Oberösterreich, 37. Jahrgang, Heft 4, 1987

hen" für die Kinder „ein Eriebnis, wenn sie in die Rollen der Erwachsenen schlüpfen konn ten". Die Kinder wurden von den Müttern als Brautieute, Rachfangkehrer und „was immer es gegeben hat" eingekleidet. Dieses selb ständige Faschingstreiben der Kinder und Jugendlichen einer bestimmten Altersgruppe hat sich ganz aufgehört. Als Ersatz dafür wird von Frau Sixt das Kinderfaschingsfest ange boten. Heute werden die Kinder als Scheichs, Piraten, Prinzessinnen oder Supermen ver kleidet. Geburtstag Geburtstage seien früher weniger gefeiert worden. Es wäre von Familie zu Familie ver schieden gewesen, meint Frau Sixt und erin nert sich noch, daß es zu Hause ein „Mords geburtstag" gewesen sei, wenn ihre Mutter aus einem Ei einen Biskuitteig in einem klei nen Reindl gebacken mit Kakaobutter gefüllt als Geburtstagsüberraschung zubereitet habe. Auch heute werden zu den Geburtstagen der Kinder und Eitern eher Kleinigkeiten ge schenkt. Das Darandenken sei wichtiger, es sei ein Malheur, wenn ein Geburtstag überse hen wird, erklärte Christine Sixt. Es gibt je nach Jahreszeit Torten oder Schlagoberssta nitzel mit Beeren und ein Getränk der Kinder hat sich bei Geburtstagsfeiern eingebürgert: mit Himbeerkracherl wird auf das jeweilige Geburtstagskind angestoßen. Wichtigster Teil des Geburtstagsfestes ist das Beisammensitzen und das gemeinsame Er innern an die Kleinkinderjahre oder verschie dene Ereignisse und Vorkommen innerhalb der Familie, die wiederholt erzählt und mit all gemeinem Gelächter kommentiert werden. Bei dieser Gelegenheit wird das Geburts tagskind meist auch gehörig „aufgezogen". Muttertag Bei der Gestaltung des Muttertages gibt es kaum Änderungen. Genauso wie früher wer den von den Kindern heimlich die Vorberei tungen getroffen, alle wollen der Mutter einen schönen Tag bereiten. Christine Sixt hatte ih rer Mutter gemeinsam mit den Geschwistern eine Torte aus Oblaten und Kakoabutter zu bereitet, heute gibt es Schokolade- oder Nußtorte. Nach wie vor ist es an diesem Tag wichtig, die Mutter von der Ailtagsarbeit zu entlasten und ihr eine Freude zu machen. Meist haben die Geschenke einen Bezug zur Familie. So be kam Frau Sixt ein Album mit den Fotos ihrer sechs Kinder geschenkt und auch die Fami lienfotos, die an diesem Tag entstehen, blei ben in besonders lieber Erinnerung. Es ist für alle Kinder auch selbstverständlich, an diesem Sonntag nach Hause zu fahren, da mit bei dieser Familienfeier alle Angehörigen geschlossen anwesend sind. Sonntagsfrühstück Das Sonntagsfrühstück ist die einzige Mahl zeit in der Woche, an der sich alle um den Fa milientisch versammeln können. Auch Sohn Johannes, der in Linz studiert, kommt übers Wochenende nach Hause. Die Familienmitglieder, die in die Frühmesse gehen, nehmen vom Bäcker Semmeln mit und diejenigen, die erst in die zweite Messe gehen, kochen den Kaffee. Nach dem Kirch gang setzen sich alle zu einem gemütlichen Frühstück zusammen. Für die Familienmit glieder ist die Teilnahme selbstverständlich und gutgelaunt wird der Sonntagmorgen der Familie gewidmet. Das Kaffeetrinken am Sonntagnachmittag gilt nicht mehr als verpflichtend. Die älteren Kin der gehen am Nachmittag ihren eigenen so zialen Kontakten nach, denn es gäbe nur einen „Felchta" in der Woche und der Freun deskreis sei für diese Altersstufe ebenso wichtig, meint Christine Sixt verständnisvoll. Zur Funktion brauchtümlicher Handlungen Brauchtum in der Familie wird, oberflächlich betrachtet, selten bewußt wahrgenommen. Meist wird ein Fest gefeiert, eine Brauch tumshandlung begangen, weil es „immer schon" so war und man alte Sitten und Ge bräuche eben wahrnimmt. Bei genauerem Nachfragen stellt sich heraus, daß mit dem Wahrnehmen einer rituellen Handlung doch viel bewußter die Beziehungen im sozialen Raum geregelt werden, als vorerst selbst vom Befragten angenommen. Brauchtumshandiungen innerhalb einer Fa milie verlaufen selten spektakulär. Der Rhyth mus der von der familiären Gemeinschaft ausgeübten Handlungen wird vom Jahres lauf getragen oder von den Gegebenheiten des Lebenskreises bestimmt. Für die Ausfüh renden ist also bei der Wahl des Datums, wie etwa Weihnachten, Ostern, Fasching oder bei Geburts- und Jubiläumsfeierlichkeiten, kaum Spielraum gegeben. Anders ist es bei der Ausgestaltung einer Brauchtumshand lung, wenngleich auch hier sehr wohl Tradi tion und nationale Gepflogenheiten den Ab lauf mitbestimmen. So ist bei uns etwa zu Weihnachten die „Bescherung" durch das Christkind am Heiligen Abend und das AufDas traditionelle Sonntagsfrühstück in der Familie Sixt. — Sämtliche Fotos: Elfriede Wöhry, Linz 61

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