Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

Warte-Zeit Wenn, wer auch immer, länger es bedenkt, wie lang das Leben währt, das selbst er will, wird mählich stiller er, und langsam still, und zweifelt endlich, daß er selber lenkt. Wo doch so schön ist jedes Jahrs Beginn, wenn jede Hoffnung wird aufs neu geschenkt, das Laub bald wieder seine Blätter schwenkt, und jeder Tag Ertrag ist und Gewinn. Doch was ist morgen, was nur diesen Abend, was gibt uns recht, für uns nur Liebe habend, zu sehn den Sommer wie die Ewigkeit. Der Mensch geht hin nach unbekannten Zielen, die mehr als oft beschieden sind den vielen, und was er heimbringt, bringt er heim auf Zeit. Die Tränen in die Nacht hinabgebüßt - und wem es auferlegt, dies zu erfahren, der weiß den steilen Weg von langen Jahren, allein, von keinem zweiten noch begrüßt. So viele Menschen laufen nur in Scharen und ihre Pfade schwanken wie verwirrt, der eine hat beim Wegkreuz sich verirrt, die andern kaum ihr Tägliches bewahren. Wie sehr das Leben wegläuft, wird vergessen, als sei des Daseins Dauer ungemessen - und niemand rummt sein letztes Antlitz wahr. Wo bleibt die Antwort auf die vielen Fragen, die in der Nacht der Ängste an ihm nagen? - Er wartet bange und der Einsicht bar. Er wartet lang, als ein Gefangner gar, der weiß, wie hart das lange Warten ist, er hat gewartet schon zu jeder Frist, er wartete vergebens Jahr um Jahr. Die Jahre flohen wie die Krähenschar: wie sehr hat jene Schönheit er vernüßt, die anderen als Fahne ist gehißt - die Fahrt des Lebens war für ihn Gefahr. Wie lange sind noch seine Wünsche offen, wie lang noch kann Erbarmen er erflehen, wie lang wird dauern seine Kraft, zu hoffen, daß seine Ahnung rucht umsonst gewesen? Kann er, was ihm versagt ist, überstehen und noch, nach dieser Warte-Zeit, genesen?

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