Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Volkskunst aus Oberösterreich Dr. Franz J. Grieshofer Volkskunst aus Oberösterreich - Entstehung und Wesen einer regionalen Sammlung innerhalb des österreichischen Museums für Volkskunde In Wien 2 Dr. Franz C. Lipp Der „Gimpelmaler" Peter Brunner (1743 bis 1811)- zugleich ein Beitrag zur 200. Wiederkehr des Toleranzpatentes von 1781 9 Dr. Gunter Dimt „Volkskunst" und Magie am Haus 15 Wolfgang Pöttinger Meine Stelzhamer-Kreuze 25 Historische Kunst Dr. Walter Luger Beiträge zur Baugeschichte des Stiftes Schlögl 65 Oberösterreich aktuell Landesrat Dr. Aibert Leibenfrost Ziele der Wirtschaftspolitik in den achtziger Jahren Prof. Woifgang Sperner Ein 100-Stunden-Wochenjob für Wirtschaft und Fremdenverkehr Bücherecke 77 83 87 Literaturbeilage Landeskunde Prof. Cari Hans Watzinger Albert Mitringer oder „Die Liebe zu Oberösterreich" 93 Kuiturzeitschrift Oberösterreich 31. Jahrgang, Heft 4/1981 VIerteljahreszeltschrlft: Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; Redakteur: Dr. Otto Wutzel; verantwortlich für den Inhalt Im Sinne des Pressegesetzes: Dr. Elfrlede Wutzel; Druck: 00. Landesverlag Linz, sämtliche 4020 Linz, Landstraße 41, Ruf (0 73 2) 78 1 21. Jahresabonnement (4 Hefte): S 230.-; Einzelverkaufspreis: S 75.-. (Alle Preise Inkl. 8 % MWSt.) Dr. Wilfried Lipp Haus und Hof Im Salzkammergut 33 Denkmalpflege Dr. Peter Kraft Bewahrerin im Dienste eines großen kulturellen Erbes - Biographische Anmerkungen zum Lebenswerk der Textilkonservatorin und -restauratorin Prof. Clara Hahmann Clara Hahmann Gedanken zur Restaurierung von Textilien Eifriede Priiiinger Franz von Zülow und die volkstümliche Kunst 41 45 Kunst der Gegenwart Umschlag: österreichisches Museum für Volkskunde in Wien: Enichlmayr-Krippe aus Traunkirchen, um 1800, mit Anbetung der Heiligen Drei Könige. Foto: Meyer K.G. Wien Gestaltung: Herbert Friedl Schwerpunktthema Heft 1/1982 öberösterreich 55 in der Völkerwanderungszeit Abb. Seite 1: Kalvarienberg in Gösau - ein Winteridyll. Winter, Zeit der Stille, der Besinnung, gestern wie heute auch beste Jahreszelt für die Volkskunst. - Foto: Archiv

(Ofexsp Kulturzeitschrift Eine wissenschaftlich verbindiiche Definition des Begriffes „Volkskunst" wird wohl nie geiingen. Gefühlsmäßig besitzt jedoch jeder Kenner der Voikskuitur, auch jeder interes sierte Laie, darüber eine Vorsteliung. Jedes Bundesiand besitzt seine ganz bestimmte volkskulturelie Note und Tradition. Somit er scheint es auch vertretbar, ein Heft unserer Zeitschrift dem Schwerpunktthema ,,Voikskunst aus Oberösterreich" zu widmen. Wie diese Formulierung zeigt, solien iediglich ei nige bemerkenswerte Beispiele angeführt werden. Die Mitarbeiter bemühten sich in dankenswer ter Weise, neue Themen für ihre Abhandiungen zu finden. Dies gilt vor allem für die Auf sätze von Dr. Franz J. Grieshofer, wissen schaftlicher Beamter des Museums für öster reichische Volkskunde in Wien, Museumsdi rektor i. R. Dr. Franz C. Lipp, Dr. Gunter Dimt, derzeitiger Leiter der volkskundiichen Abteiiung des 00. Landesmuseums, Dr. Wiifried Lipp vom Bundesdenkmaiamt, Dr. Peter Kraft und Frau Prof. Giara Hahmann. Mit Wolfgang Pöttinger wurde einem ,.aktiven" Volkskünst ler das Wort erteilt. Elfrlede Prillinger bemüht sich um eine Einordnung des bekannten Ma lers und Graphikers Franz von Züiow in diese Thematik. Dr. Walter Luger stellte eine be merkenswerte, neue kunstgeschichtliche For schungsarbeit zur Verfügung. Zum Schwer punktthema gehören sicheriich auch die Aus führungen von Landesrat Dr. Albert Lelbenfrost, den wir zum erstenmal als Mitarbeiter begrüßen dürfen, und von Woifgang Sperner. Prof. Carl Hans Watzinger gestaltete In be währter Weise die Literaturbeilage. ir. ä' ? V ■

Volkskunst aus Oberösterreich Entstehung und Wesen einer regionalen Sammlung innerhalb des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien Franz J. Grieshofer Beim Rundgang durch die,,Möbelstuben" des österreichischen Museums für Volkskunde in Wien gelangt der Besucher im Gartenpalais Schönborn auch in die Räume Oberösterreich und Salzkammergut. Wie in einer „hohen" Stube des Traunvierteis findet er hier das rei che und primär zur Repräsentation bestimmte Ausstattungsgut einer Bäuerin zusammenge stellt: das prachtvolle Hochzeitsbett von 1781 mit dem Sonntagberger Gnadenstuhl am Kopfaufsatz und der lebendigen Darstellung einer Hochzeitstafel am Fußende, den mit ei nem imaginären Gedeck bemalten Tisch, der wohl die immerwährende Gastfreundschaft ausdrücken soll, die bemalten Brettstühle mit den interessanten Selbstdarstellungen der Besitzer in der Tracht des 17. und 18. Jahr hunderts, dazu das Spinnrad und eine Wand uhr, deren Zifferblatt mit den Symbolen der vier Jahreszeiten und mit der für Oberöster reich typischen Darstellung des auf dem Kreuz liegenden Jesuskindes geschmückt ist. Diese Motive weisen auf die enge Beziehung zur Möbelmalerei hin, die denselben Formen schatz verwendet. Zur Bestätigung hängt gleich neben der Uhr eine Kastentürfüllung mit dem liegenden Jesuskind und im Vorraum des Obergeschosses steht der eindrucksvolle Jah reszeitenschrank mit den Tierkreiszeichen aus der ,,Lambacher Werkstätte" von 1791. Enge Verwandtschaft dazu lassen die drei Ka sten aus den Jahren 1804 und 1805 erkennen, die sich in der ,,hohen" Stube befinden und Bildnisse der Dreifaltigkeit vom Sonntagberg, der Evangelisten und der ,,heiligen Madeln" Barbara, Katharina, Margarete und Rosalia zeigen. Dieses ,,heilige" Programm, zu dem noch, wie die dazugehörige Truhe beweist, die ,,Maria-Hilf"-Bilder von der Passauer Gra nach-Madonna zählen, und die Art der Aus führung lassen unschwer die gemeinsame Werkstätte erkennen. Hatte man zunächst all gemein von ,,Gunskirchner Möbeln" gespro chen, so können seit den Forschungen von Rudoif Moser die ,,Tischier in Aigen", Urban Huemer (1757-1790) und sein Sohn Andreas (1790-1819) aus Offenhausen, als Hersteller dieser originell bemalten Möbel namhaft ge macht werden. Als Markenzeichen für die Mö bel aus dem Raum des östlichen Hausruck viertels sind auch die vielen Soldaten, Grena diere und Panduren-Reiter anzusehen. Für sie dienten wohl die zahlreichen Stiche als Vorlage, die man auf die Linzer und Florianer ,,Reiter-Truhen und -Kästen" gleich direkt aufklebte und kolorierte. Lange Zeit mußte der reiche Bestand an ober österreichischen Möbein dem Besucher we gen mangelnder Ausstellungsfläche entzogen werden. Mit der Errichtung einer ständigen Außenstelle auf Schloß Gobelsburg bei Langenlois in Niederösterreich konnte jedoch Ab hilfe geschaffen werden. Beginnend mit einer ,,gotischen" Spreißltruhe aus Eferding von 1726, einem Viechtauer Kasten, über Lamba cher-, Kronstorfer- und Hirschbacher Möbel, bis hin zu dem Kasten, dessen Türfelder die Bilder von Kaiser Josef II. und König Friedrich von Preußen schmücken, die mit dem Frieden von Teschen den Anschluß des Innviertels an Osterreich besiegelten, findet man das ge samte Spektrum an oberösterreichischem Mobiliar im Museum vertreten. Erst jüngst konnte die Sammlung durch Widmung um ein Ensemble von ,,gelben" Möbeln aus Linzer Besitz bereichert werden, das aus dem oberen Mühlviertel stammen dürfte. Auch für den großen Bestand an altösterrei chischer Majolika ergab sich im Schloßmu seum Gobelsburg eine adäquate Ausstel lungsmöglichkeit. Die Gmundner Keramik mit den zahlreichen Godenschalen, Schüsseln, Krügen, Weihbrunnkesseln und Tintenbehäl tern nimmt dabei eine vorrangige Stellung ein. Eine erlesene Auswahl wird auch in Wien ge zeigt. Hier findet man die typischen braungla sierten Zwiebelschüsseln aus dem Traunviertel und zwei Alphabetschüsseln aus den Jah ren 1691 und 1721, über die Leopold Schmidt in der Festschrift für Franz 0. Lipp berichtete. Herausragendstes Zeugnis der handwerkli chen Fertigkeit der Hafner und Ofensetzer bil det jedoch die sogenannte,,Ofenbäuerin" aus Münzbach bei Perg, die den OberösterreichRaum beherrscht. Die anthropomorphe Nachbildung einer gestandenen Bäuerin aus dem Machland in der naturgetreuen Wieder gabe der Trächt um 1760, die einen geflochte nen Obstkorb auf dem Kopf trägt, stellt eine vielbestaunte Attraktion des Osterreichischen Museums für Volkskunde in Wien dar. Neben den bemalten Möbeln und der Kera mik, die einen Hauptteil der OberösterreichSammlung ausmachen, zählen die Glas erzeugnisse zu einem Spezifikum des Landes ob der Enns. In der Glasausstellung auf Schloß Gobelsburg findet man deshalb auch oberösterreichisches Hohlglas mit Emailfarbenbemalung. Alfred Walcher Ritter von Molthein gelang es, die Herkunft der eckigen Branntweinflaschen mit dem Schraubver schluß aus einer Manufaktur in Freudenthal nahe bei Frankenmarkt im Attergau zu eru ieren, worüber er in den ,,Werken der Volks kunst", die vom Osterreichischen Museum für Volkskunde herausgegeben wurden, berich tete. In der Laudongasse sind die gläsernen Zeugnisse des 18. Jahrhunderts der Abteilung Liebe - Hochzeit - Ehe zugeordnet, um ihren einstigen Stellenwert im Volksleben zu unter streichen. Nebenbei sieht man in Vitrinen die mit Brandmalerei verzierten Brautschaffel, kerbschnittverzierte Haubenständer, Span schachteln und gedrechselte ,,Krösenbüchsen". Hier fehien natürlich auch nicht die Viechtauer ,,Liebesgaben": die schwarzgold lackierten Löffel, die in entsprechenden hübsch bemalten Remen stecken, gedrech selte Schüsseln und Keramikkrüge, die eben falls eine goldene Verzierung auf schwarzem Grund tragen. Oberösterreichische Volkskunst eröffnet sich dem interessierten Besucher im Wiener Volkskundemuseum demnach unter drei Ge sichtspunkten: unter einem kuiturräumlichen in den ,,Möbelstuben", unter einem funktiona len in den Abteilungen Religiöse Voikskunst, Schauspielwesen, Musik, Zunftwesen oder unter einem nach Sachgruppen zu ordnenden Aspekt in der Modelsammlung, bei der Kera mik, den Möbeln, dem Spielzeug, den Texti lien usw. Wichtige Gruppen sind freilich nur mit wenigen Objekten in der ständigen Ausstel lung vertreten. Von der reichen Sammlung an Hinterglasbildern aus Sandl, zu denen das Museum auch die entsprechenden Risse be sitzt, befindet sich ein großer Teil im Depot. Die Trachten und Textilien sind nur mit bildli chen Zeugnissen und mit Goldhauben vertre ten, obwohl auch hier wertvolle alte Stücke vorhanden sind. Es kann nicht in der Absicht des Museums liegen, sämtliche Objekte zei gen zu wollen, sondern es sollen an Hand ei ner durchdachten Auswahl innerhalb eines gesamtösterreichischen Museums die Schwerpunkte und Zentren oberösterreichi scher Volkskunst, ihr Stellenwert in der Volks kultur und ihre Bestimmungsmerkmale veran schaulicht werden. Wenn das alles heute geradezu selbstver ständlich, in seinen Zusammenhängen ge ordnet und mit Schautafeln übersichtlich dargestelit ist, so darf, wie Leopold Schmidt in seinem Buch über das Werden und Wesen des Osterreichischen Museums für Volks kunde schreibt, nicht vergessen werden, daß die Zeugnisse der Volkskunst im 19. Jahrhun dert noch völlig unbeachtet waren. Selbst die begriffliche Klammer fehlte. Erst als die Kunstgewerbebewegung die tradi tionsgebundenen Handfertigkeiten der ländli chen Bevöikerung sozusagen für sich zu ent decken begann, wurde auch eine breite Öf fentlichkeit auf diese Erzeugnisse aufmerk sam. Die einfachen, material- und funktions gerechten Formen regten zur Nachahmung an und boten den Ansatzpunkt für eine Erneue rung der gewerblichen Kunst. Auch die zu nehmende Maschinenfertigung führte zu einer wachsenden Wertschätzung der Handarbeit. Die Mechanisierung und Industrialisierung drohte die handgefertigten Produkte in den Hintergrund zu drängen und damit vielen hausgewerblichen Betrieben den bitter benö tigten Nebenverdienst zu entziehen. Um die Abwanderung aus wirtschaftlich schwachen

Regionen zu verhindern, versuchte man durch die Errichtung von Fachschulen in den Zen tren der Hausindustrie eine Qualitätsverbes serung und damit eine Absatzsteigerung zu erzielen. So entstand in der Viechtau bei Gmunden eine Schnitzerschule, die später nach Ebensee und schließlich nach Halistatt verlegt wurde. Im Mühlviertei, das seinen zahl reichen Hauswebereien den Namen ,,Bandlkramerland" verdankt, errichtete man in Has lach eine Fachschule für Weberei. Die fortschreitende Urbanisierung weckte aber auch das Verlangen nach dem Natürli chen, Ursprünglichen und Einfachen, denn man hoffte, daraus ein neues Lebensgefühi, eine neue Sinnerfüllung zu gewinnen. Eine ganz neue, der Jugendbewegung zugeneigte Richtung begann sich mit der,,Kunst auf dem Lande" zu beschäftigen. Selbst Künstler such ten Zugang zur primitiven Kunst. Die Heraus geber des ,,Blauen Reiters", Wassilij Kandinsky und Franz Marc und ihr Kreis in Mün chen, bekannten sich nachdrücklichst zur Volkskunst, in der sie den Urzustand des Bild nerischen erblickten. Man verglich die Volks kunst mit den bildnerischen Äußerungen der Kinder und der Naiven und schloß daraus auf die ,,primitiven" Stadien der Kunst. Mit den Aussteilungen ,,Kunst im Ursprung" in Linz 1953 und ,,Bajuwarisches Oberösterreich", in der ,,das Weiterieben frühbairischer Gesittungs- und Kulturformen im Raum des heuti gen Bundeslandes Oberösterreich" gezeigt werden sollte, hat Franz C. Lipp diesen An satzpunkt weitergeführt und mit Objekten der rezenten Volkskunst zu verdeutlichen ver sucht. Die während seiner Direktionszeit am Oberösterreichischen Landesmuseum orga nisierte Baiernaussteilung des Jahres 1977 sollte über die Kontinuitätsvorstellungen hin aus besonders auf das Beharren der stammli chen Eigenart verweisen. Die Bewahrung und Förderung der eigenständigen Erzeugnisse einer hausgewerbiich oder handwerklich ge fertigten Produktion, die von der skandinavi schen ,,Hemsiöjd"-Bewegung ausgehend in der Folge zur Gründung der Heimatwerke führte, war bereits seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts zu einem nationalen Anliegen geworden. Diese verschiedenen Strömungen zeigen, daß die Hinwendung zur Volkskunst zunächst von sachfremden Erwä gungen geleitet war. Wie Bernward Deneke im fünften Supplementband der Propyläen Kunstgeschichte in seiner Einleitung zur,,Eu ropäischen Volkskunst" hervorhebt, ging es einerseits um die Stabilisierung wirtschaftli cher Verhältnisse bzw. um die Lösung sozialer Aufgaben und andererseits um die Entfaltung eines nationalen Stiles insbesondere durch die Rekonstruktion kultureller Verhältnisse der Vergangenheit. ,,Ofenbäuerin", Kachelofen in Form einer Bäuerin aus Münzbach bei Perg, ehemals im Tanzsaai des Gasthauses Korninger, farbig glasierte Majolika, spätes 18. Jahrhundert. - Foto: Meyer K. G. Wien. Alle Aufnahmen zu dieser Abhandlung zeigen Exponate des Osterreichischen Museums für Volkskunde in Wien. Mit einer verstärkten Sammeltätigkeit sollten dafür die Grundlagen geschaffen werden. Auf der Weltausstellung des Jahres 1873 in Wien erfolgte damals eine Zusammenstellung der ländlichen Erzeugnisse unter dem Titel ,,na tionale Hausindustrie". Wenige Jahre später gab es 1890 im Rahmen der allgemeinen Land- und Forstwirtschaftlichen Aussteilung in Wien eine separate Ausstellung über ,,Die Hausindustrie Österreichs", für die der oö. Pro fessor an der Hochschule für Bodenkultur und Direktor des Technologischen Gewerbe-Mu seums, Wilhelm Exner, verantwortlich zeich nete. Die Ausstellungen rückten die gefähr dete Kultur ländlicher Lebensformen ins Blick feld musealer Dokumentationsbestrebungen. Die stärksten Impulse gingen dabei vom ,,Nordischen Museum" in Stockholm aus, das Artur Hazeiius 1873 begründet hatte. Sie wirk ten bis nach Österreich, wo Michael Haberlandt und Wilhelm Hein daran gingen, ein ,,österreichisches Volkskundemuseum" zu errichten. Sicher wird dabei die aufsehenerre gende ,,tschechoslavische" Volkskundeaussteiiung 1895 in Prag, die zur Gründung des Prager Volkskunde-Museums führte, die bei den Kustoden der Anthropologischen Abtei lung des Naturhistorischen Museums in ihrem Plan bestärkt haben. Anders als in Prag sollte es aber kein ,,Nationalmuseum" werden, son dern eines für alle Völker der Monarchie. Dafür gründeten sie 1894 den ,,Verein für Volkskun de" in Wien, der bis heute Träger des ein Jahr später institutionalisierten Museums blieb. Schon im nächsten Jahr 1895 traten die beiden mit einer Ausstellung im k. k. österreichischen Museum für Kunst und Industrie an die Öffent lichkeit. Man wollte die ersten Erwerbungen des Vereines vorzeigen, um den Mitgliedern und einem interessierten Publikum die Sammelzieie des Volkskundemuseums zu ver deutlichen. Es ist interessant, daß die über wiegende Anzahl der ausgestellten öbjekte aus öberösterreich stammte. Michael Haberlandt berichtet, daß er und der Vereinskassier Fr. X. Größl bereits Gelegenheit gehabt hät ten, aus öberösterreich selbst aufzusammeln bzw. Sammlungen zu erwerben. Mit lebhafter Befriedigung gedenkt er der edelmütigen Schenkung einer bedeutenden Sammlung volkskundlicher Gegenstände durch Adolf Nunwarz aus Urfahr, wodurch es möglich war, zwei oberösterreichische Bauernstuben in ih rer typischen Ausstattung in der Ausstellung zu zeigen. Der erste Jahrgang der,,österrei chischen Zeitschrift für Volkskunde" enthält sogar davon Abbildungen. Außerdem ver dankt das Museum dem Gennannten eine Kollektion oberösterreichischen Siiberfiiigran-Schmucks. Unter den Leihgebern schei nen der Begründer des Ennser Musealverei nes Vincenz Fürstenberg, der eine größere Sammlung volkstümlicher Gegenstände aus der Umgebung von Enns zur Verfügung stell te, und die Familie A. Pachinger aus Linz auf, die eine Sammlung von oberösterreichischen „Costümestücken" beisteuerte. Der bekannte und eigenwillige Privatsammler Anton M. Pa chinger hatte dem Museum ja bereits eine be achtliche Anzahl von Öbjekten gespendet. Unter der Nummer 34 begegnet uns sein Name mit einem Fächer aus Ebensee im In ventarbuch zum erstenmal, dann folgt ab Nummer 53 bis 322 eine geschlossene Serie, die sich als ein buntes Sammelsurium liest: Neben Linzer Godhauben findet man da so unterschiedliche Dinge, wie ein Busentuch, Pfeifen, eine Spindeluhr, Hornkämmer, ein

Empirekleid, einen Küchenhammer, Steigei sen, Godenbüchsen, Öliämpchen, Raufeisen aus dem Innviertel, eine Bauernjacke, ein Hin terglasbild, mehrmals Leibiknöpfe, Czako, Armbinde und Überschwung der Nationaigarde von 1848, ,,4 Stück Bergschuhnägel, Scheanken aus den oö. Alpenländern", Hau benspanner, Backmodei, bemalte Ostereier, Bauchranzen, eine Lupe, Taschenfeiti, ein Konvoiut Beichtzettel, einen Sonnenschirm, ein Kartenspiel, einen Strohhut, usw. Bis auf wenige Ausnahmen stammten die ersten 600 Objekte, die bei der Ausstellung als Mu seumseigentum gezeigt wurden, aus Ober österreich, mindestens die Hälfte davon kam von Anton M. Pachinger. Es wundert daher nicht, auch den Namen eines weiteren großen Sammlers aus dem Lande ob der Enns mehr fach im Inventarbuch zu finden: Hugo von Preen. Durch die Bekanntschaft mit dem Hausforscher Gustav Bancalari, der dem Ver ein in der ersten Stunde als Ausschußmitglied angehörte, besonders aber mit Marie Eysn, die dem Museum viele Objekte aus Salzburg überbrachte, und mit dem jungen Rudolf Kriss mag er zu den Proponenten des im Aufbau be findlichen Museums gestoßen sein. Er fühlte sich seinen eigenen Angaben nach sogar als ein Mitbegründer des österreichischen Mu seums für Volkskunde in Wien und bezeich nete sich dem späteren Direktor dieses Insti tuts, Michael Haberiandt, gegenüber als älte sten Volkskundler, weil er schon um 1880 über das Beleuchtungswesen des oberen Innvier tels referiert hatte. (Vgl. Josef Reitinger, Hugo von Preen. Katalog, Braunau 1979). In seiner Heimatstadt Braunau hatte man damals noch kein Verständnis für seine beachtliche Samm lung an bäuerlichem Hausrat und an Werken der Volkskunst und so wanderte das ,,Gerümpei" ins Deutsche Volkskundemuseum nach Berlin. Einiges dürfte dabei auch für Wien ab gefallen sein, so unter anderem eine der merkwürdigen Tonkopfurnen. Durch seine künstlerischen Dokumentationen der Innviertler Zimmermannsmaierei rückte er einen Be rufsstand in den Vordergrund, dessen hand werkliches Können gerne der ,,bäuerlichen Kunst" zugeschrieben wurde. Neben Teilen von bemalten Stadeitoren kam auch das Werkzeug derZimmerleute ins Museum, unter anderem ein Breitbeii, das Andreas Reischek Oben: Große Ofenkachel mit oberösterreichi schem Landeswappen, braun glasiert, 18. Jahr hundert ■1 ■r--- ■ "v ■■ ; ■^1 ■ V.

1k s ■. ■■■ .■: Wi.-^jitg-fi:-:.- .>v ■,. ■;.. ■. ;. ■ r; ^•. "■"'^.,ii-.%-- ■' -—"" ■MM'-'} V'^-^''' ' ' f V ■■ «l. . ..V-..-. ;.. r . ., - < • 1», ^ ■ #•* & OWi ■ ■■ . f' y ' ;l Oben: Schnapsflasche mit Schwarzlotmalerei, Schützenszene vor Wirtshaus; Spruch: ,,ViVAT Ihr Herrn Schützen" „ihr Herrn Schützen, kombt hier ein ich gieb euch ein guets Glas Wein" Oberösterreich, 1766 Rechts oben: Spanschachtei, oranger Grund mit Biütenranken, Viechtau, 19. Jahrhundert Rechts: Brautschaff, mit Brandtechnik verziert. Auf dem Deckel Braut, Bräutigam und Haustiere, Umgebung von Weis 1809 Links: Gmundner fVlajolika, Godenschaie und Krug mit Liebespaar, Spruoh: „Komb ach schenste laß kissen' und die Zeit mit Lieb versiessen" 18. Jahrhundert Z. / ■ 1«.

Löffelrem mit Darstellungen des Almlebens, Aussee, um 1810; bemalte Holzlöffel aus der Viechtau, 19. Jahrhundert aus Linz gespendet hatte. Der berühmte Maoriforscher Andreas Relschek, der ebenfalls durch Jahre dem Vereinsausschuß als Mit glied angehörte, trug zusammen mit Alfred Walcher Ritter von Moltheim wesentlich zur Bereicherung der Keramiksammlung bei. Eine beachtliche Kollektion an Jagdbestecken und Taschenfeiteln aus den Werkstätten ober österreichischer Hammerschmieden verdankt das Museum dem Grafen Lemberg aus Steyr. Michael Haberlandt hat später in den,, Werken der Volkskunst" darüber geschrieben und auch über die Hornkammerzeugung aus Steyr. Aus der Metropole der Eisenverarbei tung besitzt das Museum aber auch die frühen Figuren und Kulissen des ,,Kripperlspieles", was selbst Viktor Geramb und Viktor Zack un bekannt war, als sie darüber in der österrei chischen Zeitschrift für Volkskunde berichte ten. Die Museumsgründer griffen offensicht lich bei allem zu, was sich ihnen darbot. Aus Haslach erwarben sie von A. Mayerhofer unter anderem Bettzeug und aus der Viechtau konnten sie selbst einen repräsentativen Querschnitt an hausindustriellen Erzeugnis sen einbringen. Sehr früh war man auch auf den Hallstätter Salinenarbeiter Johann Georg Kieninger auf merksam geworden, der wie so viele andere im Salzkammergut trefflich mit dem Schnitz messer umzugehen verstand. Er gestaltete in seiner Freizeit aus Lindenholz die ihn umge benden Menschentypen, das ,,Regerl", die „Baderin" oder einen Mann beim Holzziehen. Seine technischen Fähigkeiten bewies er mit einem Modell des berühmten Gosauzwanges. Zu den imposantesten Werken zählt aber ein Kirchenmodell, in dem man mit einigen Abän derungen die Kirche von Hallstatt erkennen kann. Es ist das eine minuziöse Nachbildung des Originals, an dem besonders die Innenar chitektur mit Kreuzrippengewölbe, die Orgel empore und die phantastische Kanzel beste chen. Ein technisches Meisterwerk stellt auch seine bewegliche Krippe dar, die ganz im Stile der Heimatkrippen die volkstümliche Welt des Salzkammergutes einfängt. Ihr können die große, mit prächtigen Häusern ausgestattete Kern-Krippe aus Ebensee und die erst jüngst erworbene Enichlmayr-Krippe aus Traunkirchen an die Seite gestellt werden. So war, zunächst noch aus den unterschied lichsten Bereichen und ohne bewußte Selek tion, nach kurzer Zeit eine beachtliche Samm lung entstanden, die bereits Konturen jenes Fachgebietes erahnen ließ, das späterhin un ter der Bezeichnung ,,Volkskunst" zusam mengefaßt wurde. Es war also kein theoreti scher Ansatz, der den Volkskunst-Begriff be stimmte, sondern die praktische Sammeltätig keit. Sie prägte auch die erste Aufstellung des Museums 1898 in der Wiener Börse, in der wiederum die oberösterreichische Wohnstu be, das ,,Stübr, eine Schlafkammer und eine oberösterreichische Küche mit offenem Herd und Rauchmantel im Zentrum standen. Der überwiegende Teil war allerdings in Stoffgrup pen zusammengefaßt. Gläser standen bei den Gläsern und Ranzen lagen bei den Ranzen. Diese Gliederung beherrschte auch die fol gende Ausstellung ,,Osterreichische Hausin dustrie und Volkskunst" 1905 im Kunstgewer be-Museum, und das große, mit 1300 Abbil dungen versehene Tafelwerk ,,Osterreichi sche Volkskunst", das Michael Haberlandt ab 1910 herausbrachte. Damit war zwar ein Rahmen gesteckt, der alle Sachgruppen, die man als der Volkskunst zugehörig betrachtete, umschloß, doch es fehlte an einer allgemei nen, übergreifenden Einsicht in die Lebens bedingungen und die Wesensmerkmale der Volkskunst, wobei einschränkend festzustel len ist, daß für die Volkskunde andere Kriterien gelten wie für die Kunstwissenschaft. Wenn also etwa der Kunsthistoriker Alois Riegl in seinem 1894 veröffentlichten Büchlein ,.Volkskunst, Hausfleiß und Hausindustrie" die ,.Anfertigung im eigenen Haus für den ei genen Bedarf, und die Allgemeinverständlich keit seiner durch die Tradition bedingten For men" zur Definition für Volkskunst erhob, so übersah er, daß doch der überwiegende Teil aus der handwerklichen Produktion stammt. Hier hat auch der lange Zeit dominierende Be griff der,,Bauernkunst" den Blick in die Irre ge führt, der den Konsumenten mit dem Produ zenten verwechselte. Die Zeugnisse der länd lichen Kultur wurden nämlich nur zum gerin gen Teil von Bauern selbst hergestellt. Man übersah, daß andere Berufsgruppen sich im allgemeinen als kreativer erwiesen. Nicht nur im Salzkammergut, auch in Tirol und im Erz gebirge verdankt die Krippenkunst den Berg leuten ihre Blüte. Kunstfertigkeit im Umgang mit Holz beweist ebenso die ,,Holzhackeruhr" mit der drehbaren Larve aus dem Salzkam mergut. Schnitz- und Reifmesser oder Stemmeisen wußten die Holzknechte stets geschickt einzusetzen. Ihre Spanschachteln, Holzschuhe, Wetzsteinkumpfe und die ge drechselten Schmalzdosen können der Ge brauchskunst zugezählt werden. Die Technik der Zimmerleute stützte sich auf die traditio nelle Verwendung von Schnur, Beil und Zirkel, der bei der Auszier der Stadelwände und

.'"Vi'i' Links: Kirchenmodell vom Salzarbeiter Johann Georg Kieninger (1829-1899), nach dem Vorbild der katholischen Pfarrkirche von Haiistatt frei gestaltet iJnten: ,,Hoizhackeruhr", bemaltes Hoizgehäuse mit gewundenen Ecksäuien und Baldachin, hölzernes Werk, über dem Zifferblatt kleine Maske, die beim Stundenschiag die Augen bewegt, Gmunden 1819. Phantastische Fischerkanzei im Inneren des oben gezeigten Kirchenmodeils, wohl in Anleh nung an die barocke Fischerkanzei in der Pfarr kirche von Traunkirchen Trambalken wertvolle Hilfe leistete. In den zahlreichen Tischlerwerkstätten triumphierten Pinsel und Farben. Während die Gebrauchs gegenstände weitgehend von der Überliefe rung bestimmt waren und die herkömmliche Perm lange beibehielten, nahmen die vom städtischen Handwerk beeinflußten Repräsentaticnscbjekte vielfach Elemente der Stil kunst auf bzw. begannen sie, diese zu imitie ren. Sc schufen die Weißhafner mit der Majo lika einen Ersatz für das teure Pcrzelian und die Möbeimaier ersetzten die Intarsie durch Schabicnenmalerei. Der Biaudruck wiederum sollte die Buntdamaste vertreten. Die romanti sche Auffassung von der vermeintlich kon stanten, durch Jahrhunderte gleichbleibenden Gestaltungskraft des Volkes hat durch Hans Naumanns These vom ,,gesunkenen Kultur gut" eine einschneidende Korrektur erfahren. Wie man am Beispiel der Trächt oder des Mö bels sieht, unterliegt nämlich auch die Volks kunst einem steten Wandel. In diesem Zu sammenhang muß weiters der Ansicht wider sprochen werden, daß die Anonymität der Hersteiler ein Kriterium für Volkskunst sei. Ab gesehen davon, daß selbst die Schöpfer gro ßer Kunstwerke manchmal unbekannt sind, darf man Volkskunst nicht ais eine Schöpfung des Voikes ansehen. Im arbeitsteiligen Her stellungsprozeß, wie etwa bei der Hinterglas malerei, tritt der einzelne zwar zurück, doch sind durch Friedrich Knaipp ihre Werkstätten bekannt geworden. Dasselbe gilt für die Mö belmalerei. Hier hat Franz 0. Lipp mit dem ,.Tischler In Moos", Georg Praitwieser, einen Meister der Anonymität entrissen. Weitere

Tischlerwerkstätten konnten durch die inten siven Nachforschungen Rudoif Mosers nam haft gemacht werden. Es hat demnach jedes Objekt seinen individueiien Schöpfer. Entscheidend für die Zuord nung zur Voikskunst erweist sich daher der Umstand, ob einem Gegenstand jene Form und Funktion gegeben werden konnte, die der Mentaiität des Voikes entsprach. Unter die sem Aspekt tritt die Frage nach dem Hersteiier in den Hintergrund und es rückt der Verbrau cher bzw. die Beziehung, die zwischen ihm und dem gestalteten Objekt besteht, in das Biickfeld. Diese Beziehung basiert nicht unbe dingt auf ästhetischen Kriterien. Oft sind es die unscheinbarsten Dinge, die dem Menschen besonders an das Herz gewachsen sind. Wer tungssysteme der Kunst reichen daher für die Bestimmung der Voikskunst nicht aus. Viel mehr werden die Gebrauchsbedeutung, die Dingwertigkeit für die Wertschätzung eines Objektes ausschlaggebend. Dinge des ailtäglichen Gebrauches nehmen im Leben des einzeinen einen anderen Stelienwert ein als Din ge, die Repräsentation, Standesehre (Zunft zeichen, Tracht) oder Liebe ausdrücken. Wie bereits angedeutet, hatte die ,,hohe" Stube im Vierkanthof einen höheren Rang als die Wohnstube, und auch bestimmte Bezirke innerhaib des Raumes besaßen eine hervor gehobene Steiiung. Der Piatz um den Tisch war nicht nur hierarchisch aufgeteilt, sondern er erhielt durch die Ausgestaltung mit Kruzifix, Heiligenfiguren, Hintergiasbildern, kreuz stichverziertem Aitartuch, Wachsstöcken und Heiiiggelst-Tauben eine zusätzliche Weihe. Eine ähnliche Bedeutung hatte lange Zeit die offene Feuersteiie, bei der die Aufnahme in die Hausgemeinschaft vollzogen wurde. Die ein zelnen Gegenstände dienen eben nicht bloß dem Gebrauch oder der Dekoration, sondern sie sind eingebunden in die Glaubenswelt, in Kult und Brauch. Das kann sich bereits bei der Wahl des Werkstoffes ausdrücken. So ver wendete man beim Bau der Wiegen Holz, dem schützende Wirkung zugeschrieben wurde. Durch die künstlerische Gestaltung erhalten die Gegenstände eine neue ,,Dingbedeut samkeit". Wenn die Möbelmaler mit Vorliebe Madonnenbiider auf Truhen und Betten mal ten, dann sollte damit die ganze irdisch-himm lische Beziehung von Liebe, Ehe und Mutter schaft zum Ausdruck gebracht werden, deren Erfüllung die Braut mit ihrer neuen Aussteuer erhoffte. Ahnliche Gedanken knüpften sich an das verzierte Brautschaff, den bestickten Ta baksbeutel oder das bemalte Osterei. Die verwendeten Zeichen und Symbole (auch die Farbe) waren in ihrer Bedeutung allgemein bekannt und verständlich: Herz, Anker, Vogel, Lebensbaum, Blume, Spirale, Mensch und Tier. Sie wurden im Laufe der Jahrhunderte vielfach abgewandelt und blieben dennoch immer gleich. Volkskunst ist zu einem wesent lichen Teil Formsprache, die auf einer ge meinsamen Verständlichkeit beruht, im Museum scheinen die Dinge zunächst auf ihre Objektheit reduziert. Es ist Aufgabe der Volkskunde, ihren Stelienwert zu ergründen und diesen in der Ausstellung schaubar zu machen. Über die persönliche Bindung hinaus bilden die Dinge aber immer auch Zeugen ei nes kulturellen Organismus. Sie sind der Schlüssel zum Verständnis der kulturellen Ei genart einer Region, eines Landes. Die Volks kunstsammlung aus Oberösterreich bietet im österreichischen Museum für Volkskunde in Wien dazu reichlich Gelegenheit. INNVIERTLER ANTIQUITÄTEN Tcppieh-?lnöh P Kössl Große Auswahl an antiken, alten und neuen Orientteppichen, über 1.200 Handknüpfer auf Lager, antike Kasacks. DiREKTiMPORT ISie finden auf 180 m^ Verkaufs- und Aussteliungsfiäche, 450 m^ Lagerfiäche: bemalte und unbemaite Bauernmöbel, V Biedermeiervitrinen, J Kommoden, restauriert und unrestauriert, ßt, original Jugendstil- • j Messingleuchten, Schwanthalerplastiken, Gemälde. Besuchen Sie uns in unseren neu adaptierten Geschäftsräumen am ROSSMARKT35 in RIED/INNKREIS

Der „Gimpelmaler'' Peter Brunner (1743 bis 1811) zugleich ein Beitrag zur 200. Wiederkehr des Toieranzpatentes von 1781 Franz C. Lipp Jedem Liebhaber und Sammler oberösterrei chischer Bauernmöbel wird bald jene ausge prägte und unverwechselbare Gruppe von Möbeln in der Erinnerung haften bleiben, die immer wieder im unteren Traunviertel zwi schen Bad Hall und Steyr auftreten, aber längst diesen Radius ihrer dichtesten Verbrei tung überschritten haben, so daß sie ohne weiteres auch noch zwischen Linz und Enns auftauchen. Diesen Möbeln eignet eine deutli che Vorliebe für ein leuchtendes Rot. Auch die konstruktiven Teile der Schränke und Truhen auf den Vorder- und Seitenwänden sind stets rotbraun-graurosa schraffiert. Stereotyp sind auch die rotweißen Tulpen, die zu ,,Maikrü gen", mit anderen rotweißen Blumen vereinigt, gegen einen himmelblauen Grund gesetzt sind. Bei Schränken tritt dieses Motiv, einfa cher oder reicher gestaltet, in den zwei oder vier,,Füllungen" auf, je nachdem ob es sich um einen ein- oder zweitürigen Kasten han delt. Der Zwischenraum zwischen den Haupt feldern wird fast immer zu einer Darstellung des auf dem Kreuze liegenden Jesuskindieins (,,Hier lieg Ich wie ein Kind, bis ich erwach' und straf die Sünd'") oder des auf dem Sterbebett liegenden Helligen Franz Xaver genützt. Auf Betten oder anderen großflächigen Möbeln, auch auf der Rückwand von Schlitten, hat der Gimpelmaler mit Vorliebe figurale Szenen ge setzt, die unverkennbar auf den gleichen Ur heber schließen lassen. Es sind mehrstöckige Häuser mit einer Vielzahl von Fenstern, bäuerliche Menschen, diese gerne mit Stock und Pfeife, und ein Jäger mit Hund, der auf ei nen Hirschen schießt; dazwischen, je nach verfügbarer Fläche, ein oder mehrere Laub bäume, auf denen In der Regel ein roter Gim pel und ein graues Gimpelweibchen sitzen, Oft Ist noch zusätzlich ein Taubenpaar aufgemalt. Statt des Gimpels kann auch ein anderer roter Vogel, z. B. ein Papagei, der mitunter eher ei nem Kreuzschnabel ähnlich sieht, in Erschei nung treten. Man wird nicht fehl gehen, wenn man annimmt, daß ,,P. B.", wie der Maier obgenannter Motive In der Regel zu signieren pflegte, in seinem Leben weder einen Hir schen noch einen Papagel gesehen hat. Auf naturalistische Wiedergabe kam es ihm ja auch nicht an, für ihn galt der Gimpel, Papagel oder Kreuzschnabel als Träger eines roten Federkleides, der ,,Hirsch" als Zielscheibe des Jägers, der eine edle Beute erlegt, die Häuser waren ihm Sinnbild eines höheren und kaum erreichbaren Lebens, das Jesuskind auf dem Kreuz und Franz Xaver auf dem Toten bett erinnerten den Maler an die Vergänglich keit des Lebens. Alles, was er malte, ist Sym bol und spricht in seiner freundlich-naiven Sprache den Menschen auch heute noch un mittelbar an. Das ungemein häufige Auftreten von Möbeln mit so eindeutigen Stiieigentümiichkeiten, von denen noch nicht einmal alle aufgezählt sind, die häufig aufscheinende Signatur und nicht zuletzt die hohe volkskünstlerische Qualität haben die Frage nach dem bislang noch im mer unbekannten Monogrammisten P. B. zu einem heißen Problem der oberösterreichi schen Möbelforschung werden lassen. Natürlich konnte man das Verbreitungsgebiet dieser Möbel trotz meist sekundärer Lagerung dieser vom Antiquitätenhandel schon seit mehr als einem Jahrhundert heißbegehrten ,,Ware" etwa mit dem Begriff, ,,Unteres Traunviertel" abgrenzen. Es kristallisierte sich auch die Südzone dieses Gebietes als ver mutlicher Sitz der Werkstätte bereits seit län gerem heraus. Schon im Katalog der ersten Sonderausstellung oö. BauernmöbeM wird er im Raum Neuhofen/Krems vermutet. Einen konkreteren Hinweis gab dem Autor im Spät herbst 1978 anläßlich einer Führung durch die Bauernmöbelschau im Freilichtmuseum St. Florian-Samesleiten ein alter Bauer, der spon tan bemerkte: ,,lch kenn' die Werkstatt von dem Gimpelmaler ganz genau, sie ist in der Nähe von Neuhofen." Als der Schreiber dieser Zeilen nach Beendigung der stark besuchten Führung von dem Übermittler dieser wertvol len Aussage Näheres in Erfahrung bringen wollte, war er bereits verschwunden. Aber der Funke zündete und schon einige Tage darauf durchstöberte ich im 00. Landesarchiv, hil freich beraten durch die Archivarin Frau. M. Pertiwieser, die einschlägigen Kataster, Handwerkerverzeichnisse und Nachiaßprotokolle der Herrschaften des gesamten Raumes nördlich der Linie Steyr - Lambach, leider zu nächst vergeblich. Keiner der gar nicht so we nigen PB-Namen paßte zeitlich und räumlich auf den Inhaber der fruchtbaren Gimpelwerk stätte. Schließlich fand sich im Archiv unter Hs 66 No 10.994 aus dem Jahre 1806 ein Pruner Peter, Tischlermeister zu Theinstetten, der bit tet ,,recurrendo 1. den Bescheid des Kreisam tes einzuheben und jenen der Obrigkeit Piberbach in Hinsicht der ihm verliehenen Tischler gerechtigkeit zu bestätigen und 2. dem Bitt steller kein Hinderniß in der Ausübung seines Gewerbes in Weege zu legen bis dieser Ge genstand von dieser hohen Stelle entschieden sein wird." Dieser Protokollantrag führte auf die richtige Spur. Vielleicht wählte nur der Pflegamtsschreiber ein hartes P. für ein gebräuchliches B.? Tatsächlich weist für das Jahr 1825 der Franzisceische Kataster einen ßrunner Pe ter, Tischler in Hilbern, aus. Unter ,,Theinstätten" fand sich dann auch im Josephinischen Lagebuch (1788) ein,,Peter Bruner am Petern Häusel zu Brunn, Haus N° 52, Herrschaft Piberbach". Es konnte sich um einen Peter Brunner (oder dessen Vater?) handein, der noch 1825 auf diesem Häusel saß und der 1806 um die Gewerbeberechtigung als Tisch ler nachgesucht hatte. Da 1788 kein Beruf (wahrscheinlich mangels dieser Gewerbebe rechtigung) angegeben, die Landwirtschaft aber so gering war, daß man davon nicht leben konnte, ist die Ausübung einer Lohnarbeit oder eines Handwerks anzunehmen. Aber war Peter Brunner aus Hilbern tatsächlich der Gimpelmaler? Diese Frage konnte bei eini gem Glück und unter günstigen Umständen nur ein Lokaiaugenschein beantworten. Am 13. Dezember 1978, für Brauchtumskun dige als Lucientag und große Rauhnacht von besonderer Bedeutung, war es soweit. Ein Dezembertag mit Resten ersten Neu schnees, den der Föhn an diesem fast früh linghaften Morgen, der eine herrliche Sicht auf die Alpenkette darbot, schon fast weggefres sen hatte. Der freundliche Amtsleiter von Schiediberg, einer Landgemeinde zwischen Neuhofen und Sierning, zeigte mir selber den Weg nach der Ortschaft Brunn in Hilbern, wo das ,,Häusl an der Straßen" auch ,,Petern"- oder ,,Brunnerhäusl" genannt, bis auf das durch eine Hartdeckung ersetzte Strohdach, unverändert angetroffen wurde. Nur die alte Konskriptionsnummer Thainstetten 52, an der Außenseite des Hauses in ein Herz gemalt, wurde schon vor vielen Jahren bei der Einfüh rung einer neuen Grundbuchsordnung in ,,Hil bern 90" abgeändert. Und da standen sie auch, die gesuchten Buchstaben P. B. über der Jahreszahl 1794 in das schwungvolle Herz hineingemalt. Ich wurde in dem Haus, einem kleinen, eingeschossigen Hackenhof, von den beiden Inwohnerinnen, Mutter und Tochter, die den Familiennamen Brunner tragen, wie ein schon lange erwarteter Bekannter aufge nommen und durfte mich umsehen. Der erste Weg führte in die alte Werkstätte, In der noch die Hobelbank steht, die der Vater, Großvater und vielleicht noch ältere Ahnen benützt hat ten, abgearbeitet genug ist sie. Alle Brunner waren Tischler, auch der nun 48jährige Sohn, Friedrich Hermann, ist Tischler, nur ist Ihm die Werkstätte längst zu klein geworden, er hat gebaut und übt sein Gewerbe ebenfalls in Hil bern in etwas günstigerer Verkehrslage aus. In einer Kammer nebenan befinden sich noch verschiedene alte wurmbefallene Werkzeuge, so Zwingen und Hobel, die leicht 200 Jahre alt sein könnten. Die größte Überraschung stand aber noch bevor: In der Schlafkammer der Haustochter, die das kleine Anwesen bewirt schaftet, leuchtete mir aus dem Halbdunkel des Dezembertages die Tür eines Wandkäst chens entgegen und darauf gemalt, zwischen dem bekannten vielfensterigen Hochhaus und dem Zwiebelturm, groß und rotbrüstig aufge bäumt, der Märchenvogel, diesesmal ein wirk lich gelungener Papagei und auch alles an-

dere so, wie beim ,,Gimpeimaier" dutzende Maie gesehen: die weißen Zwickel in den roten Eckfeidchen, die helier braunweißen Schraffen des Rahmens, die dunkleren des Käst chens. Die ietzten Zweifel waren damit besei tigt. Unvermutetes erlebte ich auch auf dem Heu boden über dem Stall, der nur über eine Leiter zu erreichen war. Hier, unter dem Heu, fand ich nicht nur den Holzsarg eines BrunnerTischlers, der schon vorbereitet, aber nie be nützt worden war - die Tischler hatten ja Wiege und Sarg anzufertigen-, sondern an der Innenseite der Bretterwand des Heubodens, ziemlich gut erhalten, auch Reste von ,,Mal proben" mit Motiven, die vor der Zeit des Gimpeimalers liegen mußten, also - wie sich her ausstellen sollte - vor 1782, dem frühesten datierten Möbelstück, das eine sichere Zuwei sung zur Gimpeiwerkstätte erlaubt. Was Ich schon länger vermutet hatte, bestä tigte der Besuch im Tischlerhaus: die Familie Brunner ist evangelisch, ein Versuch, auf grund katholischer Pfarrmatriken weiterzu kommen, mußte also scheltern. ich konnte je doch in der zuständigen evangelischen Pfarre Neukematen die dort vorhandenen Geburts-, Vermähiungs- und Sterberegister, die leider erst mit dem Jahr 1783 bzw. 84 beginnen, ein sehen und dabei jene Brunner-Namen finden, die für die Signierung P. B. in Betracht kom men. Es sind dies Peter Brunner (der Ältere) geb. 1743, gest. 1811, und dessen Sohn Peter Brunner (der Jüngere) geb. 1782, gest. 1842. Da die überwiegende Mehrzahl der etwa ein hundert datierten, meist signierten oder doch zuschreibbaren bekannten ,,Gimpeimöbei" zwischen 1782 und 1812 liegt (ca. 90 Pro zent), muß Peter Brunner der Ältere als der bedeutendere und der eigentliche ,,Gimpeimaier" angesehen werden. Der jüngere Peter Brunner hat meist noch ganz in der Ärt seines Vaters gemalt, aber auch schon eigene Wege zu gehen versucht, wie eine derzeit im Sumerauerhof, St. Florian, befindliche Garnitur, da tiert mit 1822, beweist^. Der Sohn des jünge ren Peter, Michael, geb. 1818, gest. 1879, ge rät schon in die Periode der auslaufenden Möbeimalerei. Von ihm ist bis jetzt nur noch ein Schrank mit Sicherheit nachzuweisen. Er ist signiert mit M. B., datiert mit 1847 und für eine Katharina Peterleitner gemalt^. Michael Brun ner benützte einfach einen Schrank, den schon sein Großvater bemalt hatte (die Spu ren seines Vorgängers wurden bei einer mai technischen Untersuchung deutlich sichtbar), und übernimmt, etwas linkisch und unbehol fen, auch das beliebte Motiv ,,Christkind am Kreuz". Sonst folgt er dem Geschmack des ^1^ iMA Wff i' V .1 M m

Links: Eintüriger Schrank, datiert 1799, signiert P. B., Werk Peter Brunner des Aiteren, 00. Lan desmuseum. - Foto: 00. Landesmuseum Rechts: Rückwand eines Jagdschiittens, datiert 1793, signiert P. B., mit Wiidtauben- und Gimpeipaar. Schieß und „Schuß auf den Hirschen", Werk Peter Brunner des Aiteren Unten: Rückansicht einer Sesseiiehne mit Darsteiiung eines Bauern mit Peitsche, Pfeife rau chend, undatiert, um 1795, Werk Peter Brunner des Aiteren, 00. Landesmuseum VWlsmMk.Wi* *e-; Links: Fußteii eines „Gimpeibettes" mit Schieß und Kirche, Wiidtaubenpaar, „Schuß auf den Hirschen" und Landmann mit Peitsche, Pfeifchen und Buckeikorb, Werk Peter Brunner des Aiteren, OO. Landesmuseum späten Biedermeier. Die weiteren Nactifolger: Alois Michael, geb. 1863, gest. 1948; Alois, geb. 1894, gest. 1971; und als letzter, Fried rich H. Brunner, geb. 1933, folgten alle noch der Hobelbank und übten das Handwerk der Väter aus". Aber sie mußten sich bereits auch der Bautischlerei zuwenden. Von Alois Brun ner, dem Vater des jetzt noch tätigen Meisters, ist noch das Firmenschild ,,A. Brunner, Bau & Möbeltischler N° 90" erhalten. In dem umfangreichen Werkverzeichnis der Gimpelmaler kommen außer dem üblichen Zeichen P. B. gelegentiich noch die Signatu ren S. B. (1798), T. B. (Truhe 1791 und Truhe 1805) und einmal ein Schrank, gez. F. S., 1805, vor. Das T. B. von 1805 könnte mit ei nem Thomas Brunner, Besitzer des Binder häusels In Bernau N° 4, bei Wels, In Zusam menhang gebracht werden, der zweimal, 1784 und 1807, als Beistand bei Hochzeiten in der Brunnerfamilie aufscheint. Vieileicht hat er seinem Vetter Peter Brunner gelegentlich beim Maien ausgeholfen. Die Monogramme S. B. und F. S können vorerst noch nicht ge klärt werden. Möglicherweise ist gar nicht das Herstelierzeichen, sondern ein Besitzermo nogramm damit ausgedrückt, wie es bei einem zweitürigen Gimpelschrank des Jahres 1791 zutrifft, wo die Anfangsbuchstaben 0. T., R. U., R. S. und T. R. an die Stelle des P. B. getreten sind. Was nun, wenn Rückschlüsse vom Lebens werk und den Zeitverhältnissen auf die Lebensumstände und vieileicht auch auf die Per sönlichkeit des Urhebers selbst erlaubt sind, war die Welt des Peter Brunner, was hat ihn geprägt, welchem Traum, welchen Vorstel lungen, weichen Überlieferungen hat er Aus druck verliehen? Ganz gewiß war eine der formenden Kräfte im

Wandkästchen in der Schlafkammer des „Brunnerhäusls" mit rotem Papagei zwischen Schloß und Kirche, undatiert, vermutlich 1794, von Peter Brunner dem Alteren bemalt Leben des Peter Brunner die Zugehörigkeit seiner Familie zur evangeiischen Reiigionsgemeinschaft. Inmitten eines überwiegend ka tholischen Landes, dessen Obrigkeit noch bis 1774, also noch unter der Regierung von Ma ria Theresia, die Protestanten des Landes verwies - auch aus der Herrschaft Piberbach, zu der Thanstetten gehörte, aus dem benach barten Hall und Feyereck sowie aus den Herr schaften Kremsmünster und Lambach muß ten zwischen 1752 und 1772 noch 82 Perso nen ,,transmigrieren" - insgesamt waren es allein in Oberösterreich 1887 Menschen, die in diesem Zeitraum zur Auswanderung gezwun gen wurden. Wenn Peter Brunner, der minde stens seit 1782 schon ungezählte Häuser sei ner näheren und weiteren Umgebung mit überdurchschnittlich gut bemalten Möbeln ausgestattet hatte, noch 1806 darum bitten mußte, ihm kein Hindernis in der Ausübung seines Gewerbes in den Weg zu iegen, so dürfte das wohi auch auf eine nicht mit Mangel m an seinem Können begründbare Zurückhaitung der Behörde schiießen lassen. Ais Evan gelischer konnte er sich damals eben keiner besonderen Förderung erfreuen. Peter Brun ner steht mit seinem Bekenntnis in einer Reihe mit namhaften evangeiischen Tischlerwerk stätten, unter denen die der Herstelierln der berühmten rosafarbenen ,,Vogerikästen" Ro salia Fettinger aus dem Aurachtal bei Regau-Rutzenmoos am bekanntesten geworden ist. Das Evangeiische kommt im Schaffen dieser Werkstätten selten direkt zum Ausdruck, d. h. nur dann, wenn die Möbei für einen Glaubens genossen bestimmt waren. Dies trifft sicher auf einen mit 1802 datierten Schrank zu, der aus dem Umkreis der evangelischen Tole ranzgemeinde Neukematen stammt, zu der auch Hilbern-Thanstetten gehört. Er zeigt Im oberen Feld eine Herrscherin mit Krone und Hermelinmantei (wahrscheinlich eine Remi niszenz auf Kaiserin Maria Theresia), ihr zu V ik. Z -% Hauszeichen Peter Brunners mit P. B. 1794 und Nr. 52 der alten Hausnummer von Thanstätten. Eigenhändige Malerei von Peter Brunner dem Alteren auf seinem Haus. Foto: O. Götzinger Füßen in Demutshaitung eine männliche Ge stalt. Im unteren Feld ein Pastor mit Talar und Bäffchen, eine Bibel emporhaltend. Solche ,,Bekenntnise" sind Seiten. Häufiger sind Mö beistücke mit Psaimensprüchen oder Bibelzi taten, wie jener große, mit 1806 datierte und P. B. signierte doppeitürige Schrank aus Schiediberg, der an den Seitenwänden je zwei Gimpeimotive aufweist, am Vorderteii jedoch mit einem Psaim beschriftet ist. Sein Gegen stück, im selben Gutshof befindlich, ist ein 1810 datiertes Werk Peter Brunners mit den Sprüchen ,,Deln Herz folge nicht den Sündern, sondern sei Immer In der Furcht des Herrn" und ,,Es ist besser wenig mit Gerechtigkeit, denn viel Einkommen mit Unrecht". Auch die ser Schrank ist auf den Seiten mit vier prächti gen Gimpeln gekennzeichnet. Leben mußte Peter Brunner, dessen Schaf fensjahre ja die Zelt vor und nach dem Erlaß des Toleranzpatentes umfassen, vorwiegend von kathoiischen Auftraggebern. Daher sind ja

Rechts: Die Werkstätte im „Brunnerhäusi" mit aiter Hobeibank, die vermutiich noch von Peter Brunner dem Aiteren und Jüngeren benützt wurde. - Foto: O. Götzinger Unten: Aiois Michael Brunner, 1863-1948, Groß enkel Peter Brunner des Jüngeren ■^■11 Hl i« ■1 ifli Mlillfc" auch „katholische" Motive, wie geiegentlich der ,,Gnadenstuhi", ..Maria Taferl" oder ..Mariazeii" und der hl. Franz Xaver nicht ungewöhniich. Ob das auf dem Kreuz liegende Je suskind nicht auch evangelischer Bußgesin nung durchaus entsprochen hat. müßte erst entschieden werden. Charakteristisch für Pe ter Brunner aber sind vor ailem die erwähnten Vögei. entweder das Gimpeimännchen mit seiner ieuchtenden. roten Brust, ailein oder zu zweit mit dem biasseren Weibchen, oder seitener. ein roter Papagei und ein ais Kreuzschnabei anzusprechender Vogei. Häufig be reichert Peter Brunner seine Vogeiweit noch mit einem aufgemalten Taubenpaar, wobei der gute Beobachter keine Haustauben, son dern Ringeltauben, also Wildtauben entdeckt. Diese finden sich meist nur auf Betten, steilen also eindeutig ein Ehesymboi dar. Die roten Vögel jedoch haben darüber hinaus bei Peter Brunner die Bedeutung eines farbigen ..Leit motivs". rot ist ja seine geiiebte Farbe, den Ak kord rot iäßt er bei seinem Gimpel oder Papa gei ebenso anklingen wie Urban Huemer (1728 bis 1790) den Nußhäher als Vorbild für die schwarz-biau-weißen Schraffen seiner Möbei-Friese genommen und geiegentlich mit merklich betonter Schmuckfeder auf die In nentüre eines seiner bekannten Jahreszeiten kästen (z. B. den des Oö. Landesmuseums. F. 4600) gemalt hat. Wer rot als Lieblingsfarbe wählte, dem muß wohl ein kleiner Überschuß an Lebensfreude. Lebensmut und Vitalität zugemessen worden sein. Diesen Lebensmut hat Peter Brunner auch zeitlebens nötig gehabt. Seine kleine Landwirtschaft, die erst unter dem Urenkel Alois etwas vergrößert wurde, konnte ihm nicht einmal die täglichen Grundnahrungsmit tel in genügendem Maße für seine Familie lie fern. Während seiner ganzen Lebenszeit seufzten besonders die kleinen Bauern und Häuseiieute noch unter der Fron der Robotund sonstiger Dienstleistungen, die sie der Grundherrschaft schuldig waren. Die übermä ßige Wiidhege verheerte die Felder der Hin tersassen und zwang die Bauern des Landes ob der Enns zu Beginn des 18. Jahrhunderts zu dem blutig niedergeschlagenen Jagdauf stand von 1716 bis 1720. der noch in der Erin nerung des Vaters von Peter Brunner nachge lebt haben dürfte. Der ..Schuß auf den Hir schen". den der Sohn so gerne zum Thema wählte, war wohl eher der Anklang an diese Beschwernisse als der Nachklang mythologi scher Vorstellungen. Und noch 1784 erhoben sich die Untertanen jenseits der Donau in der Herrschaft Greinburg mit Knüppein gegen die Landsgerichtsdiener, ais diese übermäßige Zugroboten forderten. Es ist da recht ver ständlich. wenn ..die Landschaft" Peter Brun ners von Schloß und Kirche, beides abstrakt und unnahbar, mit übermäßig hohen Fenstern gezeichnet, beherrscht wird und dazwischen, klein, aber, dem Anzug nach zu schließen, auch wieder selbstbewußt, das ..Volk" agiert. Gern hat er seine Bauern mit Stock oder Peit sche. an einem Pfeifchen saugend, darge stellt. Wenn man die Fülle seiner Arbeiten in Be-

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