80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

80 JAHRE BUNDESGEWERBESCH U LE IN STEYR 1874 —1954 Steyr 1954

HERAUSGEGEBEN VON DER BUNDESGEWERBESCHULE IN STEYR VERANTWORTLICH: DIREKTOR DIPL.-ING. ROBERT HILLISCH DRUCK: W. HAMBURGER (PÄCHTER J. STROBL) WIEN, VI. DRUCKSTÖCKE KUNSTANSTALT ROBERT SEYSZ, WIEN, VIII. UMSCHLAGSEITE: FACHSCHULE FÜR STAHL- UND STANZENSCHNITT, GRAVIEREN UND METALLTREIBEN IN STEYR An dieser Stelle sei allen Behörden, Firmen und Betrieben, welche die Herausgabe der Festschrift gefördert haben, sowie allen Mitarbeitern an derselben herzlich gedankt Steyr, im April 1954

Bundesminister für Unterricht Dr. Ernst Kolb ZUM GELEIT! Eine Schule, die dem Handwerk und der Industrie der altberühmten Eisenstadt Steyr tüchtige und vielseitig brauchbare Facharbeiter heranzubilden die Aufgabe hat, war von Epoche ziu Epoche vor immer neue und1 niemals leichte Aufgaben gestellt. War der Weg. den die Entwicklung von Handwerk und Industrie in Steyr genommen hat, beschwerlich und steil, so war cs der der Schule nicht minder. das Ziel der Ausbildung hat sich erhöht, da drei weitere selbständige Fachschulen mit modernen Spezialgebieten, wie Kraftfahrzeugbau, Landmaschinenbau und Hochfrequenztechnik eröffnet wurden. Ebenso wurden Höhere Abteilungen der Fachrichtung Kraftfahrzeugbau und Landmaschinenbau errichtet. Solche Leistungen wären ohne die Hingabe und den Korpsgeist von Führung und Lehrkräften nicht mögVon tatkräftigen Männern geführt und von tüchtigen Lehrern geleitet, ist die Schule aber an diesen ihren Aufgaben gewachsen und hat sich allen Schwierigkeiten zum Trotz einen so weitreichenden guten Ruf erworben, daß sie heute von Schülern aus allen Teilen des Bundesgebietes besucht wird. Zwei Kriege haben die Schule bis in den Kern bedroht, aber in zäher Aufbauarbeit hat sie sich immer wieder zu neuer, vorher nicht erreichter Höhe entwickelt. Nach dem letzten großen Rückschlag sind weitläufige moderne Einrichtungen entstanden, aber auch lieh gewesen. Es ist mir daher eine Ehrenpflicht, allen an der Anstalt Tätigen für ihr erfolgreiches Wirken meine volle Anerkennung auszusprechen. Möge der.Schule, die in ein wichtiges und berühmtes Industriezentrum hineingestellt ist, auch in Zukunft Glück und Segen beschieden sein! Mögen ihre Absolventen wie bisher dazu beitragen, daß ihr ausgezeichneter Ruf gewahrt und vermehrt werde zum Wohle des technischen Nachwuchses und zur Ehre unseres Vaterlandes Österreich! 3

Landeshauptmann Dr. Heinrich Gleißner ZUM GELEIT! Zu den jubilierenden Sehulen des gewerblichen Bildungswesens gesellt sich heuer die Bundesgewerbesehule in Steyr, die ihren 80jährigen Bestand feiert. Es ist nicht verwunderlich, wenn gerade in der alten Eisenstadt Steyr, in der Gewerbe, Kunsthandwerk und Industrie auf eine reiche Tradition zurückblicken können, eine Bundesgcwerbcschule besteht. Sie war in der Schule verbunden. Diese Verbundenheit mit der Praxis hat es ermöglicht, daß die Schule die Schäden des Zweiten Weltkrieges in erstaunlich kurzer Zeit beheben und darüber hinaus noch manche sehenswerte Neuerung und Erweiterung in jüngster Zeit schaffen konnte. So haben Direktion, Lehrkörper und Schüler durch ihren selbstlosen Einsatz ein beredtes Zeugnis ihren ersten Anfängen vor 80 Jahren eine Notwendigkeit und ist mit der ständig fortschreitenden Entwicklung von Gewerbe und Industrie zu immer größerer Bedeutung für die Heranbildung eines geeigneten Nachwuchses gelangt. So steht sie heute mit ihrer Vielfalt von Fachabteilungen würdig in der Reihe der anderen Lehranstalten. Würdig aber nicht nur deshalb, weil sic mit der Zeit Schritt gehalten hat, sondern weil sie während ihres Bestandes die ihr anvertrauten Schüler zu tüchtigen, über die Grenzen der Stadt und des Bundeslandes hinaus wirkenden Technikern in der Eisen- und Stahlindustrie ausgebildet hat, und weil das Schaffen Meister Blümelhubers befruchtend auch auf sie gewirkt hat. In den vergangenen Jahren waren daher auch Gewerbe, Kunsthandwerk und Industrie aufs engste mit vom ungebrochenen Aufbauwillen unserer Heimat abgelegt. Ich bin daher überzeugt, daß die Bundesgewerbeschule in Steyr wie in der Vergangenheit so auch in der Zukunft die ihr zufallenden Aufgaben voll erfüllen, daß sie ihre Kräfte in vorbildlicher Weise in den Dienst der österreichischen Wirtschaft stellen und daß sic der werktätigen österreichischen Jugend eine hervorragende Ausbildungs- und Erziehungsstätte sein wird. Als Landeshauptmann und Präsident des Öberösterreichischen Landesschulrates gratuliere ich der Schule zur 80-Jahr-Fcicr ihres Bestandes und übermittle der Direktion, dem Lehrkörper, allen Absolventen und derzeitigen Schülern die besten Glück- und Segenswünsche. 4

Ministerialrat Dipl.-Ing. Franz. Cerh 80 JAHRE BUNDESGEWERBESCHULE STEYR Nun ist in die Reihe der in diesem Jahre jubilierenden technischen und gewerblichen Lehranstalten auch die Bundcsgewenbeschulc getreten, deren Arbeitspulsschlag im Herzen der österreichischen Eisenindustrie, in der Eisenstadt Steyr selbst, zu hören ist. Und diese Schule hat ein besonderes Recht, mit Stolz und in festlicher Weise ihr 80jähriges Bestandesjubiläum zu feiern. Sie wobt und wirkt nicht nur heute in Steyr, sondern ist schon seit den ersten Tagen ihres Bestehens aus den Bedürfnissen der Eisenstadt erwachsen und hat sich in vollem Ausmaß in der Entwicklung der Eisenindustrie daselbst verwurzelt, sodaß sie heute, nach 80 Jahren, lebendiger denn je im Mittelpunkte des Interesses aller dem \\ irtschafts- lebcn dieser Stadt zugewandten Kreise steht. Für diese bildet die Schule die verantwortungsbewußten Träger der Wirtschaft heran, den geschulten Arbeiter ebenso wie den Konstrukteur, die Fachkräfte, die Leistung, Erfolg und Fortschritt garantieren. Die Bundesgewcrhcschulc bestand auch bis 1945 nur als Tagesfachschule und ihre Entwicklung seither beweist, daß sie den gewaltigen Auftrieb der heimischen Industrie nicht nur ahnte, sondern tatkräftig nutzte, indem sie drei neue Fachschultypen eröffnete und für Kraftfahrzeug- und Landmaschinenbau sogar Höhere Abteilungen einrichtete, die heute bereits geschulte Techniker und Konstrukteure der Industrie zur Verfügung stellen und in alle W elt entsenden. 'Gerade aber dafür hat die Bundesgewerbcschule Steyr in eigener innerer Organisation einen modernen Weg der beruflichen Ausbildung gefunden. Sie bemüht sich, durch die Einrichtung ihrer Werkstätten das Zusammenspiel des theoretischen und praktischen Unterrichtes in immer neu gesuchter Konzentration zu einem Modellbetrieb moderner wirtschaftlicher Prägung zu gestalten, in dem mitten in einer wirk liehen Betriebsatmosphäre die jungen Menschen je nach ihren Wünschen. Neigungen und Eignungen in ihr späteres Berufsleben eingeführt und gleichzeitig für ihre spätere Arbeit mit den erforderlichen Kenntnissen ausgestattet werden. Ernst und hart sind die Anforderungen, die an den jungen Menschen gestellt werden. Aber im Bereich der Schule führt die Liebe, mit der man ihm begegnet und ihn anleitet, das Verständnis der erfahrenen Lehrer, mit dem diese dem Schüler zur Seite stehen, zur (Überwindung der mit dem Studium verbundenen Schwierigkeiten. So formt die Schule Menschen mit offenem und freiem Blick für das Wesentliche des menschlichen Lebens, mit umfassender und gründlicher Berufsausbildung und einem hohen beruflichen Ethos, das sich der Verantwortung jedes im Wirtschaftsleben Stehenden wohl bewußt ist. Damit hat aber die Schule seit 1945 die Schäden des Krieges überwunden und durch die äußere und innere Erneuerung ihrer Werkstätten, Schulräume und Lehrsäle ihr eigenes neues Profil bekommen, sie konnte sogar durch Zubauten einen schuleigenen sozialen Gedanken in der Errichtung eines Schülerheimes ver wirklichen, das erst recht den Geist der Schule widerspiegelt. Zuletzt sei nicht vergessen, daß sich die Bundes gcwerheschule Steyr in der Fülle ihrer Bemühungen um den Fortschritt der eigenen Anstalt voll und ganz in den Bannkreis aller technischen und gewerblichen Lehranstalten in Österreich gestellt hat. indem sic mit den andern und für die andern ihr Gutteil zum W ic- deraufbau beigetragen hat. So wünsche ich dem Direktor, der Lehrerschaft, dem Kuratorium und allen an der Schule interessierten Kreisen und Vereinen, der Bundesgewerbeschule möge ihrer Tradition getreu ein Anstieg ihrer Entwicklung auch im kommenden Jahrhundert-Fünftel bc- schicden sein zum Wohle unserer Jugend, der W irtschaft, der Industrie und des Gewerbes der Stadt Steyr und darüber hinaus unseres gesamten Vaterlandes.

Bürgermeister Leopold Steinbrecher: ZUM GELEIT! Mitten in den Wiederaufbau unseres Vaterlandes fällt wie ein Symbol der SO. Jahrestag der Errichtung der Fachschule für Eisenindustrie in Steyr. Ein Symbol deshalb, weil die Schule Können und Fleiß auf ihre Fahne geschrieben und diese Eigenschaften durch 80 Jahre an junge Menschen vermittelt hat, die, aus der Schule entlassen, sich in unserer Eisenstadt und ihrer näheren Umgebung dem einschlägigen I landwerk zuwandten. Diese wertvollen Nachwuchskräfte haben sich, gestützt auf ihre in der Schule erworbenen theoretischen und praktischen Kenntnisse, erfolgreich bemüht und große Verdienste in dem Bestreben errungen, der alten Eisenstadt und ihrer Eisenindustrie zu der Bedeutung zu verhelfen, die ihr heute zukommt. Die Fachschule für Eisen- und Stahlbearbeitung und für Elektrotechnik, wie sie sich später nannte, ist in ihrer Entwicklung auch eigenwillige Wege gegangen und hat insbesondere der künstlerischen Seite des Eisenhandwerks mit der Entwicklung des Stahlschnittes in der Kunstgeschichte ein neues Blatt aufgeschlagen. Für alle diese Leistungen dankt die Stadt Steyr der hervorragenden Schule. Sie gedenkt aller, die mitgeholfen haben, diese, hohe Stufe zu erreichen. Wenn nun die Stadt Steyr zum Jubelfest ihren Gruß und ihre Glückwünsche in das friedlich wirkende Haus der „Eisenschule“ schickt, so schließt sie die Hoffnung ein, dieses reiche Wirken möge zum Frieden, zur Freiheit und zum Wohlstand der Heimat beitragen.

Dr. h. c. Franz Karl Ginzkey PROLOG zur 80-Jahr-Feier des Bestandes ^U^ir leiern heute einen hohen Tag, Wie uns so bald kein zweiter grüben mag, Ein Arbeitslast in edelster Bewährung, Zum Ruhm der Heimat und uns selbst zur Ehrung. Zu künden gilt es, wie durch achtzig Jahre Sieh Tatkraft hob ins Unbezweifelbare, Wie Fleiß sich regte, Geist ward kühn verwaltet Und so das Werk zur reiten Frucht gestaltet. Doch eh' wir selbst uns rührig so verkünden, Gilt es der Dinge Ursprung zu ergründen, Den Baustof! gilt es unsres Werks zu preisen, Er ist uns wohlverlraut, es ist das E i s e n. So grüßen wir zuerst das Material! Ein Wunder an Gefügigkeit zumal. Es ist aus ihm, in schöpferischen Banden, Ein Weltenwerk der Technik aulerslanden. In Mühen von Jahrtausenden bereitet, Hat es die Menschheit segensreich begleitet, Zu immer Höh'rem ward es auserkoren, Vom Sensenschwung bis zu den Kraftmotoren. Und wer mit Stahl und Eisen kühnlich baut, Dem stärkt sich auch die Seele, kraftvertraut. Es wankt der Mensch nicht, der ,,gestählt“ sich hat. Und so war's auch zu Steyr in der Stadt. Geschlechter schworen sich als sicherm Hort, Dem Eisen zu, sich mühend fort und fort, Jahrhunderte hindurch dem Werk vertrauend Und so bewußt an ihrem Schicksal bauend. Und auch in allen Tälern rings erklang Der Hämmer Pochen zu der Mess'rer Sang. Der Mensch war ganz der Arbeit hingegeben, Die ihm genügte für sein schlichtes Leben. Doch dann erhob sich Kummer und Gefahr. Im Wirtschaitskampf bot sich die Sorge dar: Der Väter Handwerk sei bedroht umstellt, Vom Schaffenseifer einer neuen Welt. Erfindung auf Erfindung strahlte auf, Erwerbsstreit nahm verhängnisvollen Lauf, Jahrhundertalte Arbeit schien verglüht, Als sei sie in sich selber totgemüht. der Bundesgewerbeschule in Steyr Doch nun, da sich in höchster Schaffensnot Das Heimwerk sah vom Untergang bedroht, Erstanden wackre Männer, kampfbereit, Zielrichtende in wegunkund'ger Zeit. Sie forderten mit ihres Wortes Macht Die Gründung einer Schule, wohldurchdacht, Worin der Geist der J u g e n d sei gelenkt, Zum Weltgeist hin, der neue Wege schenkt. Nicht neue Wege des Verdienstes nur, Auch neue Wege der Geschmackskultur, Da Harmonie mit Praktischem sich eint, In Schönheit auch das Handsame erscheint. Und also ward der neue Keim geboren, Aus der Erkenntnis ward sein Wuchs beschworen, Dann stellte Fertigkeit sich rühmlich ein Und aus dem Fleiß erblühte das Gedeihn. Der Tag, da diese Schule ward gegründet, Er ist's, den unsre Feier heut' verkündet. Entschloss'ner Arbeilsmut benannte sie: „Fachschule" schlicht, „für Eisenindustrie". Aus dieser Tat, aus diesem Schicksalstag, Ersprießte alles, was uns freuen mag Als Arbeitswerk in edelster Bewährung, Zum Ruhm der Heimat und uns selbst zur Ehrung. Durch achtzig Jahre blieb die Anstalt treu Dem Dienst der Zeit und immer wieder neu Ward hergestellt, was als Bedarf erkannt Und mit dem Geist des Eisens sich verband. Sei es die Schmiede, sei's die Landmaschine, Sei's, daß das Kraftfahrzeug uns eilig diene, Sei es der Starkstrom, sei's der Werkzeugbau, Sei es der Flochfrequenz erlauchte Schau. Und über allem leuchtend, formbewährt, Die edle Kunst des Stahlschnitts, ruhmverklärt Durch Meister Blümelhubers edlen Geist, Der uns den Weg erfüllter Schönheit weist. So steht das Werk, in Vielfalt auf getan Und doch als Einheit wahrend seine Bahn, Auf daß es reich an Tatkraft weiter wirke In unbegrenzte Zeilen und Bezirke. Drei Wappen grüßen von des Gitters Tor. Sie weisen uns zur Einigkeit empor. Es grüßt die Eisensladt, das Land zugleich Und grüßt in Ehren auch ganz Österreich

Dr. Walter Knarr SCHULGESCHICHTE (1874—1954) Vorgeschichte Die Stadt Steyr, im Mittelalter und in den ersten Jahrhunderten der Neuzeit Standort bedeutender eisenverarbeitender Betriebe, konnte diese Wirtschaftsblüte seit der Wende zum 19. Jh. nicht mehr aufrecht erhalten. Die Messerschmiede, Klingcn- schmiede, Nagel- und Werkzeugmacher, die altbc- rühmten Fcilcnhaucr litten immer stärker unter der Konkurrenz der mächtig emporstrebenden Industrien des Auslandes, vor allem der englischen Schwerindustrie und der Großbetriebe des Ruhrgebictes. Die Steyrer Gewerbetreibenden verstanden cs häufig nicht, die technischen Errungenschaften der Zeit nutzbringend anzuwenden. Dazu kam noch, daß auch der kunstgewerbliche Sinn, der bis dahin z. B. bei den Messerern und Klingenschmiedcn so ausgeprägt war, dem wir zahlreiche schöne Produkte aus der Vergangenheit verdanken, immer mehr verfiel und dem für die zweite Hälfte des 19. Jh. typischen Stilchaos Platz machte. Diese hier geschilderte Entwicklung ist natürlich nicht nur in Steyr eingetreten, vielmehr finden wir ähnliche Erscheinungen auch in zahlreichen anderen Gebieten der damaligen österreichisch-ungarischen Monarchie. Die maßgeblichen Kreise begannen auf Abhilfe zu sinnen. In das Jahr 1864 fallen die ersten Versuche, eine Wandlung in Steyr herbeizu führen. Die 1863 errichtete dreiklassige k. k. Unterrealschule begann kurz nach ihrer Gründung Abendkurse für die Fortbildung der Gewerbetreibenden abzuhalten. Es ist kein Zufall, daß im gleichen Jahr auch die Behörden in Wien und Linz sich mit der Lage in Steyr zu befassen begannen. Die Statthalterei in Linz übermittelte1) den Stadtbehörden einen Erlaß des k. k. Staatsministeriums über die Errichtung von Wicdcr- holungs-( Fortbildungs-)Schulen und Fachschulen’). Die Wiederholungsschulen, deren Unterricht drei Stunden an Sonntagen umfaßte, sollten an den Volksschulen errichtet werden. Der Besuch sollte mit dem Verlassen der Volksschule beginnen und bis zum vollendeten 15. Lebensjahr dauern, bei Lehrlingen aber auch die ganze Lehrzeit hindurch fortgesetzt werden. Wir haben in diesem Schultyp also den Vorläufer der heutigen Berufsschulen zu erblicken. Die Fachschulen standen auf einem höheren Niveau und setzten entweder den Besuch von zwei Klassen Untergymnasium oder Unterrealschule voraus oder die Absolvierung der Fortbildungsschule mit gutem Erfolg. Der Gemeinderat von Steyr faßte den Beschluß, ein Komitee cinzusetzen, das die Errichtung solcher Schulen beraten sollte3). Auf den Bericht dieses Ausschusses hin, dem drei Gemeinde - räte und zwei Schulfachleute angehörten, erkannte der Gemeinderat die Notwendigkeit der Errichtung solcher Schulen an. Es wurde jedoch festgestellt, daß „wegen des totalen Stillstands der Industrie, der gänzlichen Erwerbs- und HHilflosigkeit unserer Ar- beits- und Geschäftsleute und der entfernten Aussicht eines günstigen Aufschwungs, der nur von der Energie der Verwaltungsbehörden, die sich bisher um die hierortigen Geschäftsleute nicht in der gewünschten Weise gekümmert haben, erwartet werden dürfte, dermalen keine Mittel dafür vorhanden seien'"’). Wenn jedoch die Gemeinde damals auch wirklich keine Mittel besaß, so behielt sic doch fortan die Errichtung von gewerblichen Schulen im Auge. Interessant ist in diesem Zusammenhang ein Schreiben des Bürgermeisters an die k. k. Statthalterei, in dem nachdrücklich auf den Wunsch der Stadtverwaltung hingewiesen wurde, daß auch Steyr eine Fachschule erhalten solle. Wiederum betonte man jedoch, daß die Gemeinde keinerlei Mittel dafür zur Verfügung stellen könne"). Durch längere Zeit hörte man nichts mehr von dieser Angelegenheit. Große Ereignisse spielten sich in diesem Zeitraum ab, die Schlacht bei Königgrätz zerbrach Österreichs Vormachtstellung im deutschen Kaum, eine staatsrechtliche Neuordnung, die Errichtung der österreichisch-ungarischen Monarchie, war die Folge. Die inneren Kräfte des immer wieder fälschlich für tot erklärten Reiches begannen sich jetzt von neuem zu regen. Die wirtschaftliche Bedeutung Steyrs wurde durch die 1869 erfolgte Gründung der „Österreichischen Waffenfabriksgesellschaft“ unter der Leitung Josef Werndls stark erhöht. Nun war die Zeit gekommen, den Plan einer Fachschule in Steyr wieder aufzunehmen. Das 1861 gegründete k. k. Handelsministerium errichtete nach 1871) zahlreiche Schulen dieser Art in Österreich, es waren jedoch nur sehr wenige Anstalten darunter, die für das metallbearbeitende Gewerbe bestimmt wurden. Gerade Steyr wäre für eine solche Gründung ein äußerst geeigneter Boden gewesen. Obwohl die Stadtgemeinde immer noch nicht über ausreichende Mittel verfügte, begann sic doch, im Vertrauen auf Staatshilfe, mit den notwendigen Vorarbeiten. Der äußerst rege Bürgermeister Moritz C r a m m e r sandte Briefe an die Bürgermeister zahlreicher deutscher Industriestädte, von denen er annahm, daß dort bereits gewerbliche Anstalten bestünden. Es wurde dabei gefragt, welche Organisation diese Schulen hätten, weitere Fragen bezogen sich auf den Lehrplan und die gemachten Erfahrungen“). Es ist immerhin erstaunlich, daß die Magistrate von Altona, Solingen, Remscheid, Iserlohn, Barmen, Nürnberg usw. antworten mußten, daß dort noch keine Schulen dieser Art vorhanden seien. Man kann also mit gutem Recht behaupten, daß, nach den bereits bestehenden Fachschulen in Klagenfurt und Komotau, die in Steyr zu den ältesten Fachschulen auf dem Gebiete der Metallbearbeitung im deutschen Sprachgebiet gehört. Im Jahre 1872 wandte sich die Stadtgemeinde mit einer Petition an den Öberösterreichischen Landtag. Man erklärte sich bereit, einen Teil der für die Errichtung der Schule notwendigen Kosten aufzubringen. In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, daß sich Steyr immer mehr zum Mittelpunkt der Eisenindustrie Oberösterreichs entwickle. Man forderte den Landtag auf, dieser Tatsache Rechnung zu tragen und hier eine Landesanstalt für Eisenindustrie zu errichten. Die Stadt wollte vor

allein „die Kosten für Beheizung, Beleuchtung und Wartung übernehmen und die zum Unterricht notwendigen Lokalitäten beistellen“7). Der Landtag beschloß daraufhin, eine Enquete von Fachleuten abzuhalten, die die notwendigen Untersuchungen durchzuführen hatten"). Dazu gehörten auch Josef Werndl und der bekannte Steyrer Eisenhändler Karl von Koller. Als diese Erhebungen zufriedenstellend verliefen, faßte der Magistrat den Beschluß, an das Handelsministerium das Statut der geplanten Schule einzusenden und um die Bewilligung der wurde. Der Unterricht sollte unentgeltlich sein und in zwei Abteilungen an Sonn- und Feiertagen von halb 8 bis halb 12 Uhr und 13 bis 16 Uhr, an Montagen und Samstagen von 18 bis 20 Uhr stattfinden12). Zugelassen wurden alle, die eine Lehre in einem metallbearbeitenden Beruf bereits begonnen hatten. Die Schule wurde im Gebäude des ehemaligen Jesuitenklosters, Michaelerplatz 6, untergebracht, seit 1863 Sitz der Realschule. Am Sonntag, den 8. Februar 1874, um 10 Uhr, wurde die Eröffnung der Schule vorgenommen. St. 4H Bekanntmachung. •*’vu#!^<>r»<3»JÄ*<^ • ©ab bohr t. f. ^mitelbiniiügrriiini bat bie (ErriWung rinn /adjldmlf für ©ftn-MMt in Stgr ^Ä-11’ “"^ '''""‘Jäugft gebegten, von brr 6kiiiriiibe=!Bertrrtimg witterten unb naä» Mwflirb jum UliibOrurfc gebraebteu SLlunftbr brr Stabt .'Xedmimg getragen. W Waä tem vorlirgenbeii Sänlftniutc bqwedi her au ter Säule ju eribtiknte Unterriät • a) Sie rat&liäe Stranbilbuiig von «rbritrrfrtften für bie Uifa« uub StabL-3nbuftrte von unv Umgebung. ' b> knie wnrgt«r^fc^IWÄ ^ ""' ^ ®f«M3«f»llrie f«b btftbäftigenteu (Mcwerbb-- . . 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Sebs mir b. 3., SBormittaa« von 10 -12 Ubr, Saite mittag» von 1-3 Ubr von bem «eiter brr gaibfäiih, terra ^rofeffor aB»rjiii0cr, bie Snfnabme in Oie Säule vergenommeu. ■ Mehr alb 60 Säükr Hauen vorläufig ui4t aufgenommeu werten. • SBer in bit Saäfänlr aufgenommeu werben will, bat fid> aubjuweifen, baß er bie (Megen- Mute ter iBolHtebnk ßä augeefguet, unb bibber rin gcnttctcU Wbultai betätiget habe. genier bat ter »ilufnatmiOwrrber uaäunweifen, baß er in riiirm wr (fwii Aiibiiftrie ar. bärigen (Saierbe in ®awenbuug ficte. Sie 'Mufnabme von Säiilmi, wellte unteren (bewerbejivrija angeboren, ift mir nach Maßgabe bei Movoiubleit :Raumeo in ten eäiik&walitätcn geftattet. Sir teöffming brr Säule geüteeM am Sonntag brn 8. grbruar 1874 um 10 Ubr Barmittag im 'Reifem Ms Säubßouiite'ö. SWem «t> fonaä biciiut bie teruteung Mr gaduibnle für (Sifrn-Onbnfirir, ter vom ÜO' Mu t. I teiibelomimfiniitm feiert mit ein« reuten ünOwabl von tebrmittelu ausgeftattet würbe, oßtuiliä tefaunt maete. ergeb« 1* rä jaglrieg für meine Wär vir uMreiteii 2fr- muua ter Säule auniiforbau. Me ittem, möge er .'Je Meifter rin (Meiwbe ftlbftftäiibig betreiben, ob« alb ÄKlk oterVrbrilug in äterwenbasg neben. oWegenbeir bittet, iiä bie Mr beben Starr, auf iwliber bie ysfeu^nouftne Mute irrte, unb ter bebruteubru (Sonraneni auf Ok?em Gebiete mnteeäeiuMu ätcnstaiffe jn »»mein. JKorij Stummer. Schuleröffnung anzusuchen"). Dieses Gesuch wurde schon nach kurzer Zeit genehmigt und der entsprechende Erlaß durch die k. k. Statthalterei dem Gemeinderat übermittelt10)11). Am 23. Jänner 1874 erließ der Bürgermeister von Steyr, Grammer, eine Bekanntmachung, in der die bevorstehende Eröffnung einer Fachschule für Eisenindustrie angezeigt Die Fachschule für Eisenindustrie (1874—1878) Die neue Schule besaß zu Beginn 72 Schüler, davon 64 ordentliche. Ihr Alter bewegte sich zwischen 15 und 42 Jahren, 20 Schüler waren älter als 20 Jahre. Drei Lehrer standen zur Verfügung: Der Professor der Realschule Josef Wurzinger fungierte als 9

Ansicht der ersten Zeugstadt imWehr- graben der Stadt Steyr, bestehend aus sechs hölzernen und einer gemauerten Schleife, dem neu erbauten Drahtzug des Herrn Anton Leopolds- eder, der Mühle des Herrn Josef Heininger, der Papiermühle der Herren Hofmann & Wurm und dem Hammerwerk der Feilenhauerzunft (Reproduktion einer alten Malerei aus dem Steyrer Heimatmuseum) Leiter und unterrichtete sechs Wochenstunden Geometrie und geometrisches Zeichnen sowie kauf männische Fächer (Schnell- und Schönschreiben, kaufmännisches Rechnen und Buchhaltung), Karl P e t r u s c h, Inhaber einer gewerblichen Zeichenschule, oblag der Unterricht im Freihandzeichnen und Modellieren (drei Wochenstunden), Ludwig M a t z k a, ein Beamter der WerndLschen Waffenfabrik, lehrte Maschinenlehre und -zeichnen, im ganzen ebenfalls drei Wochenstunden. Die Schülerzah! stieg nun rasch weiter an und erreichte noch im gleichen Jahre 105‘“), schließlich 1877 ihren Höhepunkt mit 170. Während des fünfjährigen Bestandes wurde die Schule von insgesamt 644 Schülern besucht, die im Alter von 15 bis 45 Jahren standen. Obwohl die Fachschule eine gute Ausbildung vermittelte und sich einer großen Beliebtheit erfreute, konnte sie doch ihren eigentlichen Zweck, die Fortbildung von Gewerbetreibenden, Arbeitern und Lehrlingen, nur in beschränktem Maße erreichen. Der Grund lag vor allem darin, daß sie über keine Lehrwerkstätte verfügte, wie dies etwa bei den Fachschulen in Klagenfurt und Komotau der Fall war. Man erkannte diesen Mangel auch von Anfang an und bemühte sich um Abhilfe. Auf Bitte des Gemeinderates sandte der Handelsminister den Professor am Polytechnikum Wien (heute Technische Hochschule), Leopold Hauffe, zu einer Visitation nach Steyr. Dieser untersuchte die Lage der Klein- eisenindustric und kam zu der Auffassung, daß eine wirtschaftliche Wiederbelebung nur durch zwei Mittel möglich sei: 1. sollte eine Versuchsanstalt errichtet werden, die enger mit der Industrie zusammenarbeitete, 2. wäre cs notwendig, der Fachschule eine Lehrwerkstätte anzuschließen, die den theoretischen Unterricht praktisch zu ergänzen hätte, namentlich auf dem Gebiete der Messererzeugung. Trotz dieses für Steyr günstigen Berichtes mußte man den Kampf um die Versuchsanstalt und die Lehrwerkstätte fortsetzen. Bürgermeister C r a mm e r erreichte schließlich durch seine persönliche Vorsprache bei Kaiser Franz Josef zunächst die Schaffung einer Versuchsanstalt im sogenannten LeopoWsedergut“). Es handelte sich dabei um eine alte Nagclfabrik mit Drahtzug, die im Steyrer Stadtteil Aichet lag (heute Schleifergasse 2 und 4). Der Gemeinderat pachtete dieses Haus für die Dauer von fünf Jahren und trug die Kosten für die notwendige Adaptierung, für die Bestreitung der Beleuchtung, Beheizung und Reinigung15). Direktor der Direktor Ing. Franz Fritz Maier in späterem Alter neuen „Versuchsanstalt für Stahl- und Eisenindustrie“ wurde der junge Wiener Ingenieur Fritz Franz Maier. Es war für unsere Schule eine große Überraschung, als vor einigen Jahren die Entdeckung gemacht wurde, daß der Genannte mit dem berühmten Erfinder F. F. Maier identisch ist (geboren 1844). Bereits als Student der Technischen Hochschule beschäftigte er sich mit hydromechanischen Versuchen, die ihn später zu seiner großen Erfindung, der Maier- Schiffsform führten. Er arbeitete nach der Absolvierung seiner Studien bei Triestiner Werften, in den USA und bei einer Budapester Werft. Er besaß also trotz seiner Jugend schon reiche Erfahrung, als er die Berufung nach Steyr erhielt. Eigenartigerweise wird seine Tätigkeit in Steyr in der Fachliteratur immer als Leitung der „Staatlichen Materialprüfanstalt“ bezeichnet, ein Name, den unsere Schule nie geführt hat und der an der oben erwähnten späten Entdeckung die Hauptschuld trägt. 10

Obwohl das Gelände der Versuehsanstalt keineswegs den Erfordernissen entspraeh, infolge seiner Lage am Steyr-Fluß unter ständiger Feuchtigkeit litt und mehr als notdürftig ausgestattet war, konnte der junge Leiter so befriedigende Erfolge erzielen, daß die Versuehsanstalt erweitert wurde. Man beschloß, die bisherige Fachschule aufzulassen und den theoretischen Unterricht an die Versuchsanstalt zu verlegen'"). Die neue Anstalt wurde als ,,k. k. Vereinigte Versuchsanstalt und Lehrwerkstätte für Stahl- und Eisenindustrie“ bezeichnet und gehörte, wie die bisherige Schule, zum Ressort des Handelsministeriums1'). Die Direktion übernahm Ingenieur M a i e r, dem fünf Lehrer zur Seite standen. Die Schülerzahl war anfangs äußerst gering und betrug nur zehn. Damals aber entstand bereits jene Form, die unsere Schule heute noch besitzt, die Verbindung von Lehrsaalunterricht und Lehrwerkstätte. Die Versuchsanstalt und Lehrwerkstätte (1878—1883) Am 15. Oktober 1878 erfolgte die Eröffnung. Der Unterricht wurde in zwei Jahrgängen erteilt und umfaßte im ersten Jahrgang die Gegenstände Arithmetik, Geometrie, Technologie, Handcisgeographie, Geschäftsaufsätze, Geometrisches Zeichnen, Freihandzeichnen und Schönschrift; im zweiten Jahr kamen noch Mechanik, Buchhaltung, Fachzeichnen, Maschinenzeichnen, Entwerfen und Kalligraphie hinzu. Neben der Erlernung des Messerschmiedegewerbes wurde dabei auch die Erzeugung feiner Stahl- galantericwaren beabsichtigt. Der Anstalt wurde ein Kuratorium zur Seite gestellt, das die wirtschaftlichen Interessen wahren sollte, aber auf die pädagogische Leitung keinen Einfluß hatte. Die Handelskammer in Linz, die Landes- und Gemeindebehörden unterstützten tatkräftig die Schule und verliehen bedeutende Stipendien. Trotzdem fehlte es nicht an Anfeindung, vor allem von der Seite der Gewerbetreibenden her, die zum Teil die Schule als unerwünschte Konkurrenz betrachteten. Daneben muß aber festgestellt werden, daß viele I landwerker der Versuchsanstalt günstig gegenüberstanden, weil sie mit Halbfabrikaten beliefert wurden und von der Schule hcrgestelltc Werkzeuge und Vorrichtungen Das Leopoldseder Gut, heute zum Selbstkostenpreis erhielten. Ferner wurde ihnen auch die Möglichkeit gegeben, die maschinellen Einrichtungen der Schule gegen geringe Gebühr zu benützen. Die Schule litt während dieser Zeit unter den ungünstigen Unterbringungsverhältnissen, die bereits erwähnt wurden. Direktor Maier führte einen zähen Kampf mit der sparsamen Stadtverwaltung, die für die Schule nur ungenügende Mittel bewilligte. Zu Beginn der Achtzigerjahre wurde es Maier klar, daß ein neues Gebäude errichtet werden mußte, tw rllcpiTic ^^^fd^’tUt Ü)tafdu^ HiMb5 Um OuM . cJrcu-trc/uyt. < bbtwcifiqu tfx.uv {>1X14 . 11

wenn die Schule erfolgreich wirken sollte. Die Stadtverwaltung sah nun die Unzulänglichkeit der bisherigen Unterbringung ein, bot aber Maier zunächst nur die baufällige 1 leindlmühlc in Zwischenbrücken an. Auf die energische Ablehnung durch den Direktor hin muhte sich der Gemeinderat zur Bewilligung der für einen Neubau notwendigen Mittel von 45 001) fl. bereit erklären1"). Das Ministerium für Kultus und Unterricht, dem kurz vorher das gesamte technisch-gewerbliche Schulwesen unterstellt worden war, verzichtete daraufhin auf jede weitere Beitrags- Icistung der Gemeinde. Der Schulbau sollte in deren Eigentum bleiben"1). Das Gebäude wurde in den Jahren 1882 83 in der Sehwimmschulstraße 13 errichtet und genügte damals den Bedürfnissen der Schule. Drei Lehrsäle, sechs Werkstättensäle, zwei Sammlungszimmer, ein Maschinenraum und verschiedene Nebenräume standen zur Verfügung. Am 15. Juli 1882 war der Neubau vollendet. Direktor Ing. Entwurf fnr den Bau der k. k. Versuchs-Anstalt und Lehrwerkstätte in Stadt Steyr. Maier war damals nicht mehr im Amte. Während seiner fünfjährigen Tätigkeit leistete er die entscheidende Aufbauarbeit und setzte den notwendigen Neubau durch. Nun widmete er sich neuen Aufgaben. Er war neun Jahre an englischen Werften tätig, richtete die Schiffahrt auf sibirischen Müssen ein und entwickelte kurz vor dem ersten Weltkrieg die Maier-Schiffsform. Leider konnte sich seine Idee erst nach seinem Tode 1926 allgemein durchsetzen. Heute fahren hunderte Schiffe auf allen Meeren, die nach Maiers Berechnungen konstruiert sind. Die Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung (1883—1920) Unter der Bezeichnung „k. k. Vereinigte Fachschule und Versuchsanstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung" begann im Herbst 1883 der Unterricht im Neubau. Die Änderung des Schulnamens deutet bereits an, daß auch eine Ande rung der Organisation eingetreten war. Der neue Direktor. Ing. Alfred Musil, ließ die Schuldauer auf drei Jahre verlängern und zwei Abteilungen einrichten: für Messerschmiede, deren I landwerk auch schon bisher bevorzugt gepflegt wurde, und für Feinzeugschmiede und Werkzeugschlosser. Im 1. Jahrgang war die Ausbildung für beide gemeinsam und schuf die allgemeinen und theoretischen Grundlagen, während vom 2. Jahrgang an eine 'Peilung in die erwähnten Abteilungen durchgeführt wurde. Trotz aller Förderung durch die Schule konnte aber die Steyrer Messerindustrie keinen Wiederaufstieg mehr erleben. Die Konkurrenz von Solingen und anderen deutschen Industrieorten, die sich der modernsten Maschinen bediente, konnte auch durch eine (.JeschmacksVerbesserung der Steyrer Produkte nicht mehr ausgeschaltet werden. Dagegen wirkte sich der Fortschritt der Schwerindustrie aut die Abteilung für Werkzeugschlosser günstig aus, ihre Schülerzahl wuchs ständig. Am 23. September 1883 wurde das Schulgebäude eingeweiht, wobei' der Unterrichtsminister Conrad von E y b e s f e 1 d, der Handelsminister Pino, der Statthalter Freiherr von W e her- E b c n h o f, der Bischof von Linz R u d i g i e r, der Industrielle Josef Werndl und andere prominente Gäste teilnahmen. Die Schülerzahl betrug zu Beginn um 30. Ihn auch der Versuchsanstalt eine entsprechende Förderung zu 12

gewähren, wurde der bisherige Lehrer Gustav Ritzinger als Fachvorstand mit deren Leitung betraut. Interessant ist, daß damals auch der Plan auftauchte, eine Abteilung für Elektrotechnik an der Anstalt zu errichten. In Steyr veranstaltete Werndl 1884 die erste elektrische Ausstellung Europas und ließ bald die Erzeugung von Lampen, Motoren usw. in seinen Werken aufnehmen. Zweifelsohne würde eine solche Abteilung ihren Absolventen gute Aussichten ermöglicht haben. Leider zerschlugen sich die Verhandlungen, vor allem wegen der Kosten. Nun begann eine Zeit friedlichen und emsigen Schaffens für die Anstalt. Die Schülerzahl verdoppelte sich allmählich, daneben wurden seit 1889 Fortbildungskurse für Gewerbetreibende und Gehilfen eingerichtet. In zwei Jahren wurde dabei an Werktagsabenden und Sonntagvormittagen ein Unterricht erteilt, der einen Umfang von neun Wochenstunden besaß. Direktor Ing. Musil legte bald darauf seine Stelle nieder und erhielt eine Berufung als Professor an die Technische Hochschule in Brünn. Ziclbewußt hatte er das Werk Maiers fortgesetzt und ausgestaltet. Fachvorstand R i t z i n g e r folgte ihm in der Leitung der Schule. Als Direktor unternahm er die letzten Versuche, dem Gewerbe der Messerschmiede eine wirksame Hilfe zu bieten. Als Absolvent des Erdgescboß im Schulgebäude Schwimmschulstraße, heute Technischen Museum in Wien überlassen). Zur weiteren Förderung schuf R i t z i n g e r 1894 eine Lehrstelle für Gravieren und Ziselieren, die mit dem verdienstvollen Künstler Leo Zimpel besetzt wurde. Im gleichen Jahr errichtete man einen Kurs für Kesselheizer und Dampfmaschinenwärter. Die Dampfmaschine hatte sich die Betriebsstätten erobert, der Mangel an ausgebildetem Bedienungspersonal machte sich sehr fühlbar. Bis 1922, dem Jahr der Einstellung, besuchten 852 Personen diese Kurse, die sich ausgezeichnet bewährten. Die Schülerzahl der Tagesschule betrug um 1900 60 bis 80, der größte Direktor Ing. Alfred Musil Direktor Gustav Ritzinger Museums für Kunst und Industrie in Wien war er ein besonderer Fachmann auf kunstgewerblichem Gebiet. Im Auftrage der Unterrichtsverwaltung unternahm er große Studienreisen und besuchte dabei zahlreiche Industriegebiete des In- und Auslandes. Die dabei empfangenen Anregungen kamen der Schule und dem Steyrer Gewerbe zugute. Ein wichtiges Anschauungsmaterial für die Messerschmiedeabteilung stellte die 1882 von dem Sammler Anton Petermandl der Schule überlassene Messersammlung dar, die Plünderte von wertvollen Stücken aus allen Erdteilen umfaßte (sie wurde 1917 dem Teil davon besuchte die Abteilung für Werkzeugschlosser. 1901 starb Direktor Ritzinger einen plötzlichen Tod, ein Professor der Schule, Ing. Rudolf P a w 1 i c k a, wurde sein Nachfolger. Seine Amtszeit bedeutete einen starken Aufstieg für die Fachschule. Der Plan, in Steyr eine Staatsgewerbeschule zu errichten, wurde damals beraten. Die ungefähr gleichzeitig mit Steyr entstandenen Fachschulen von Klagenfurt und Komotau waren inzwischen zu höheren technischen Schulen geworden. Steyr aber blieb Fachschule, obwohl die Stadt inzwischen das größte 13

Staatsgewerbeschuldirektor Regierungsrat Ing. Rudolf Pawlicka Industriezentrum Oberösterreichs darstellte. Wieder, wie im Falle der Errichtung einer elektrotechnischen Abteilung, war es der Mangel an den notwendigen Mitteln, der alles verhinderte. Auch das Schulgebäude, das 1883 den Anforderungen genügt hatte, hätte die notwendigen Räumlichkeiten nicht bieten können. Die Messerschmiedeabteilung besaß zu diesem Zeitraum nur mehr wenige Schüler, man errichtete nun 1905 eine eigene Abteilung für Graveure, Ziseleure und Stempelschneider, an der der bereits genannte Professor Zimpel wirkte. Damit wurde eine kunstgewerbliche Abteilung geschaffen, die zuerst noch neben der der Messerer bestand, später aber, nach deren Auflassung, allein das Erbe des alten Steyrer Eisengewerbes wahrte. Die Schule genoß damals so wie früher einen ausgezeichneten Ruf. Dies beweisen die Sitzungsberichte der beim Unterrichtsministerium errichteten „Zentralkommission für Angelegenheiten des gewerblichen Unterrichtes“, die unser Schulwesen beaufsichtigte. Immer wieder wird dort auf die mit Steyr gemachten günstigen Erfahrungen hingewiesen20). Direktor Pawlicka erhielt als Anerkennung für seine Verdienste um Schule und Gewerbe den Titel „Staatsgcwerbcschul- direktor“ ad personam verliehen und wurde zum Regierungsrat ernannt. Seit 1908 unterstand die Schule dem damals neu errichteten Ministerium für öffentliche Arbeiten, das die gewerblichen Schulen tatkräftig förderte. Die Wirtschaft der Monarchie weitete sich ständig aus, eine optimistische Stimmung erfüllte die Wirtschaftstreibenden. Die Schüsse von Sarajewo bedeuteten das Ende einer Epoche, eine Zeit voll von Wirrnissen brach an, auch unsere Schule wurde in ihren Strudel hineingerissen. Gleich zu Kriegsbeginn mußten mehrere Mitglieder des Lehrkörpers einrücken, ihnen folgten später auch ältere Schüler als Jungschützen. Der Fachlehrer Albert Mittringer geriet in russische Kriegsgefangenschaft, in der er 1918 starb. Auch mehrere Schüler starben den Soldatentod. Die Werkstätten der Schule wurden für militärische Zwecke in Anspruch genommen. Mitten im Krieg, 1916, verschied Direktor Pawlicka. Professor Ing. F r e i- h o f n e r wurde mit der provisorischen Leitung der Schule betraut. Es bedurfte der Anspannung aller Energien, diese Zeit durchzustehen. Schon damals wußten alle Fachleute, daß nach Kriegsende die Schule ein neues Heim bekommen müsse. Neben der Raumnot war ein weiterer Nachteil des alten Gebäudes die ständige Hochwasserbcdrohuiig. Mehrmals kam cs zu Überflutungen einzelner Räume. Zunächst schienen aber noch alle Pläne für ein neues Gebäude undurchführbar zu sein. Der Zusammenbruch der Monarchie 1918 eröffnete ungeahnte Möglichkeiten. Die große Jägerkaserne, die 1885 um 187 000 fl. errichtet worden war, verlor nach der Auflösung des Heeres ihren ursprünglichen Zweck. Der große Gebäudekomplex Schlüsselhofgasse 63 umfaßte eine Fläche von über 22 000 m2, mehr als die Hälfte davon entfiel auf Exerzierge- ländc. Der 1919 ernannte Direktor Ing. Karl Wolf setzte alle Anstrengungen daran, dieses Gebäude zu erwerben. Das bisherige Haus war um so unzureichender, als seit 1917 auch noch die neugegründete städtische Handelsschule dort untergebracht war. Das Staatsamt für Heerwesen, das die Liquidierung der Einrichtungen der kaiserlichen Armee besorgte, überließ schließlich die Kaserne der Stadtgemeinde21). Es bedurfte großer Summen, bis dieses Gebäude den Zwecken einer Fachschule genügte. Die Stadtge- mcinde holte zunächst die Bewilligung des Staatsamtes für Handel und Gewerbe ein, dem die technisch-gewerblichen Schulen nach 1918 unterstanden22), dann wurde mit dem Umbau der einstigen Kaserne begonnen. Am 1. Dezember 1920 nahm man den theoretischen Unterricht in der Schlüsselhofgasse auf, während die Werkstätten zunächst noch im alten Flause blieben. Nach einem Jahr war auch die Übersiedlung der Maschinen abgeschlossen, und am 9. Juli 1921 wurde das bisherige Schulgebäude der Stadtgemeinde zurückgegeben. Ein neues Kapitel in der bewegten Geschichte unserer Schule begann. Die Bundeslehranstalt für Eisen- und Stahlbearbeitung und für Elektrotechnik (1920—1938) Wieder, wie bei der Übersiedlung von 1883, erfolgte auch diesmal eine gründliche Reorganisation der Schule. Wohl die wichtigste Veränderung war die Angliederung einer neuen Abteilung, der für Elektrotechnik. Wir haben gesehen, daß diese Absicht schon lange zurückreichte; erst jetzt, wo Räume in genügender Zahl zur Verfügung standen, konnte sie verwirklicht werden. Eine weitere Maßnahme stellte die Auflassung der Abteilung für Messerschmiede dar. Sie hatte in den letzten Jahren unter immer größerem Schülermangel zu leiden und besaß meist nur zwei bis fünf Besucher. Damit vei- schwand von der Schule der Unterricht in jenem Direktor Regierungsrat. Ing. Karl Wolf 14

Gewerbe, um desscntwillen sie gegründet worden war, die Anstalt hatte sich eben weit über ihre ursprüngliche Zielsetzung hinaus entwickelt. Dagegen blieb die Abteilung für Graveure und Ziseleure weiter erhalten und wurde in den nächsten Jahren sogar beträchtlich erweitert. Professor Hans Gerst- m a y r, ein Schüler des berühmten Stahlschnittmeisters Michael Blümelhuber, wirkte seit 1920 an ihr. Sein Verdienst ist die Einführung des künstlerischen Stahlschnittes an unserer Schule. Die metallkunstgewerbliche Abteilung genoß bald einen Ruf, der weit über die Grenzen unseres Bundeslandes hinausreichte, ihre Absolventen fanden auch in Wien lohnende Beschäftigung. Die bisherige Abteilung für Feinzeugschmiede und Werkzeugschlosser wurde in eine Fachschule für Maschinen- und Werkzeugbau umgewandelt. Sie erhielt damit im wesentlichen jene Form, die sie heute noch besitzt, und erfreute sich von Jahr zu Jahr immer stärkeren Zustroms. Um auch den auswärtigen Schülern eine Unterkunft zu bieten, wurde im Schulgebäude ein Schülerheim eingerichtet, das sich selbst erhalten mußte. Von da an stieg der Anteil der Auswärtigen an der Gesamtschülerzahl immer mehr. Für Zwecke der Fortbildung der Arbeiterschaft wurden Abendkurse aus verschiedenen Gebieten der Technik eingerichtet. Insgesamt standen seit 1920 der Bundeslehranstalt sechs Lehrsäle für den theoretischen Unterricht, ein Atelier, vier Laboratoriumsräume, zwei Sammlungszimmer, zwölf Säle und entsprechende Neben räume für den Werkstättenunterricht, drei Säle für das Schülerheim und sechs Dienstwohnungen für Lehrer und Schulwarte zur Verfügung. 1923 wurde außerdem in dem Schulgebäude eine gewerbliche Fortbildungsschule für metallbearbeitende Berufe untergebracht. Lehrlinge aus dem ganzen Bezirke, die einen Metallbcruf erlernten, erhielten nun einmal wöchentlich eine Schulbildung, die ihre Meisterlehre ergänzen sollte. Es ist klar, daß die Unterbringung zweier Schulen in einem Gebäude gewisse Schwierigkeiten mit sich bringen mußte, die jedoch in ausdauernder Arbeit überwunden wurden. Ein Wunsch unserer Schule ging jedoch auch damals nicht in Erfüllung, die Errichtung einer höheren Staatsgewerbeschule. Ein Lehrer der Anstalt, Prof, Ing, H a ß 1 i n g e r, hatte bereits am 29. Dezember 1918 in einem Schreiben an den Bürgermeister die Errichtung einer solchen Schule gefordert, die höhere Abteilungen mcchanisch-technischcr, elektrotechnischer und chemisch-technischer Richtung umfassen sollte. Er wies darauf hin, daß in Linz nur bautechnische Abteilungen bestünden und Oberösterrcich eine Schule der oben erwähnten Art dringend benötige. Leider blieb jedoch dieser Initiative vorderhand jeder Erfolg versagt, die Lehranstalt behielt ihr Fachschulniveau weiter. Direktor Ing. Wolf erhielt für seine Verdienste den Regicrungs- ratstitel, starb aber schon, nach nur vierjähriger Amtszeit, 1923. Mit seinem Namen ist die Ausgestaltung der Schule verbunden. Prof. Ing. F r e i- h o f n e r wurde nun Direktor. Unter ihm erreichte die Schülerzahl 150 bis 170, von denen etwa zehn auf die kunstgewerbliche Abteilung, die übrigen je zur Hälfte auf Maschinenbau- und Elektrotechnikklassen entfielen. 1928 feierte man den fünfzigjährigen Bestand, wobei damals die vierjährige Dauer der Fachschule für Eisenindustrie 1874—1878 nicht berücksichtigt wurde. 500 Absolventen aus allen TeiDirektor Ing. Ferdinand Freihofner len Österreichs fanden sich dazu ein, an dem Festakt nahmen auch Sektionschef Dr. Wo h 1 g e m u t h vom Bundesministerium für Unterricht und der Lan- deshauptmannstcllvertreter von Oberösterreich, Dr. S c h w i n n e r, teil. Die Bedeutung der Bundeslehranstalt wurde aus diesem Anlaß allseits gewürdigt23). Bald darauf trat ein wichtiges Ereignis ein, das Schulgebäude ging in den Besitz des Bundes über. Zu Ende der Zwanzigerjahre begann sich die Weltwirtschaftskrise auch auf Steyr immer fühlbarer auszuwirken. Die Produktion der „Steyr-Werke“, wie seit 1925 die Österreichische Waffenfabriksgesellschaft hieß, wurde immer mehr gedrosselt, die Arbeitslosenzahl stieg. Die Stadtgemeinde konnte unter diesen Umständen für die Erhaltung des Schulgebäudes nicht mehr aufkommen. Den zunächst geforderten Verkaufspreis von S 450 000.—M) lehnte jedoch das Bundesministerium für Handel und Verkehr ab25), lediglich eine Summe von S 167 000.— wurde angeboten. Als sich die Wirtschaftslage Steyrs weiter verschlechterte, nach dem Zusammenbruch der Bodenkreditanstalt, zu deren Wirtschaftskomplex die Steyr-Werke gehörten, die Arbeitslosenzahl von 6000 erreicht wurde (in einer Stadt von damals 24 000 Einwohnern!), mußte sich die Gemeinde bereitfinden, die geforderte Summe auf S 300 000.— zu ermäßigen2“). Nach Beschluß des Gemeinderates und Genehmigung durch das Handelsministerium27)2") schloß man am 17. Dezember 1930 den Vertrag ab. Direktor Regierungsrat Ing. Josef Haßlinger 15

Schulgebäude Schlüsselhofgasse Seit damals befinden sieh also alle Anlagen der Sehule im Bundesbesitz. In diese Zeit fällt auch die Einrichtung der beiden elektrotechnischen Laboratorien, die eine musterhafte Ausstattung erhielten, zum Teil wirkten auch Lehrer und Schüler dabei mit. 1932 wurden Kurse für Schmiede- und Schlossermeister abgehalten, die zu Automechanikern ausgebildet wurden und die Berechtigung für die Kraftfahrzeugkonzession erwarben. Diese Kurse dauerten sechs Monate, 40 bis 60 Teilnehmer aus ganz Österreich waren während der Zeit im Internat untergebracht. Zum erstenmal begann man sich damals an unserer Schule mit der Kraftfahrzeugtechnik zu befassen. 1933 erhielt Ing. Josef Haßlinger das Amt des Direktors, er hatte, wie bereits erwähnt worden war, immer die Überzeugung vertreten, daß in Steyr eine Staatsgewerbeschule errichtet werden sollte. Bald darauf brach in Steyr der Februaraufstand von 1934 aus, der auch die Schule in Mitleidenschaft zog. 300 Schüler der Bundeslehranstalt und der Fortbildungsschule waren tagelang im Schulgebäude eingeschlossen, wobei schließlich auch Verpflegsschwierig- keiten auftraten. Einige Lehrer schafften unter Gefahr Lebensmittel heran. Da sich einige Aufständische hinter dem Schulgebäude sammelten, wurde dieses von einer Abteilung des Bundesheeres unter Beschuß genommen. Im zweiten Stockwerk traten dadurch Beschädigungen ein. Die krisenhaften Jahre 1934 bis 1938 mußten sich naturgemäß auf die Schule auswirken. Da die Arbeitslosenzahl in Steyr unverändert hoch blieb, besuchten 1935 etwa 80 Arbeitslose für sie eingerichtete Umschulungskurse an der Lehranstalt. Die größte Leistung Direktor Ing. FI a ß- lingers stellte der Bau des neuen Werkstattgebäudes dar. In etwas über zwei Jahren wurde dieser für die Schule so wichtige Teil errichtet. Man gewann dadurch im Hauptgebäude Platz für neue Lehrsäle, an eine Erweiterung der Zahl der Abteilungen konnte damals gedacht werden. Es war die Tragik der Zeit, daß abermals, wie 1918, alles Planen vereitelt wurde. Die Staatsfach-(Ingenieur-)schule (1938—1945) Der gewaltsame Anschluß an das Deutsche Reich ließ sowohl für die Schule in ihrer Gesamtheit als auch für viele ihrer pflichtbewußten Lehrer eine Zeit schwerer Prüfungen beginnen. Als erste Veränderung trat die Außerdienststellung des Direktors H a ß 1 i n g e r ein, der 1936 zum Regierungsrat ernannt worden war. An seine Stelle trat Ing. Rudolf Mitterhauser, zunächst als kommissarischer Leiter, später als Direktor. Die Anstalt wurde als „Staatsfachschule“ bezeichnet. Das Schülerheim übergab man dem Magistrat von Steyr, der es als städtische Einrichtung weiterführte. Der Stand der Internatsschüler betrug meist um 100. Der Kriegsausbruch von 1939 brachte weitere einschneidende Maßnahmen. Wie 1914 rückte ein Großteil der Lehrer, aber auch der älteren Schüler ein. Der dadurch verursachte ständige Lehrerwechsel mußte sich auf den Lernerfolg der Schüler ungünstig auswirken. Trotzdem ging man 1942 daran, eine höhere technische Schule, in Deutschland Ingenieurschule genannt, zu errichten. Es wurde eine vierjährige Abteilung für Kraftfahrzeugbau geschaffen, während die dreijährige Fachschule für Maschinen- und Werkzeugbau verschwand. An der Ingenieurschule wurde in den Jahren 1943 und 1944 je ein Jahrgang eröffnet. Die Abteilung für Elektrotechnik bestand daneben weiter. 1«

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