Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 1, 1981

Kunst der Gegenwart Sepp Moser — ein Bildhauer des Saizkammergutes Otto Wutzel Das Salzkammergut Ist eine Kunstland schaft ganz besonderer Art (siehe darüber den Beitrag von Franz C. Lipp „Region Salzkammergut" In diesem Heft). In der österreichischen Malerei und Graphik des 19. und 20. Jahrhunderts nimmt es eine be vorzugte Stellung ein. Die Schönheit der Natur in diesem Landschaftsraum wirkt auch heute noch auf empfängliche Gemüter überwältigend. Viele prominente Beispiele werden Immer wieder angeführt- Jakob Alt etwa mit seiner Lithographie-Mappe „Vor züglichste Ansichten des K. K. Salzkam mergutes und dessen Umgebungen In Ober Österreich" (1828); die zartfarbigen Aqua relle seines Sohnes Rudolf von Alt, der ab 1827 bis zu seinem Tode 1905 oft und oft hier Sommeraufenthalt nahm, zuletzt be vorzugt in Golsern; der Wiener Thomas Ender(1793 bis 1875), vor allem zu nennen mit seiner ,,lschel"-Mappe, die 1828 in drei Hef ten mit zwölf Radierungen und einem reiz vollen Titelblatt erschien; besonders jedoch Ferdinand Georg Waldmüller (1793 bis 1865), der wohl die schönsten Salzkam mergut-Landschaften schuf, die je gemalt worden sind. Die Wirkung der grandlosen Naturszenerie des Kammergutes erreichte auch die deutsche Romantik und den Berli ner Klassizismus, denken wir an Ludwig Richter oder Carl Friedrich Schinkel. Bedeutende Musiker und Dichter fanden in der Umgebung von Ischl und Gmunden, an den Seen des äußeren Salzkammergutes, In der Hochgebirgslandschaft des Dach steins ihr ideales Erholungsrefugium, aus dem später oft eine Wahlheimat wurde. Alle diese Künstlernaturen begeisterten sich nicht nur an der Schönheit der Natur In dem einzigartigen Zusammenspiel von Berg, Wald und Wasser, sie gewannen auch die Menschen, denen sie hier begegneten, lieb. Sie erfreuten sich an Ihrer Natürlichkeit, entdeckten gerne Ihre vielfachen Naturbe gabungen. Bei dieser so glückhaft vorgezeichneten kul turellen Disposition muß es einen Außen stehenden verwundern, daß die Kammergütler bis vor wenigen Jahrzehnten die Schwelle von der Volkskunst zur Hochkunst selten überschritten haben. Auch der Hallstätter Bergmeister Johann Georg Rams auer (1795 bis 1875) und sein Gefährte Isi dor Engl (1832 bis 1918), deren wissen schaftliche und künstlerische Leistung in Zusammenhang mit der Erforschung der Hallstattkultur gerade in jüngster Zeit sehr bewußt gemacht worden ist, ebenso die köstlichen Lokaltopographen des 18. und 19. Jahrhunderts Matthäus Baumgartner, Johann Engleltner, die Ischlerin Maria Su sanne Laimer mit ihrem Sohn Joseph Lai mer, Bergmeister Daniel Kessler, der Hallstätter Franz Stelnkogler, sie alle sind letzt lich Volkskünstler geblieben. Gleiches gilt von den Golserern Josef Steinbrecher und Paul EIßenwenger, deren Leben und Werk In diesem Heft gesondert dargestellt wer den. Vielfache Ursachen mögen hier zusam mengewirkt haben. Die hohen musischen Anlagen im Kammergut sind unbezweifelt. Ihre besonderen Äußerungen sind tempe ramentvolle Musikalität, feines plastisches Gespür Im Umgang mit den Werkstoffen Holz und Ton, natürliches Farbempfinden, reiche Phantasie. Armut und Abgeschie denheit haben jedoch bis zum Beginn unse res Jahrhunderts dem Kammergütler den Schritt In die Ferne - auch In eine künstleri sche Ferne - nicht erlaubt. Spielte vielleicht auch Heimweh mit, das den Männern dieser Landschaft oft nicht nur den Wehrdienst verleidete, sondern sie auch von der Wan derung in die Städte abhielt, wohin früher ja Dienst an der Hochkunst stets führen mu(3te? Eine erste Wende brachte die 1873 gegrün dete k. k. Fachschule für Holzschnitzerei und Marmorbearbeitung (siehe Abhandlung von Georg Zauner in Heft 1/1980). In einer Beschreibung dieser Schule aus dem Jahr 1905 von Isidor Engl findet sich der be zeichnende Satz: ,,ln weiser Fürsorge für die der Volksschule entwachsenen Söhne des Ortes Hallstatt und seiner Umgebung schlummernden Talente Gelegenheit zu bieten, theoretisch und praktische Kennt nisse für das Kunstgewerbe aneignen zu können, hat das hohe k. k. Unterrichts Mini sterium Im Jahre 1873 in Hallstatt eine Fachschule errichtet für Holzindustrie und Marmorbearbeitung . . ." Seitdem hat sich im Kunstleben des Salz kammergutes viel Neues ereignet. Viele Künstler, die dieser Landschaft entstam men, haben Ihren Weg gemacht. Die alte Wesensart haben sie sich jedoch in den meisten Fällen auch heute noch bewahrt. In seiner Kunstauffassung kann und will der Sohn des Kammergutes seine heimatliche Herkunft nicht verleugnen. Die Eigenstän digkeit ist nach wie vor groß., Aus der Schar von begabten Bildhauern, die in der Hallstätter Schule begonnen haben, sei Sepp Moser aus Neukirchen bei Altmün ster als Beispiel für viele herausgegriffen. Ob es Ihn freuen wird? Bisher hat er sogar jede wohlgemeinte Antragstellung auf Ver leihung des Professortitels, der Ihm seit lan gem zustehen würde, abgelehnt. ,,Wenn Ich Professor bin", polterte er In einem Ge spräch, ,,kann Ich ja keine Krippe mehr schnitzen." Seine Geburts- und Lebensheimat ist die Viechtau, jene almen- und waldgrüne Hü gellandschaft westlich des Traunsees, die von der Aurach zur Traun entwässert wird. Die Hochgebirgsregion des Salzkammer gutes klingt hier in weit sich hinziehende Höhenrücken aus - Kollmannsberg, Gras berg, Gmundnerberg. Es ist eine freundli che, jedoch keine idyllische Landschaft. Die 1000-m-Höhengrenze wird kaum über schritten. Das Höllengebirge wirft seine Schatten herein. Kilometertief sind die dunklen Nadelwälder vom Krahberg, Richt berg und Hongar. Die Legenden um das ,,Rlchtberg-Taferr, einer uralten Wall fahrtsstätte der Viechtau, erzählen, daß sich einst sogar ein einheimischer Wilderer in diesen mächtigen Waldungen verirrt habe. Die Sozialstruktur dieser Landschaft war stets von Kargheit und bescheidener Exi stenz gekennzeichnet. Die Gegenwart hat an dieser Situation kaum viel ändern kön nen, obwohl der Fremdenverkehr längst seinen Einzug gehalten hat, Zweithäuser von Städtern aus den Almböden wie giftige Schwämme herauswachsen und die Groß almstraße eine günstige, rasche Verkehrs verbindung zu den Erholungsräumen des Traunsee- und Atterseegebietes herstellt. Die Besiedlungsgeschichte berichtet von Kleinbauern, Jägern und Holzknechten, die seit prähistorischer Zeit hier gerodet haben und mühsam ansässig geworden sind. Sie mußten sich früh nach einem Nebenerwerb umschauen. Sie fanden mit angeborener und erworbener künstlerischer Begabung eine sehr eigenständige. Innige Beziehung zum Holz als Werkstoff für ihr nebenberuf liches Handwerk. Geschnitzt wird bei uns, so sagen die VIechtauer, ,,seit Menschen gedenken". Ursprünglich wurden die ver schiedenartigsten Haushalts- und Land wirtschaftsgeräte hergestellt, die von den Männern Im HausiertTandel selbst vertrie ben wurden. Angeblich bestand damals - In diesen weit zurückliegenden Jahrhunderten - eine Beziehung zur Holzwarenerzeugung von Berchtesgaden. Der behördliche Merkantilismus des 18. und die fortschreitende Technisierung des 19. Jahrhunderts führten zu neuen Zielsetzun gen für diese Helmindustrie. Ab etwa 1850 bildete sich jene typische VIechtauer Volks kunst aus, die in der österreichischen Volks kunde einen Ehrenplatz einnimmt. Im Jähr 1870 wurde im Mesnerhaus von Neukirchen bei Altmünster eine eigene Schnitzerei schule eingerichtet, die wohl bald wieder aufgelassen werden mußte, bis heute je doch fortwirkt. Ein Merkblatt des ,,VIecht auer Heimatvereines" informiert, daß um diese Zelt oft bis zu 700 Menschen in Heim-

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