80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

Eine technische Zeichnung aus dem Jahre 1727 — atmosphärische Dampfmaschine von Newcomen Maschinenzeitaltcr, das manche Nöte heraufbeschworen hat, die man früher nicht kannte. Das Hasten, das Hinaufpeitschen des Tempos ist nur eines von unzählig vielen. Doch — sehen Sie hierher: Auf der Zeichnung können Sie viele Buchstaben erkennen. Sie weisen auf Abschnitte einer sehr umfangreichen Beschreibung hin. Im Bild erscheint keine einzige Größenangabe — denn in perspektivischer Darstellung sind ja weiter entfernte Gegenstände stärker verkleinert. 1835 hatten die technischen Zeichnungen schon annähernd den Charakter heutiger Zeichnungsausführungen, die darauf angebrachte Schrift war aber eine kursive Handschrift, wie Sic hier in einem Beispiel sehen. Aufschrift einer technischen Zeichnung aus dem Jahre 1835 (Archiv der Gutenhoffnungshütte) In der Zeit, da das Bauen von Maschinen noch die Kunst von wenigen war, kam die Zeichnung nicht weit herum und konnte mit dem Konstrukteur besprochen und von ihm den Arbeitern erklärt werden. Heute ist es anders. Die Verständigung zwischen Konstrukteur und Werkstätte muß durch die klare Zeichnung allein ermöglicht werden. Sie ist die Grundlage für eine rasche und daher wirtschaftliche Fertigung. Der Konstrukteur darf daher nicht frei erfinden, er muß sich an ...“ „DIN-Normen halten.“ „Was heißt DIN?“ „Mein Vater hat gesagt: DasistNor m.“ ' „Das stimmt für Deutschland. DIN bedeutet: Deutsche Industrie-Norm.“ Da meldet sich wieder der erste Schüler zu Wort: „Bitte, Herr Professor, ich meinte ja, daß diese Normen für die Industrie gelten und Angaben für den Konstrukteur enthalten, von denen Sie sprachen.“ „Lieber Freund, das schon, aber die deutschen Normen sind von deutschen Technikern ausgearbeitet worden und beruhen auf den Gegebenheiten, mit denen die deutsche Industrie rechnen muß, und diese sind mit denen hierzulande nicht immer gleich!“ Da melden sich mehrere Schüler. „Haben wir in Österreich denn andere Normen?“ „Selbstverständlich! Unsere österreichischen Industricnormen werden wieder wie vor 1938 auf den Ö-Normblättern festgelcgt und ersetzen nach und nach die DIN. Nun wissen wir, daß wir uns in Österreich an unsere önormen zu halten haben. Die Önorm legt auch die Grundsätze für die Anfertigung technischer Zeichnungen fest, die alle kennen müssen, die damit zu tun haben. Die Zeichner und die Facharbeiter! Außerdem aber, und davon wollen wir das nächste Mal sprechen, legt die Önorm auch die Schrift fest, die auf technischen Zeichnungen zu verwenden ist.“ „Da früher die schöne Handschrift Pflicht war — und zwar von der Schule her, war die Voraussetzung dafür gegeben, daß außer dem Urheber auch noch andere Menschen ein Schriftstück lesen konnten. Heute, wo in den Pflichtschulcn ein individueller Schriftcharakter zugelassen ist, kann ich nicht umhin, viele Schreibprodukte als Formen von Regenwurmkriechspuren anzusprechen...“ Gelächter in der Klasse zeigt mir an, wie unernst tatsächlich die Auffassung von der Schrift ist, die die Pflichtschule in unserer Jugend hinterlassen hat. „Sie lesen ja auf den verschiedenen Formblättern, von denen auch Sic schon so manches ausgefüllt haben: .Bitte in Blockschrift schreiben!' — Was Blockschrift ist, haben Sie doch kennengelernt.“ „Ja bitte, wir haben in der Hauptschule unsere geometrischen Zeichnungen in Blockschrift beschrieben.“ „Und die Blockschrift nicht nur, weil damit die geometrischen Zeichnungen ein gewisses gleichartiges Aussehen bekommen haben, sondern, weil ...“ „Herr Professor, unser Fachlehrer hat gesagt, die Blockbuchstaben sind die einfachsten Formen der Buchstaben unseres Alphabets.“ „Richtig! Und weil das Einfachste offenbar das Klarste ist, und das am leichtesten Lesbare, hat unser Normenausschuß eine Blockschrift für technische Zeichnungen zur Pflicht gemacht. Zur unbedingten Pflicht! Wir Maschinenbauer — und solche zu werden, haben Sie ja die Absicht —• haben also diese Festsetzung ebenso als Selbstverständlichkeit hinzunehmen, wie wir erwarten, daß eine für ein bestimmtes Gewinde in einer bestimmten Größe eingekauftc Schraube paßt, wenn sie an der gewünschten Stelle angesetzt wird und man das Einschrauben beginnt. Wir haben weder zu fragen noch zu kritisieren! Ob schön oder nicht schön und warum nicht senkrecht sondern unter 75 Grad geschrieben wird, darüber haben sich schon andere den Kopf zerbrochen, die wohl dazu berufen waren, weil sie mehr Erfahrung gehabt haben als wir hier alle zusammen. Jede Diskussion über die Frage: ,Warum gerade diese Schrift?' ist also überflüssig! Manche Leute wollen ja nichts von der Normschrift wissen und geben vor, ihnen gefiele sie nicht usw. In Wirklichkeit können sie sic bloß nicht schreiben und ihre krummen Buchstaben gefallen ihnen eben nicht. Die Normschrift ist ebenso eine mensch31

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