Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

„Volkskunst" und Magie am Haus Gunter Dimt Die Besitztümer des Mensctien, sein „Hab und Gut" im wahrsten Sinne des Wortes, wa ren stets gefährdet. Außer verschiedenen Na turereignissen - deren Einwirkung man zu meist überirdischen Wesen zuschrieb - waren es die durchaus irdischen Artgenossen, die sich auf Kosten anderer zu bereichern such ten. Zumindest seit dem Neolithikum ver wahrte der Mensch seine Besitztümer in der Regel im Haus bzw. Gehöft, dem mehr als die bloße Funktion eines überdimensionalen ,,Behälters" zukam. Vor allem in der dunklen und kalten Jahreszeit sowie des Nachts wird jene stark gefühlsmäßige Komponente deut lich, die zu einer gedanklichen Trennung der Außenweit von der intimen Innenwelt führt. Dieses Denken und Fühlen wurde mit der Zeit so stark, daß sich sogar im Rechtsbrauchtum und in der Rechtsprechung der Begriff des ,,Hausfriedens" klar herauskristallisierte. Relativ einfach war es, sich vor ungebetenen irdischen Besuchern zu schützen: ein festes, versperrbares Tor, Gitter vor den Fenstern und ein scharfer Hund erzielten in der Regel die gewünschte Wirkung. Wesentlich unsiche rer war man aber in der notwendigen Abwehr überirdischer Mächte. Durch viele Jahrhun derte hindurch bildeten sich deshalb verschie dene, z. T. feststehende Regeln und Formeln, die, von Generation zu Generation tradiert, ihre Wurzeln in magischen Vorstellungen ha ben. Noch in der beginnenden Neuzeit waren diese Formeln und der Grund ihrer Anwen dung bekannt. Je mehr aber die ursprüngli chen Sinnzeichen volkskünstlerisch ausge schmückt, verändert und verfremdet wurden, desto weniger blieb die Erinnerung an das ,,Warum" erhalten. Der Rationalismus und die Aufklärung, die gerade in dem Moment ein setzten, als die traditionelle ,, Volkskunst" am Höhepunkt war - also an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert - taten ein übriges, um den Sinnzeichen den ,,Sinn" zu nehmen und bloß das ,,Zeichen" übrigzulassen. Sowohl statisch-funktionell, als auch magisch-funktionell läßt sich das Haus in zwei große Zonen einteilen: das Dach samt den Konstruktionseiementen Firstbaum bzw. Firstpfette, Firstsäule, Ortgang und Traufe und die Wände samt den Fenster- und Türöffnun gen. Das Dach mit seinen den Dachstuhl tragenden Stützelementen kann fast synonym für das ,,Haus" stehen, weshalb seinem Schutz auch ganz besondere Bedeutung zukommt. Schon in der Antike glaubte man im ,,Herakles domesticus" einen besonders mächtigen Beschüt zer des Hauses gefunden zu haben, dessen Abbild in apotropäischer Funktion fallweise am Dach angebracht wurde. Auch die frühmitVorkopf des obersten Zwischenwandbalkens in Form eines Roßschädeis am Blockbau eines Söldenhauses im südlichen Hausruckviertei. Foto: G. Kinz iir t

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