Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 30, April 1972

Heft 30 April 1972 Gründungsjahr 1948 Veröffentlichungen des l(ulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Dr. Volker Lutz Dr. Erlefried Krobath: Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (13. Fortsetzung) Franz Michael Werloschnigg von Berenberg (1811 - 1818) Franz Seraph Reisser (1819 - 1842) Dr. Josef Ofner: Kunstchronik der Stadt Steyr Architektur, Bildhauerei und Malerei ( 6. Forsetzung) Barock und Rokoko

Heft 30 April 1972 Gründungajahr 1948 Veröffentlichungen des l(ulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Dr. Volker Lutz Dr. Erlefried Krobath: Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (13 . Fortsetzung) Franz Michael Werloschnigg von Berenberg (1811 - 1818) Franz Seraph Reisser (1819 - 1842) Dr. Josef Ofner: Kunstchronik der Stadt Steyr Architektur, Bildhauerei und Malerei ( 6. Forsetzung) Barock und Rokoko

Alle Rechte vorbehalten Eigentümer, Herausgeber und Verlag: Stadtgemeinde Steyr / 1972 Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Volker Lutz Druckerei Wilhelm Ennsthaler, Steyr

Senatsrat Dkfm. Dr. Erlefried Krobath Eine Woche vor Weihnachten, am 18. Dezember 1971, verschied ganz unerwartet in Ebreichsdorf bei Wien Senatsrat Diplomkaufmann Dr. Erle– fried Krobath. Der aus Kärnten stammende Senatsrat, er wurde am 17. August 1904 in Pontafel als erstes Kind des Professors Karl Krobath und der Albine Krobath, geb. Schellander, geboren, bes~chte die Volksschule in Wolfsberg und zwei Klassen des Gymnasiums in St. Paul im Lavanttal. Da er im Sommer 1916 als zwölfjähriger Knabe freiwillig zum Infanterieregiment Nr. 17 nach Judenburg einrückte, zählte er zu den jüngsten österreichischen freiwilligen des Ersten Weltkrieges. In den Jahren 1916 und 1917 stand er im Gefechtseinsatz an der Südfront (Mte. Meletta, Portella Pozze, Ortigara, Suganatal), wurde durch einen Streifschuß am Kopf verwundet und mit der Bronzenen Tapferkeitsmedaille und dem Karl-Truppenkreuz aus– gezeichnet. Im Kärntner Abwehrkampf erhielt er das Kärntner Kreuz für Tapferkeit. Erst nach den harten Kriegstagen konnte Krobath seine Studien fortsetzen. An der Handelsakademie in Klagenfurt legte er 1930 mit bestem Erfolg die Reifeprüfung ab, als Diplomkaufmann verließ er 1932 die Hochschule für Welthandel in Wien. An diesem Institut erwarb auch der seit 1935 im österreichischen Staatsdienst stehende sprachkundige Beamte 1939 das Doktorat auf Grund seiner Dissertation über die „Geographie der Orient– tabake" . Im Zweiten Weltkrieg nahm Doktor Krobath als Leutnant an den Kampf– handlungen in Belgien, Nordfrankreich und Rußland teil. Bei Kriegsende 3

wirkte der mit dem Kriegsverdienstkreuz ausgezeichnete Offizier als Dolmetsch der amerikanischen Besatzungsmacht in Steyr und Enns. . Am 1. August 1946 kam Dkfm. Dr. Krobath in die Eisenstadt, wo er als Beamter des Magistrats bis zu seiner Pensionierung am 31. Dezember 1968 eine umfangreiche Tätigkeit entfaltete. Er war Sekretär des Bürgermeisters Leopold Steinbrecher, stand vorübergehend an der Spitze des Schulamtes und leitete durch acht Jahre das Kulturamt. Schon 1946 organisierte er Fortbildungskurse für Erwachsene, aus denen später die Volkshochschule hervorging, an der er selbst Spanisch unterrichtete. Anläßlich der großen Steyrer Ausstellung im Jahre 1949 betreute er die kulturellen Veran– staltungen, u. a. das prächtige f estspiel, an dem über 400 Personen mitwirkten. Große Verdienste erwarb er sich um die Aufstellung des sehenswerten Sensenhammers im Garten des Heimathauses (Innerberger Stadel), durch seine Krippen-Schau und Kalender-Ausstellung wurde er über die Grenzen Osterreichs hinaus bekannt. Außer seiner vielseitigen Berufsarbeit, seit 1954 verwaltete er die Städti– schen Unternehmungen, fand er noch Zeit, sich mit stadtgeschichtlichen Forschungen zu beschäftigen. Neben der Herausgabe des Steyrer Geschäfts– kalenders und der „Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr" verfaßte er über dreißig lokalhistorische Arbeiten, von denen die in 14 Fortsetzungen erschienene, von 1500 bis 1842 reichende Geschichte der Steyrer Bürgermeister (,,Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit") die bedeutendste ist. Das auf mühsamen Quellenstudien fußende Werk, das der Verfasser leider nicht mehr bis in die Gegenwart weiterführen konnte, enthält nicht nur die Lebensgeschichte der Bürgermeister, sondern ist auch eine reiche Fundgrube historischer Daten zur Geschichte der Stadt Steyr. Von den übrigen Abhandlungen, die wir dem Historiker verdanken, sind besonders bemerkenswert die Biographie des Barockbaumeisters Gotthard Hayberger und der zeitgeschichtliche Aufsatz „Steyr nach dem Zweiten Weltkrieg". Die bedeutenden kulturellen Leistungen des hervor– ragenden Beamten würdigten die oberösterreichische Landesregierung schon 1958 durch die Verleihung des Ehrentitels „Wissenschaftlicher Konsulent" und der Bundespräsident 1966 durch die Überreichung des dsterreichischen Ehrenkreuzes für Kunst und Wissenschaft. Diplomkaufmann Dr. Erlefried Krobath, eine tolerante, freundliche und hilfsbereite Persönlichkeit, war seit 1940 vermählt mit Frau Volksschul– direktor Margarete Ballak, die in Steyr an der Mädchenvolksschule in der Berggasse überaus ersprießlich wirkte. Die erfolgreiche Tätigkeit des Senatsrates in der Steyrer Stadtverwaltung, sein Wirken als Obmann des „Bundes der Kärntner" sowie seine großen Leistungen als unermüdlicher Heimatforscher werden auch in späteren Jahren unseres hasterfüllten Zeitalters noch gebührende Beachtung finden. 4

Dr. Erlefried Krobath Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit 13. Fortsetzung Dirigierender Rat Eustachius Antonius Franz Michael Werloschnigg von Berenberg 1811 bis 1818 Bürgermeister Franz Seraph Reisser 1819 bis 1842 Dirigierender Rat Eustachius Antonius Franz Michael Werloschnigg von Berenberg1 ) (1811-1818) Da die landesfürstlichen Städte 1785 ihrer Verwaltungsprivilegien verlustig gegangen waren, hatte die Landesregierung am 19. Dezember desselben Jahres dem Magistrate mitgeteilt, wie künftig neue Ratswahlen durch– zuführen wären. Im gleichen Dekrete wurde auch die Anzahl des Rats- und Kanzleipersonales für die Stadt festgesetzt und gefordert, daß „ein ver– dienstlicher Ober- oder Unteroffizier bey dem zukünftigen neuen (juri– dischen) Magistrat angestellt" werde. Gemeint war hier die Stelle eines der vier für Steyr systemisierten Ratsmänner (Magistratsräte). Im Jahre 1803 war die Wahl der in den landesfürstlichen Städten im Zivil- und Kriminaldienst tätigen Mitglieder des Magistrates abgeschafft worden. Diese hatten als Wahlwerber für den angestrebten Posten nunmehr gewisse Vorbedingungen zu erfüllen. Sie bedurften überdies des „breve eligibilitatis" der Landesregierung sowie der vom k. k. Appellationsgericht in Wien bestätigten Wahlfähigkeit. Nach der Wahl durch die von der Bürgerschaft namhaft gemachten Votanten erfolgte über Vorschlag des Magistrates die Ernennung des Bewerbers seitens der Landesstelle im 1 ) Verschiedene Schreibweisen des Namens: Werloschnig von Fernberg, Werloschnick von Bernberg. Von seinen vier Vornamen behielt Werloschnigg nur die letzten zwei bei. 5

Einvernehmen mit dem Appellationsgericht2 ) . Die städtische Verwaltung und Rechtsprechung wurde nunmehr durch besoldete Beamte ausgeübt. Diese waren von den landesfürstlichen Behörden abhängig und hatten sogar in Angelegenheiten geringfügiger Bedeutung die Stellungnahme der vorgesetzten Behörden einzuholen. Damit wird den landesfürstlichen Städten auch weitgehendst die Verfügung über ihre Einnahmen und Ausgaben entzogen. Neben anderen Personen bewarb sich im Jahre 1786 um eine Ratsmann– stelle in Steyr auch der Unterleutnant im Infanterieregiment Nr. 59, Eustachius Antonius Franz Werloschnigg von Berenberg. Der Vorschrift entsprechend, wurde ein Verzeichnis aller jener, die sich um die „Rathmann– würde" beworben hatten, am Rathaus angeschlagen, damit der aus zwanzig Mitgliedern bestehende Bürgerausschuß von „sämmtlichen Wahl fähigen Mitwerbern die Käntnuß nehmen und hiernach die Wahl treffen könne". Unterschrift des Dirigierend Ratesen Werloschnigg von Berenberg Bei der Ende März 1786 unter den üblichen Zeremonien vorgenommenen Wahl wurde Werloschnigg von den Votanten der Bürgerschaft gewählt und von der Landesstelle am 29. April als „Erster Rathmann" bestätigt3 ). Zu weiteren Ratsmännern wurden Albert Schellmann und Vinzenz von Köhler erkoren; für das gewerkschaftliche Fach sollte ein in diesen Angelegenheiten Erfahrener nachgewählt werden, er wurde später in Sebastian Haydinger gefunden. Der bisherige Syndikus (Magistratsdirektor) Matthäus Guggenpichler, der der Stadt lange Jahre mit seiner reichen Erfahrung gedient hatte, reichte sein Pensionsgesuch ein, um der geänderten Situation im Magistrat Rechnung zu tragen. Am 15. Juni 1786 wurde ihm eine Jahrespension von 300 Gulden zuerkannt4 ) . 2 ) RP 1817 A, 122. - Zufolge ka.i.serlicher Entschließung von 25. 2. 1808 und kreis– ämtlichem Dekrete 2554 vom 7. 4. 1808 ,, ... darf eine Wahl der Magistratspersonen nicht mehr vorgenommen, sondern nur ein Vorschlag aus den Kandidaten von dem Magistrats Gremio an die hohe Behörde vorgelegt" werden. 3 ) RP 1786 A, 62, 95, 155. 4 ) RP 1786 C, 66, 83, 155. 6

Der Erstgeborene des Doctor medicinae Leo Werloschnigg von Berenberg erblickte im September 1757 in Wels das Licht der Welt und bekam in der Taufe die Vornamen Eustachius Antonius Franz Michael5). Seine Mutter Josepha schenkte noch neun Kindern das Leben. Sie war eine Tochter des Holzhändlers Joseph Gnädlstorfer, eines Mitgliedes des Inneren Rates dieser Stadt und dessen Gattin Maria Magdalena. Laut Standestabelle des Infanterieregiments Nr. 59 wurde Werloschnigg junior am 23. März 1783 als Regimentskadett assentiert. Er diente dann in diesem Regimente als Fähnrich und Unterleutnant bis er seinen Dienst am 30. Juni 1786 quittierte6 ). Dann trat Werloschnigg den Steyrer Magistratsdienst an und bezog eine Wohnung im Rathaus. Diese mußte er vorübergehend wieder räumen, da sie einen „schadhaften Befund" aufwies. Bis zur Instandsetzung fand er beim Stadtkämmerer Pimpel Unterkunft. Sehr bald sah er sich genötigt, um einen Vorschuß von 100 Gulden zu ersuchen, ,,da die aus dem Militärdienst in Zivildienst übergetretenen Offiziere nicht mehr die militäri– schen Ehrenzeichen und Kleider tragen dürfen und er sich daher von Fuß auf ganz equipieren" müsse. Es wäre ihm möglich, diesen Betrag in jährlichen Raten von 25 Gulden zurückzuzahlen. Als Erster Ratsmann war Werloschnigg von Berenberg für die politische und die Justizverwaltung der Stadt zuständig, da in Steyr keine Unter– schiede zwischen politischen und Justizräten bestand. Nebenbei übte er noch verschiedene andere Tätigkeiten aus7 ). Er war „aufgestellter" Kirchen– vater, Beisitzer in „Justiz geschäften" beim k. k . Bezirksgericht in Steyr, Direktor der Magistratskanzlei, zeitweilig auch Direktor des Spinnhauses (Arbeitshauses), das im ehemaligen Cölestinerinnenkloster untergebracht war und ein Jahr lang Leiter der städtischen Polizei. Mehrfach vertrat er den abwesenden Bürgermeister und er wurde oftmals in wichtigen Ange– legenheiten als Deputationsmitglied des Magistrates nach Wien entsandt. Besondere Verdienste erwarb er sich in Notzeiten. So, als es ihm 1803 gelang, den großen Mangel an Nahrungsmitteln in der Stadt zu lindern. Wegen dieser „in Getreideeinkaufsgeschäften, als auch in der Zeit des erledigt gewesenen Bürgermeisteramtes (1803) bezeugten eifrigen Ver– wendung", wurde ihm eine Remuneration von 150 Gulden zuerkannt8 ). Während des 3. Koalitionskrieges, am 3. Oktober 1805, wurde er, als ehemaliger Offizier, zum Stationskommandanten von Enns bestimmt. Doch hatte er diesen Posten nur kurze Zeit inne, da der französische General Murat schon am 1. November in Linz einzog und dann den Österreichern über Enns nachrückte9 ). 5 ) Taufbuch des Stadtpfarramtes Wels, Bd. VI, 463. 6 ) Standeslisten im österreichischen Kriegsarchiv, Wien. 7 ) RP 1787 B, 115; RP 1793 A, l; RP 1799 B, 153; RP 1807 A, 418. 8 ) RP 1803 A, 231. - Ein Pfund Rindfleisch kostete damals 8 Kreuzer. 9 ) RP 1805 A, 388. 7

Wappen des Dirigierenden Rates Eustachius Antonius Franz Michael Werloschnigg von Berenberg Gevierter Schild, an der Herzstelle mit einem achtstrahligen goldenen Stern belegt. Feld 1 und 4 in Rot ein silberner Schrägbalken, Feld 2 und 3 ein silberner Bär einwärts. Heimzier: wachsender schwarzer Bär zwischen zwei Fahnenstangen, die zur Rechten ein rot-silbernes und zur Linken ein schwarz-silbernes Fähnchen tragen. Am 20. September 1709 wurde dem Großvater des Dirigierenden Rates, Johann Baptist Werloschnigg, Landschaftsphysikus in Oberösterreich, Dr. med. der Universität Padua, Dr. phil der Universität Wien und Mitglied der Leopoldinischen Akademie von Kaiser Joseph I. der Reichsritterstand mit dem Prädikat II von und zu Pernberg" verliehen. Dies, weil er während des Erbfolgekrieges im Jahre 1709 Leiter eines Feldspitales in Steyr war und hier große Heilerfolge erzielte. In das Spital waren ungefähr 3.000 Verwundete und kranke Soldaten eingeliefert worden. 8

Wegen einer über ein Jahr dauernden Krankheit Werloschniggs verfügte das Kreisamt in einem Dekret vom 15. November 1817, daß die „Direction" der Stadt durch . den Zweiten Magistratsrat, Franz Seraph Reisser, über– nommen werden solle10 ). Nur noch einmal, am 2. Dezember 1818, nahm Werloschnigg an einer Sitzung im Rathaus teil. Schon kurze Zeit nachher, am 27. Dezember, verschied er11 ). Die Witwe Christiane ersuchte am 17. April 1819 um Festsetzung einer Pension und um deren Anweisung. Da sie vergeblich wartete, bat sie den Magistrat nochmals am 24. September „um Einleitung zur Auszahlung ihrer Pension", da sie mangels eines Vermögens sowie ihres vorgerückten Alters und ihrer Kränklichkeit wegen nicht mehr in der Lage wäre, einem Erwerb nachzugehen und sie in dieser Situation ohnehin der städtischen Fürsorge zur Last fallen müßte. Der Bürgerausschuß beschloß nun, ihr vorschußweise jährlich 500 Gulden W. W., vom Sterbetag ihres Gatten an gerechnet, aus dem Armenfonds anweisen zu lassen. Dies so lange, bis die entsprechende Regierungsbewilligung einlange 12 ). Bis auf einen Sohn, Karl, und die Tochter Christiane, verstarben die Kinder Werloschniggs in frühestem Alter13 ). Die gesamte Amtszeit Werloschniggs war durch einschneidende Begeben– heiten gekennzeichnet. In diesen Zeitabschnitt (1786-1818), der mit zu den ereignisreichsten der Steyrer Geschichte zählt, fallen umwälzende Ver– waltungsreformen, kriegerisches Geschehen mit all seinen verderblichen Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben, die französische Besatzung der Stadt und Naturkatastrophen. Schon nach dem Rücktritte des Bürgermeisters Sylvester von Paumgartten im Jahre 1803 hatte sich Werloschnigg von Berenberg neben Magistratsrat Franz Karl Preureutter um die freie Stelle beworben. Vom Kreisamte erging der Auftrag, die Bewerbung am Rathaustor anzuschlagen und im übrigen die Bürgermeisterwahl nach der „üblichen" Art vorzunehmen14 ). Bei dieser wurde die Mehrheit der Stimmen für Preureutter abgegeben, von Berenberg verblieb weiterhin Erster Magistratsrat. Als im Dezember 1810 Preureutter das Bürgermeisteramt niederlegte, erfolgte keine Wahl. Die Amtsgeschäfte führte interimistisch Werloschnigg. Schließlich verständigte am 19. Jänner 1811 das Kreisamt den Magistrat, daß die Stelle des Bürgermeisters „suspendiert" sei, hingegen die Besetzung 10 ) RP 1817 A, 285. 11 ) RP 1819, 273, 379. 12 ) RP 1819 A, 273,426: Pension 200 Gulden W. W . mit 150 Prozent Teuerungszuschuß; RP 1820 A, 135. 13 ) Theresia im Alter von 3 Monaten 1790, Johanna im selben Jahr 5 Monate alt, Josephus 17 Wochen alt 1795, Barbara sechsjährig 1799 (Sterberegister des Stadt– pfarramtes Steyr) . RP 1822 B, 782. 14 ) RP 1803 A, 170, 177. 9

der vakanten vierten Magistratsstelle genehmigt werde15 ). Die „Direction" der Stadt wurde vom genannten Amte Werloschnigg von Berenberg mit dem Amtstitel „Dirigierender Rat" übertragen. Mit dieser Entscheidung wurde der Genannte praktisch das Oberhaupt der Stadt. Als solches vertrat er in weiterer Folge Steyr als Deputierter bei der Landschaft im Erzherzogtum Oesterreich ob der Enns16 ). In der Zeit von 1811 bis 1818, als Werloschnigg der Stadt als 11 Dirigierender Rat" vorstand, wurde in Steyr die wirtschaftliche Lage immer prekärer. Die Atempause zwischen dem Schönbrunner Frieden und der Teilnahme Osterreichs am Rußlandfeldzuge Napoleons 1812, sowie von diesem bis zur Beteiligung an dem großen Befreiungskriege an der Seite Preußens, Englands und Rußlands, waren zu kurz, um im Staate und damit auch in all seinen Gliederungen die erschöpfte Wirtschaft in Gang zu bringen. Es fiel auch schwer ins Gewicht, daß Steyr durch den „Austritt aus den Genüssen als hauptgewerkschaftliches Mitglied äußerst g e 1i t t e n ", wie man in einer Sitzung festgestellt hatte. Der Großteil der Steyrer Bürger sah überdies im juridischen Magistrat, der natürlich eine Anzahl von Beamten erforderte, eine unnötige finanzielle Belastung des städtischen Haushaltes. Wenn sich eine Gelegenheit bot, versuchte der Bürgerausschuß zu verhindern, daß alle Planposten besetzt würden. Als Magistratsrat Schroff im August 1810 sein Amt resignierte, beantragte der Ausschuß der Bürgerschaft, diese Stelle vorläufig nicht zu besetzen, da er an die Landesregierung ein Gesuch um Einschränkung des Personals gerichtet hätte und die Erledigung abwarten wolle17 ). Diese mehr oder minder unverhüllt zur Schau getragene unfreundliche Einstellung der Bürgerschaft brachte es mit sich, daß der „Magistrat in corpore an den ökonomischen Verhandlungen des Bürgerausschusses seit einiger Zeit keinen Anteil" nahm, wie eine Notiz in den Ratsprotokollen des Jahres 1817 berichtet18 ). Im gleichen Jahre versuchte eine Abordnung der Stadt bei der Regierung in Wien eine Änderung in der Verwaltung zu erreichen, doch blieb dies erfolglos. Auch eine Änderung der Art des Strafvollzuges mißfiel den Bürgern besonders. Jene, die gegen ein Gebot verstießen und mit Freiheitsentzug zu rechnen hatten, konnten die Strafe bis zum Ende des Jahres 1803 in der sogenannten „Bürgerstube" absitzen. Im Jänner 1804 wurde dem Bürger– ausschuß bekanntgegeben, daß Bürger, wenn sie straffällig würden, die Strafe im „Civil Arrests Zimmer" des Arresthauses abzubüßen hätten. Noch 1808, als über kaiserliches Patent die Aufstellung einer Landwehr verfügt wurde, war auch der Magistrat Steyr aufgefordert worden, einen 15 ) RP 1810 A, 406, 41 0. 16 ) K. k. Instanzenkalender für das Erzherzogtum Oesterreich ob der Enns auf das Jahr 1816. 17 ) RP 1818, 262. 1 8) RP 1817 A, 115. 10

finanziellen Beitrag für die Aufrüstung dieser neuen Heeresinstitution zu leisten. Werloschnigg konnte damals noch diese Aufforderung wärmstens unterstützen und er hob bei Beratung der Angelegenheiten hervor, daß Steyr eine Stadt wäre, die ein betr ä c h t 1ich es Vermögen besäße und daher einen Beitrag zu leisten habe. Der zu Schönbrunn am 14. Oktober 1809 geschlossene Friede hatte dem österreichischen Staate bedeutende Gebietsverluste eingebracht; seine Gren– zen waren ringsum von feindlichen Staaten bedroht, der Zugang zum Meer war verschlossen. Das Land ob der Enns verlor an Bayern das Innviertel und einen Teil des Hausruckviertels mit der Stadt Vöcklabruck19 ). Wirt– schaftlich gesehen gestalteten sich die Handelsbeziehungen mit den ver– bliebenen Gebieten sehr schwierig, weil die Verbindungswege durch verlorenes Territorium führten. überdies flossen aus diesem große Mengen von Bankozetteln an den Staat zurück und vermehrten so die bestehende ungeheure Staatsschuld. Das Papiergeld verlor immer mehr an Kaufkraft, da eine reale Bedeckung fehlte. Von 1793 bis 1811 war der Papiergeld– umlauf im Staate von 27 auf 1.060 Millionen Gulden gestiegen. Der Preis aller Waren, vor allem der Nahrungsmittel, war wegen der mangelnden Einfuhr und des großen Verbrauches durch die anwesenden Franzosen besonders für festbesoldete oder für Personen, die von bescheidenen Renten lebten, in eine fast unerschwingliche Höhe gestiegen. Die schwere Finanzkrise endete mit dem Staatsbankrott von 1811. Über Vorschlag des Hofkammerpräsidenten Graf Wallis wurde am 20. Februar ein kaiserliches Patent erlassen, in dem die Herabsetzung der im Umlauf befindlichen Bankozettel auf ein fünftel des Nennwertes angeordnet wurde. An ihrer Stelle gab man sogenannte Einlösungsscheine aus. Gleichzeitig wurde für die alte Staatsschuld nur mehr die Hälfte der Zinsen in Einlösungsscheinen geleistet. Wie ein Chronist berichtet, brachten die Maßnahmen im Lande ,,viele Familien an den Bettelstab, einige Personen begingen aus Ver– zweiflung Selbstmord"20 ). Um Manipulationen zugunsten einzelner Personen zu verhindern, wurde das Patent in Steyr erst am Tage seiner ersten Wirksamkeit, am 15. März 1811, um 5 Uhr morgens, bekanntgegeben21 ). Steuern und Taxen waren von diesem Tage an, wenn sie in Bankozetteln bezahlt wurden, in fünf– facher Höhe, oder mit neuen Einlösungsscheinen einfach einzuheben. Gehalte, Pensionen oder Provisionen waren ebenso entweder in Ein– lösungsscheinen oder in fünffachem Wert der Bankozettel auszuzahlen. Alle Teuerungszuschläge bei Löhnen oder Gehältern wurden mit dem vorerwähnten Tage aufgehoben22 ). Zum Schaden des Magistrates 11 nötigten 19 ) LV 7, 19. 20 ) LV 4, 356. 21 ) LV 1, 786. 22 ) RP 1811 A, 86, 158. 11

Franzosen und kaiserlich Ranzionierte" den Stadtkassier Michl, alte Banko– zettel in unvermindertem Wert gegen Einlösungsscheine umzutauschen23 ). Osterreich mußte sich 1812 an Seite der Franzosen am Rußlandfeldzug beteiligen, 1813 nahm es am Befreiungskrieg gegen Napoleon teil. Bayern hielt noch einige Zeit am Bündnis mit dem Franzosenkaiser fest, es wurde jedoch von Osterreich, dem Bundesgenossen der Preußen und Russen, mit einer Kriegserklärung bedroht. Unter Radetzky wurde ein österreichi– sches Armeekorps an der Traun und an der Alm aufgestellt. Das Haupt– quartier dieser Armee lag in Wimsbach. Zur Vorbereitung von Feld– befestigungen mußten auch aus Steyr Schanzarbeiter mit Schaufeln und Krampen sowie Zimmerleute mit Band und Handhacken nach Stadtl bei Lambach abgestellt werden24 ). Ebenso erging an den Magistrat die Auf– forderung, in die Militärlager Kremsmünster, Gmunden, Neuhofen und Ebelsberg Lebensmittel aller Art zuführen zu lassen25 ). Ein bayrisches Heer stand im Innviertel. Trotz dieser bedrohlichen Vorbereitungen ließ Fürst Metternich mit der bayrischen Regierung wegen des Anschlusses an die Allianz der drei verbündeten Mächte verhandeln. Die Zeichen der Zeit wurden vom bayrischen König verstanden, er schloß am 10. Oktober 1813 mit Osterreich einen Vertrag und trat in das Lager der drei Verbündeten über. Nach dem Siege über Napoleon entstanden zwischen Osterreich und Bayern Spannungen, da nach den territorialen Bestimmungen des Wiener Kongresses die 1809 abgetretenen Gebiete an Osterreich zurückfallen sollten. Es handelte sich hier um das ganze Innviertel, das westliche Hausruckviertel und das ehemalige Fürsterzbistum Salzburg. Da Bayern mit der Rückgabe dieser Gebiete zögerte, wurde in Oberösterreich eine Armeegruppe in der Stärke von 30.000 Mannen zusammengezogen. Mehr– fach wurden auch in Steyr Landwehrleute und Rekruten für diesen Zweck einberufen. Die Stadt hatte auch laufend starke österreichische Truppen– kontingente unterzubringen: Infanterie, Grenadiere, Dragoner, Husaren und Kürassiere26 ). Daß diese Einquartierungen natürlich alle möglichen Beschwernisse verursachten, Einrichtungsgegenstände für die Offiziere u. a. wurden angefordert, liegt auf der Hand27 ). Außerdem mußten für durch– marschierende und in Steyr rastende kriegsgefangene Franzosen Quartiere bereitgestellt und im Dezember 1813 für sie auch nach Linz Betten geliefert werden. e3) RP 1811 A, 168. ") RP 1813, 238, 240. 25 ) Der Steyrer Magistratsrat Haydinger wurde als Landeskommissär im Kolonnen– magazin beim „Wirt im Holz" nächst Kremsmünster angestellt. ' 6 ) RP 1814 A, 11, 179, 13, 150. - Den Familien und Frauen der mobilisierten Soldaten Steyrs (Landwehr und Krankenwärter) wurden im Namen der Bürgerschaft monat– lich 8 Gulden als Unterstützung gegeben, ,,solang als diese Kriegsläufte fortdauern". 2 ') RP 1814 A, 108. 12

Neben der Demonstration der Macht wurden mit Bayern wieder laufend Verhandlungen gepflogen, die dazu führten, daß die vorerwähnten Gebiete am 14. April 1816 wieder an Österreich fielen. Salzburg wurde bis 1850 von der oberösterreichischen Landesregierung als 5. Kreis verwaltet. Ende Juli 1814 unterbreitete Werloschnigg dem Bürgerausschuß ein Gesuch der Magistratsbediensteten und „Magistralen", in dem gebeten wurde, daß ihnen, gleich den Staatsbeamten, die Besoldung immer nach vier Monaten und nicht, wie jetzt, nach einem Jahr gereicht werde. D er Dirigierende Rat unterstrich , daß die Bürgerschaft die Pflicht habe, ihre Beamten hinreichend zu entlohnen, die derzeitigen Besoldungen reichten bei der Teuerung nicht mehr aus. Der Bürgerausschuß lehnte dieses Ersuchen mit der Begründung ab, daß die Stadtkasse nicht einmal mehr das Geld für die Bedeckung der notwendigsten Ausgaben habe28 ). Das Kreisamt, als vorgesetzte Behörde, teilte Ende 1815 mit, daß wegen allfälliger Gehaltserhöhungen „allerhöchste Entscheidungen" abgewartet werden müßten29 ). Mit dem durch die Zeitumstände bedingten Verfall der städtischen Wirt– schaft beschäftigten sich die zwei angesehensten Mitglieder des Bürger– ausschusses, nämlich Eisenhändler Joseph von Koller und k. k . Postmeis ter Anton Mayrhofer. Im August 1814 wiesen sie beim Dirigierenden Rat Werloschnigg auf die Tatsache hin, daß der Stadthaushalt seit geraumer Zeit, auch schon vor Erlassung des Finanzpatentes, einen jährlichen Abgang von nahezu 10.000 Gulden aufzuweisen habe, der sich im laufenden Rechnungsjahre wahrscheinlich noch bedeutend vergrößern werde. Die beiden stellten fest, daß der Bürgerausschuß schon vor neun Jahren auf die „Unzulänglichkeit der Gemeinde Einkünfte gegen die Ausgaben" auf– merksam gemacht und Vorschläge für die Sanierung erbracht hatte, wobei man besonders auf die hohen Kosten des juridischen Magistrates verwies, der größere Aufwendungen für Personal u . a. erforderte. Aus Gründen, die im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr festzustellen waren, wurden keine Maßnahmen getroffen, die die Sanierung des Gemeindehaushaltes bewirkt hätten. Die einstigen Vorschläge können jedoch derzeit nicht mehr eine Gesundung der städtischen Wirtschaft verbürgen, da inzwischen der Krieg des Jahres 1809 und in weiterer Folge besonders das kaiserliche Finanz– patent vom Jahre 1811 den „Gemeinde Credit ganz z er s t ö r t " hatten. Schon vor Inkrafttreten des Finanzpatentes, mit dem der Wert des Papier– geldes auf ein Fünftel des Nennwertes herabgesetzt wurde, waren alle Vorräte in der Stadt erschöpft und „selbst die „öffentlichen Anstalten ganz vernachlässigt". Die Vorsprechenden führten noch aus, daß eine im Jahre 1812 auf Bitte der Bürgerschaft nach Steyr entsandte Regierungskommission 28 ) D as höchste Gehalt eines Magistratsrates (juridischen Beamten) betrug 600 Gulden (RP 1814 A, 306). 29 ) RP 1815, 244. 13

sich von diesen Tatsachen überzeugen konnte. Da die Bürgerschaft der Ansicht war, daß ein derartiger Zustand „in politischer und finanzieller Hinsicht nicht bestehen kann" und sie sich jedoch in rechtlichen Angelegen– heiten nicht einmengen wollte, hatte sie, unter Zuziehung „erfahrener Landbeamten und Landadvokaten", der Regierungskommission einen Plan zur Reorganisierung des Magistrates vorgetragen und diesen auch im Jänner 1813 in Form einer Bittschrift an den kaiserlichen Hof gesandt. Die Hauptpunkte dieses Sanierungsplanes betrafen „die Realisierung des Gemeinde Gutes in seinen vollkommenen Werthen, Kapitalien und lntresse (Zinsen) Bezug, zur Bedeckung der Pashiven und Intressen (Schulden und Schuldzinsen)", weiters Einsparungen an Aufwand für das Personal und die Verwaltung des juridischen Magistrates. Die Regierungskommission selbst empfahl in ihrem Berichte „die Bitte der Bürgerschaft der kaiserlichen Gnade". Die amtliche Behandlung der Bittschrift in Wien erfolgte jedoch erst im Mai 1813, zu einer Zeit, da Kaiser Franz nach Böhmen gereist war. Daher konnte eine nach Ansicht des Bürgerausschusses „zu Aufrechterhaltung der Stadt" notwendige Entscheidung bis nun nicht getroffen werden. Inzwischen hatten sich die Aktivposten der Stadt weiter vermindert und deren Passiva vermehrt. Beinahe alle im Besitz der Stadt befindlich gewesenen Gründe und Realitäten hatte man schon veräußert, ,,alle Vorräte aufgezehrt", der Zustand der öffentlichen Gebäude wäre „erbärm– lich", die Zinsenrückstände für aufgenommenes Kapital hätten eine bedeu– tende Höhe erreicht, klagten die beiden Ausschußmitglieder. Man müsse also weiter auf den Notstand Steyrs hinweisen, bei „gänzlichem Still– schweigen" würde geglaubt werden, daß sich die Stadt selbst irgendwie geholfen habe. Von der Bürgerschaft könnte man nicht verlangen, daß sie den Abgang durch zusätzliche Steuern decke, jene hätte ja ,, . . . aus Liebe und Anhänglichkeit zu Ihren Monarchen reelles Vermögen, die gewerk– schäftlichen Einlagen, gegen eine Geldsorte hinanngeben g e muß t, die selber aufgedrungen und später in ihren Werthe und Erträgnißen so bedeutend herabgesetzt wurde". Die Geschäftsbetrieb eines „fabricirenden und comercierenden (Handel treibenden)" Ortes erfordere Geld. Es ist erwiesen, fuhren die Ausschußmitglieder fort, daß sämtliche Einnahmsposten der Stadt die sogenannten Stadtkammeramtsausgaben nicht decken; die Magistratsräte als auch das andere Personal der Stadt klage über die Unzulänglichkeit der Bezüge. Es sei eine „traurige Sache die Herren Räthe sowohl, als die übrigen Individuen, immer über die Unzulänglichkeit des Solarium klagen zu hören", deshalb sei schon 1813 um Umgestaltung und Vereinfachung der Magistratsorganisation in per– soneller Hinsicht gebeten worden. Die Bürgerschaft erliege der Last der Abgaben. Dies führe zu einer Disharmonie zwischen dem Magistrate und den Bürgern. Es habe sich nun die Lage so verschlimmert, daß die 14

„Magistralen an der Bürgerschaft nur einen gehässigen Beschwerder Ihrer Ein1<.ünfte sehen, sowie letztere in Ihrem Magistrate nicht Ihre schützende Obrigkeit, sondern Ihre Feinde erkennet". Es bleibt also unbe– streitbar wahr, meinten die zwei Herren, ,,daß dieses Beispiel einer unglück– lichen Ehe die Gemeinde zu Grunde richten müßte, wenn sie es in finanziel– ler Hinsicht nicht ohnedies wäre". Am Schlusse ihrer Ausführungen betonten die Vertreter des Bürger– ausschusses, daß „am übelsten hiebey gewis der Vorsitzende (Werloschnigg von Berenberg) ist, e r m a g s i c h M ü h e g e b e n so viel er will beyde Partheyen zu vereinigen, so läuft er um so mehr Gefahr, es mit allen zu verderben". Diese Feststellung der zwei in dieser Zeit bedeutendsten Bürger der Stadt beleuchtet am klarsten die schwierige Position Werlosch– niggs, die Diplomatie, Klugheit und Eingehen auf die sich ergebenden Probleme erforderte. Bei einer Zusammenkunft der Mitglieder des Bürgerausschusses und der Wahlmänner am 28. August 1814 wurde die Notwendigkeit in Erwägung gezogen, sich wieder an den Kaiser zu wenden, ,,damit dem unvermeidlichen Untergang, welchen die Stadt Steyr in Hinsicht ihres Vermögensstandes unterliegt Abhilfe geleistet und dieserwegen eine Deputation nach Wien abgeordnet" werde. Der Entwurf eines Gesuches an den kaiserlichen Hof wurde verlesen und von den Anwesenden zur Kenntnis genommen. Diese machten den Eisenhändler Koller und den Postmeister Mayrhofer namhaft, als Deputierte nach Wien zu reisen und das Gesuch bei Hof zu überreichen. Die beiden erklärten, alles zu unternehmen, was sie nach eigener bester Beurteilung für notwendig und zweckmäßig hielten. Da hiefür, nach Ansicht der Bürger, ein gewisser Aufwand erforderlich war, wurde den beiden Abgesandten die volle Vergütung ihrer Auslagen zugesandt. Mißernten in den Jahren 1816 und 1817 zogen eine große Teuerung nach sich und bedeuteten für viele Bewohner der Stadt Hunger und Not30 ). Weil es wenig Arbeit gab, mußte mancher Geselle sein Brot erbetteln. Sogar zehn Jahre später erinnerte man sich noch dieser bösen Zeit, ein Rats– protokoll von 1826 hielt fest, daß in diesen Jahren auch „der Kassastand der Stadt erbärmlich und verwirret war"31 ). Die wirtschaftliche Lage der städtischen Beamten hatte sich zusehends verschlechtert. So mußte der Dirigierende Rat Ende Dezember 1815 dem Bürgerausschuß berichten, daß wohl jene von ihrer Entlohnung unmöglich 30 ) Im November 1816 kostete ein Pfund (560 Gramm) Rindfleisch 23 Kreuzer, im Dezember 22 Kreuzer. Im Mai des folgenden Jahres war der Preis bereits auf 25 Kreuzer gestiegen und im Dezember um 1 Kreuzer gesunken. 1818 ging die Teuerung etwas zurück, das Pfund Rindfleisch kostete im März 18 und im November 13 Kreuzer. Schließlich sank der Preis im Juni 1819 auf 11 Kreuzer. Erst im Oktober 1822 erreichte das Fleisch wieder den Normalpreis von 3 Kreuzer je Pfund. 3 1 ) RP 1826 A, 818. 15

mehr leben könnten, daß es aber der Kassastand des Magistrates nicht zuließe, eine Zulage zu gewähren. Es wurde nun ein erweiterter Ausschuß einberufen, der vorerst feststellte, daß von der 11 Hohen Stelle" bisher keine Abhilfe gekommen war. Man beschloß daher, zu jedem Steuergulden einen fünfzigprozentigen Zuschlag einzuheben, um den Beamten eine Teuerungs– zulage geben zu können32 ). So bezog z. B. der städtische Kanzlist Franz Xaver Widall ein Monatsgehalt von 20 Gulden 50 Kreuzer für sich und seine Familie. Bei den Preisen dieser Zeit hätte er sich um sein Gehalt nicht ganz 27 kg Rindfleisch kaufen können. Zu Ende des Jahres 1817 wurde von der Stadtverwaltung festgestellt, daß das vorhandene städtische Vermögen in seiner Hauptsache aus öffentlichen Schuldverschreibungen bestand, die entweder gar nicht oder nur mit einem bedeutenden Kursverlust eingelöst werden konnten. Es reichte der gesamte Bestand an diesen Obligationen nicht zur Deckung der städtischen Schulden aus, die zum größten Teile durch die 11 feindlichen Einfälle" verursacht wurden. Für das Jahr 1818 wurde im Haushaltsvoranschlag ein Abgang von 17.533 Gulden 23¼Kreuzer errechnet. Schon acht Monate nachdem man den Teuerungszuschlag gewährt hatte, war die Stadtkasse nicht mehr in der Lage, diesen auszubezahlen. Werloschnigg machte daher dem Bürgerausschuß den Vorschlag, an die Beamten für die rückständigen Zuschläge einen Kassenschein auszufolgen, damit sie sich mit diesem einen Kredit zur Beschaffung der Lebens– bedürfnisse verschaffen könnten. Doch wurde dieses Ansinnen abgelehnt, trotzdem der Bürgerausschuß 11 erkenne daß die Beamten von ihrer einfachen Besoldung unmöglich leben können"33 ) . Neuerdings schlug das beamtete Stadtoberhaupt im Jänner 1817 vor, zur Erhöhung der Beamtengehalte von der Bürgerschaft Beiträge einzuheben, doch traute sich der Bürgerausschuß nicht, bei den damaligen 11 gekränkten Zeiten" mit einem derartigen Anliegen an die Bürger heranzutreten34 ). Jene juridischen Beamten, denen dieser Zustand nicht behagte, verließen die Dienste der Stadt, wie z. B. Magistratsrat Grabmayr, der in Treviso eine Anstellung als Landrat fand. Auch Magistratsrat Gresser resignierte seine Stelle und ging als Syndikus nach Laa an der Thaya35 ). Die Abhängigkeit des Magistrates von den landesfürstlichen Behörden brachte es mit sich, daß sich der Bürgerausschuß, als Vertretung der gesamten Bürgerschaft, eine bedeutende Rolle in wirtschaftlichen Dingen zumaß. Seine Mitglieder sahen sich des öfteren bemüßigt, Vorschläge zu unterbreiten, diese im Wege des Magistrates an die vorgesetzten Behörden weiterleiten zu lassen oder Anträge des Magistrates abzulehnen. 32 ) RP 1815, 278, 279. 3 3) RP 1816 A, 282. 34 ) RP 1817 A, 18. 35 ) RP 1816 A , 126, 251. 16

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Starke Regengüsse ließen im September 1813 Enns und Steyr so anschwellen, daß diese Flüsse über die Ufer traten und verschiedene Schäden verursachten. Zwei Jahre später, am 30. Juni 1815, entstanden durch Hochwasser größere Schäden an den Wasserbauten. Die Herstellung der „arg beschädigten" Ennsbrücken und der übrigen vom Wasser weg– gerissenen Stege wurde durch die Bürgerschaft übernommen, da der Stadt hiezu die Mittel fehlten36 ). Auch die Steyrbrücke bekam ihren Teil ab. Müllermeister Franz Haratzmüller in Vogelsang und die beiden Zimmer– meister der Stadt bekamen den Auftrag, die Schäden festzustellen . Über Anordnung des Kreisamtes mußte sich Werloschnigg Ende Mai 1816 mit dem Bürgerausschuß ins Benehmen setzen, damit diese Brücke in „sicheren wandlbaren Stand" gebracht werde. Da die Stadt aber „ganz geldlos " war, hatten die Bau- und Reparaturkosten durch die Bürgerschaft aufgebracht zu werden ; ,,wider seinen besseren Willen" mußte der Ausschuß dieser Überwälzung der Kosten auf die Bürger zustimmen. Die Mittel der Stadt reichten nur hin, um im September desselben Jahres die Ramingbachbrücke herzustellen37 ). Das ehemalige Torwärterhaus an der Ennsbrücke war sehr baufällig geworden, man beschloß, es zu verkaufen, um die Reparaturkosten zu sparen. Nachdem Sachverständige einen Schätzwert von 200 Gulden ermittelten, wurde bei der Landesregierung um Verkaufsbewilligung ge– beten. Im Frühjahr 1812 ersteigerte der im Jahre 1784 nach Steyr zuge– zogene Apotheker Johann Baptista Göppl das Haus um 1.050 Gulden. Von der Landesregierung wurde im Februar 1813 der Vorschlag gemacht, weitere Objekte aus dem Grund- und Hausbesitz der Stadt abzustoßen. Der Bürgerausschuß schlug vor, mit dem sogenannten „alten Rathaus" (heute Stadtplatz Nr. 29) den Anfang zu machen, dieses wurde vom Lederermeister Lorenz Schwarzott erworben. Auch der Stadtgraben wurde parzelliert und Ende Jänner 1816 versteigert. Käufer waren der Justiziär Ignaz Schroff, Magistratsrat Franz Reisser und Peter Geilhofer38 ). Mitte Juni 1814 verständigte das Kreisamt den Magistrat, daß Kaiser Franz mit seinem Verbündeten, dem russischen Zaren, von Salzburg nach Steyr oder nach St. Florian reisen werde. Der Magistrat wurde aufgefordert, alle Straßen sofort herstellen, das Pflaster in den Gassen der Stadt und der Vorstädte instandsetzen, die bei „Abstürzen" erforderlichen Geländer anfertigen und die Brücken sogleich „mit aller Anstrengung . .. bei eigener Haftung und Verantwortung" in Ordnung bringen zu lassen. Besonders aber solle sich das Stadtkammeramt das Errichten von Geländern an der Neutorbrücke angelegen sein lassen39 ). 36) RP 1815 A , 267. 37 ) RP 1816 A , 120, 261. 38 ) RP 1813 A , 247, 348; RP 1816, 25. 39 ) RP 1814 A, 118. 18

Kaiser Franz und die Kaiserin hatten Steyr im September 1813 besucht. Schon damals hatte man über die schlechte Beleuchtung der Stadt geklagt. Der Seifensieder Michael Liechtenauer füllte die wenigen Lampen so schlecht, daß diese, statt sechs bis sieben Stunden, kaum eine Stunde brannten. Da man es in einer Sitzung im Oktober für notwendig fand, 11 daß sowohl für die Einheimischen als Fremden die Beleuchtung der Stadt und Vorstädte eingeführt" werde, beschloß man, durch das Stadtkammer– amt 40 Lampen aufstellen zu lassen, die in den Monaten Jänner, Februar und März entzündet werden sollten. In der Stadt sollten die Lampen von der Göppel-Apotheke (heute Enge Nr. 1) bis zum Neutor aufgestellt werden, andere Im Ort, Außer dem Ort, in Ennsdorf, in Steyrdorf und Bey der Steyr. Für jede Lampe wurde für die drei Monate ein Bedarf von 4 Lot und für die gesamte Beleuchtung ein Bedarf von 450 Pfund Unschlitt errechnet. Vier Anzünder sollten beschäftigt werden, dem in der Stadt sollten 18 Gulden, dem in Ennsdorf 4 Gulden und jenem, der die drei Beleuchtungspunkte bei der Steyr zu betreuen hatte, 6 Gulden gezahlt werden. Im Februar 1819 brannten in der Stadt bereits 45 Lampen. Das Füllen und das Entzünden wurde nun jenen Bürgern, die an ihren Häusern die Laternen angebracht hatten, übertragen, um die Entlohnung eigener Personen hiefür zu ersparen. Mit Ausnahme jener Tage, 11 wo der Mond die Nacht erhellt", wurde das Anzünden während der vorerwähnten drei Monate von den Bürgern tatsächlich besorgt. Dadurch gelang es, die Kosten der städtischen Beleuchtung einer dreimonatlichen Periode auf 25 Gulden 13 Kreuzer 2 Pfennig zu senken40 ). Die Instandsetzung der einsturzgefährdeten Friedhofmauer erforderte 1816 einen Betrag von 244 Gulden 35 Kreuzer, den die Bürger aufbrachten. Eine Reparatur am Rathausnebengebäude, dessen Mauern 11 beinahe ver– fault" waren und deshalb die Gefahr eines Einsturzes des Dachstuhles bestand, erforderte weitere Mittel41 ). Theaterdirektor Emanuel Schikaneder, der den Text zu Mozarts 11 Zauber– flöte" schrieb, bewarb sich im November 1811 um Überlassung des Theater– gebäudes (früher Cölestinerinnenkloster), um hier Schauspiele aufzuführen. Die Bedingungen für die Überlassung des Gebäudes wollte der Magistrat bei des Bewerbers Ankunft 11 mit aller Rücksicht auf die Umstände und Billigkeit bestimmen". Das k. k. Kreisamt genehmigte Schikaneder die Aufführung von Schauspielen auf die Dauer von vier Monaten42 ). Als Theaterrechnungsführer konnte der zweite Magistratsrat und spätere Bürgermeister Franz Seraph Reisser im Dezember 1815 feststellen, daß nach 40 ) RP 1813, 350; RP 1819, 402. 41 ) RP 1812, 290; RP 1816, 188. 42 ) RP 1811, 425. 19

Abzug der notwendigen Auslagen, das Theater einen Überschuß von 102 Gulden einbrachte, die er dem Krankenhause im Plauzenhof zur Verfügung stellte, weil sich der Verwalter des Milden Versorgungsfonds der Stadt beklagte, daß die Kranken wegen Geldmangels selten die nötige Hilfe erhalten könnten. Häufig führten auch Dilettanten aus der Stadt Theaterstücke zu wohltätigen Zwecken auf. Auch der Fasching erbrachte dem Magistrat eine Einnahme. So mietete der Turnermeister Franz Gruber im Jahre 1816 das Ratszimmer und die anstoßenden zwei Gemächer zur Abhaltung von Tanzabenden. Je Abend hatte er 10 Gulden an Miete zu entrichten sowie für die Beheizung und Beleuchtung zu sorgen43 ) . Franz Seraph Reisser (1819-1842) Franz Seraph Reisser kam im Jahre 1774 als Sohn des Stadtpfarrorganisten Johann Georg Reisser zur Welt. Nach beendigten juridischen Studien trat er als Amtsschreiber in den Dienst der Herrschaft Scharnstein. Von hier aus bewarb er sich um einen Posten als Magistratsrat in Steyr. Die Votanten der Bürgerschaft erklärten ihn für diesen Dienst geeignet, ihr Vorschlag wurde an die für die Ernennung zuständige vorgesetzte Behörde weiter– geleitet. Am 29. November 1803 wurde der Magistrat verständigt, daß die Einstellung des Neunundzwanzigjährigen als Magistratsrat durch die Regierung genehmigt wäre. Reisser legte am Weihnachtstage des genannten Jahres seinen Amtseid ab und verpflichtete sich, mit diesem 11 Kaiser Franz und seinen Nachfolgern treu und gewärtig zu sein . . . nachdem die k. k. Landesregierung in Oesterreich ob der Enns, dann das k . k. Appellations– gericht in Wien ... ihn zum Rathsmann bei der k. k. landesfürstlichen Stadt Steyr bestätigt . . ." hatte44 ) . Ab 1 . Februar 1804 erhielt er ein Jahres– gehalt von 600 Gulden. Zu seinem Ressort als zweiter Magistratsrat hatte Reisser im Jahre 1804 auch noch das Schecken- und das Truentenamt zu übernehmen, da Bürger– meister Preureutter im Jahre 1804 diese Ämter wegen Arbeitsüberlastung abgeben mußte45 ). Wie alle früheren Verwalter dieser Ämter mußte auch Reisser bei der Übernahme eine Kaution in der Höhe von 500 Gulden erlegen. 4 3) RP 1815, 227; RP 1816, J.7. 44 ) RP 1803 A , 299 ; 1803 B, 362. 45 ) RP 1804 A , 78. ·20

Am 6. August 1810 vermählte er sich im Alter von 35 Jahren mit der zwanzigjährigen Franziska Karoline Preureutter, einer Tochter des damals in Steyr amtierenden Bürgermeisters46 ). Er bezog eine Wohnung im Rathaus47 ). Vom Kreisamt wurde Reisser im Jahre 1816 die Prüfung über „schwere Polizey Übertrettungen" erlassen. Im gleichen Jahre wurde auch der Stadt– graben parzelliert und am 31. Jänner versteigert. Reisser erwarb einen Teil im Umfange von 282 Quadratklaftern (1.014,62 m2 ) 48 ). In den ersten Jahren des 19. Jahrhunderts mit seinen Kriegsläuften und wirtschaftlichen Schwierigkeiten sehen wir Reisser in den verschiedensten Tätigkeiten, darunter auch als Rechnungsführer des Theaters. Wegen der über ein Jahr dauernden Krankheit des Dirigierenden Rates Werloschnigg von Berenberg übertrug das k. k. Kreisamt am 15. November 1817 Franz Seraph Reisser die „Direction" der Stadt49 ). Ein Jahr später, am 25. November, wurde der Magistrat vom Kreisamt benachrichtigt, daß die Bürgermeisterstelle in Steyr zur Besetzung ausge– schrieben sei. Man nahm dies zur Kenntnis und verständigte „insbesonders die Herren Räte von Berenberg, Reisser und Haydinger als bißherige Competenten". Zwei Monate nach dem Ableben des Dirigierenden Rates Werloschnigg wurde am 4. März 1819 cler Magistrat durch das Kreisamt in Kenntnis gesetzt, daß Magistratsrat Reisser zum Bürgermeister ernannt wurde und die durch seine Ernennung frei gewordene Ratsstelle neu zu besetzen wäre50 ). In Gegenwart der im Rathaus versammelten Magistratsbeamten, der ,,untern Diener", des Bürgerausschusses, der Verwalter des Amortisations– fonds, der Viertelmeister und aller Stabs- und Oberoffiziere des Bürger– korps legte Reisser seinen Diensteid in die Hände des Kreishauptmannes ab. Das Kreisamt hatte auch angeordnet, daß vom Tage der Eidesablegung an der Bürgermeister das „systemmäßige Gehalt (700 Gulden jährlich) gegen Einziehung seines vorigen als Magistratsrat bei hiesiger Kammer" zu beziehen habe. Da die Stadt wegen der Krankheit Werloschniggs schon über ein Jahr lang nicht mehr bei den Landtagen vertreten war, wurde im Jänner 1819 Reisser als Deputierter vorgeschlagen und dann auch ernannt51 ). Die freigewordene Magistratsratsstelle wurde im Mai 1819 mit Johann Baptist Freyinger besetzt, der früher Syndikus in Mauthausen war. Ein zweiter Bewerber wurde abgelehnt, da ihm die Prüfung aus den „politischen Gesetzen und über schwere Polizey Übertrettungen" fehlte. 46 ) Trauungsbuch des Stadtpfarramtes Steyr, Bd. V, S. 42. 47 ) RP 1825, 719: 6 Zimmer, 1 Küche, 1 Holzgewölbe, 1 Keller. 4 B) RP 1816 A, 25, 48. 49 ) RP 1817, 285. 50 ) RP 1818 A, 350; RP 1819 A, 85. 51 ) RP 1819 A, 379. 21

Insgesamt 39 Jahre, hievon über ein Jahr als Dirigierender Rat und über 23 Jahre als Bürgermeister, konnte Franz Seraph Reisser mit seinem reichen Wissen und seiner großen Erfahrung der Stadt dienen. In den Morgen-– stunden des 7 . April 1842 starb er im Alter von 68 Jahren an der Wasser– sucht. Zwei Tage später wurde er unter großer Beteiligung der Bevölkerung zu Grabe getragen. An der Spitze des Leichenzuges schritten die Insassen der Versorgungshäuser, ihnen folgten Schüler der fünf Steyrer Schulen, an die sich alle Zünfte der Stadt, die erste Artillerieabteilung und die erste Füsilierkompanie des Bürgerkorps anschlossen. Unmittelbar vor dem Sarge schritt die Geistlichkeit, nach dem Sarge folgten die Leidtragenden, alle Angehörigen des Magistrates, die 11 Notabeln" der Stadt, die zweite Füsilier– kompanie, die zweite Artillerieabteilung und die Bruderschaften. Das Geläute aller Glocken der Stadt begleitete den Bürgermeister auf seinem letzten Wege. Trotz einiger Friedensjahre begann sich die Wirtschaft der Stadt nur langsam zu erholen. Viele Gebäude bedurften einer Instandsetzung, die während der Kriegszeiten vernachlässigt werden mußte, die Straßen waren in desolatem Zustand, die drei städtischen Brunnen derart verfallen, daß sie gänzlich erneuert werden mußten. Die Arbeiten wurden begreiflicherweise sofort in Angriff genommen. Um die Kosten hereinzubringen, mußten jene, die 11 rinnendes" Wasser bezogen, je Partei einen Vorschuß von 15 Gulden, jene, die nur das Oberwasser benützten, 6 Gulden sofort erlegen und die Besitzer von Häusern in der Stadt, die 11 Brunnengeld" bezahlen mußten, hatten dieses in doppelter Höhe zu entrichten. Damit brachte man die Summe von 150 Gulden auf, die, laut Voranschlages des Glockengießers Staffelmayr, die Instandsetzung der Brunnen kostete. Ober Einschreiten des Kreisamtes wurde am 25. Mai 1820 ein Regierungs– dekret erlassen, daß 11 zur Erzielung einer Comunikazion (Verbindung) über den Stadtgraben ein Erddamm aufzuwerfen" war. Die hiefür entfallenden Kosten von rund 593 Gulden wurden von der Bürgerschaft durch eine doppelt eingehobene Feuersteuer hereingebracht52 ). Im September desselben Jahres wollte man auch den 11 Pfarrhofgebäudeturm" (Khnöbelturm) im Versteigerungswege abbrechen lassen, doch ging man später davon ab53 ). Die Steine des abgebrochenen 11 alten Turmes in Reichenschwall" wurden im Februar 1821 zum Kubikklafterpreise von drei Gulden verkauft54 ). Im Rathause bedurfte man dringend einer Waschküche. Um sie errichten zu können, schlug Bürgermeister Reisser vor, die Unkosten durch den Verkauf von Makulaturpapier hereinzubringen55 ). 52 ) RP 1819, 410; RP 1820, 549; RP 1823, 504. 53 ) RP 1820, 552, 562. 54 ) RP 1821, 92. 55 ) RP 1819, 400. 22

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