Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 1, 1981

anspruchsloseren, aber keineswegs unbe deutenden Volkskunst des Salzkammergu tes auf. Dieser Vorgang Ist zugleich auch ein Paradebeispiel dafür, was unter echter Volkskunst - eine solche ist die sogenannte ,,Gmundner Majolika" oder auch ,,Gmund ner Keramik" vor allen Dingen - zu verste hen ist: Handwerkskunst auf breiter Überlie ferung, von Meistern aus dem Volk für das Volk der Auftraggeber, als da ist die ge samte bäuerliche und bürgerliche Bevölke rung. Der Gmundner Hafner und Majolika maler hat seinen Landsleuten aufs Maul ge schaut und ihnen mit derbem, aber fröh lichem Spott einen Spiegel vorgehalten. ,,Selbstdarstellung" nennt die Volkskunde diesen so charakteristischen Zug der Volks kunst des Salzkammergutes, ob sie sich nun auf Birnkrügen oder Schüsseln, auf bemal ten Löffel- oder Tellerrähmen, oder in den Krippen findet, denn auch dort stellt ja der Erbauer und Schnitzer zunächst seine Hei matumwelt, seine Mitbürger als handelnde Krippenpersonen dar. Damit sind wir längst bei der Beantwortung der Frage angelangt, was das Salzkammer gut selbst an Spezifischem und Charakteri stischem hervorgebracht hat. Hier muß wohl die Musikalität des Kammer gutbewohners zuerst erwähnt werden. Sie äußert sich nicht nur in einer besonderen Empfänglichkeit für Musik, in einer über dem Durchschnitt stehenden Zahl von Musik ausübenden - so gibt es beispielsweise in den meisten Gemeinden zwei, ja drei, in den Gemeinden Bad Ischl und Bad Geisern so gar je fünf Musikkapellen sondern auch in einer auf den Raum der ,,Ur-Gemeinden" beschränkten Stimmigkeit und Klangfarbe, die sich am auffälligsten beim Jodeln, das hier ,,Ludein" (lujdjin) heißt, äußert. Die ,,Lu'la" sind meist vier-, nie fünfstimmig, und eine Eigentümlichkeit besteht darin, daß jede Stimme an der ihr passenden Steile einsetzt, daß sie sich während des Singens immer an- und einpaßt und daß da her auch verschieden geatmet wird. Es ist ein gegenseitiges Rücksichtnehmen, wobei jeder gewissermaßen seinen persönlichen Beitrag zum Klangwerk einbringt. Es gibt aber auch Jodler mit entgegengesetzter Stimmführung, wie z. B. den ,,Füranana" ( = aneinander vorbei). Ein Ludler aus Gößl am Grundlsee ,,Die sibm Almdiana" soll gar ur sprünglich sieben Stimmen gehabt haben. Die Bezeichnungen der Ludler sind seltsam . und geben oft nur an, wersie gesungen bzw. von wem man sie gehört hat, z. B. ,,Einer von der Eggin" oder ,,En Kristern Micheln seiner", ,,S' Lära Bred" (das lärchene Brett) ist ein ,,hart" In As-Dur gesungener Ludler. Lautmalend ist die Bezeichnung ,,Bipalo buibi", man könnte sich dazu auch das Gezirpe der Maultrommel vorstellen. ,,Da Stierschwanz", ,,da Koj Boussa" (der Kinnwackler) und ,,Wegen dem Khloaverdrahtn", weisen auf verhaltenen Übermut, während ,,Daredli" und der ,,Ndaraidio" die beinahe afrikanisch klingende Lautung des ,,Textes" wiedergeben. Niemand würde aber unter dem ,,Küahmäicha" (Kuhmelker) eine der ergreifendsten, alle Tiefen des Volksgemütes auslotenden Melodien ver muten. Den Ludlern entwicklungsgeschichtlich vor aus gehen die ,,Almschreie", die Konrad Mautner^ ,.zwischen Schrei und Melodie liegende Rufe" nennt. Sie ,,heischen Ant wort aus weiter Ferne". Sie beginnen mit ei nem langgezogenen überlauten Jauchzer. Dieser heißt der Ahjugitzer. Der Vordersatz, der ihm folgt, bedient sich alter überlieferter Worte . . . meist sind sie . . harmlose Nekkerei. Das sich überschlagende Jauchzen am Schluß des Almschreis nennt eine Grundlseerische Redensart ,,den greanauerischen Üwasi thoah", was vielleicht darauf schließen läßt, daß solche Alm schreie auch in der Gegend des Almsees und der Grünau üblich sind oder waren. Von den gesungenen Jodlerwelsen ist nur ein kleiner Schritt zu den gespielten Tanz weisen. Das Zwischenglied sind die dem Salzkammergut so eigentümlichen Gelgen jodler, deren Grundstimmung nicht selten eine abgeklärte, leise Wehmut zum Aus druck bringt. Es ist wohl anzunehmen, daß die Grundme lodie des Tanzes im ganzen Salzkammer gut, auch im Oberösterreichischen, die im Dreivierteltakt getanzten ,,Almerischen", insgemein auch ,,Steirische" genannt, ge wesen sind. In das innere Salzkammergut dürfte der oberösterreichische Nationaltanz, der ,,Landla", erst von den Schöffleuten und Roßbauern hereingebracht worden sein, er hat aber dann In allen Orten, von Ebensee bis Aussee und Gößl, jeweils seine eigene Lokalform gefunden. Der ,,Landla" wird geradtaktig mit starker Betonung des zweiten Viertels getanzt. Wie beim ,,Schleunigen" wird bei ihm im Rondo nicht gewalzt, son dern nur ,,umitreten". Der ,,Schleunige", wegen seines rasanten Tempos so genannt, in den alten Aufschreibungen meist als ,,pfannhauserisch" bezeichnet, scheint mit seinem Springen und Strampfen, seinem dem Reigentanz ähnlichen ,.Schnecken drehen", der Leidenschaftlichkeit seines Vorwärtsdrängens, seinem ,.Ausbrechen" aus dem Tanzsaal, seinem Gebrauch bei Hochzeiten und Schützenmählern, oft nur von Pfeifern und Trommlern begleitet, der ursprünglichste Tanz der Gegend gewesen zusein. Seine Verbreitung deckt sich mit der des Schwerttanzes, der in den Salinenorten des Kammergutes von Aussee, Hallstatt und Ischl bis nach Ebensee nachzuweisen ist. Am längsten hat sich der Schwerttanz in ununterbrochener Überlieferungsfolge in Ebensee (bis etwa 1935) gehalten, heute wird er in erneuerter Form wieder in Altaus see und Bad Ischl getanzt. Allen drei Paartänzen, Steirischer, Landla® und Schleuniger, ist im Salzkammergut ein besonders kunstvolles, ,,mehrstimmiges Paschen" gemeinsam, das sich durch sei nen scharf betonten Rhythmus, durch Vorund Nachschlag und seine knallharte Hand festigkeit von ähnlichen Klatschübungen auf dem flachen Lande deutlich unterschei det. In bestimmten Tanzpausen werden ,,Gstanzln", Im Ausseerischen ,,Gsanglan" genannt, eingelegt. Es sind achttaktige Vierzeiler, die von einem ..Afisinger" ange stimmt werden. Dazwischen wird zwei Gstanzllängen ,,gepascht". Der Reichtum an Gstanzln bzw. Gsanglan ist, oder besser, war unerschöpflich. Auch die Volkslieder sind innerhalb des Salzkammergutes hin- und hergegangen. Die Ausseer freuten sich über den überliste ten ,,Goiserer Jaga" genauso wie über den ,,Boarisch HiasI" und ,,Das welische Motl", das die Mundart der,,Kraner" oder Italiener verspottet, wie die Goiserer über die typisch ausseerischen ,,Rockaweiba" oder ,,Die haohi Alm", wie die Ebenseer ,,Wir kommen vom Gebirg", das als fliegender Blattdruck schon bei Ph. Kraußlich in Linz-Ürfahr er schienen war. . . . Das sollten und konnten nur andeutungsweise Proben der Thematik des Volksliedes sein. Eine entschiedene Heraushebung verdienen die Krlppenlleder, die ihre lebendigste Überlieferung im Traunseegebiet und hier wieder in Ebensee haben. Zu der Fülle volkstümlicher Elemente, die dem Salzkammergut erhalten geblieben sind, gehören auch Musikinstrumente, die anderswo längst in Vergessenheit geraten sind: in erster Linie die Schwegel- oder ,, Beitel pfeife". Daß sie heute noch gespielt wird, ist nicht zuletzt dem Eingreifen von zwei begeisterten Volksmusikfreunden und -Sammlern, Raimund Zoder und Karl M. Klier, beide aus Wien, zu verdanken. Sie hatten die Idee, alljährlich am 15. August ei nen ,,Pfeifertag" an irgendeinem schönen Punkt des Salzkammergutes durchzufüh ren''. Es Ist ein Volksfest daraus geworden, aber dieser ..publicity" verdankt das Instru mentsein Überleben und noch mehr-seine Beliebtheit und Wiedereinführung im gan zen bayerisch-österreichischen Raum.

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