Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

gung ein charakteristisches Merkmal für eine neue Entwicklungsstufe, so hätte sie In den Vereinigten Staaten ihren Anfang nehmen müssen. Dies Ist nach allen vorliegenden em pirischen Fakten nicht der Fall, in den USA gab es In den siebziger Jahren keine Entindustrialisierung. Dazu läßt sich nachweisen, daß alle Länder, in denen die Industriebeschäftigung in den letz ten Jahren überdurchschnittlich zurückging, Probleme mit Ihrer Zahlungsbilanz bekamen. Dies gilt beispielsweise für Norwegen, Däne mark, Schweden und auch für Osterreich. Al len diesen Ländern gemeinsam ist die Ein buße der Internationalen Konkurrenzfähigkeit infolge der durch die nationale Wirtschaftspoli tik des Landes der Wirtschaft aufgebürdeten Belastungen. Auf diesen Umstand wurde, so weit es Österreich betrifft, bereits hingewie sen. Geht man von dieser Tatsache aus, wird auch klar, daß die Stelgerung der Beschäftig tenzahl im öffentlichen Sektor zumindest teil weise eine Folge der Verringerung der Be schäftigtenzahl Im Privatsektor ist. Schwedi sche Experten fordern daher für Ihr Land eine Reduktion der Beschäftigtenzahl Im öffentli chen Sektor und die Rückführung von Arbeits kräften In die Industrie. Ebenso Ursache und Wirkung umkehrend ist das Argument, eine Erhöhung der Beschäftig tenzahl des öffentlichen Sektors sei notwen dige Voraussetzung für die Vermeidung einer steigenden Arbeitslosigkeit. Es Ist aus zumin dest zwei Gründen nicht richtig, die sinkenden Beschäftigtenzahlen In der Industrie im letzten Jahrzehnt als Anzeichen dafür zu interpretie ren, daß der private Sektor die Fähigkeit zur Absorption einer größeren Zahl von Arbeits kräften verloren habe. Zum einen zeigt uns die Lehrlingsstatistik, daß es dem privaten Sektor In Osterreich sehr wohl gelungen ist, die Zahl der Arbeitsplätze für junge Menschen auch In den letzten zehn Jah ren ständig zu erhöhen. Zwischen 1970 und 1980 stieg die Zahl der Lehrlinge In Osterreich von 137.445 auf 193.459, das entspricht einer Zunahme um 28 Prozent. Mit besonderem Stolz darf in diesem Zusammenhang darauf verwiesen werden, daß Oberösterreich mit 35.514 per 31. Dezember 1980 gemeldeten Lehrlingen an der Spitze aller Bundesländer liegt. Zum zweiten ist die auch in Osterreich festge stellte Abnahme der Industriebeschäftigten natürlich auf wirtschaftspolitische Maßnah men zur Einschränkung des Privatkonsums zugunsten eines gesteigerten öffentlichen Konsums zurückzuführen. Es ist ohne weite res einleuchtend, daß die Nachfrage der Kon sumenten nach öffentlichen Gütern für den in dividuellen Konsum nicht von Preisüberle gungen geleitet wird, da diese Güter entweder kostenlos oder zu stark subventionierten Prei sen angeboten werden. Das bedeutet, daß die Nachfrage nach diesen Dienstleistungen weitgehend vom Ausmaß ihrer jeweiligen Subventionierung abhängt. Die Expansion des öffentlichen Sektors wird also durch politi sche Faktoren und nicht durch die den priva ten Konsum bestimmenden Marktkräfte be stimmt. Das Argument, daß der private Sektor seine Fähigkeit zur Absorption weiterer Arbeits kräfte eingebüßt habe, beruht übrigens auf der seltsamen Annahme, daß der private Konsum In den modernen Gesellschaften einen gewis sen Sättigungsgrad erreicht hat und die Men schen keinen weiteren zusätzlichen Konsum anstreben. Diese Annahme ist nach allen in ternationalen und nationalen empirischen Fakten völlig unrealistisch, von einem derarti gen Sättigungsgrad sind wir heute noch sehr sehr weit entfernt. Die These von der Unfähigkeit des privaten Sektors, eine zunehmende Zahl von Arbeits kräften zu absorbieren, ist deshalb so gefähr lich, weil sie ein völlig irrationales Motiv für eine weitere Ausweitung des öffentlichen Sek tors schafft. Die Schlußfolgerung aus diesen Überlegungen ist, daß der relative Umfang des privaten Sektors in den achtziger Jahren von politischen Entscheidungen bestimmt wird und nicht so sehr von wirtschaftlichen Überle gungen und daß es sich daher keinesfalls um eine natürliche Entwicklung unseres Wirt schaftssystems handelt, sondern In erster Li nie um Maßnahmen der staatlichen Träger der Wirtschaftspolitik. Stimmt man mit dem Leiter des österreichi schen Institutes für Wirtschaftsforschung überein, der davon ausgeht, daß sich die Lei stungen der Beamten, Lehrer und Gendarmen nur schwer an das Ausland verkaufen lassen und der Tourismus-Sektor an natürliche land schaftliche Grenzen stößt, dann kann der Ausgleich des österreichischen Leistungs bilanzdefizits nur über die Stärkung unserer Gewerbe- und Industriebetriebe erfolgen. Strukturanpassung notwendig Verschiedene, von namhaften Experten durchgeführte üntersuchungen aus jüngster Zeit münden alle in der kritischen Feststellung, daß in den letzten zehn Jahren echte Maß nahmen zu einer tiefgreifenden Verbesserung der Struktur dieser Betriebe und der österrei chischen Wirtschaftsstruktur im allgemeinen versäumt wurden. Diese Versäumnisse tre ten, bedingt durch die geringere wirtschaftli che Dynamik, offensichtlicher als bisher zuta ge. Die strukturellen ünterschiede werden sich aber ebenso wie die regionalen und die ünterschiede nach Berufsgruppen und Bran chen vergrößern. Investitionschancen und ArEs weihnachtet sehr - Volkskunst im Oberösterreichischen Heimatwerk. Foto: M. Eiersebner beitskräftenachfrage entwickeln sich auch je nach Sparte, Region und Qualifikation unter schiedlicher als früher. Die globale Wirt schaftsförderung verliert zumindest in ihrer undlfferenzierten Form an Bedeutung. Für die Wirtschaftspolitik der kommenden Jahre er geben sich bei realistischer Betrachtung der bisherigen Entwicklung und ihrer ürsachen folgende Konsequenzen: Der Anteil des öffentlichen Sektors muß wie der zurückgedrängt, zumindest muß eine wei tere Steigerung dieses Sektors zu Lasten des privaten vermieden werden. Voraussetzung hiefür ist ein ümdenken über die Wirkung der Staatsausgaben. In der Vergangenheit wurde das Ansteigen der Staatsausgaben vielfach unkritisch hingenommen, da man allen Staat sausgaben konjunkturstützende Wirkung un terstellte. Tatsächlich zeigen üntersuchun gen, daß die konjunkturstützende und arbeits platzsichernde Wirkung nur für einen relativ geringen Teil der Staatsausgaben zutrifft. Da durch ist die wirtschaftliche Effizienz der Staatsausgaben in den siebziger Jahren stark gesunken. Der Anteil der Staatsausgaben, der für Zinsen und Tilgungen früherer Schulden

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