Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

geworden, daß Frauen allein ausgehen, daß Frauen Veranstaltungen arrangieren und lei ten. Eine wünschenswerte Emanzipierung und Verselbständigung der Frau! Den Schritt der Tracht von der „Verkieidung" zum festlichen „Gewand", das man an hohen Festen und Feiern trägt, versuchen die Gold haubenfrauen mit dem Trachtensonntag zu vollziehen. Und siehe da, die gesamte Bevöl kerung tut mit, und in halb Oberösterreich ge hört der Trachtensonntag schon zum festen Bestand. Es beginnen da und dort Straßen- oder Platz feste, Dorf-, Markt- oder Stadtfeste, wo die Menschen wieder das tun können, was sie früher für seibstverständlich hielten, mit den Nachbarn gemütlich piaudern, beieinander stehen oder sitzen. Die gelockerte Atmosphä re ohne Zeitdruck tut ihnen wohi. Darum freu en sich die Leute aus der Lärchenauerstraße im Zaubertal schon Wochen vorher auf ihr Straßenfest am 29. Juni, einer spendet ein Faß Bier, die anderen geben Speisen ab, die dann aufgestellt und gemeinsam verzehrt werden. Man erzählt sich, lacht und fühlt sich als eine Gemeinschaft. Gerade soiche Veran staltungen sind notwendig, um in den rasch wachsenden Stadtrandsiedlungen eine Zu sammengehörigkeit zu erlangen. Früher war es Brauch, daß jeder vor seinem Haus eine Sonnbank stehen hatte, damit sich die Hausleute abends zum Ausrasten und zu einem gemütlichen Gespräch noch ein biß chen zusammensetzen konnten; Der Feier abend auf der „Sonnbank" zählt zu meinen schönsten Jugenderinnerungen. Hie und da kamen Nachbarsleute auf einen Plausch oder ein Knecht zog seine Mundharmonika heraus und spielte, manchmal sangen wir alle mit. Dann kam die Sonnbank ab. Dank der Hauswirtschaftsabteilung der oö. Land wirtschaftskammer und der doch etwas rück läufigen Faszination durch das Fernsehen werden wieder Sonnbänke aufgestellt und auch benützt. Eine sehr verbindende Kraft hat auch das winterliche Brauchtum, das „Frauentragen" oder „Herbergsuchen". Es war früher weit ver breitet, im Krieg aber hörte es fast ganz auf. Vor vielleicht 15 oder 20 Jahren nahm die Don-Bosco-Pfarre in Linz diesen Brauch wie der auf und gab ein Werkheftchen dazu her aus, heute begegnen wir ihm schon fast In je der Pfarre. Neun Tage vor Weihnachten beginnt das Marienbild von Familie zu Fami lie zu wandern. Manchmal aber ist die Her bergsgemeinschaft so groß, daß schon zu Beginn der Adventzeit damit angefangen werden muß. Es kommt dabei nicht allein auf das Beten und Singen an, sondern auch daß man ein bißchen zusammenbleibt, miteinan der spricht und die Herzenstüren füreinander aufmacht. Als neues Brauchtum muß man auch den Christbaum für alle auf den öffentlichen Plät zen in Städten und Märkten bezeichnen. 27 Jahre schon erhält die Stadt Linz von einer Landgemeinde einen großen Fichtenbaum für den Hauptplatz, die Bundeshauptstadt Wien bekommt jedes Jahr einen riesigen Baum aus einem der Bundesländer. Am Un zer Christbaum kann man die allmähliche Entfernung von der ursprünglichen Bestim mung des Baumes deutlich erkennen. Er sollte dazu dienen, in den Bewohnern der 33

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