80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

keine verstaubte und veraltete Angelegenheit dreht, sondern um eine Geschichte, die uns heute auch noch etwas zu sagen hat! Der Kreis ist geschlossen, wir sind von Gottfried von Straßburg zu Jean Marais und Madeleine Sologne (den Darstellern des Films) gekommen und kehren wieder zum Dichter zurück. bin Jahr später. Wir sprechen in Geschichte über die Vereinigten Staaten zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Ich erwähne die Unterstützung des Freiheitskampfes der Südamerikaner in ihrem Aufstand gegen die Spanier, der Name des großen Präsidenten James Monroe fällt, bin paar der Burschen grinsen, ich ahne warum, es kann sich nur auf die Namensgleichheit mit der amerikanischen Filmschauspielerin Marylin Monroe beziehen. Soll ich so tun, als ob ich nichts merke? Ich halte dies für nicht gut. Also sage ich rundheraus, daß die genannte Schauspielerin von sich tatsächlich behauptet, eine Nachfahrin des Präsidenten zu sein. Daran schließen sich einige, nicht allzu lobende Worte über die Filme, in denen sie spielt. (Sehr notwendig, denn in wenigen Tagen läuft ein „Reißer , in dem sie die Hauptrolle verkörpert, in einem Kino der Stadt an). Mit der stillen I loff- nung, eine kleine Wirkung erzielt zu haben, kehre ich zum Thema zurück. Wir sprechen dann noch über das Erwachen des Nationalgefühls in Europa während dieser Epoche, der Schilderung des südamerikanischen Freiheitskampfes schließt sich eine Besprechung der nationalen Bewegungen in Griechenland, Deutschland und Italien an. In wenigen Stunden werde ich in Deutsch über die Romantik erzählen, wir werden von der Freiheitslyrik, den Griechenliedern, von Lord Byron lernen. Viel wertvolle Zeit wird dabei gespart werden, die Jungen kennen eine der wesentlichsten Bestrebungen der Romantik bereits, die Wiedergabe der Dichtungen braucht nicht durch Erklärungen, Hinweise usw. unterbrochen zu werden. Die dadurch gewonnene Zeit kann für Redeübungen und Diskussionen benützt werden. Die hier gebrachten Beispiele könnten beliebig vermehrt werden. Ich glaube aber, sie lassen erkennen, daß die beiden Gegenstände Deutsch und Geschichte zu einem Kulturfach vereinigt wurden. Vor drei Jahren wurde mir durch die zuständige Stelle im Unterrichtsministerium die Möglichkeit gegeben, in unserer Höheren Abteilung einen von mir entworfenen Versuchs-Lehrplan für Geschichte einzuführen. Der bis dahin unterrichtete offizielle Lehrplan für dieses Fach sah eine starke Betonung der Geschichte des Altertums vor, die den ganzen dritten Jahrgang hindurch betrieben werden sollte. Dies erschien mir reformbedürftig aus zwei Gründen. Erstens umfaßt der Deutschunterricht in diesem Jahre die Zeit von den ersten Anfängen deutscher Dichtung bis zur Weimarer Klassik des 18. Jahrhunderts, so daß eine Übereinstimmung zwischen den beiden Fächern überhaupt nicht gegeben war. Alle für das Verständnis der Dichtung notwendigen Begriffe, wie Gotik, Renaissance. I lumanismus, Barock, Aufklärung u. v. a. müssen im Deutschunterricht erläutert werden. Es geht natürlich viel Zeit verloren, bei nur zwei Wochenstunden und einem so ausgedehnten Zeitraum, der zu besprechen ist. Ein zweiter Grund, der mich zur Abänderung des Lehrplanes veranlaßte, war die Überzeugung, daß die Geschichte der Antike, so interessant sic ist, den Schülern unserer technischen Schulen weniger zu bieten hat als die Darstellung der Probleme der Neuzeit. Die Dinge liegen hier eben ganz anders im Vergleich zu einer allgemeinbildenden Mittelschule. Der Grundsatz meines Entwurfes war, eine Geistes- und Kulturgeschichte zur Vorbereitung und Untermauerung des Lehrfaches Deutsch zu bieten. Die österreichische Geschichte sollte in den Vordergrund gestellt werden, natürlich in ihren Beziehungen zur europäischen Geschichte im Sinne einer europäischen Kulturgemeinschaft. Einen bedeutenden Raum nahm die Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik ein, wobei auch besonders das engere Fachgebiet des Schülers berücksichtigt wurde. Diesen Grundsätzen gemäß wurde im dritten Jahrgang in Geschichte genau wie im Deutschunterricht in zwei Wochenstunden die Zeit bis zum 18. Jahrhundert unterrichtet, wobei ich Wert darauf legte, immer um einige Stunden den entsprechenden Werken der Dichtung voraus zu sein, um so die erforderlichen Grundlagen zu geben. Dem vierten Jahrgang blieb die Besprechung der Zeit bis 1850 vorbehalten, eine Wochenstunde war für Geschichte ausreichend, um die Behandlung der Klassik und Romantik zu unterstützen. Im fünften Jahrgang konnte dann ausführlich das letzte Jahrhundert durchgenommen werden; hier erhielt die Geschichte die unentbehrliche Aufgabe, die in den modernen Dichtungen enthaltenen Probleme zu erläutern. Ich legte den besonderen Wert darauf, bis zur unmittelbaren Gegenwart vorzudringen und alle Fragen unserer Zeit zu klären. Das letzte Halbjahr des fünften Jahrganges wurde einer großangelegten Wiederholung gewidmet. In Deutsch wurde in Längsschnitten die Entwicklung der Ballade, des Abenteuerromans, des bürgerlichen Dramas verfolgt, in Geschichte dagegen die Entwicklung der Malerei, der Landwirtschaft, der Staatsverwaltung usw. Alle Tatsachen waren natürlich schon aus dem Unterricht bekannt, nur wurden sie jetzt in einen großen Zus a m m e n h a n g gestellt. Zusammenfassend kann ich heute sagen, daß sich dieser Versuchslehrplan gut bewährt hat. Dies gilt nicht nur für die Klassen, wo ich beide Fächer unterrichtete, wodurch meine Aufgabe einer Koordinierung natürlich erleichtert wurde, sondern auch dann, wenn ein Kollege den Deutschunterricht führte. Er konnte mir wiederholt versichern, daß er die durch den Geschichtsunterricht gebotene Unterstützung als angenehm empfand. Der Jahrgang, der erstmalig die ganze Höhere Abteilung hindurch den geschilderten Unterricht erhielt, wird in Kürze die Schule verlassen. Man kann durchaus fcststellcn, daß er eine gute Kenntnis der Entwicklungsgeschichte unserer Kultur besitzt und zu der Hoffnung berechtigt, über ein gefestigtes Weltbild zu verfügen. An unseren Schulen ist mit dem Geschichts- auch der Geographieunterricht verbunden. Freilich umfaßt er nur eine sehr bescheidene Stundenzahl, eine Wochenstunde in einem Semester des Schuljahres. Durch den Versuchslehrplan für Geschichte trat eine Änderung ein. Der Geographieunterricht der Höheren Abteilung wurde auf den vierten Jahrgang beschränkt. In diesem Jahre wird ein Überblick über die wirtschaftlich wichtigsten Länder der Erde geboten. Sehr häufig ergibt sich die Möglichkeit. Verbindungen zu den technischen Fächern zu schaffen. Die Autoproduktion der USA wird genau so besprochen, wie die 28

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