Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

Oberösterreich aktuell Dieser Begeisterung, der wir heute immer und überall begegnen, ist aber vieles voraus gegangen. Sie flammte ja nicht einfach auf aus den ausgeglühten Resten des 19. Jahr hunderts oder erstand frisch und rein aus der Verkitschung der Vor- und Zwischenkriegs zeit. Oh nein, da steckt jahrzehntelanges Bemühen und viel, vorerst sicher unbedankte, wissenschaftliche Arbeit von Idealisten dahinter und es haben auch noch Schwan kungen des Zeitgeistes und eine ganz alige meine Klimaveränderung im zwischen menschlichen Bereich mitgespielt. Viel Vorder- und Hintergründiges war am Werk, um etwas Totgesagtes neu zum Leben zu er wecken. Wenn man die Trachtenerneuerung in Ober österreich anspricht, sind es etwa vierzig Jahre, also ein Generationssprung, den man zurückmachen muß. Was in unserem Jahr hundert vor dieser Zeit geschah, sollte man mehr als Konservierung bezeichnen. Schaut der Trachtenfreund wohlgefällig in den ge genwärtigen Spiegel, erhöht sich die Freude und Genugtuung natürlich durch das Wis sen, welcher Verfallsprozeß abgefangen wur de und daß es möglich war, „neues Leben aus den Ruinen" zu locken. Diese Genug tuung kann man sich nicht entgehen lassen. Alles, was wir als Volkstracht im Lande Ober österreich ansprechen, kommt aus dem 18. Jahrhundert und hat sich bis in die Zeit um 1848 relativ konstant gehalten. Änderungen gab es natürlich, denn Abwechslungsbedürf nis kennzeichnete schon immer die Entwick lung jeder Kleidung. Die Mode ging aller dings seinerzeit auch noch zu Fuß und zeigte jene Baharriichkeit und Beständigkeit, die es möglich machte, ein Leben lang das gleiche Kleid zu tragen, ohne darin unmodern oder gar lächerlich zu wirken. Veränderungen gin gen sehr behutsam, nie abrupt vor sich. Sicher ist es kein Zufall, daß ein heftiges Ab schütteln, eine Lockerung der Volkstrachten in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts erstmals sichtbar und spürbar wurde. Ein po litischer Paukenschlag, wie es der Antrag des Mitgliedes des österreichischen Reichstages Hans Kudiich zur Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeit und Lasten war, mußte seine Resonanz auch in dem finden, was das Volk als seine Eigenart bisher zur Schau trug. Bauern- und Bürgertum drückten damals ihre Lebensart durch Tracht aus. Es folgte der Bauernbefreiung auch eine Befreiung von althergebrachten Kleidersitten. Man stutzte die steifen, üppigen, bewegungsfeindlichen Stücke ein bißchen zurecht und Männer wie Frauen legten vor allem die behindernden, mühsamen Kopfbedeckungen ab. Das Kopf tuch kam unter dem Hut hervor und ent wickelte sich selbständig, der Zylinder ver schwand und wich einem kleinen Hütel und die bis dahin so hochgeschätzte Goldhaube blieb im Kasten, um zum gelegentlichen Auf putz zu werden. Freilich haben sich die Liebhaber der Tracht in allen Zeiten vehement gegen das lieblose Abhalftern dieser Prunkstücke gewehrt. In unzähligen Gruppen und Vereinen, beson ders in unserem Jahrhundert, wurden Tracht und Brauchtum gepflegt und gehegt, natür lich mit allen Irrtümern und Unzulänglichkei ten, die aus zum Teil fehlgeleitetem Fanatis mus erwachsen. Fanatismus schleicht sich ja nur allzuieicht ein, wenn man in eine Außenseiterroiie gedrängt wird. Trotzdem, die positiven Aspekte all dieser Heimat- und Trachtenvereine überwiegen alles andere. Sie haben nämlich wirklich Hei mat gegeben — den vielen, die vom Land in die Stadt ziehen mußten, um dort Arbeit und Brot zu finden, denen, die aus ihrem Bundes land in ein anderes übersiedelten, und natür lich denen im Ausland. Die Landsmannschaf ten haben immer als Zeichen ihrer Zugehö rigkeit die Tracht ihrer Abstammung ge tragen. So selbstverständlich sie damals die „Tracht ler" genannt wurden, so wenig ist diese Be zeichnung heute beliebt, sie hat sich ein we nig abgenützt und abgewertet. Wir müssen das recht ehrlich und emotionslos betrach ten, was sich da in unserem Jahrhundert er eignet hat. Kriegs- und Nachkriegszeit, Wirt schaftskrise der dreißiger Jahre, der Strukturwandel, der aus einem Bauernland ein Industrieland machte, brutale Vernich tung von Menschen und Kulturgütern! Es war schwer, das Lebensnotwendige zu beschaf fen, die Not diktierte, die Gegenwart war schlimm, die Zukunft aussichtslos, die Ver gangenheit glorifizierte sich. Die Tracht, zur Vereinskleidung abgesunken, erstarrte in ihren alten Formen, sie verlor die Lebendigkeit und wurde antiquiert. Dazu kam noch, daß es kaum möglich war, alte ver brauchte Stücke nachzuarbeiten, kostbare Stoffe, wie sie viele Trachten verlangen, wa ren überhaupt nicht mehr am Markt. Kleider, die für ein ganzes Leben bestimmt sind, hal ten zwar lange, aber nicht über Generatio nen, auch wenn sie aus schwerer Seide, Tuch, Loden oder Satin gefertigt sind. Textilien altern auch bei bester Pflege und be stem Material doch sichtbar und eine noch so schöne Tracht war eben nicht mehr schön, wenn die Posamentrie abgewetzt war, die Seide zerbrach und das Tuch fadenscheinig wurde. Dazu kam noch, daß man zwar die Tracht grundsätzlich ohne weiteres von der Großmutter oder Urgroßmutter übernehmen kann — wenn sie paßt. Es steht aber in den Sternen, ob der Sohn tatsächlich die selbe Fi gur wie der Vater hat oder die Tochter nicht doch ein paar Kilogramm mehr als die Mutter auf die Waage bringt. So kam es, daß man sich damals oft nicht in Tracht kleidete, son dern sich mit Trachtenstücken verkleidete. Das, was besonders festlich, feierlich und kostbar wirken sollte, bekam einen Hauch von Maskerade und wurde oft ungerecht abTrachtenhaus Rossacher Fachgeschäft für echte Trachtenbekleidung. Stoffe — Zubehör Eigene Maßwerkstätte 4400 Steyr, Bahnhofstraße 2, Telefon 0 72 52/22 4 63 64

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