salzkammergut, Identisch mit dem Gerichtsbezirk Gmunden, vorwiegend bestehend aus den ehemaligen Herrschaften Ort und Scharnsteln, das Mondseeland mit dem Attergau, soweit es sich um die ,,Seegemeinden" handelt, und schließlich das Salzburgische Salzkam mergut mit den Gemeinden Fuschl, St. Gil gen, Zinkenbach und Strobl, In denen sich seit dem ausgehenden 16. Jahrhundert die großen Widmungsforste befanden, die das Holz, dem natürlichen Wasser- und Triftweg folgend, an die Salinen lieferten: sie zu sammen also bilden das vielgestaltige und doch eng aufeinander bezogene Salzkam mergut. Dennoch würden diese politisch mindestens dreimal auseinandergerissenen, auf drei Bundesländer verteilten Räume nie auf ei nen Nenner gebracht werden können, fehlte dazu die geographische Voraussetzung. Diese Ist sowohl nach der orographlschen. In der deutlichen Begrenzung des Bergre liefs, als auch nach der hydrographischen Seite gegeben. Die Traun, von Ihrem Ur sprung oberhalb des Kammersees bis zu Ih rem Zusammenfluß mit Alm und Ager, sam melt alle Gewässer, auch die Abflüsse der Dachsteingletscher und Karstseen. Verweilen wir einen Augenblick bei dem eindrucksvollen Bild der Gewässerkarte des Salzkammergutes! Wir sehen da, ungefähr auf einer sphärold gedrückten Kreisfläche, In schönem Ebenmaß verstreut die Flächen großer, kleiner und kleinster Seen. Attersee, Traunsee und Hallstättersee bilden ein In neres Dreieck, Fuschlsee, Mondsee und Wolfgangsee flankleren Im Westen, Altaus seer See, Grundlsee und Toplitzsee Im Osten. Dazwischen verstreut sind rund 60 weitere Seen und Seelein, Immerhin noch solche von der Größe des Almsees und Of fensees, der Langbathseen, des Schwarzensees und der Gosauseen. Aber es gibt auch kaum auffindbare, da sie als Karstseen zeitweise verschwinden oder als Höhlen see, wie die Röthelseen, sich im Schoß der ,,Schlafenden Griechin" verbergen. Diese rund siebzig Seen, von denen so manche erst In jüngster Zelt In das Bewußtsein der Wanderer gerückt wurden, sind es, die dem Salzkammergut als Ganzem jene Vorstel lung von dem Bergkind mit einem reichen, edelsteinbesetzten Gürtel eingetragen ha ben. Die alteingesessenen Bewohner des k. k. Salzkammergutes verbanden allerdings mit See, Fluß und Bach ganz andere Assozia tionen. Der See war für sie In erster Linie Fischwald und Schiffweg. Der einzige nam-

Ausblick vom Wanderweg Schoberstein auf den Attersee, im Hintergrund das markante Berghaupt des Schafberges, 1783 m. Foto: Max Eiersebner t V i.« ^ jii" ' ' .f W^äff' ■. ■■■ ■ BBIBiHllB 4- ' ir'i / > ■; -I'-"#• '^4 •*1 , id. # H, ";»* . •••?; «■,■■,. — 7

hafte Fluß, die Traun, war Hauptverkehrs ader und wurde mit ,,Traunern" (je nach Größe ,,Sechser"-, ,,Siebner"- bzw. ,,Neu nerzillen", wenn sie mit gedeckten Unter ständen, ,,Kobeln", versehen waren, ,,Kobelzilien" genannt) befahren. Meist wa ren sie mit Salz beladen, sie dienten aber auch dem Personenverkehr. Den ,,Gegen trieb" mit Pferden - die Schiffe mußten ja wieder fiußaufwärts an ihren Ursprungsort gebracht werden - besorgten eigene ,,Roß bauern". Nicht minder wichtig wie die Traun ais Schiffsweg erwiesen sich die Nebenbä che als Triftgewässer und Zubringer des Holzes von den oft weit entfernten Wäldern. Der wechselnde Wasserstand machte den Bau von Staubecken, sogenannten ,,Klau sen", erforderlich. Bis in seine entlegensten Verästelungen war das Gewässernetz des Salzkammergutes mit Klausen bestückt, die es ermöglichten, auch vom Gennerhorn oder dem Hohen Zinken, vom Gamsfeld und Rinnkogei, vom Nordhang des Höliengebirges oder von den Wäldern zwischen Offen see und Almsee Bloch- und Scheiterholz zu triften, nachdem es vorher oft auf kühn an gelegten ,,Riesen" bis zur Klause geliefert worden war. Eine dieser Klausen, die Chorinsky-Klause im Golserer Weißenbachtal, wird neuerdings wieder als Fremdenver kehrsattraktion gelegentlich in Betrieb ge nommen. Um das Holz aus den entfernteren Wäldern rund um den Attersse und auch aus dem Mondseeland den Salinen von Ischl und Ebensee zuführen zu können, wurde am Äußeren Weißenbach ein Aufzug errich tet, mit dem man das Holz zu einer höher ge legenen Wasserriese brachte und damit die Wasserscheide zwischen Attersee und Trauntal überwand. Einem ähnlichen Zweck diente der ,,Haalholz-Aufzug" bei der Aurach. Dieses auch ,,Gastach-Aufzug" be nannte technische Bauwerk wurde um 1716 errichtet, der Holzaufzug im Weißenbachtai in den Jahren 1721/22. Die Riesen-, Klau sen- und Aufzugsbauten des Salzkammer gutes stehen In einer Linie mit den techni schen Leistungen der Überwindung von Traunfall und Wildem Lauften, mit der Über brückung des Gosauzwanges oder dem ausgeklügelten Seespiegel-Regulierungssystem der heute noch in Betrieb stehenden Seeklause am Hallstättersee. Das Reich der siebzig Seen, gebündelt durch die Traun und Ihre Zuflüsse, hat ge rade im alpinen Raum klare Gebirgsgrenzen. Verläßt man den Almfluß bei Scharnstein, so braucht man bis zum Großen Priel (2514 m), der höchsten Erhebung des Toten Gebirges, nur der Wasserscheide zwischen Alm, Krems und Steyr über den Kasberg bis zum Salzsteigjoch (1684 m) zu folgen. Von hier steigt man auf dieTauplitz-Alm mit ihren vier romantischen Seelein, von denen der Steirersee zu den schönsten zählt. Vom Krahstein, der nächsten Warte im Tauplitz bereich, sind es nur sechs Kilometer Luft linie bis zum Großen Grimming (2285 m), der als eine der kühnsten Berggestalten der nördlichen Kalkalpen den südöstlichen Ein gang in das Saizkammergut, den sich auch die Eisenbahn zunutze macht, bewacht. Nun folgt eine Gebirgsgrenze, wie sie ein deutiger nur noch in der Karawankengrenze Kärntens ein Gegenstück hat. Nach der Salzaschiucht, ,,durch den Stein", heute von einem Stausee ausgefüllt, bildet die Gipfelreihe des ,,Kammergebirges" mit Kammspitz (2141 m), auch ,,Kampei" ge nannt, Stoderzinken (2047 m), Miesberg (2235 m) die Grenze. Nun befinden wir uns bereits ,,Auf dem Stein" und die Bannmeile der Region bildet die Landesgrenze zwi schen Österreich ob der Enns und der Stei ermark. Sie mündet beim Koppenkarstein (2885 m) in das Gletscherreich des Dach steins, der als unbestrittener König des ge samten Salzkammergutes sich hier zu sei nem Gipfel (2995 m über der Adria, 3003 m über der Ostsee) erhebt. Am Torstein (2948 m)2 trifft die Salzburger Landes grenze auf die Gipfellinie. Sie zieht sich von da über den ganzen ,,Gosaustuhi", über Zwieselalm und Hornspitz (1434 m) bis zum Paß Gschütt (964 m), dem westlichen Ein gang in das Salzkammergut von Salzburg her. Es mag dem Mythologen bedeutungs voll erscheinen, daß nun der „Wilde Jäger" (1842 m), ein Gipfel der Gamsfeldgruppe, zur nächsten Markscheide wird. Der weitere Grenzverlauf berührt nun altsalzburgisches Gebiet und auch hier dürfen wir den Bezirks und Gemeindegrenzen folgen, die ja mei stens alte Herrschaftsgrenzen gewesen sind. Es ist ein Stück die Grenze zwischen Blick auf den Wolfgangsee mit dem salz burgischen St. Gilgen im Vordergrund, Bergkulisse im Hintergrund; Bleckwand, Rinnkogel, Sparber, Bergwerkskogei und Rettenkogei. Foto: Löbl-Schreyer Seite 5 oben: Wildensee mit Rinnerkogei, 2012 m, im Toten Gebirge. - Foto: W. Harather aus: Gerhart Preil, Totes Gebirge, OLV 1 978 Seite 5 unten: Aufstieg vom Grundlsee ins Tote Gebirge mit dem Vorderen Lahngangsee (1492 m). Foto: H. Loderbauer

^pP dem Bezirk Hallein (= Tennengau) und dem Bezirk Salzburg (= Flachgau), die vom Gamsfeld (2028 m) bis zum Hohen Zinken (1764 m) und Gennerhorn (1733 m) hinzieht und das nördliche Almengebiet (,,Postalm") dem Salzkammergut zuordnet. Dieses von alten Almen (zweimal findet sich der Name ,,Alpigl"-Aim, dem ein urkundliches ,,alpicula" entspricht, das schon im 8. Jahrhundert erwähnt wird) durchsetzte Waldgebiet un terstand der erzbischöflichen Herrschaft Hüttenstein. Westlich anschließend er streckte sich die Herrschaft Wartenfels, de ren Sitz, unweit der oberösterreichischen Landesgrenze am Ausläufer der Drachen wand über dem Fuschlsee gelegen, heute noch als Ruine erkennbar ist. Dieses Wartenfelser Land, östlich einer Grenzlinie vom Gennerhorn über den Feuchtenstein (1253 m) zum Faistenauer Schafberg (1560 m) aufsteigend, hinunter in die Tiefbrunnau und wieder hinauf zum Filbling (1185 m) mit dem Filbling-Seelein ist noch dem salzburgischen Salzkammergut zuzu rechnen. Mit dem Fiibling und seiner Fort setzung, der Elsenwang, haben wir die süd liche Begrenzung des Fuschlsees gewon nen, der zum Saizkammergut seinem Land schaftscharakter nach, aber auch hydro graphisch zum Einzugsbereich der Traun gehört. Von den nördlichen Höhenzügen, die den Fuschlsee begleiten, kommen wir wieder unweit der Ruine Wartenfels zur oberösterreichischen Landesgrenze, der wir auf dem Höhenrücken des Kolomannsberges (1114m) bis zum Nordende des Irr sees folgen, östlich dieser ziemlich genau von Norden nach Süden laufenden Grenze liegt die Herrschaft Wildenegg, das alte bayrisch-regensburgische Mondseeland. Der gesamte Grenzverlauf vom Norden des Irrsees bis Scharnstein an der Alm ist offen. Würde man die Nordufer von Irrsee, Atter see und Traunsee miteinander durch eine Linie verbinden, bekäme man in großen Zü gen die richtige Vorstellung von den ,,fines regionis". Man muß nun nicht mehr so sehr die alten Herrschaftskarten als vielmehr die geologische Karte von Oberösterreich zu Hilfe nehmen. Die Nordränder der großen Forste, die sich innerhalb der Flyschzone ausbreiten, sind auch mit Bestimmtheit die äußersten Grenzen der vom Inneren des Salzkammergutes her bestimmten Wirt schaftsregion. Allenfalls können auch die Endmoränenwälle der letzten Eiszeit im Raum nördlich des Attersees und des Traunsees einen Anhaltspunkt für die Grenzbestimmung bieten. Immer liegt je doch der Schwerpunkt der zugeordneten Bereiche südlich der Zone von Flyschgestein, Sandstein und Mergel.

Ähnlich wie das große Seendreieck Attersee - Traunsee - Hallstättersee sind auch die großen Gebirge im Trigon angeordnet. Es sind die bedeutenden Hochflächen des Höl lengebirges, des Toten Gebirges und des Dachsteinstockes, die den eigentümlichen Charakter des Salzkammergutes prägen. Die Felswüstenei, Weite und Abgeschie denheit des Gebirges zwischen Hoher Schrott {1783 m), Schönberg (2093 m), Großem Priel (2514 m), Spitzmauer (2446 m) und Hohem Kasten (2378 m) ist eindrucksvoll und auch in Ihrer Ausdehnung respektabel. Noch gewaltiger ist die Wildnis der ,,Auf dem Stein" genannten Hochfläche des Dachsteingebirges, dem sich die auf den alten Karten mit ,,Ewigem EIß" und ,,Schnee-Gebürg" bezeichneten Gletscher anschließen, sieben an der Zahl, deren klei nere in schattenreichen ,,Trögen" auf viel leicht sich wiederholende Eiszeiten warten. Immerhin sind es noch an die 6V2 km^, die vom Eis bedeckt sind. Zugleich ist der Eis schild des Dachsteinstockes die höchste Erhebung nicht nur des Salzkammergutes, sondern der gesamten ,,norischen Alpen". Von allen Warten und Höhen der Region, ja bis zum Böhmerwald zeigt sein Blinken die Krone dieses so eindrucksvollen und dabei vielgestaltigen Berges an, der auf seinem höchsten Gipfel, für den man die längste Zeit den Torstein hielt, die Grenzen der Län der Oberösterreich, Salzburg und Steier mark scheidet. Zwei Berge müssen noch erwähnt werden, die einen ähnlichen Rang Im Bewußtsein der Bevölkerung haben: der Traunstein bei Gmunden, auf dem Nikolaus Lenau das Fürchten gelernt und in einer unwiederholbaren Schilderung wiedergegeben hat, und der Schafberg, der vielbesungene ,,öster reichische Rigi", der gleichsam als Insel zwischen Attersee, Mondsee und Wolf gangsee aufragt. Beide Berge, Traunstein und Schafberg, treten nicht nur bis weit in das Alpenvorland hinaus als Fürsten in Er scheinung, sie bieten auch dank ihrer expo nierten Lage eine umfassende Fernsicht. Um das Salzkammergut als Ganzes zu be greifen Ist es noch einmal notwendig, sich mit der Kernzone, dem Ischler Land und dem Ausseer Land, zu beschäftigen. Es wird wohl nicht nötig sein, an die schon prähisto rische Nutzung des Salzvorkommens In Hallstatt zu erinnern, das letztlich durch den Begriff ,,Hallstattzeit" im Allgemeinwissen verankert ist. Die Häufung von Steinbeilen und typisch der Bronzezeit zugehörigen Werkzeugen im oberen Salzkammergut, hier wieder im Raum Hallstatt-Obertraun, läßt den Schluß zu, daß der Mensch der Vor zeit bereits im Neolithikum und der darauf folgenden Epoche dem Salz nachgegangen Ist, was hätte ihn sonst in die damals unwirt lichsten Winkel des Landes gezogen? Auf gezeichnete und damit ,,sichere" Ge schichte beginnt jedoch erst mit dem ,,Auf schlag" der Bergwerke In Altaussee 1147, Hallstatt 1311 und In Perneck bei Bad Ischl 1562. Es gab daneben aber auch noch an dere, teilweise ältere Salzvorkommen, so am Michelhallbach bei St. Agatha und in Gösau. Wir haben schon gehört, daß es den Landesfürsten endgültig erst um 1460 ge lungen ist, die Salzvorkommen der gesam ten Landschaft in ihrer Hand zu vereinigen, vorher mußten sie mit anderen Grundherr schaften, im Ischiiand mit dem Nonnenklo-

ster Traunkirchen und im Ausseer Land mit dem Zisterzienserstift Rein bei Graz, teilen. Auch waren die Rechte privater Unterneh mer, wie der ,,Erbeisenhäuer" in Hallstatt und der ,,Hallinger" in Aussee, zu regeln bzw. abzulösen. Die Grenzen des nachmaligen Ischler und Ausseer Landes waren nicht von Anbeginn dieselben wie heute. Wohl die älteste Ver waltungseinheit war die des römischen Municipiums (Stadtgebietes) von Ovilava (Wels), die das innere Salzkammergut süd lich Ischl vollständig umfaßt haben dürfte und weiter im Südosten, östlich von Gröbming, sogar das Ennstal bis zum Kamm der Niederen Tauern einschloß. Stiriate, das heutige Liezen, befand sich noch in dem Ovilava zugehörigen Verwaltungsbereich. Die Agilolfinger übernahmen im wesentli chen das römische Modell, der Traungau liegt auf dem Boden des Municipiums Ovila va. Im Südwesten des Gebietes saßen mächtige kirchliche Grundherren, der Erzbischof von Salzburg und der Bischof von Regensburg, dem seit 831 auch der Klosterbesitz von Mondsee angehörte. Sowohl Salzburg als Regensburg strebten zur Traun und damit zur Schlagader des Salzlandes. Salzburg - hier im besonderen das Erzstift St. Peter - besiedelte und er warb das schließlich unter habsburgischer Oberhoheit stehende Gosautal, Ludwig der Deutsche (814 bis 840) begabte die Bene diktinerabtei Mondsee mit dem Aberseegebiet östlich des Zinkenbaches, des Dittelbaches und des Schafberges. Die Traun zwi schen Ischl und Mitterweißenbach bildete die Ostgrenze des regensburg-mondseeischen Gebietes. Alles Land östlich der Traun, aber auch das westliche von Eben see bis Mitterweißenbach und von Ischl bis zum Dachsteingebirge einschließlich von Hallstatt mit Ausnahme des Gosautales, be fand sich seit dem Ende des 9. Jahrhunderts im Besitz des Grafen Ratpot^. Erst im 14. Jahrhundert sehen wir (im Urbar des Stiftes Traunkirchen von 1325) den mondseeischen Vorsprung bis zur Traun wieder (wie vor 829) auf den Leonsberg (Zimnitz) zu rückgenommen. Damals markierte der ,,Grenzgraben" (wie er noch heute heißt) zwischen den Gemeinden St. Wolfgang und Bad Ischl bereits die ,,Herrschaftsbereiche" Mondsee und Traunkirchen, weiter gedacht zwischen Bayern und Österreich. Dieser Zustand sollte bis 1506 bleiben, als Kaiser Maximilian I. das Mondseeland (samt St. Wolfgang) für seine Vermittlung im Landshuter Erbfolgestreit für Österreich einlöste. Vorerst in Salzburger Pacht, kommt das Mondseeland mit seiner Grenze bei Wirling nächst Ischl endgültig 1572 an Oberöster reich. Nur 80 Jahre früher, 1492, konnte Salzburg zum Verzicht seiner Ansprüche auf das Gosautal gezwungen werden. Die Fortsetzung der Grenze des Ischllandes vom Leonsberg nach Norden bog im 14. Jahrhundert stärker nach Osten ab und ließ die Langbathseen noch beim Attergau. Erst wesentlich später wird hierauch weiter nach Norden die Grenze im Westen bis auf die Wasserscheide zwischen Attersee und Traunsee verschoben; so tritt sie uns in der heutigen Bezirksgrenze zwischen Vöcklabruck und Gmunden entgegen. Diese Grenzsituation wurde näher ausge führt, weil bis zur Gegenwart das St.-Wolfgang-Land und das Gosautal innerhalb des Links: Fischfang am Hallstätter See. Foto: M. Singer Rechts: Die Chorinskyklause im-Goiserer Weißenbachtal. Foto: W. Fettinger

Übersichtskarte der „Region Salzkammergut" (nach A. Hoffmann und Franz C. Lipp). Die Region Salzkammergut gliedert sich in zwei, heute weitgehend integrierte Kulturlandschaften: Das östliche Salzkammergut mit I dem ,,inneren", d, i, dem historischen alten Salzkammergut, identisch mit dem historischen ,,Ischlland" = Pfleggericht Wildenstein, la das Gosautal nimmt durch seine engen hist. Beziehungen zu Salzburg eine gewisse Sonderstellung ein. Gemeindegrenzen punktiert. II dem ,,Steirischen Salzkammergut", bestehend aus dem Pfleggericht Pflindsberg (Ausseer Land) und dem Pfleggericht Hinterberg (Ha), III dem ,,Äußeren Salzkammergut", bestehend aus der alten ,,Grafschaft Ort", der,,Viechtau" und der,,Hofmark" (lila, ,,Widmungsbezirke") und dem Almtal (Pfleggericht Scharnstein, lllb) Widmungswaldgebiet. Das westliche Salzkammergut, bestehend aus IV Mondseeland und Attergau, mit IVa dem Mondseeland gehörigen, aber geographisch getrennten Gemeindegebiet von St. Wolfgang (Landgericht St. Wolfgangland), und V dem ,,Salzburgischen Salzkammergut", bestehend aus den Gemeindegebieten von Strobl, Zinkenbach, St. Gilgen und Fuschl. Irrsberg (837 m) j Kogl • St. Georgen im Attergau LG. ) KAMMER Lb Kammer LG Kolomannsbergmir Fuschlseeache »Zell am Moos , WILDENEGG Mondsee ^Itrr Scharnstein Traunstein 51691 m Hochsalm 1403 m Ml Traunkirchen^ Törl 1430 mjM iiM .j^Hochedl 'J^^426 m ^Fuschlsee fuschl St. Gilgen' Falstenauer a1 Schafberg (1560) J Schafberg ^ -v Hüttenstein (i783)m iilgen^^^ ' IVQX o *%• ^ f • ^ ^ \ Schwarzen- W ^ca I LG. k See ' ^inkogl • /y,: Zinkenbach( G/x fej^St. Wolfpang Gennerhorn A® 1733 m Hohe Zinken 1764 m L'^ 2Gamsfeld|aV 2028 TTLMSrnT0» Städte • Märkte und Siedlungen [b Burgen, Pfleggerichte Pfarren M Klöster Bergwerk Saline ▼ Fertiger ^^^Alte Salinen UJÄJJ.II Pechen Wilder Jäger 1842 m ^ n (^cr.h.".n ML Paß Gschütt 964 rn^ßj Gosai HornsDitz^^^ HornspitZÄ'' / 1434 / Q ^A Zwieselalm I p L 3 Steiglpaß /TWPfandl > 4^ // IJw Wildenstein bfu« <5^ / Lauften V I Chorinsky Klause | - Ifa ^ _ , _ , ^ ^ Michlhallbach Altaussee, Bad Goisern \,=: » n ¥ w r Cd ' rÄ? T ,1 Pflindsberg I ö Trauneck X UJ \ i ' iT d .••• m —s Großer Priel 2514 m LG. PFLINDSBERG Salzsteigjoch J Bezirksgrenzen ••••• Landesgrenzen Gerichtsbezirksgrenzen (alte Landgerichtsgrenzen) Grenze zwischen dem östl. und westi. Salzkammergut B i s c h ofs m üt^5t%. H o beriQch^itSSP 2455 m ^^Ü>^^3Q03 nb—i K ^^3003 n l^oppenkarstein / ^2865 m Miesberg Stoderzinken 2236 2048 m _ Kammspitz 2141 m Großer Grimming 2285 m Salza Durchbruch (Stausee) Salzkammergutes volkskundlich eine un verkennbare Sonderstellung einnehmen. Mit einem nicht sehr beträchtlichen Abstand von der Traun und dem Hallstättersee schwingt sich die hier bestehende Grenze zur Steiermark über die markanteren Berge und Grate, besonders deutlich am Sandiing und Sarstein. Gewiß sollte der Weg nach Hallstatt freigehalten werden. Während vom Ennstal durch die Grimmingschlucht bei Pürgg Karantanen vorgedrungen waren, machte sich bairischer Einfluß vom Westen her zunächst in kirchlicher Hinsicht bemerk bar. Es ist gewiß kein Zufall, daß die dem Apostel Paulus geweihte Pfarrkirche von Aussee (1192) Traunkirchen und damit dem Bistum Passau untersteilt war (und es bis in die Neuzeit blieb), während das ,,hlnterberglsche" Mitterndorf schon zum karantanischen Missionsbereich der Salzburger Diözese gehörte. Tatsächiich gibt es auch hier deutiich merkbare Unterschiede zwi schen den Gemeinden Bad Aussee, Aitaussee, Grundlsee und dem Gebiet des auf strebenden Mitterndorf und Tauplitz. Kirchlicher Einfluß prägte noch in der Neu zeit den Volkscharakter des inneren Salz kammergutes. Seit der Reformation beken nen sich die Gemeinden Geisern, Obertraun und Gösau vorwiegend, Hallstatt zu einem hohen, Bad Ischl zu einem geringeren Pro zentsatz zur Evangelischen Kirche. In den übrigen Gemeinden des Saizkammergutes überwiegt seit der Mitte des 17. Jahrhun derts wieder die kathoiische Konfession, die auch im Brauchtum (z. B. Krippenwesen, Sternsinger, Palmbuschen, Fronleich namsprozessionen) vielfachen Nieder schlag gefunden hat. Unter den Verfügungen des Reformationsllbells von 1656 wirkte die, daß ohne kaiser liche Genehmigung kein Einheimischerdas Salzkammergut verlassen, kein Auswärtigerslch dort niederlassen dürfe, für die Ent stehung und Festigung des eigenständigen Charakters der Salzkammergutbevölkerung wohl am nachhaltigsten. Hatte bis zur Er schließung des Kammergutes durch Straße

Pürgg mit dem mächtigen Gebirgsstock des Großen Grimming, 2285 m, am südlichen Eingang in das steirische Salzkammergut. Foto: W. Harather aus Gerhart Prell, Totes Gebirge, OLV 1 978 i.. *f - . T - s S**.. ff* .,

und Bahn - bis 1861 gab es keinen durch gehenden Landverkehr zwischen Gmunden und dem Saizkammergut und erst 1877 ver läßt nach Eröffnung der Kronprinz-RudolfBahn die letzte Salzfuhre die Säiinenlände von Ischl - allein schon die Abgeschieden heit des Winkels zwischen den Gebirgen und Seen als Beharrungselement gewirkt, so wurde dieses durch die Bevöikerungspolitik des Kammergutes und eine daraus sich unvermeidlich ergebende Inzucht noch ver stärkt. Es konnten und mußten sich im Raum zwischen Gmunden und Aussee die eigen ständigen Züge verdichten und auch dann Gotische Steinfigur ,,Maria mit Kind", um 1420, in der Pfarrkirche hl. Paul von Bad Aus see. Foto: Bundesdenkmalamt Wien Links: Seltener Blick auf die Gipfelkette des Traunsteins, 1691 m, vom westlichen Traunseeufer. Foto: Fl. G. Prillinger noch anhalten, als der Zwang zur Selbstbe scheidung längst gelockert war. Bevor auf die Wirkung der individuelien Ei genart der Leute des inneren Kammergutes eingegangen wird, soii kurz noch das Span nungsfeld der kulturellen Strömungen auf gezeigt sein, die von außen in das Salz kammergut eingedrungen sind. Da ist in er ster Linie auf die Mundart zu verweisen. Keineswegs wird im Saizkammergut, das als Ganzes sicher seine eigentümliche Satzmelodie hat, eine einheitliche Mundart gesprochen. Vielmehr kreuzen sich ziemlich genau in der Mitte der Landschaft, zwischen Ischi und Geisern, die südmittelbairische und donaubairische Aussprache. In Geisern spricht man Klee wie ,,Khlä" oder ,,Kchlä", nördlich ,,gle" oder (in Ischl) ,,die", um nur ein Beispiel anzuführen. Vom Westen dringt bis Gmunden und Ischi das westbairische ,,han(d)" für ,,sind" vor, das östlich davon wie ,,san" gesprochen wird. Eine weitere westbairische Eigenart ist die Verkleinerungs- und Koseform auf -ai, wie ,,Flantai", ,,Seppai" für Hand und Josef. Diese Kose form gebraucht man westlich der Linie Un terach - Strobi - Gosauzwang. Die Wolf ganger Bauern, die Strobler und Zinken bacher, vor allem die Gosauer verwenden vorwiegend das ,,ai" als Koseform. Diese Linie deckt sich fast genau mit der Ausspra che von ,,Wiacht" für Wirt. Im Ausseer Land sagt man dafür ,,Wiascht", wie überhaupt das Ausseer Land die älteren, kräftigeren Formen des behauchten ,,r" (,,Hroß", ,,Hruaß" für Roß und Ruß) und der Ver-

Johann Georg Schwanthaler (1740-1810), Flucht nach Ägypten aus dem Krippenwerk der Pfarre Altmünster, Figuren ca. 21 cm, gefaßt. Foto: H. G. PrIIIInger ' ■ Wandlung des ,,r" zu ,,sch" vor ,,t" wie ,,füscht" und ,,häscht" für ,,fort" und ,,hart" bewahrt hat. Sehr deutlich ist auch die westöstliche Dy namik im Hauswesen. Ohne auf die proble matischen Altersbestimmungen einzuge hen, sei nur festgestellt, daß die neuzeitliche Legdachgrenze bei Altbauten bis in das frühe 19. Jahrhundert die Traun gewesen sein dürfte. Noch die Almhütten des Höllen gebirges, selbst die am Kranawettsattel, hatten Leg-(= flache)-Dächer. Erst Bauver ordnungen des 18. Jahrhunderts haben eine nachhaltige Verschiebung zugunsten des Steildaches bewirkt. Seit dem 19. Jahrhun dert zog sich das Legdach auf die alte Kammergut-Westgrenze zurück, um auch hier immer mehr vom Steildach verdrängt zu werden. Selbst im Mondseeland wurde um 1950 das Legdach eine Seltenheit. Seither ist, von Tirol und Bayern her, das Flachdach jedoch wieder im stürmischen Vormarsch. Vom Westen her sind schließlich Einhof und Paarhof vorgedrungen; dieser durch das Ischltal teilweise bis über die Traun, jener über den Paß Gschütt durch die Gösau bis in den Raum von Goisern. Wie weit hier auch Einflüsse aus dem Ausseerischen, das vom Ennstal her mit Paarhof und Haufenhof be setzt ist, wirksam wurden, läßt sich nicht ab schätzen. Leicht kann man aber schon vom äußeren Eindruck her (Vertikalverlattung des Ausseer Hauses) das ähnlich geglie derte Goiserer Gehöft vom Ausseer Paar oder Streuhof unterscheiden. Nur soweit es sich um Bewegungen handelt, sei in diesem Zusammenhang auch die Tracht gestreift. Schon der Altmeister öster reichischer Trachtenforschung, Viktor von Geramb, hat auf Bestandteile der Ausseer Tracht hingewiesen, die keine Parallelen in der übrigen Steiermark aufweisen. Dazu gehört vor allem die für Oberösterreich und das oberösterreichische Salzkammergut so typische ,,Öhrlhaube", eine Frauenpelzhaube meist aus Otter- oder Marderfell. Aber auch die Linzer Goldhaube und das geformte schwarztaftene Kopftuch sind über die Pötschen in das Ausseer Land ge drungen (von da allerdings noch weiter bis ins Ennstal) - wie übrigens ebenso der Landlatanz, der noch in Gößl am Grundlsee einen östlichen Ableger hat. Andererseits sind ohne Zweifel der,,Ausseer Hut" - wie schon der Name sagt -, aber auch die Vor liebe für das graugrüne ,,Steirergwand" von ,,drüben" gekommen, hier allerdings die schon vor dem Auftreten der graugrünen ,,Mode" (ab 1840) vorhandenen eigenstän digen Wurzeln der graugrünen Tracht ver stärkend. Zwei charakteristische Merkmale, auf die heute die Gäste gern aufmerksam gemacht werden, sind wieder Beispiele von Kultur erscheinungen, die im Westen ihren Schwerpunkt haben: das ist die Innstadt-

Die Filialkirche St. Agatha bei Golsern, auch Kalvarlenbergklrche, Bau aus 1581, Im Hinter grund der Sarstein. Foto: OLV-FotoarchIv Bauweise, deren Zentren die Tiroler und bayrischen Innstädte sind. Sie besitzt etwa auf der Espianade von Bad Ischl, aber auch in Gmunden ihre südöstlichsten Repräsen tanten. Viel bekannter ist das Ossuarium von Hailstatt mit seinen bemalten Toten schädeln. Der Brauch, die Schädel zu be malen, ist typisch altbayrisch und hat ebenfalls in Flalistatt im Salzkammergut sei nen äußersten, vielleicht auch bekanntesten ,.Ausläufer". Daß die ,,Lüftimalerei"- Fres ko- oder Seccomalerei - an Bürgerhäusern von Aitbayern bis Mondsee und St. Wolf gang vordrang, ist bei ihrer iangen Zugehö rigkeit zu Bayern nicht weiter verwunderiich. Damit haben wir uns aber schon ein wenig der hohen ,, Bildenden Kunst" genähert. Nur auf das Kennzeichnendste kann hinge wiesen werden. Nicht Passau, dem sie kirchiich unterstand, sondern Salzburg hat leuchtende Spuren in jener Landschaft hin terlassen, mit der es stets geiiebäugelt hat. Da sind die Schönen Madonnen: aus der Marienkapeiie der Pfarrkirche St. Pauli Be kehrung von Bad Aussee, die um 1420 an zusetzen ist und eine große Verwandtschaft mit jener aus Hailstatt aufweist, die in der Zwischenkriegszeit in die Prager National galerie gelangte. Als Prototyp gilt die ,,Krumauer Madonna", die im Wiener Kunsthistorischen Museum aufbewahrt wird. Die Schöne Madonna der Wallfahrts kirche Lauften, wie die von Hallstatt und Bad Aussee aus rötlichem Steinguß, ist mit Si cherheit eine Salzburger Arbeit um 1400". Die nächste der Schönen Madonnen, die von Irrsdorf, steht schon hart an der Peri pherie unserer Landschaft, schließt aber den Kreis dieser Salzburger Kunstsphäre. Darf man auch den Flügelaltar des Brunekker Meisters Michael Pacher zur Kunst des Salzkammergutes zählen? Ist nicht in jenem frühesten Landschaftsbild des ,,HI. Wolf gang, an seiner Kirche bauend", mit dem Sparber und dem Abersee im Hintergrund, eine Liebeserklärung an den Ort seiner Be stimmung erfolgt? Ohne den Tirolern ihren Pacher streitig machen zu wollen, nimmt das Salzkammergut an dem Ruhm seines Werkes teil. Wir müssen hier überhaupt anmerken, daß die Zentren der großen und bedeutenden Kunst vor den Toren der Montan- und Arbei terregion Saizkammergut liegen: Lambach, das kirchlich auf das innere Salzkammergut wirkte, Kremsmünster, dem das Almtai un terstand, Salzburg, das in der romanischen Johanniskapelie von Pürgg seine Schule er kennen und sogar die Aura Aquilejas und San Marcos von Venedig durchschimmern läßt. Das ist wohl der entfernteste Bezug in der Kunstgeschichte des Salzkammergu- \

15 Außenansicht der Kalvarienbergkirche von Bad Ischl, Bau aus 1706 mit Erweiterung 1779. Foto: Hofer Rechts: Kalvarienbergkirche von Ebensee, Bau aus 1779, Foto: Löbl aus: Kristlan Sotriffer: Das Salz kammergut, OLV 1 978 tes, entfernter noch als die Reichweite des Meisters von Mondsee, Meinrad Guggenbichler, der, aus Einsiedeln in der Schweiz stammend, durch Heirat ganz zum Mondseer wurde. Gewiß auch am Tor, aber nicht vor den Toren stehend, entwickelt sich schon im 16. Jahrhundert Gmunden zu dem wohl einzi gen echten Kunstzentrum des Saizkammergutes, wenn man die Einheit von Land schaft, Künstler und Kunstwerk vor Augen hat. Das letzte Wort ist darüber noch nicht gesprochen, aber die größte Wahrschein lichkeit spricht dafür, Gmunden als den Sitz jener fruchtbaren Astl-Werkstätte anzu nehmen, aus der nicht nur der herriiche Fiügelaltar von Hallstatt, sondern vermutlich auch der von Gampern und zahlreiche über das ganze Ennstai und die Obersteiermark verstreute Schnitzwerke aus dem ersten Drittel des 16. Jahrhunderts hervorgegan gen sind. Zwar begründet erst Johann Georg (1740 bis 1810) den Gmundner Zweig der Schwanthaler-Familie, der mit Franz Schwanthaler (1773 bis 1828) endigt, aber €• I ■ ». C ■**' ... schon der große Ahnherr Thomas (1634 bis 1707) schlug eine haltbare Brücke vom Inn viertel in das Salzkammergut, als er in St. Wolfgang seinen berühmten Doppelaltar in der Wallfahrtskirche aufstellte und sich in Gmunden mit seinem für die spezifische Salzkammergut-Kunst so bedeutungsvollen Krippen-Altar verewigte. Mit dieser ,,An betung der Hi. Drei Könige" hat Thomas Schwanthaler ein überaus fruchtbares Reis in den noch brachen Kunstacker des Salz kammergutes gepflanzt. Sein Urenkel Jo hann Georg hat die Krippenidee des Ahn herrn aufgegriffen und in dem großen Krip penwerk von Altmünster ausgeführt. Das Museum der Stadt Gmunden besitzt zahl reiche Krippenszenen und Krippenfiguren aus der Werkstätte Johann Georgs und sei nes Sohnes Franz Xaver. Besonders seine Tierdarstellungen, aber auch seine Auffas sung von der ,,Flucht nach Ägypten", vom ,,Bethlehemitischen Kindermord", um nur einiges anzuführen, wurden zu Modellen für mehrere Generationen von Krippenschnit zern zwischen Gmunden und Hallstatt. Zahlreiche, oft auch sehr bemerkenswerte und vielbachtete Kunstwerke im inneren des Salzkammergutes sind anonym oder von Urhebern ohne glänzenden Namen. Das beginnt mit der berühmten Fischerkanzel von Traunkirchen, der eine so glückliche Landschafts- und Seebezogenheit zu eigen ist. Von wo aus ließe sich am Seegestade das Evangelium sinnvoiler verkünden, als von den Planken eines Fischerbootes? Sie entstand im Jahre 1753, der Urheber ist un bekannt. Dann gibt es die vielen Kalvarienberge mit ihren Zwiebeltürmen, auch archi tektonisch immerein Blickfang innerhalbder Kulisse. Wir denken an Traunkirchen, Ebensee, Bad Ischl, St. Agatha, Hallstatt, Gösau und vergegenwärtigen uns das zu dramatischer Wiedergabe gesteigerte Pas sionserlebnis im Inneren dieser Kirchen. Der Biographie des in Gmunden geborenen und ,,alldort verstorbenen Bildhauermei sters" Franz Schwanthaler entnehmen wir, daß seine beiden Söhne das Hafnerhand werk erlernt haben. Dies ist von mehr ais nur symboiischer Bedeutung. Am Ende einer ganzen Dynastie von Künstierpersönlichkeiten gehen Kunst und Geschlecht in der

anspruchsloseren, aber keineswegs unbe deutenden Volkskunst des Salzkammergu tes auf. Dieser Vorgang Ist zugleich auch ein Paradebeispiel dafür, was unter echter Volkskunst - eine solche ist die sogenannte ,,Gmundner Majolika" oder auch ,,Gmund ner Keramik" vor allen Dingen - zu verste hen ist: Handwerkskunst auf breiter Überlie ferung, von Meistern aus dem Volk für das Volk der Auftraggeber, als da ist die ge samte bäuerliche und bürgerliche Bevölke rung. Der Gmundner Hafner und Majolika maler hat seinen Landsleuten aufs Maul ge schaut und ihnen mit derbem, aber fröh lichem Spott einen Spiegel vorgehalten. ,,Selbstdarstellung" nennt die Volkskunde diesen so charakteristischen Zug der Volks kunst des Salzkammergutes, ob sie sich nun auf Birnkrügen oder Schüsseln, auf bemal ten Löffel- oder Tellerrähmen, oder in den Krippen findet, denn auch dort stellt ja der Erbauer und Schnitzer zunächst seine Hei matumwelt, seine Mitbürger als handelnde Krippenpersonen dar. Damit sind wir längst bei der Beantwortung der Frage angelangt, was das Salzkammer gut selbst an Spezifischem und Charakteri stischem hervorgebracht hat. Hier muß wohl die Musikalität des Kammer gutbewohners zuerst erwähnt werden. Sie äußert sich nicht nur in einer besonderen Empfänglichkeit für Musik, in einer über dem Durchschnitt stehenden Zahl von Musik ausübenden - so gibt es beispielsweise in den meisten Gemeinden zwei, ja drei, in den Gemeinden Bad Ischl und Bad Geisern so gar je fünf Musikkapellen sondern auch in einer auf den Raum der ,,Ur-Gemeinden" beschränkten Stimmigkeit und Klangfarbe, die sich am auffälligsten beim Jodeln, das hier ,,Ludein" (lujdjin) heißt, äußert. Die ,,Lu'la" sind meist vier-, nie fünfstimmig, und eine Eigentümlichkeit besteht darin, daß jede Stimme an der ihr passenden Steile einsetzt, daß sie sich während des Singens immer an- und einpaßt und daß da her auch verschieden geatmet wird. Es ist ein gegenseitiges Rücksichtnehmen, wobei jeder gewissermaßen seinen persönlichen Beitrag zum Klangwerk einbringt. Es gibt aber auch Jodler mit entgegengesetzter Stimmführung, wie z. B. den ,,Füranana" ( = aneinander vorbei). Ein Ludler aus Gößl am Grundlsee ,,Die sibm Almdiana" soll gar ur sprünglich sieben Stimmen gehabt haben. Die Bezeichnungen der Ludler sind seltsam . und geben oft nur an, wersie gesungen bzw. von wem man sie gehört hat, z. B. ,,Einer von der Eggin" oder ,,En Kristern Micheln seiner", ,,S' Lära Bred" (das lärchene Brett) ist ein ,,hart" In As-Dur gesungener Ludler. Lautmalend ist die Bezeichnung ,,Bipalo buibi", man könnte sich dazu auch das Gezirpe der Maultrommel vorstellen. ,,Da Stierschwanz", ,,da Koj Boussa" (der Kinnwackler) und ,,Wegen dem Khloaverdrahtn", weisen auf verhaltenen Übermut, während ,,Daredli" und der ,,Ndaraidio" die beinahe afrikanisch klingende Lautung des ,,Textes" wiedergeben. Niemand würde aber unter dem ,,Küahmäicha" (Kuhmelker) eine der ergreifendsten, alle Tiefen des Volksgemütes auslotenden Melodien ver muten. Den Ludlern entwicklungsgeschichtlich vor aus gehen die ,,Almschreie", die Konrad Mautner^ ,.zwischen Schrei und Melodie liegende Rufe" nennt. Sie ,,heischen Ant wort aus weiter Ferne". Sie beginnen mit ei nem langgezogenen überlauten Jauchzer. Dieser heißt der Ahjugitzer. Der Vordersatz, der ihm folgt, bedient sich alter überlieferter Worte . . . meist sind sie . . harmlose Nekkerei. Das sich überschlagende Jauchzen am Schluß des Almschreis nennt eine Grundlseerische Redensart ,,den greanauerischen Üwasi thoah", was vielleicht darauf schließen läßt, daß solche Alm schreie auch in der Gegend des Almsees und der Grünau üblich sind oder waren. Von den gesungenen Jodlerwelsen ist nur ein kleiner Schritt zu den gespielten Tanz weisen. Das Zwischenglied sind die dem Salzkammergut so eigentümlichen Gelgen jodler, deren Grundstimmung nicht selten eine abgeklärte, leise Wehmut zum Aus druck bringt. Es ist wohl anzunehmen, daß die Grundme lodie des Tanzes im ganzen Salzkammer gut, auch im Oberösterreichischen, die im Dreivierteltakt getanzten ,,Almerischen", insgemein auch ,,Steirische" genannt, ge wesen sind. In das innere Salzkammergut dürfte der oberösterreichische Nationaltanz, der ,,Landla", erst von den Schöffleuten und Roßbauern hereingebracht worden sein, er hat aber dann In allen Orten, von Ebensee bis Aussee und Gößl, jeweils seine eigene Lokalform gefunden. Der ,,Landla" wird geradtaktig mit starker Betonung des zweiten Viertels getanzt. Wie beim ,,Schleunigen" wird bei ihm im Rondo nicht gewalzt, son dern nur ,,umitreten". Der ,,Schleunige", wegen seines rasanten Tempos so genannt, in den alten Aufschreibungen meist als ,,pfannhauserisch" bezeichnet, scheint mit seinem Springen und Strampfen, seinem dem Reigentanz ähnlichen ,.Schnecken drehen", der Leidenschaftlichkeit seines Vorwärtsdrängens, seinem ,.Ausbrechen" aus dem Tanzsaal, seinem Gebrauch bei Hochzeiten und Schützenmählern, oft nur von Pfeifern und Trommlern begleitet, der ursprünglichste Tanz der Gegend gewesen zusein. Seine Verbreitung deckt sich mit der des Schwerttanzes, der in den Salinenorten des Kammergutes von Aussee, Hallstatt und Ischl bis nach Ebensee nachzuweisen ist. Am längsten hat sich der Schwerttanz in ununterbrochener Überlieferungsfolge in Ebensee (bis etwa 1935) gehalten, heute wird er in erneuerter Form wieder in Altaus see und Bad Ischl getanzt. Allen drei Paartänzen, Steirischer, Landla® und Schleuniger, ist im Salzkammergut ein besonders kunstvolles, ,,mehrstimmiges Paschen" gemeinsam, das sich durch sei nen scharf betonten Rhythmus, durch Vorund Nachschlag und seine knallharte Hand festigkeit von ähnlichen Klatschübungen auf dem flachen Lande deutlich unterschei det. In bestimmten Tanzpausen werden ,,Gstanzln", Im Ausseerischen ,,Gsanglan" genannt, eingelegt. Es sind achttaktige Vierzeiler, die von einem ..Afisinger" ange stimmt werden. Dazwischen wird zwei Gstanzllängen ,,gepascht". Der Reichtum an Gstanzln bzw. Gsanglan ist, oder besser, war unerschöpflich. Auch die Volkslieder sind innerhalb des Salzkammergutes hin- und hergegangen. Die Ausseer freuten sich über den überliste ten ,,Goiserer Jaga" genauso wie über den ,,Boarisch HiasI" und ,,Das welische Motl", das die Mundart der,,Kraner" oder Italiener verspottet, wie die Goiserer über die typisch ausseerischen ,,Rockaweiba" oder ,,Die haohi Alm", wie die Ebenseer ,,Wir kommen vom Gebirg", das als fliegender Blattdruck schon bei Ph. Kraußlich in Linz-Ürfahr er schienen war. . . . Das sollten und konnten nur andeutungsweise Proben der Thematik des Volksliedes sein. Eine entschiedene Heraushebung verdienen die Krlppenlleder, die ihre lebendigste Überlieferung im Traunseegebiet und hier wieder in Ebensee haben. Zu der Fülle volkstümlicher Elemente, die dem Salzkammergut erhalten geblieben sind, gehören auch Musikinstrumente, die anderswo längst in Vergessenheit geraten sind: in erster Linie die Schwegel- oder ,, Beitel pfeife". Daß sie heute noch gespielt wird, ist nicht zuletzt dem Eingreifen von zwei begeisterten Volksmusikfreunden und -Sammlern, Raimund Zoder und Karl M. Klier, beide aus Wien, zu verdanken. Sie hatten die Idee, alljährlich am 15. August ei nen ,,Pfeifertag" an irgendeinem schönen Punkt des Salzkammergutes durchzufüh ren''. Es Ist ein Volksfest daraus geworden, aber dieser ..publicity" verdankt das Instru mentsein Überleben und noch mehr-seine Beliebtheit und Wiedereinführung im gan zen bayerisch-österreichischen Raum.

Goiserer beim „Paschen" in der ais Museum eingerichteten Hoizknechtstube des Heimatvereines Bad Geisern. Foto; OLV-Fotoarchiv i Ähnlich war es mit der Mauitrommei. Sie wurde und wird zwar noch in Moiin im Steyrtai erzeugt, aber richtig spielen mit den dazu passenden Volksweisen konnten nur mehr einige Männer, meist Bergleute, in Aussee, Geisern und Ischl. Auch die Mauitrommei hat durch die Pfeifertage, die sich zu einem Volksmusikantentreffen entwickelten, wie dergroße Beliebtheit, besonders in Bayern, erfahren. Zwei Seitelpfeifer und ein Trommler boten jahrhundertelang überall in den Alpenlän dern und darüber hinaus die brauchtümliche Musikbegleitung bei den Armbrust- und Feuerschützenfesten. Anscheinend hat nur im Salzkammergut dieses so wesentliche Brauchtumselement die Schwelle zum In dustriezeitalter überdauert. Grund dafür war nicht zuletzt die Tatsache, daß sich hier eben auch das Armbrustschützenwesen in ununterbrochener Folge seit dem 16. Jahr hundert in Form der Armbrustschützen-Gesellschaften erhalten hat, zuerst geduldet, dann von der Obrigkeit verboten, seit etwa 1800 auch wieder öffentlich gepflegt®. Es scheint, daß die intensive Pflege der alten Herkommensbräuche auch auf die Schei ben- oder Feuerschützen abgefärbt hat, die, vor allem im Salzkammergut - als Bei spiel sei das Leopoldischießen in Lauften genannt- die uralten Späße des Zielers, das mimische und akustische Anzeigen des Schusses und eben auch die Schützenmu sik beibehalten haben. Rückgrat dieses Schützenbrauchtums sind ohne Zweifel die etwa 20 Vereine, die sich zwischen Gmunden und Altaussee bzw. Eselsbach bei Bad Aussee im Lauf der Jahre immer wieder ge bildet hatten und sich seit 1932 zu einem Dachverband zusammenschlössen. Ahnlich dem Armbrustschießen hat ein an derer Brauch, das Glöcklerlaufen mit be leuchteten Kappen und Sternen am Vor abend vor Hl. Drei König im Trauntal, zahl reiche Orte, auch außerhalb des Salzkam mergutes, zur Nachahmung veranlaßt. So ist die Armbrust zunächst als volkstümliche Unterhaltung, dann als Wettkampfwaffe nach der Stadt Salzburg und St. Johann im Pongau, ja bis nach Mödling in Niederöster reich verpflanzt worden. Ungleich größer wurde der Radius des Glöcklerlaufens, das sich zunächst von Ebensee, Gmunden und Bad Ischl aus die meisten Salzkammergut orte eroberte und nach dem zweiten Welt krieg bis ins Ennstal (Stainach-Irdning) und Rottenmann und über St. Gilgen bis in die Stadt Salzburg selbst vordrang. Überhaupt hat die Volksart des inneren Salzkammer gutes schon seit langer Zelt die Nachbarn im Westen angeregt. So dürften der Schleunigentanz und das Steirischtanzen mit Pa schen schon vor der folkloristischen Welle des späten 19. Jahrhunderts bis Zinken bach, St. Gilgen und Fuschl vorgedrungen sein. Aber auch so manche volkstrachtliche Eigenart, wie die ,,ausgenähten" Röcke und Lederhosen dergrau-grünen Tracht und der ,,Ausseer Hut" mit Gamsbart, sind diesen und den Weg in das Mondseeland und den Attergau schon vor der Mitte des 20. Jahr hunderts gegangen. Heute sind so manche dieser Wellen wieder verebbt, nach wie vor holt man sich aber vom fruchtbar gebliebe nen Kern des Salzkammergutes Anregun gen, die längst über Salzburg hinaus, bis nach Bayern wirken, oder man pilgert selbst In das Salzkammergut, um die Art, wie na türlich und selbstverständlich man hier noch dem Brauchgeschehen gegenübersteht, zu erleben. Nur ein typischer Salzkammergut-Brauch ist in seinem ursprünglichen Verbreitungs gebiet allein verblieben; das,, Vöglfangen". Gemeint ist das in den Gemeinden, wo es von altersher ausgeübt wird, sogar von der Obrigkeit sanktionierte Herkommen, im Spätherbst bestimmte Arten von Singvö geln: Gimpel, Zeisige, Distelfinken und Kreuzschnäbel, mit dem ,,Klämmer ge nannten Schlageisen zu fangen. Man ver sucht dies zu bewerkstelligen, ohne den Vo gel zu verletzen oder ihm weh zu tun. Auch in diesem Fall ist Ebensee eines der Zentren des Brauches und Sitz des Dachverbandes der vorwiegend über die Gerichtsbezirke Bad Ischl und Bad Aussee verstreuten Vo gelfänger-Vereine, die alljährlich um Kathrein (25. November) auf gut besuchten Ausstellungen die Bevölkerung an der fröh lich zwitschernden ,,Ernte" des Fangjahres teilnehmen lassen. Worin besteht nun, abgesehen von der zu rückblickenden oder Imaginären Schau der Forscher, Schriftsteller und Künstler, die Wirklichkeit der ,, Region Saizkammergut" heute? Noch immer ist das Salz ein entscheidender

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