Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

Inhaltsverzeichnis Schwerpunktthema Erneuertes Brauchtum Dr. Franz C. Lipp Bemalte Möbel des 20. Jahrhunderts 2 Dr. Dietmar Assmann Lebendige Krippentradition 13 Karl Pangeri „Mir sollten dem KIndl was bringa" 23 Dr. Katharina Dobler Neubelebte Brauchtumsformen 27 Dr. Alexander Jaikotzky Altes Brauchtum in neuer Heimat 37 Dr. Rudolf Rochier Neues Brauchtum in der Gemeinde — Gebärden/Gesten/Symbole 43 Dr. Aldemar W. M. Schiffkorn Alternative Therapieformen oder überlieferte Volksmedizin, neuer Okkultismus oder alter Volksaberglaube? 51 Mag. Elisabeth Schiffkorn Erneuertes Brauchtum In der Familie — Ein Beispiel aus dem Mühlvlertel 57 Umschlag; Figuren einer Salzkammergutkrippe, geschnitzt um 1830, die Im Jahr 1935 aus Traunkirchner Privatbesitz für das Heimat haus Vöcklabruck erworben wurde, wo diese Im Barockstil gehaltene Wechsel krippe seitdem fix aufgestellt Ist. Motiv: Mu sizierende Hirten vor einer Almhütte. Foto; Karl Pangeri, Vöcklabruck Gestaltung: Herbert Frledl Autoren Heft 4/1987 Dr. Dietmar Assmann, Linz w. Hofrat, Leiter des Landesinstituts für Volksbildung und Heimatpflege In Ober österreich Dr. Katharina Dobler, Linz Hofrat, Professor, Obfrau des Stelzhamerbundes der Freunde der oberösterreichi schen Mundartdichtung im OÖ. Volksbil dungswerk Dr. Rudolf Fochler, Linz Professor, Konsulent für Volksbildung und Heimatpflege Dr. Gottfried Glechner, Braunau am Inn „Dichter der Weltordnung des dörflichen Daseins" Kuiturzeitschrift Oberösterreich 37. Jahrgang, Heft 4/1987 Vierteljahresschrift: Kunst, Geschichte, Fremdenverkehr Erscheinungstermine: März, Juni, September, Dezember. Medieninhaber (Verleger), Herausgeber und Hersteller: LANDESVERLAG Gesellschaft m.b.H. A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Telefon 0 73 2/27 81 21 ISSN 0253-7435 Bankverbindung: Ralffeisenzentrale Linz 7-01.032.697 Redaktion: Dr. Otto Wutzel, Dr. Elfriede Wutzel, A-4020 Linz, Hafenstraße 1—3. Jahresabonnement (4 Hefte): S 396.—; Einzelverkaufspreis: S 110.— (Alle Preise inkl. 10 % MWSt.) Schwerpunktthema Heft 1/1988 Mühlvlertler Bilderbogen Oberösterreich aktuell Anneliese Ratzenböck Blühendes Land — Trachtenerneuerung in Oberösterreich 63 Dr. Alexander Jalkotzy, Linz Mitarbeiter des Landesinstituts für Volksbil dung und Helmatpflege in Oberösterreich Dr. Franz 0. Lipp, Linz ao. Universitätsprofessor, Direktor des OÖ. Landesmuseums i. R., w. Hofrat i. R. Literaturbeilage Dr. Gottfried Glechner Lyrik und Epik Bücherecke 73 83 Karl Pangeri, Vöcklabruck Hauptschullehrer, Kulturjournalist Anneliese Ratzenböck, Linz Landesobfrau der Goldhauben- und Kopf tuchgruppen im OÖ. Volksbildungswerk Dr. Aldemar W. M. Schiffkorn, Linz WIss. Oberrat, Schriftleiter der „Oberöster reichischen Heimatblätter" Mag. Elisabeth Schiffkorn, Linz Landesleiterin der Österreichischen Frauen bewegung, Landesorganisation Oberöster reich

Kulturzeitschrift « Ist Brauchtum noch zeitgemäß? Gibt es über haupt noch echtes Brauchtum? ist Brauch tum nicht schon zur Gänze in eine oberfläch liche Fremdenverkehrswerbung abgesun ken? Kann der Städter von heute mit Brauch tum etwas anfangen? Wird Brauchtum nicht dauernd mißverstanden? Diese Fragenkette könnte beliebig fortgesetzt werden. In den Antworten überwiegen die pessimistischen Aussagen. Andererseits gibt es viele positive Beobachtungen. Also Grund genug für die Zeitschrift „Oberösterreich", die Frage „Erneuertes Brauchtum" mit einigen exemplarischen Abhandlungen zur Diskus sion zu stellen. Mit dem Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege in Oberöster reich wurde eingehend ein geeignetes Re daktionsprogramm beraten. Dank gilt allen Mitarbeitern des Instituts, voran w. Hofrat Dr. Dietmar Assmann. Aus dem Kreis von Volks kundlern außerhalb desInstituts haben sich Frau Mag. Elisabeth Schiffkorn, Dr. Rudolf Fochler, Dr. Franz 0. Lipp und Karl Pangerl kollegial zur Mitarbeit bereit erklärt. Besonderer Dank gilt Frau Anneliese Ratzenböck, die den wichtigen Beitrag für die Sparte „Oberösterreich aktuell" verfaßte. Als Dichter wurde bewußt Dr. Gottfried Glechner eingeladen, der unserer Mundartdich tung in den letzten Jahren entscheidende neue Impulse gab. Das Thema dürfte jahreszeitlich richtig ge wählt sein. Advent undWinter sind Zeiten der Besinnung. Besinnung dient unserer Stand ortbestimmung. „Jahreszeitenschrank" von Johann Baptist Wengler, doppeltüriger, etwa aus 1813 stammender Bauernkasten, den der Innviertler Künstler um 1880 neu bemalte. In den Türfüllungen Allegorien der vier Jahreszeiten. Im Bild Darstellung des Frühlings, wofür Wengler eine Vorlage von Moritz von Schwind benützte. Sommer, Herbst und Winter gestaltete er nach eigenen Skizzen aus seiner Heimat St. Radegund. OÖ. Landesmuseum, derzeit aufgestellt im Freilichtmuseum Samesleiten. — Foto: Elfrlede Mejchar, Wien

Bemalte Möbel des 20. Jahrhunderts Franz C. Lipp Wie in der Malkunst zwischen Vorder- und Hintergrund unterschieden wird, wobei sich das eigentliche Geschehen meist im Zwi schenfeld abspielt, wird man auch bei einer Darstellung des bemalten Möbels der letzten hundert Jahre unterscheiden müssen, was als schließiiches Ergebnis auf die Rampe der Betrachtung gerückt wurde und was die ver ursachenden Kräfte im Hintergrund waren oder gewesen sein mochten. Hier geht es primär um die Darstellung der Resultate. Das 20. Jahrhundert war keine Hoch-Zeit des bemalten Möbels mehr wie etwa der Zeitraum zwischen 1760 und 1860. Das Quellwasser naiver Gestaltungsfreude, die allenthalben in ganz Mitteleuropa, aber besonders fröhlich und erfreulich im süd deutsch-österreichischen Raum erblühte, war allmählich versiegt und einer intellektuel len, reflektierten Betrachtungsweise gewi chen. Möbelbemalung, stets in engem Zu sammenhang mit „Volkskunst" und „Bauernmalerei" begriffen, ist aus einer selbstverständlichen Praxis — in der Regel, nicht immer — zu einer meist Aufsehen erregenden, vielbestaunten Extratour einzel ner Künstler geworden. Der bemalte Schrank oder Schrein war nicht mehr Möbel schlecht hin, sondern Bildträger oder dekoratives Ver satzstück geworden, dessen Funktion neben sächlich und von einer anderen, neuen Bedeutung abgelöst wurde. Werfen wir einen Blick auf die Anfänge dieser Entwicklung, die gerade gut hundert Jahre zurückliegt. Um 1880 malt Johann Baptist Weng/er (1816—1899) in die Felder eines aus gedienten Bauernschrankes, dessen Malerei dem Besitzer nicht mehr besonders zu gefal len schien, nach bewährtem Vorgang die vier Jahreszeiten. Nicht das Thema, aber der so ziale Standort und die Art und Weise der Dar stellung sind neu. Nun sind es nicht mehr bloß formelhafte Allegorien, sondern bekann te Menschen aus dem Innviertel, die Mutter des Künstlers, die den Winter symbolisiert, Nachbarinnen und Dorfschöne, die Sommer und Herbst versinnbilden. Nur den Frühling hat Wengler von seinem Malerkollegen Mo ritz von Schwind entlehnt, jenes taufrische Mädchen mit der Hutschaukel, das bereits zu einer Symbolfigur des österreichischen Bie dermeier geworden war. Noch steht das Werk des akademischen Malers und St. Radegun der Bauernsohnes thematisch ganz in der Tradition, so wie er ja auch Votivbiider gemalt hat, jedes ein „Wengler", aber ganz in der überlieferten Ordnung und Gewohnheit. So gar Entwürfe für „Schrotgangin", d. h. hoch deutsch für „ausgesägte Balkonbretter", hat er gemacht und nun noch diesen Schrank. Um dieselbe Zeit, d. h. genau 1889, läuft die „echte", „naive" Möbelmalerei für bäuerliche Auftraggeber aus. Georg Kranzimüller, Enkel sohn des berühmten „Tischlers in Moos" Ge org Praitwiser, maite noch 1889 ganz in der Manier seiner Vorgänger eine Truhe mit Drei felderteilung und Blumenstöcken; man merkt es ihr nicht einmal an, daß diese aiten For meln bereits zu Floskeln geworden waren. Die Freude an der „bunten Pracht der Bau ernmöbel" hatte sich schon geraume Zeit vor her überlebt. Es konnte passieren, daß man ganze Hochzeitsausstattungen, die man, weil es so Brauch gewesen war, hatte bema len lassen, gar nicht mehr verwendete, son dern in einer finsteren Kammer abstellte, wo sie niemand mehr sehen konnte, weil man sich schämte sie herzuzeigen. Man wollte zu keiner Zeit „unmodern" erscheinen, auch der Bauer nicht. Hundert Jahre später hat man die „wie neuen", farbenfrisch erhaltenen Bauernmö bel um teures Geld verkaufen und den Erlös vielleicht einem Heiratsgut aus dem Kauf haus zuschlagen können. Denn schon um 1860 wurden die Möbel in der Regel auch auf dem Lande nur mehr braun angestrichen. Die braune Holzmaserungsimitation, der „Floder", hielt ihren Einzug. Inzwischen ist auch sie wieder durch mehr oder weniger „echte" Oberflächen (Furniere) der verschie denen Hölzer abgelöst worden, soferne ech tes Holz überhaupt noch als Werkstoff der Möbelerzeugung verblieben ist. Das Hoffnungswort für das bemälte Möbel des 20. Jahrhunderts blieb auch nach dem Untergang der Vielfarbigkeit zwischen 1860 und 1890 die „Oberfläche" des Holzes, deren Behandlung und Gestaltung natürlich modi schen Schwankungen unterlag. Zuerst mußte aber das Pendel nach der ex trem anderen Seite ausschlagen. Nachdem sich in den Jahrzehnten vor 1900 der „Makart-Stil", (in England „Dschungelstil", in Frankreich etwas hochtrabend als „Belle Epoque" bezeichnet) und „altdeutscher Stil" vermischt und integriert hatten, war mit dem „Fin de siede" schiießlich und endlich der Ju gendstil hervorgebrochen. Der englische Designer, Architekt und Satiri ker, Osbert Lancaster, schildert ihn so: „Der neue Stil . . . müsse klar und eindeutig mit allem, was unmittelbar vorausgegangen war, brechen und je glatter und schlichter er wäre, umso augenfälliger würde der Kontrast sein. Glücklicherweise waren die Voraussetzun gen schon zur Hand: seit den achtziger Jah ren lebten in den Seitengassen der großen Welt eine Handvoll Musensöhne, die nach Wiiliam Morris' Doktrin ein hochmütig einfa ches Dasein führten, sich mit handgewobe nem, pflanzengefärbten Leinen und nacktem ungeheizten Fichtenholzmobiiiar umgaben, ,aus des biederen Werkmannes Kammer'." Da haben wir es, das nackte Fichtenholz, das seither aus verschiedensten Antrieben her aus (ietzter Schrei als „abgebeiztes" Land hausmöbel) den Gegenpol zum bemalten Möbel darstellt. Auch in Deutschland und Österreich griffen die Ideen des Jugendstiles, etwas später allerdings als in England und Frankreich. Materialgerechtigkeit, techni sche Wahrhaftigkeit und praktische Benutzbarkeit: diese Merkmale des Jugendstil-Mö bels wurden auch die Leitformeln der im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ge gründeten „Werkbund"-Vereinigungen (1907 Deutschland, 1912 Österreich, 1913 Schweiz), die ihrerseits wieder berühmte Werkstätten für das Kunsthandwerk ins Le ben riefen. In Wien waren allerdings der Gründung des Werkbundes die „Wiener Werkstätten" schon zehn Jahre vorausgegan gen. Gründungsväter waren Kola Moser (1868—1918) und Josef Hoffmann (1870— 1956). Beide Künstler bevorzugten bei ihren Möbeln einen glatten, kubistischen Stil. Aber während K. Moser die klaren Kuben seiner Möbel mit Intarsien aus seltenen Hölzern, Vergoldungen und Metalleinlagen belebt, ris kiert J. Hoffmann bereits als Vorgriff auf die Farbe Schwarzweiß-Effekte, indem er z. B. schwarz gebeizte Eichenmöbel, in deren Ma serung weiße Farbe gerieben wurde, mit Grif fen aus weißem Metall versah. Das Ornament reduziert er in der Regel auf die streng geo metrischen schwarzweißen Formen des Qua drats oder Dreiecks. Es gibt aber aus den zwanziger Jahren bereits Beispiele für farbi ge Gestaltung kleiner Einzelmöbel, gestelz ter Schreine z. B., die mehrfarbig mit dichten floralen Ornamenten überzogen sind. Es handelte sich dabei aber um Unikate, denen die Breitenwirkung versagt blieb. Einer der Gründe für den zunächst bestehen den Widerwillen gegen das bemalte Möbel war die Angst vor dem Ornament. Solange als Tendenz der reine Werkstoff, die ungeglie derte Fläche und das nackte Holz ausgege ben wurden, war für Florales, Figurales oder Tiergestaltiges kein Platz. Höchstens das geometrische oder rein abstrakte Ornament hatte Chancen. Die Bemühungen um das Or nament, dessen Problematik sich in den spätromantischen Zelten des 19. Jahrhun derts zu Tode liefen, waren eigentlich nie beendet. So nimmt es nicht wunder, daß eine der grundlegenden Arbeiten darüber, „Das elementare Ornament und seine Gesetzlich keit" von Wolfgang v. Wersin in drei Auflagen erscheinen konnte. Etwa gleichzeitig setzt aber auch die inhaltliche Auseinanderset zung mit dem Ornament ein. Eine vielfach weltanschaulich oder religiös engagierte Sinnbiidforschung, besonders in den Jahren zwischen 1920 und 1950, versuchte die Frage

Im Jahr 1920 bemalte Aloys Wach, ein Hauptvertreter des Expressionismus in Oberösterreich, einen alten Bauernschrank neu in der ihm eigenen Bildsprache. OÖ. Landesmuseum, derzeit im Depot. — Foto: Gerhard Trumier, Wien Kß

SSSJSI In den Jahren 1950 bis 1952 beschäftigte sich Franz von Zülow mit der künstlerischen Ausgestaltung der Fremdenzimmer im Gasthof Reiberstorfer in Altmünster. Jedes Zimmer stellte er unter ein einheitliches Motto. Im Bild Traunsteinmotiv auf einer Türfüllung im „Altmünstererzimmer". — Foto: H. G. Prillinger, Gmunden nach der Bedeutung der volkstümlichen Symbolwelt zu stellen, eine Frage, die natür lich auch den Sinn des Themas der bemalten Möbel unmittelbar betraf. Die gewisse Blldfelndllchkelt asketischer Stile, zu denen die „Neue Sachlichkeit" zwi schen 1930 und 1950 ebenso zu zählen Ist wie der Purismus sämtlicher Modernismen seit 1900, wurde Immer wieder geistig mit mehr oder weniger Erfolg zu überwinden ver sucht. So hat sich schon „Anno 1920" der Innviertler Expressionist Aloys Wach (1892—1940) In einem an Max Beckmann orientierten Stil daran gewagt, das Thema der „Vier Jahreszelten" In eine Metapher mit den überraschenden Programmen: „Lieb' löst", „Lieb' segne", „Er segne die Erde" und „Er löse die Tiere uns" umzuwandeln. So wie Wengler benützt Wach einen älteren Bauernschrank als Blldträger. Es Ist für die Möbelmalerel des 20. Jahrhunderts eben die alte Einheit Tischler—Maler längst zerbrochen. Schon der „Lederwasch" des Gosautales be malte zwischen 1790 und 1810 nur vorgefun dene alte Schränke. Er selbst konnte ja nur malen. Merkwürdig Ist die der volkstümlichen Auffassung so gänzlich fremde Welt des Aloys Wach. Seine Segensgeste Im „3. Bild" der Reihenfolge Ist ein ausholender Schlag auf ein verängstigtes, grüngefärbtes Tier, halb Schaf, halb Schakal, halb Schwein. Aber er leistet sich einen goldenen Hintergrund gleich den alten Meistern, einen blauen Mond und denkt sich, nicht ohne ergriffenes Staunen mitzuteilen, seinen eigenen Kosmos aus. im) kff- « • (X Sät Auch In der Folge haben nicht so selten Im mer wieder auch akademische oder sonstwie gelernte. Intellektuell, d. h. reflektierend und sehr bewußt schaffende Künstler bzw. Kunst handwerker Ihren Gestaltungsdrang dem Ge brauchsgegenstand Möbel angedelhen las sen. Wohl der fruchtbarste darunter war Franz von Zülow (1883—1963). Fruchtbar, well er sich nicht nur darauf beschränkte, Elnzelstücke herzustellen, sondern weil er auch ganze Einrichtungen für den tatsächlichen Gebrauch bemalte. Gute Beispiele dafür be finden sich In Altmünster, Hirschbach und Ot tensheim In privatem Besitz. Zülow verstand sich als angewandter Künst ler, ja er empfand den funktionalen Gebrauch der künstlerisch hergestellten Objekte als Auszeichnung nicht nur für den Erzeuger, sondern für die Kunst an sich. Diese Einstel lung war ein geradliniges Ergebnis der von

Links: Ein für den Maistil Zülows typischer Schrank mit phantasievoller Landschaftsornamentik. — Foto: Archiv Neue Galerie der Stadt Linz Unten: Bunt bemaltes Bett von Ernst Huber, entstanden 1941 in Gmunden. — Foto: Archiv des Österreichischen Museums für Volkskunde in Wien S«-#lf 3 j Morris, Van de Velde, Olbricht und Josef Hoff mann eingeleiteten Linie, um nur einige Na men herauszugreifen, die dem „Werk-Stil" zu Rang und Namen verhalfen. Zülow war ungemein vielseitig. Von der Pa pierkunst, die er durch neue Techniken berei cherte, reicht sein Bogen über die Keramik bis zum bemalten Holz, wobei er nicht nur neue Möbel auf alt (z. B. im „HirschbacherStil") bemalte, sondern meist seinen ganz in dividuellen und unverwechselbaren ZülowStil auf Türen, Truhen, Schränken, Betten, Kommoden und Nachtkästchen übertrug. Zü low kommt bei seiner Möbelbemalung die ihm so gelegene Kleistertechnik besonders zustatten. Es ist nicht mehr ganz auszuma chen, ob er seine Kleistermalerei vom Holz auf Papier übertragen hatte oder umgekehrt. Diese seit dem 17. Jahrhundert in Österreich besonders kultivierte Technik wurde in der Regel zur Holzbemalung verwendet. Jeden falls hatte Zülow Beispiele davon In Ober österreich, im Mühlviertel zumal, an den prachtvollen Kammzugmalereien dortiger Bauernmöbel kennengelernt. „Bruder im Handwerk" und Weggenosse von Zülow, Ernst Huber (1895—1960), verband nicht nur eine ähnliche Laufbahn, sondern auch dieselbe Zielrichtung einer funktional gebrauchten Anwendung ihrer Kunst mit dem älteren Freund. Gmunden, wo beide in der Werkstätte Schleiss — in mancher Hinsicht einer „Außenstelle" der Wiener Werkstätten — als Keramikmaler ein willkommenes Betä tigungsfeld fanden, bot ihnen aber auch die Anregung, das geliebte Genre, wie es ihnen in der traditionellen und von ihnen weiterent wickelten Gmundner Keramik begegnete, auf die Bemalung von Möbeln zu übertragen. Ernst Huber hinterließ nicht nur Möbel, die er zunächst nur kopierte, wie einen prachtvollen „Hirschbacher"-Schrank samt Kommode, sondern auch sinn- und geschmackvoll wei terentwickelte Betten, Tellerborde und Kas setten. Sein Stil ist unverkennbar von seiner eigenen Keramikmalerei geprägt, sowohl hin sichtlich der Motive — er bevorzugt Winter landschaften mit Schlitten vor dem Hinter grund der Traunseeszenerie — als auch Im floralen Dekor riecht man förmlich den Kera mikmaler heraus. Hätte nicht die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auch einen Struktur wandel in der Schleiss-Werkstätte als Zen trum eines über das Keramische hinausge henden Werkstiles gebracht, wäre Gmunden vielleicht auch der Ausgangspunkt einer epochemachenden Möbelmalerei des 20. Jahrhunderts geworden. Auch das Malerhandwerk selbst, das in Deutschland, Österreich und der Schweiz moderne Ausbildungsstätten unterhält, unter denen die von Leipzig und München durch entsprechende Fachzeitschriften und Publi kationen besonderen Einfluß gewannen, hatte den Kammzug als Technik entdeckt, die speziell für Holzbemalung bestens geeignet ist. Bekanntlich beruht der „Kammzug" auf dem erwähnten Kleister, einem mit Mehl her gestellten Farbbindemittel. Es gibt verschie dene Arten der Kammzugmalerei, mit denen sich reizvolle Effekte, z. B. Zweifärbigkeit, durch die Verwendung verschiedener Käm me, Pinsel, Holzstäbchen, Wischtücher oder Schwämme erzeugen lassen. Grundprinzip ist das Herausheben eines Grundes (Holz grund oder Farbgrund) durch „Kämme", mit denen gerade oder gewellte Linien auf dem Kleister gezogen werden. Mit der vom Handwerk selbst In seinen Fach schulen gelehrten und propagierten Technik war auch für die Möbelbemalung ein neues Feld eröffnet, das moderne Ausdrucksfor-

men, d. h. nicht unbedingt restaurative Wie derholungen, zuließ und dennoch, weil durch die Technik gebunden, einen angenehm empfundenen Zugang zur „klassischen", d. h, altbewährten Möbelmalerei offen ließ. Auch in Oberösterreich wurde die wiederent deckte Technik der Kleister- bzw. Kammzug malerei angewendet, am eindrucksvollsten von Malermeister Otto Hirsch (geb. 1921 in Linz), der zahlreiche Proben seiner sowohl handwerklichen wie künstlerischen Gestal tungskraft hinterlassen hat. Ein Glanzstück seines restaurativen Schaf fens ist die malerhandwerkliche Wiederher stellung des „Schönen Zimmers" im Sensenschmiedmuseum Micheldorf. Hirsch versuchte, wie er selbst angibt, „mit heutigen Werkstoffen und heutiger handwerklicher Ar beitsauffassung alle möglichen Anstrichflä chen bildhaft zu gestalten", darunter eben auch durch Bemalung von Möbeln. Entspre chend dem Umfang seines handwerklichen Könnens ist sein Werk vielseitig. Gelegent lich bemalte er sogar Tresor- und Tabernakel türen. Türen — schon in der „klassischen" Bauernmalerei eine bevorzugte „Anstrichflä che" — sind überhaupt sein Lieblingsfeld. Er benützt gerne die vom sachlichen Werkstil der Zeit zwischen 1950 und 1970 geprägten glatten, profillosen Flächen von doppeltüri gen Kastenmöbeln, um sie zu einem einzigen Bild zusammenzuschließen, etwa zu einem „Familien-Schrank". Dieselbe Chance einer Großfläche nützte er zu dem durch die große Bauernmöbelausstellung im Linzer Schloß museum (1967) bekanntgewordenen „LinzerKasten", bei dem Linzer Architekturmotive reizvoll zu einem Ganzen zusammengefügt sind. Er verschmäht es aber auch nicht, so wie manche der bekannten Maler vor ihm, seine modernen Motive in die Profilrahmen eines „alten" Bauernkastens zu setzen, so auf einem weiteren „Familien-Kasten" mit Allego rien und Anspielungen, die wohl nur von dem Auftraggeber richtig gedeutet werden kön nen. Daß in dem Oeuvre von Otto Hirsch auch wieder die Volksheiligen und die Jah reszeiten auftauchen, kann nicht wunder nehmen. Überraschend ist, wie sensibel er auf die jeweiligen Strömungen der zeitgenös sischen Malerei eingeht. Die Ausdruckskraft reicht da vom völlig Abstrakten bis hin zu ex pressionistischen und surrealistischen An klängen der Gegenwart. Otto Hirsch ist nicht der einzige Malermeiste,r der in diesem Jahrhundert sein Kunsthand werk auf Möbel angewandt hat. Nicht uner wähnt sollte bleiben Albin Roth sen., Maler meister in Bad Ischl, der in den zwanziger und dreißiger Jahren Dutzende von „Bauern möbeln", meist im neobarocken Stil, für zahl reiche Villenbesitzer im weiteren Bereich des Otto Hirsch, Entwurf für einen zweitürigen Kasten, der bei der Bauernmöbelausstellung im Linzer Schloßmuseum 1967 als „Linzer Kasten" gezeigt wurde

Oben: Sepp Moser, eine der von ihm bemalten Türen in seinem Wohnhaus (dem „Moserischen") in Neukirchen bei Altmünster. Motiv: Madonna mit Kind.— Foto: H. G. Prillinger, Gmunden Salzkammergutes geliefert hat. Er ist als Bin deglied zwischen „alter" und „neuer" Möbel malerei anzusehen. Dagegen hat etwa Hans Swoboda, Malermeister in Mondsee, für Gasthöfe und Private „modern" bemalte Mö bel in Kammzugtechnik angefertigt, die als Realisationen des Stils der Zeit, in der sie ge schaffen wurden (ca. 1948—1970), gelten können. Gelegentlich konnte es aber auch gesche hen, daß ein Bildhauer zum Pinsel griff und Möbel bemalte. Dies Ist bei dem „Allrounder" Sepp Moser (1925—1985) der Fall, der auch in dieser Hinsicht die Tradition seines Heimatortes Neukirchen in der Viechtau fort setzte. Die „Viechtau" ist ja nicht nur Stamm heimat einer dort seit dem 17. Jahrhundert blühenden Hausindustrie (sehr verwandt den Berchtesgadener-Erzeugnissen), sondern auch Herkunftslandschaft von charakteristi schen Möbeln: Truhen, aber auch einer ganz bestimmten Spezies von „Vogerlkästen", die als „VIechtauer" sehr geschätzt sind. Bekannt wurden die Meister Simon Pesendorfer und „I. P", hinter dem sich mit Sicherheit ebenfalls ein Pesendorfer verbirgt. Sepp Mosers Möbel übersetzen die ihm vertraute Ausdruckswelt eines Bildhauers folgerichtig in die Färb- und Formensprache eines Malers. Diese Möbel stehen als Handwerkskunst un serer Tage neben seinen Krippen, Kruzifixen, seinem Spielzeug und seinen Spanschach teln, in welcher Kunst er sich immer auch ge legentlich versuchte. Es überrascht, daß die eigentlichen „Nai ven" oder „Sonntagsmaler", vielfach als Nachfahren der alten „Volks-Künstler" anzu sehen, ihre Kunst kaum auf Möbel zur An wendung brachten. Neuerdings hat aber die u. a. auch als lllustratorln verschiedener Mär chenbücher und durch zahlreiche Ausstel lungen bekannt gewordene Künstlerin Rena te Schwarze,r geb. 1945 in Linz, ihre an sprechenden Motive auch auf Möbelflächen angewendet, so auf eine reizende kleine Kommode mit „Mühlvlertler Jahreszeiten". Auch der Deckel des Möbels Ist mit einer naiv aufgefaßten Mühlviertler Landschaft be reichert. Schätzenswert ist es, daß bei Renate Schwar zer endlich auch, nach einer mehr als hun dertjährigen Tradition, die alpinen Landschaf ten den Vorzug gab, das Mühlviertel in den Vordergrund der Betrachtung gerückt er scheint. Einmalig blieb leider der Versuch, bemalte Möbel „moderner", d. h. nicht bloß restauratlver Art gewerbsmäßig, unter die Leute zu Renate Schwarzer, Kommode, bemalt mit „Mühlviertler Jahreszeiten"

bringen. Unmittelbar nach dem zweiten Welt krieg unternahm das Möbelhaus Lutz in Haag am Hausruck üetzt „Möbel Lutz Wels") nach anfänglichen Proben mit kleinen Ziertruhen und Puppenstuben unter der Regie von Frau Gertrude Seifert ganze Einrichtungen bemal ter Möbel nach Entwürfen namhafter Künst ler, wie C. M. Adlmannseder, Gertrud Wim mer-Brunner und Fritzi Mally-Juran-Wagner, anzubieten. Den stärksten Anteil von Entwür fen modern bemalter Möbel hatte jedoch Pro fessor Kar/Lange/; Wien. Ergriff dabei auf die Schablonentechnik des 16. und 17. Jahrhun derts zurück, ohne diese nachzuahmen. Die neuen Muster waren nicht frei von Einflüssen des Jugendstils, besonders deutlich in den fioralen Eiementen. Bevorzugt wurden Ju gendmotive, deren Beliebtheit eine gewisse Breitenwirkung versprach. Als origineller, moderner Beitrag unterschied sich dieser Stil von dem der rein restaurativen, die Zeit zwi schen 1750 und 1850 wiederholenden Groß herstellern, die vermutlich den Erwartungen der meisten Liebhaber entsprachen. Leider ist, nach kurzer Blütezeit, in der auch Hotels wie das „Weiße Rößl" in St. Wolfgang beliefert wurden, die Nachfrage geschrumpft und dem überbordenden Angebot der Möbel-Groß kaufhäuser gewichen. Da Moden immer ra scher wechseln, ist anzunehmen, daß gele gentlich auch das „moderne" farbige Möbel wieder eine Blütezeit erlebt. Es wurde bisher versucht, die geradlinig vor wärtsdrängende, „moderne" Möbelmalerei des 20. Jahrhunderts in ihrer jeweiligen Kor respondenz zu den herrschenden Strömun gen und Kunstrichtungen darzustellen, so wie ja auch die unter dem Begriff „Bauernmö bel-Maler" verstandenen Meister, wie wir ge hört haben, fast bis zum Ende des 19. Jahr hunderts jeweils ihrem Zeitstil, und auf diesen sogar sehr sensibel reagierend, ge huldigt haben,. Nun gibt es aber neben dieser geradiinig fort schreitenden Entwicklung, die leider nicht mehr durch Breitenwirkung flächig, sondern nur durch Einzelmeister punktuell fixiert wer den kann, sehr wohl eine weiter ausgreifende Möbelmalerei, deren Kennzeichen eine be wußt restaurative Anknüpfung an die alte Bauernmöbelmalerei ist. Diese Anknüpfung erstreckt sich in der Regel sowohl auf die alte Technik, die alten Motive, ihre Anordnung und Komposition, als auch auf Farbwahl und Beschriftung, mit einem Wort, sie läuft letzt lich auf eine möglichst getreue Kopierung der alten Vorlagen hinaus. Natürlich gibt es auch bei dieser gerade in Oberösterreich blühen den und sehr verbreiteten Richtung qualitati ve Unterschiede, ja auch nicht wenige Fälle kreativer Weiterführung der Vorlage. Beinahe unüberschaubar sind die Bemühun gen der verschiedensten Volksbildungsein richtungen, dem Hunger nach künstlerischer Freizeitbetätigung durch Abhaltung von Kur sen für Möbelbemalung, meist unter Hinfüh rung auf bewährte alte Techniken, gerecht zu werden. Über dieses Phänomen an sich, noch mehr aber über die schließlichen Er gebnisse dieser Freizeitmalerei werden erst spätere Generationen endgültig urteilen dürfen. Herauszuheben und gewiß auch anders zu bewerten sind die hervorragenden Restaura toren bemalter Bauernmöbel, die um eine sorgfältige, wissenschaftlich fundierte Wie derherstellung des Originals bemüht sind. Meistens sind es Frauen, die dieser Kunst zu neigen. In den Jahren zwischen 1940 und 1980, also der Jahrhundertmitte, haben in Oberösterreich vorwiegend Gertrud WimBett aus dem Möbelhaus Lutz, bemalt mit Jagdmotiven nach Entwurf von Professor Karl Langer. OÖ. Landesmuseum, Freilichtmuseum, Samesleiten. — Foto: Elfriede Mejchar, Wien I

Gertrud Wimmer-Brunner, Entwurf aus dem Jahr 1948 für einen neuen bemaiten, zweitürigen Kasten in traditioneiier Formensprache. OÖ. Heimatwerk \

mer-Brunner, Luise Heiserer, Lotte Pach, Waltraud Labner-Danhofer, Susi Auer, aber auch die Herren Anton Teckert, Rudolf Alber und wohl noch eine weitere Reihe von Kräf ten, die auch für den Antiquitätenhandel ar beiteten, sich der Mühe unterzogen, oft halb zerstörten Ruinen den Glanz oder doch die Ahnung der ursprünglichen Schönheit zu entlocken. Natürlich haben sich auch die be währten und an der Originalvorlage tech nisch geschulten Restauratoren dann und wann mit Erfolg in der Neugestaltung bemal ter Möbel versucht. Unter den Vertreterinnen „neubelebter" Bau ernmöbelmalerei ist in Oberösterreich an er ster Stelle Frau Gertrud Wimmer-Brunner (1887—1972) aus Lambach zu nennen. In einem Zentrum bester oberösterreichischer Möbeltradition lebend, ist sie schon knapp vor dem Ersten Weltkrieg und in der Zwi schenkriegszeit mit Jahreszeiten-Kästen im „Lambacher-Stil" hervorgetreten, die die An erkennung des Direktors des Wiener Voikskundemuseums Michael Haberiandt fanden, der auch in der Österr. Volkskundezeitschrift darüber berichtete. G. Wimmer-Brunner, die von den heutigen Kenntnissen über die Lam bacher Werkstätten (Werkstätte der „Tischler beim Kreuz" in Edt bei Lambach, Mathias Huemer, ca. 1760—1838) noch nichts wissen konnte, entwickelte ansprechende Interpreta tionen aus dem Geist ihrer Vorlagen, die ihre Möbel auszeichnen und sie nicht als bloße Kopien erscheinen lassen. Auch andere hervorragende Kenner, wie Max Kislinge,r haben sich im Entwurf neuer be malter Möbel versucht, die allerdings meist auf dem Papier geblieben sind; jedoch ist be zeichnend, was dem Künstler vorschwebte; neue Möbel mit zunächst zurückhaltendem Grundkolorit, z. B. hellblaugrau und linear, in roter Farbe aufgetragenen fioraien Motiven, auch diese gegenüber dem Gesamteindruck des Möbel zurücktretend. Das neue bemalte Möbel sollte gewissermaßen in die „neue Sachlichkeit" der zwanziger Jahre einge schleust werden. M. Kislinger hat aber auch Entwürfe mit brauner Grundfarbe und mit sehr vereinfachtem Blumendekor hinterlas sen, wie sie besonders in dem von ihm durch forschten Gebiet um Maria Neustift südöst lich von Steyr gehäuft aufgetreten sind. Unter den produktiven überlieferungsgebun denen Möbelmalerinnen der Jahrhundertmit te bis herauf zur Gegenwart sind Anni Loistl — Linz, Rosa Lipp — Linz, Maria Zeiiinger — Lambach, Theresia Loidl — Bad Ischl, zu nennen. Die Liste ist keineswegs vollständig. Die angeführten Malerinnen sind vielfach auch als Lehrerinnen bzw. Kursteilnehmerin nen in den verschiedensten Volksbiidungseinrichtungen über Volkshochschule, Volks bildungswerk, Wirtschaftsförderungsinstitut usw. tätig. Als besondere Zentren der Frei zeit-Möbelmalerei haben sich seit einigen Jahren die Biidungshäuser in Reichersberg, Zell a. d. Pram und Stift Geras erwiesen. Der Umfang, den, abgesehen von den er wähnten Protagonistinnen, die altneue-neualte Möbelmalerei „im Bauernstil" angenom men hat — es gibt seit längerem schon Lehrbücher, Zeitschriften und periodisch er scheinende Vorlagen für „Bauernmalerei", die den Gegenstand nach allen Seiten hin be leuchten — geht konform mit dem unverwüst lichen Folklorismus auf dem musikalischen und trachtlichen Sektor und entspricht kei neswegs immer den Zielvorstellungen einer Altwaren- und Antiquitätenhandel EINKAUF VERKAUF GROSSES LAGER AN UNRESTAURIERTEN BAUERNMÖBELN A-4493 Wolfern bei Steyr, Steyrer Straße 9 Telefon 0 72 53 / 272 ALTE BAUERNKUNST Sieglinde mmn BAUERNMÖBEL, GERATE UND GRANITTRÖGE A-4982 OBERNBERG/INN TELEFON 0 77 58/24 00 10

lebendigen Volkskultur. Jedoch wird man auch die hausgewerblich, häufig industriell arbeitenden „Bauernmöbel-Einrichtungs häuser" soziologisch, volkskundlich und zeit kritisch zur Kenntnis nehmen müssen. Man weiß immer erst nach der Retrospektive, was das Bild eines Jahrhunderts tatsächlich ge prägt hat. Unbenommen aber bleibt es dem Zeitgenos sen, sich sein ästhetisches Urteil zu bilden. Es gibt interessante Lichtblicke auf das Phä nomen des neuen bemalten Möbels und brei te Rundperspektiven auf unbekümmertes Fort- und Nachschaffen aus der fast uner schöpflichen Vorratskiste der alten Meister. Im Stafettenlauf um die Palme der „Bemal ten Möbel" ist der Preis von den ursprüngli chen Tischlermeistern, die sie schufen, auf Malermeister, akademische Maler und Frei zeit-Künstler übergegangen. Das Wort „Frei zeit" (und Freiheit) steht nun zunehmend mehr anstelle von Überlieferung, ererbter Ordnung und der Selbstverständlichkeit von Brauch und Sitte. Aber ob so oder so: Die Möbelbemalung geht auch im 20. Jahrhundert weiter. Literaturhinweise Osbert Lancaster: Homes, sweet homes, London um 1948, deutsch: O du mein trautes Heim, eine Kulturgeschichte der Wohnung, Wien 1950. zu Josef Hoffmann; Eduard F. Sekler: Josef Hoffmann, Salzburg und Wien 1982. zu Kolo Moser; Werner Fenz: Kolo Moser, Salzburg 1976 Wolfgang von Wersin: Das elementare Ornament und seine Gesetzlichkeit, 3. Auflage, München 1953 zu J. B. Wengler: Franz Lipp: Ein Jahreszeiten schrank von Johann Baptist Wengler, Jb. d. OÖ. Musealvereins, 106, Linz 1961 Hans Plank: Johann Baptist Wengler, Ein Maler des Biedermeier, Ried Im Innkreis o. J. zu Aloys Wach: Aloys Wach 1982—1940, Gedächt nisausstellung Braunau 1979 zu Franz v. Zülow: Elfrlede Prilllnger: Zülow In Gmunden, Ausstellungskatalog, Gmunden 1980 zu Maltechnik: Hiltigund Schreiber: Volkstümliche Malerei auf Holz, Kleister- und Kasein-Techniken, Ried im Innkreis o. J. Paul Kreher: Technik und Formensprache der Kammzugmalerei, Leipzig 1939 zu Ernst Huber: Michael Martlschnig und Franz Grieshofer, In: Katalog zur Sonderausst. „Ernst Hu bers Volkskunstsammlung" des Österr. Museums für Volkskunde, Wien 1983 zu Sepp Moser: Katalog „Sepp Moser", Text und Gestaltung Otto Wutzel, Schriftenreihe des OÖ. Kunstvereines Nr. 9, Linz 1982 zu Max Kislinger: Franz Lipp: Max KIslinger, ein Maler oberösterr. Volkstums, Katalog zur Ausstel lung: „Zeichnungen, Aquarelle, Graphiken", Son derausst. des OÖ. Landesmuseums, 1950 Biographisches Lexikon von Oberösterreich, hgg. vom Inst, für Landeskunde, bearb. v. Martha Khil, 2. Lieferung, Linz 1956 zu Wimmer-Brunner: Franz Lipp; Gertrud Wlmmer-Brunner, Lambach, zum Gedenken. Nachruf und Gesamtwürdigung In Öst. Ztschr. f. Volkskun de 1973/2, Wien zu Gmundner Keramik und Kunsthandwerk in Gmunden: Franz 0. Lipp: Hundert Jahre Gmund ner Keramik, das Keramikhaus Schlelss und die wiedererstandene österreichische Fayencekunst, Keramos 24, 1964 zu „Bauernmöbel-Einrichtungshäuser" (beispiel weise): „Voglauer Einrichtungsbuch", Katalog, Abtenau/Salzburger Land ANTIQUITÄTEN Eferding, Schniiedstra/ie 25 Telefon 072 72/88 78 Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 9 bis 11.30 und 16 bis 18 Uhr, Sa. 9 bis 11.30 Uhr ANTIKER SCHMUCK BILDER NAMHAFTER MALER SILBER GUTE ALTE WAFFEN ANTIQUITÄTEN MAX MAYRHOFER An-und Verkauf von Möbeln, Skulpturen, Bildern u. Volkskunst. Spezialwerkstätte für Vergoldung-u. Restaurierungen Tel. 07758 - 2287 4982 Obernberg/inn 11

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Lebendige Krippentradition Dietmar Assmann Zu den bedeutendsten und wotil auch innig sten Schöpfungen der Volkskunst zählt die Krippe, insbesondere die Weihnachtskrippe, also die Darstellung der Geburt Christi nach dem kurzen Bericht des Evangelisten Lukas „und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe, weil in der Herberge kein Platz war" (2, 7). Stilkunst und Volkskunst, und zwar in ihren verschiedensten Richtungen und Aus drucksmöglichkeiten, beschäftigen sich mit diesem Thema, nämlich der szenischen Be wältigung des Geschehens unter Einbezie hung verschiedensten Beiwerkes, durch wel ches eine Identifikation des Künstlers wie des Betrachters mit der zentraien Darstellung er möglicht, zumindest wesentlich erleichtert wird. Die Krippe ist letztlich nur als Teil der religiö sen Kunst zu verstehen, so sehr sie auch vor allem innerhalb der Volkskunst eine selbstän dige Entwicklung und Eigenstellung erreicht hat. Der wesentliche Unterschied zur profa nen Kunst liegt dabei neben der anderen Thematik vor allem in der Funktion des Kunstwerkes. Diese Darstellungen, so ver weltlicht sie auch manchmal scheinen, sind nämlich auch Mittel zum Zweck, die Hinwen dung zum Transzendenten zu erleichtern und schließlich zu verstärken. So gesehen sind die Weihnachtskrippen nicht für sich allein, isoliert aus ihrer Umgebung, zu betrachten und schon gar nicht zu verstehen, sondern nur in ihrem größeren Zusammenhang, näm lich mit dem religiösen Brauchtum. Erfreuli cherweise hat sich gerade in den letzten Jahren der Trend zur Weihnachtskrippe ver stärkt, und das keineswegs nur in den tradi tionellen Krippenlandschaften. Bei diesem Begriff dachte und denkt man ge legentlich noch heute nur an das Salzkam mergut, das die bedeutendste Krippenland schaft Oberösterreichs ist und sicher auch zu den wichtigsten in ganz Österreich zählt. Noch vor wenigen Jahrzehnten, vor allem vor dem Erscheinen des großen Krippenwerkes von Otfried Kastner,%ar die landläufige Mei nung, daß es in Oberösterreich — abgesehen von diversen Exponaten in den verschiede nen Heimathäusern — praktisch nur im Salz kammergut eine lebendige Krippentradition gäbe. Auch die große Ausstellung 1957 in der Krypta des Neuen Linzer Domes sowie die Szenenfoto einer Aufführung des „Ischler Krippenspieles", dessen Tradition bis in das Jahr 1654 zurückreicht, vgl. „Theatralische Vorstellung von der Geburt Jesu Christi", 1883, hrsg. von W. Pailler, nach einer Ebenseer Handschrift des 18. Jahrhunderts vervollständigter Text von 1654 (Ischler Codex). Aufführungstage im heurigen Winter: 26. u. 27. Dez., sowie 3. Jänner 1988. — Foto: Josef H. Handlechner, Bad Goisern 1963 im neuen Schloßmuseum in Linz einge richtete Aufstellung der Krippenbestände^ zeigte bzw. zeigt vor allem Beispiele aus diesem Landstrich. Als Entstehungszeit der Weihnachtskrippe im heutigen Sinn ist das Ende des 16. Jahrhun derts anzunehmen. Diese Form bezeichnet der wohl bedeutendste Krippenforscher Berliner^ als eine Art „gefrorenes Theater" und Ringlei"* faßt Berliners Ausführungen fol gendermaßen zusammen: „das Wort Krippe in unserem Sinn" ist eine „festzeitlich be grenzte, figürliche und verwandelbare Dar stellung verschiedener Begebenheiten des evangelischen Weihnachtsberichtes mit An deutung der Örtlichkeit". Damit ist der Begriff Krippe allerdings auf die Weihnachtszeit be schränkt. Die einst gar nicht so seltenen „Passionskrippen" bleiben dabei unberück sichtigt, bildeten aber einst gemeinsam mit den vielen Wechselszenen bei den Krippen zur Weihnachtszeit geradezu eine Art Jahres krippe. Dieser Begriff der Krippe steht im Ge gensatz zum einfachen Krippentrog, in den feierlich das göttliche Kind in Form einer Pup pe gelegt wurde. Diese Art der Krippe ist Jahrhunderte älter und fand im sogenannten „Kindiwiegen" ihren besonderen Ausdruck. Vor allem in manchen Nonnenkiöstern hat sich dieser Brauch bis nahe in die Gegenwart erhalten. Viele Weihnachtslieder, die bei diesem Kindiwiegen gesungen wurden, sind uns überliefert, insbesondere durch die Auf zeichnungen des Augustiner-Chorherren Wilhelm Pailler® vom Stift St. Florian (1838—1895). In diesem Zusammenhang ist auch der Brauch in einigen Kirchen zu erwäh nen (z. B. in der Linzer Kapuzinerkirche), nämlich, daß nach der feierlichen Verkündi gung des Weihnachtsevangeliums bei der Christmette eine Figur des Christkindes in die ansonst bereits fertig aufgestellte Krippe gelegt wird, wobei ein Weihnachtslied gesun gen wird, zumeist das „Stille Nacht, heilige Nacht", dessen Melodie bekanntlich von Franz Xaver Gruber stammt, der 1787 — also heuer vor 200 Jahren — in Hochburg gebo ren wurde. Parallel zur Verbreitung der Weihnachtskrip pe vollzieht sich die volkstümlich gewordene Verehrung des „Prager Jesuieins" und des „Loretokindls". Eines dieser Loretokindl wur de weit über Oberösterreich hinaus bedeut sam, nämlich der Kultgegenstand des Wall fahrtsortes Christkindl b. Steyr, eine 12 cm hohe Wachsfigur des Christkindes (eine Ko pie des gnadenreichen Jesuleins der Domini kanerinnen zu Steyr); die Entstehung dieser Gnadenstätte geht auf das Jahr 1696 zurück. Dieses Kindiwiegen könnte man auch ais Rest eines Weihnachtsspieles ansehen, als dessen Schöpfer häufig der hl. Franz v. Assisi angesehen wird, der am Weihnachtsabend des Jahres 1223 im Wald von Greccio bei Rieti in Latium eine lebende Krippe aufbaute, um auf diese Welse das weihnachtliche Gesche hen dem einfachen Volk näherzubringen. Wenn auch in etwas anderer Art, so sind uns liturgische Spiele in der Weihnachtszeit be reits vor dieser Zeit überliefert. Hierbei sei insbesondere auf ein im Stift Lambach ver wahrtes Fragment eines mittelalterlichen Dreikönigsspieles verwiesen, das in direkter 13

Beziehung zu dem vor 1089 entstandenen berühmten Kuppelfresko Im Westchor der al ten romanischen Stiftskirche stehen dürfte. Die bei diversen Adventsingen häufig aufge führten weihnachtlichen Hirtenspiele, zu meist von Kindern dargestellt, halten die Tra dition dieser ehemaligen liturgischen Weihnachtsspiele über viele Jahrhunderte hinweg aufrecht. Die, wie erwähnt, Ende des 16. Jahrhunderts aufgekommene Form des „gefrorenen Thea ters" stieß vor allem bei den Jesuiten auf großes Interesse, die auch sonst In Ihrer „demonstratlo catholica" Im Zuge gegenreformatorischer Maßnahmen dem Volk das heilige Geschehen In volkstümlicher Welse nahezu bringen verstanden. Für Oberösterreich Ist uns erstmals Im Jahre 1603 die Aufstellung einer solchen Krippe bezeugt,® und zwar In der damaligen Jesuitenkirche, der ehemali gen MInorltenkIrche (Landhauskirche). In Ih rer Niederlassung In Traunkirchen scheinen die Jesuiten In dieser Richtung besonders wirksam geworden zu sein, wie die jahrhun dertelange ungebrochene Tradition des Krip penwesens Im Salzkammergut hinlänglich beweist. Die Aufstellung von Weihnachtskrippen fand schon bald selbst In kleinen Landkirchen Ver breitung, wie uns z. B. die Kirchenrechnun gen der Pfarre Hohenzell aus dem Jahre 1632 beweisen.^ Dabei handelte es sich um das Schnitzen, Fassen und um die Beklei dung der Figuren, also Im Gegensatz zu den Darstellungen der Geburt Christi oder der An betung der Könige auf den spätgotischen Flü gelaltären, die ebenfalls als Vorläufer der Weihnachtskrippe anzusehen sind. Beson ders zu erwähnen Ist dabei die Predella des berühmten Flügelaltares In St. Wolfgang von Michael Fächer, die die Anbetung der Heili gen Drei Könige darstellt, wobei die einzel nen Figuren frei beweglich sind. Bemerkens wert dabei Ist auch, daß In dieser Darstellung noch alle drei Könige als Weiße dargestellt werden, während bei dem Im selben Jahr, nämlich 1481, fertiggestellten Eggelsberger Altar Im OÖ. Landesmuseum bereits einer der Könige als Mohr zu sehen Ist. Die Fortführung jener Art von Krippen, wie sie bereits aus der Hohenzeller Kirchenrech nung von 1632 (siehe oben) ersichtlich war, Ist Insbesondere In Kirchenkrippen Im oberen Innviertel erhalten geblieben. Als Beispiel sei die Kirchenkrippe von Pfaffstätt erwähnt. Sie Ist In einigen Teilen der Überlieferung nach ein Werk des Bildhauers Johann Georg Llblgo, der aus Dlllingen stammt, 1721 In Brau nau geheiratet hat und dort auch 1743 gestor ben Ist.® Diese Pfaffstätter Krippe besitzt Insgesamt 15 Szenen, wobei die Figuren aus verschiedenen Zelten stammen und vor allem die Bekleidung zum Großteil neueren Datums Ist. Nur zwei Engel und die vier Schriftgelehrten sind vollplastisch ausge führt, bei den übrigen Figuren sind nur die Köpfe, Arme und Beine geschnitzt und mit Drähten verbunden, darüber die zum Teil recht prächtige Kleidung. Die einzelnen Wechselgruppen zeigen ent sprechend der Evangelienordnung vor dem Zweiten Vaticanum: Herbergssuche und Ver kündigung an die Hirten (1. Welhnachtsmesse), Anbetung des göttlichen Kindes (2. Weihnachtsmesse), Steinigung des hl. Erzmartyrers Stephanus (26. Dezember), bethlehemltlscher Kindermord (28. Dezember; Fest der hl. Unschuldigen Kinder), Beschneidung Jesu (Oktav von Weihnachten; Neujahr), An betung der Heiligen Drei Könige (6. Jänner; Fest der Erscheinung des Herrn), der zwölf14

Links: St. Wolfgang, Flügelaltar von Michael Fächer, Predellengruppe: Anbetung der Hl. Drei Könige. — Foto: Elfrlede Mejchar, Wien Rechts: Wechselgruppe „Steinigung des hl. Stephans" In der Kirchenkrippe von Pfaffstätt, Bezirk Braunau. — Foto: Dietmar Assmann jährige Jesus im Tempei (2. So. n. Ersch.), Heiiung eines Aussätzigen und des Knechtes des römischen Hauptmannes von Kapharnaum (3. So. n. Ersch.), Sturm am See Genezareth (4. So. n. Ersch.), Gieichnis vom guten und vom schiechten Samen (5. So. n. Ersch.). Fiel Ostern auf einen frühen Termin, wurden anstelle der letzten Darstellungen das Gleich nis von den Arbeitern im Weinberg (Sonntag Septuagesima) und das Gieichnis vom Sä mann (Sonntag Sexuagesima) gezeigt; dazu als letztes noch die Darstellung Jesu im Tem pei (2. Februar; Fest Marlä Lichtmeß). Eine weitere Gruppe, nämlich die Paradies szene mit Adam und Eva (Festtag am 24. De zember), ging nachweislich verloren. Neben vielen Tieren und dem Krippenberg mit der Geburtsgrotte, der „Schafhait" und den Häu sern von Bethlehem sind noch zu den einzel nen Szenen zusätzliche „Kulissen", der Thronsaal des Herodes und der 1855 datierte Tempel vorhanden. in vielen dieser innviertier Großkrippen ist vor allem die „Hochzeit von Kana" prächtigst aus gestattet und gleicht eher einer großen inn viertier Bauernhochzeit mit ihren vielen volkskundiich interessanten Details. Wenn von „Krippenlandschaft" und „Krippen tradition" die Rede ist, denkt man weniger an die Kirchenkrippen, als vielmehr an die Haus krippe. ihre Verbreitung setzte um einiges später ein, und zwar, so paradox es erschei nen mag, dank eines Verbotes durch Kaiser Joseph Ii. Im diesbezüglichen Dekret der Hofkanziei vom 21. Oktober 1782 werden Dar stellungen der weichnachtlichen Krippe (und des Heiligen Grabes) wegen so mancher Miß stände — die verschiedensten, zum Teil auch politischen Szenen überwucherten gelegent lich die zentralen Figuren — eingeschränkt und u. a. die Krippen als „Maschinenwerk" bezeichnet; vgl. z. B. das bekannte „Steyrer Kripperl". Der Kaiser sprach sich allerdings gegen ein allgemeines Verbot aus, „da nichts daran gelegen ist und die Sache sich nach und nach von seibsten geben wird." In der Gottesdienstordnung für Oberösterreich scheint dieses Verbot der Krippe jedoch aus drücklich auf. Vielfach nahm aber das Volk die „Abschaffung" dieses so lieb gewordenen Brauches nicht so ohne weiters hin, wie dies F. Hollerweger in seiner hervorragenden Arbeit® ausführt. So manche Krippe wurde zwar aus den Kirchen entfernt, bald darauf aber wieder aufgestellt oder durch eine neue ersetzt, da die alte in Privathäuser gelangt ist. Eigens als Hauskrippe gefertigt, und damit zu den ältesten dieser Art zählend, wurde die sogenannte „Kögikrippe", benannt nach dem ursprünglichen Besitzer in Ried i. i., geschaf fen 1792 von Johann Peter Schwanthaier d. Ä. (Im Innviertier Volkskundehaus in Ried). Damit ist auch eine Künstlerfamiiie erwähnt. \ 15

Rechts: Anbetung der Hl. Drei Könige, eine der vielen bewegten Gruppen in der Weihnachtskrippe Im Neuer Linzer Dom von Sebastian Osterrleder. — Foto: DIözesanbildstelle Linz, Rudolf Melr Oben: Johann Peter der Ältere Schwanthaler (1720—1795), Weihnachtskrippe mit Gehäuse, vollplastisch, Lindenholz, ungefaßt, Ried im Innkreis, Innviertier Voikskundehaus, nach Ihrem früheren Besitzer „Köglkrippe" benannt. — Foto: Josef Mader, Ried i. Innkreis Rechts: Traunkirchner Tonkrippe, ca. 1700 bis 1720, im Stadtmuseum Gmunden. — Foto: H. G. Prillinger, Gmunden 16

I m i .'^i^ -Ä»- ' i!^-'-»>!6Ä-s'-?^ ' -» V-aC* •»?> n'it.ae aSsTii die sowohl im Innviertel wie im Salzkammer gut eine Reihe prächtiger Weihnachtskrippen geschaffen hat. Die Werke vor allem von Jo hann Georg Schwanthaler In Altmünster und Gmunden wirkten nachhaltig auf das Krip penschaffen im Salzkammergut, und zwar so stark, daß die Im 19. Jahrhundert aufgekom mene Neugestaltung der Weihnachtskrippe In diesem Gebiet nur sehr spärlich Fuß fas sen konnte. Viele Figuren der Kirchenkrippe von Altmünster, die in der Literatur als „Mutter der Salzkammergutkrippen" bezeichnet wird, finden sich auch in neueren Krippen wieder. Solche besonders typische Figuren sind z. B. der „Vada, laß ml a mitgehn", das weibliche Gegenstück dazu, der „Urbal (= Urban) mit der Leinwand", der „blinde Peter", die „Apfel magd" usw. Die lebendige Tradition der Weih nachtskrippe in der Art, wie sie um 1600 ent standen ist, ist eben vor allem im Salzkammergut bis heute ungebrochen. Ein Zentrum besonderer Art ist Ebensee,^° das wohl die meisten Krippenschnitzer hervorge bracht hat und wo der Brauch des Krippen aufsteilens und des Krippenschauens am stärksten konzentriert ist. Am ehesten ist die oben erwähnte Erneue rung der Weihnachtskrippe in den Ebenseer „Landschaftskrippen" auf der sogenannten „Halt", dem die Krippe umgebenden Hinter grundgemälde, zu bemerken. Hier kommt es nämlich zu einer mitunter sehr reizvollen Ver schmelzung von heimatlicher und orientali scher Landschaft. In anderen Gebieten fand aber sehr wohl die „orientalische Krippe" Eingang. Entsprechend den Auffassungen der für die religiöse Kunst des 19. Jahrhunderts so be deutend gewordenen „Nazarener" finden wir nämlich vor allem in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts bis weit in die neuere Zeit auch in den Krippendarstellungen einen Wechsel: nicht mehr das Heimatliche, Spiele rische und oft auch Überschwengliche, son dern eine Hinwendung zu einer gewissen Strenge und vor allem eine Verlagerung des heiligen Geschehens in das Ursprungsland. Heute Ist man in der Bewertung dieser „orien talischen Krippen" erfreulicherweise bei wei tem nicht mehr so negativ, als sich z. B. noch O. Kastner 1964 ausdrückte: „öder Strom der zahllosen konventionellen, völlig kunstlosen (ach so braven) Krlppen."^^ Der Einfluß der Altarbauwerkstatt Josef Kepplinger in Ottensheim, die gerade für das Mühlviertel eine Vielzahl neugotischer Altäre geschaffen hat, macht sich auch in der Art vieler Kirchenkrippen dieses Raumes deut lich bemerkbar.^^ Nachwirkungen gingen auch von der vom Münchener Sebastian Osterrieder 1909—1914 verfertigten prächti gen Weihnachtskrippe für den Neuen Dom in Linz aus, die zu den größten und auch großar tigsten der Welt zählt. Manche unserer Weih nachtskrippen stammt aus Tirol, wo sich der orientalische Typus besonders stark durch setzte. Nicht zuletzt Ist in diesem Zusammen hang die auch heute noch weite Verbreitung geschnitzter Massenware aus dem Grödental zu erwähnen. Selbst bei Verwendung orientalisch gehalte ner Figuren, oft nur eine billige Importware aus Gips oder Papiermache, irgendwo mehr oder minder billig erstanden, bleibt aber die Tradition eines selbst gefertigten Krippenber ges bestehen, der dann zumeist heimatlich gestaltet ist. Der Phantasie sind hier prak tisch keine Grenzen gesetzt; im Werkunter richt unserer Schulen und in Krippenbastelkursen entstanden und entstehen viele dieser „Krippenberge". 17

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