80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

Montage von Radioempfangsgeräten in Serie durch äußerliche Betrachtung allein eine richtige Vorstellung von den weitverzweigten inneren Vorgängen machen kann. Die notwendige Fähigkeit zum abstrakten Denken muß der Schüler im ersten .Jahr durch gute Erfolge in Mathematik, Physik und Grundlagen der Elektrotechnik beweisen. Im zweiten •Jahr beginnt die Fachausbildung mit Grundlagen der Hochfrequenztechnik, Fachzeichnen und Laboratoriumsübungen, wobei der Schüler gediegene Kenntnisse über die Funktion der Elektronenröhren, der Schwingkreise und einfachen Schaltungen erwerben kann. Im dritten Jahr werden in den Gegenständen Empfangs- und Sendetechnik, Fernsehen und Elektro-Akustik sowie Fachzeichnen und Laboratoriumsübungen kompliziertere Schaltungen behandelt und die Funktion modernster Radiogerätc, wie Ultra-Kurzwellenapparate mit Frequenz-Modulation (UKW-FM) und Fernsehgeräte wird in ihrer Wirkungsweise detailliert besprochen. Konstruktionsprogramme von Radio- und Meßgeräten vervollständigen die Ausbildung. Als es im Schuljahre 1949/50 gelungen war, aus einem mehr als 1000 kg schweren wüsten Haufen völlig zertrümmerter Radioapparate, die bei einem Altmaterialhändler im freien Gelände aufgetürmt lagen und von diesem an die Schule fast verschenkt wurden, 36 neue Radioapparate herzustellen, wurden wir selbst erst gewahr, welch hoher erzieherischer Wert dieser Aktion zukam. „Altmaterial ist Rohstoff!" war für unsere Schüler seither kein leeres Schlagwort mehr, sondern feste Überzeugung, die sie in den vielen Stunden der Ausschrotung, Sortierung, Klassifizierung und schließlich des Zusammenbaues zu neuer Verwendung gewonnen hatten. Da die Apparate aber nicht für unsere Schule, sondern zur Weitergabe an andere Schulen bestimmt wurden (zuerst für kleine Landivolksschulen Oberösterreichs), lernten die Schüler dabei auch kennen, was es heißt, anderen Freude zu machen. Da schließlich jeder Apparat unsere Marke trägt, wurde auch der Ehrgeiz angeregt und das Verantwortungsgefühl geweckt: „Den Kindern in Hilkering, Lindach, Wendling usw. wollen wir was Gutes hinstellen!" Die Bundesfachschule in Hallstatt beteiligte sich mit der Lieferung schöner Holzkästchen; 82 Stück bis zum heutigen Tag! Neben dieser heute bereits streng geregelten „Produktion“, bei der jeder Schüler während seiner Schulzeit ein Radioempfangsgerät vom Chassis angefangen bis zur Abstimmung und Inbetriebnahme baut, wird zwischendurch das Fehlersuchen an Radiogeräten vorgenommen, werden Meßgeräte berechnet, konstruiert und geeicht. Fallweise wird außerdem dem Schüler Gelegenheit gegeben, an Magnetopho- nen, Kraftverstärkern, Oszillographen sowie Meß- und Prüfgeräten laufend zu arbeiten. Dem Absolventen wird, angefangen von der Berechnung einer modernen UKW-Richtantenne (Dipol) und eines FM-Empfängers bis zum Auslöten und Ersetzen eines schadhaften Widerstandes alles geboten, was heute auf diesem Gebiet gefordert werden kann. — Und die Anforderungen steigen immer mehr! Gestern war noch der normale Super gang und gäbe; heute ist es UKW-FM, morgen vielleicht schon Fernsehen und übermorgen Farbfernsehen ... Ohne solide grundlegende Ausbildung ist da nichts mehr zu machen. Prof. Karl Adolf Krepcik VOM SCHRAUBENSCHLÜSSELGESENK ZUR BILDNISMEDAILLE (Stahl- und Stanzenschnitt., Gravieren und Metalltreiben) Das ästhetische Bedürfnis ist ein Element unseres Daseins wie Hunger und Durst, seit Jahrhunderten und Jahrtausenden. Dieses Bedürfnis, einst eine Domäne der Künstler und Kunsthandwerker, wird heute größtenteils von Technikern befriedigt. Die Anteilnahme der Menge, die einst den fein gezogenen Linien eines Maßwerkes galt, oder dem kühnen Schwünge einer barocken Wölbung, gehört heute den mit Lack und Chrom aufgeputzten Stromliniengebilden des Bedarfes. Der Rationalismus, in der Philosophie vorgedacht, ist harte Wirklichkeit geworden. Aus dem Künstler von einst wurde der Konstrukteur von heute. Alics wird konstruiert, die Häuser, die Möbel, das Fahrzeug, Städte und Staaten, auch Wirtschaftssysteme. Die Geschichte dieses Rationalismus entpuppt sich immer mehr als eine Geschichte der verhängnisvollsten Irrtümer unserer Zeit. Als vor hundert Jahren kühne Forscher begannen, den dunklen Erdteil zu durchstöbern, lachte der Europäer über jene naiven Neger, die ihren seit Urzeiten überlieferten Schmuck gegen ein paar billige, gleißende Glasscherben eintauschten. Das war damals. Heute jedoch ist der Weiße daran, in noch viel größerem Ausmaße dasselbe zu tun. Er ist gewillt, alles seiner übermächtigen Technik zu opfern. Es ist kein Zufall, daß der Ahnherr aller Konstrukteure, Leonardo da Vinci, zugleich auch einer der größten Künstler war. Der Künstler allerdings war vorherrschend. Seither aber ist die Technik zum stärksten formenden Prinzip geworden. Sie verleiht den Staaten politische, militärische und wirtschaftliche Macht, durchdringt unser ganzes Dasein. Es gibt heute Sakralbauten, die eher einem Industrieobjekt gleichen, und aus Wohnungen wurden 25

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