Oberösterreich, 31. Jahrgang, Heft 4, 1981

Ein 100-Stunden-Wochenjob für Wirtschaft und Fremdenverkehr Wolfgang Sperner Zwischen den Aktendeckeln, die mehrere Stapel von unterschriftsreifen Erledigungen zusammenhalten, sind die Nöte der Wirtschaft gebündelt: Immer mehr kleine und mittlere Be triebe sind in Geldnot geraten, manche haben sich, im Vertrauen auf einen guten Bankkredit, an notwendige Investitionen gewagt und da indes die Bankzinsen empfindlich gestiegen sind, ist den Firmen die Luft ausgegangen. Aus den Aktenblättern hört man schier die No trufe. Sammelstelle für diese - meist noch stil len - Alarmsignale ist das Büro des Wirtschafts- und Fremdenverkehrslandesrates Dr. Albert Leibenfrost. Wenn in anderen Büros abends die Lichter ausgehen, dann ist bei ihm der kleine Berg der Sorgen auf dem großen Sitzungstisch als un liebsame Ausbeute eines arbeitsreichen Ta ges angewachsen. Nun warten die Akten auf Erledigung. Doch der Wirtschafts-Landesrat ist indes nach dem offiziellen Büroschluß zu einer Versamm lung unterwegs. Um 20 Uhr soll sie beginnen, man hat ihn gebeten, etwas früher zu kom men, da es vorher ein paar allgemeine Pro bleme zu erledigen gilt. Dann rollt die Ver sammlung ab. Wieder ein Forum für Wünsche, Beschwerden, Anliegen, Sorgen. Wenn die Rede vorüber ist, zeigt die Diskussion hautnah auf, wo der Schuh drückt. Da bekommt der aus einem vielfältigen Einsatz im Bereich der Han delskammer zum Politiker herangewachsene Landesrat immer neue Einblicke in jene Pro bleme der Wirtschaft, die ihm zwar gerade dank seiner Arbeit in nahezu allen wichtigen Sparten der Kammer längst vertraut sind, aber unter dem Druck der schwieriger gewordenen Ereignisse immer neue Seiten offenbaren. Und so dauert die im Grunde nur zweistündige Versammlung dann bis gegen Mitternacht. Wenn der Chauffeur von der Versammlung wegfährt, wird er in die Altstadt in Linz dirigiert, wo im Amtsgebäude Aitstadt Nr. 30 Landesrat Dr. Albert Leibenfrost seinen Sitz hat.,,Fahren Sie denn noch nicht nach Hause?" ist der Chauffeur erstaunt.,,Leider nein", muß er hö ren. Denn nun erst kommt der Wirtschaftspoli tiker dazu, in einsamer Nachtarbeit den Berg der Akten aufzuarbeiten, der sich den Tag über angesammelt hat und auf dessen weitere Erledigung am nächsten Morgen das Büro des Landesrates wartet. Und nicht vergeblich war tet. ,,Das sind doch alies Fälle, die auf rasche Erledigung warten", und möglichst rasche Er ledigung der Ansuchen und Akten ist eine der Stärken, die seit jeher das Wirtschaftsressort des Landes Oberösterreich so angesehen gemacht hat. ,,Schon in der Kammer war man es gewöhnt, jene Fälle, die mehrere Sektionen betrafen, an mich zur Koordinierung zu verweisen", schil dert der Landesrat jene Zeit, die ihm Einblick in faktisch alle Bereiche der Wirtschaft gewährte. Als er von der Kammer in Linz ins Parlament nach Wien als Abgeordneter kam, begleitete ihn stets ein Koffer mit Akten, von dieser Zeit her rühren auch jene so wichtigen guten Kon takte mit vielen Wiener Stellen, die heute dem Landespolitiker besonders zugute kommen. Als Dr. Leibenfrost im Oktober 1980 als Nach folger von Kommerzialrat Rudolf Trauner in die oö. Landesregierung einzog, meinte der Landespolitiker Trauner zu seinem Freund und engen Mitarbeiter. ,,ln den Sattel haben wir dich gehoben, reiten mußt du nun selber!" Ein in mehrfacher Hinsicht beziehungsvoller Ausspruch, denn der am 6. März 1923 in Linz geborene nunmehrige Wirtschafts- und Fremdenverkehrs-Landesrat ist als Sohn ei nes Berufsoffiziers forsches, aber korrektes, diszipliniertes Handeln gewöhnt. Nach dem Besuch des Linzer Bundesrealgymnasiums wurde der Krieg sein erstes, tiefgreifendes Er fahrungserlebnis. Mehrfach verwundet, kam er als Oberleutnant einer Panzertruppe aus dem Krieg heim, studierte dann in Graz Staats- und Wirtschaftswissenschaften und wurde zum Doktor rerum politicarum (Dr. rer. pol) promoviert. ,,Rerum politicarum" sollte freilich im heutigen Sinn seiner Arbeit erst viel später Bedeutung bekommen, denn gleich nach dem Studium trat Dr. Leibenfrost am 1. Juli 1949 in den Dienst der Kammer der gewerblichen Wirt schaft für Oberösterreich. Heute kann er re sümieren: ,,lch habe eigentlich die Kammer struktur von der Pike her kennengelernt und diese Arbeit kommt mir heute in der Wirt schaftspolitik für das Land besonders zugute." Er war in Bezirksstellen, Fachgruppen und nahezu allen Abteilungen und Sektionen der Handelskammer tätig und wurde 1951 zum Fachgruppensekretär in der Sektion Handel bestellt, er wirkte beim Arbeitsgericht und in den Überwachungsausschüssen der Sozial versicherung, rückte 1963 zum Leiter der Rechts- und Gewerbepolitischen Abteilung der Kammer auf und war- ,,das war eine sehr schwierige, aber ungemein wichtige Arbeit" - auch mit der Organisation der Handelskam merwahlen betraut. Weitere Stationen seiner Laufbahn waren: ab 1967 Leitung der Wirt schaftspolitischen Abteilung, 1975 auch Füh rung der Außenhandelsabteilung, Experte im 00. Raumordnungsbeirat, in der Landesgrundverkehrskommission, im Verwaltungs ausschuß des Landesarbeitsamtes, auf der Ebene der Sozialpartnerschaft und der Ex portwirtschaft. Dr. Leibenfrost war Geschäfts führer des Strukturforschungsinstituts und im österreichischen Institut für Mittelstandspoli tik, 1975 wurde er von der österreichischen Volkspartei als Abgeordneter in den National rat entsandt und wurde als Vertreter der Wirt schaft in mehrere Parlamentsausschüsse be rufen. Und nun Ist er seit Oktober 1980 als Landesrat für Wirtschaft, Fremdenverkehr und Energie tätig. Damit leitet er eines der wichtigsten Res sorts im einstigen Agrar- und nunmehrigen In dustrieland Oberösterreich. Doch die stete enge Zusammenarbeit mit seinem bedeuten den Vorgänger Landesrat Trauner hat ihn schon lange auch in die politischen Bereiche der Wirtschaft einleben lassen. Leibenfrost kommt dabei zugute, daß er von seinen frühe ren Positionen her die Struktur des Landes, den Mechanismus der Kammerarbeit und die gesellschaftspolitischen Aufgaben einer funk tionierenden Wirtschaft gut kennt, er hatte und hat auch stets engen direkten Kontakt zur Wirtschaft und Betriebswelt. Wirtschaft, Fremdenverkehr und Energie ha ben ja gerade in Oberösterreich besonderes Gewicht. Hier ballt sich im Großraum Linz-Wels-Steyr das mächtigste Industrie zentrum Österreichs mit dem größten Stahl werk und dem größten Chemieunternehmen Österreichs und auch in anderen Gebieten existieren wichtige Betriebe, und dieses Land ist faktisch in allen seinen Vierteln ein sich im mer bedeutsamer entwickelndes Fremden verkehrsgebiet. Beide Bereiche brauchen ihre Existenzbasis und es ist das Ziel der Landes politik in Oberösterreich, für alle eine mög lichst große Chancengleichheit zu bieten. Dem Unternehmer, der auch in entfernteren Regionen gute Start- und Lebensbedingun gen braucht, weil er zugleich ein wertvoller Ar beitsplatzgeber ist, und für die Arbeitnehmer, die möglichst wenig zur Arbeitsstätte pendeln sollen. Man muß in Oberösterreich in der Wirtschaft auch der Struktur der Betriebe gerecht wer den. Denn außer den Großbetrieben mit all ih ren Vorteilen und gravierenden Nachteilen In der Arbeitsmarktpolitik in einer Zeit weltweiter Konjunkturkrisen gibt es in Oberösterreich vor allem viele Klein- und Mittelbetriebe. 92 Pro zent der Betriebe des Landes haben bis zu neunzehn Arbeitnehmer. Sie haben sich als Auffangbecken für Mitarbeiter bewährt, die in Großunternehmen freigesetzt wurden, und sie sind dank ihrer größeren Produktionsbeweg lichkeit geeignet, jene neuen Arbeitsplätze zu schaffen, die Jahr um Jahr neu hinzukommen müssen, um Arbeitslosigkeit und vor allem die so gefährliche Jugendarbeitslosigkeit zu ver hindern. ,,Wie in einem Geleitzug braucht man neben Großbetrieben die beweglichen Kleinund Mittelbetriebe", formuliert Landesrat Dr. Leibenfrost und er warnt: „Wenn in einem Ge biet die Abwanderung zu kumulieren beginnt, dann gehen auch andere Einrichtungen einer Region verloren."

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