80 Jahre Bundesgewerbeschule Steyr

überholungsbedürftige Elektromotoren und viele Teile, deren Namen wir nicht zu nennen wußten. Wir waren daher überrascht, als man uns sagte, daß von der Einlieferung einer Lokomotive bis zu dem Tag, an dem sie wieder mit eigener Kraft aus der Halle dampft, nur etwa vier Wochen vergehen. In den angrenzenden Werkstätten wurden auf großen Drehbänken Achsen und Radsätze abgedreht, die Zehntausende von Kilometern auf dem eisernen Band gerollt waren. Staunend sahen wir, wie neue Radkränze, von brausenden Gasflammen erhitzt, scheinbar mühelos auf die Räder gebracht wurden, um gleich darauf unverrückbar festzusitzen. Dort lagen mächtige Zahnräder, Kuppelstangen und Lager, die zum Einbau bereit lagen. In der Elektrowerkstatte wurden Motoren gewickelt, Apparate und Schalter repariert oder ausgetauscht. Nur zu rasch verflogen die Stunden. Müde vom Schauen begrüßten wir die Mittagspause und stärkten uns in der Werkskantine mit einem Mahl. Dann aber kam das wohl eindrucksvollste Erlebnis! Eine der modernsten Elektrolokomotiven Österreichs war zur Abnahme bereitgestellt und wir durften an einer kurzen Probefahrt teilnehmen. Da stand sie also vor uns auf dem Werksgeleise, wuchtig und imponierend. 2000 PS wird sie aufnehmen und mit 140km/h dahineilen; wir glaubten es ihr ohne weiteres. Unter der Führung eines Werksingenieurs erkletterten wir sie. Achtzehn Mann hoch drängten wir uns auf dem Führerstand und im engen Gang zum Maschinenraum und verfolgten mit Spannung, wie unter der kundigen I land des Ingenieurs der Koloß Leben bekam. Mit dem Anlegen der Stromabnehmer an den Fahrdraht begannen die Zeiger der vielen Meßinstrumente zu schwingen, die Lüftermotoren brummten auf, Schaltschützen knatterten und jeder von uns fühlte die von schwacher Menschenhand gebändigte Kraft durch den mächtigen Körper der Maschine pulsen. Mögen auch viele von uns bedauert haben, daß auf dem Werksgeleise der Zeiger des Geschwindigkeitsmessers die lOOkm-Grenze nicht überschreiten durfte, so war doch die kurze Fahrt hochinteressant. Die zahlreichen Sicherheitseinrichtungen, die das Überfahren der Blockstellen durch Signale anzeigen, die komplizierte Druckluftbremsanlage und vor allem die automatische Fahrstufenschaltung, die die gewaltige Zugkraft und die Geschwindigkeit der Maschine fast unabhängig vom Fahrer regelt, waren deutlich zu beobachten. Gerne wären wir noch weitergefahren, aber die zweite Gruppe wartete, und wir mußten ja auch wieder an die Heimfahrt denken. Noch einmal führte uns der Weg durch die große Halle und da — wie konnten wir sie am Vormittag übersehen haben — da hing sie ja! Wuchtig und schwer an dem großen Laufkran, die Gälische Kette! 80 Tonnen Tragkraft verkündete die Aufschrift. Ist es doch ihre Aufgabe, die schweren Kessel oder gar ganze Lokomotiven von ihren Standplätzen zu heben und auf die vorbereiteten Radsätze zu senken. Und so schließt sich nun die Kette. Die Kette der Erinnerung, die uns zurückführt zu Stunden, in denen wir unser Wissen durch Anschauung bereichern konnten, und die Kette, die die Schulstube verbindet mit jener Welt, der unser Studium gilt, der Welt der Technik! Prof. Dipl.-Ing, Franz Höchsniann SCHULJUGEND UND MUSIK Bis auf den letzten Platz ist der große Saal im Volkskino Steyr besetzt. Keine Kinovorstellung erwartet uns, sondern ein Festkonzert des BrucknerBundes. Schon haben die Musiker ihre Plätze eingenommen, und das festlich gekleidete Publikum wartet gespannt auf das Erscheinen des Dirigenten. Kein geringerer als Generalmusikdirektor Dr. Volkmar Andreae, der international berühmte Bruckner-Dirigent, betritt das Podium. Kaum ist der Bcgrüßungs- applaus vorbei, schweben die ersten Töne der Musik durch den Raum. Mit hinreißendem jugendlichen Schwünge führt Andreae seine Musiker — es ist das fast 70 Mann starke Orchester der Wiener Symphoniker —, die den überwältigenden Bau der 7. Symphonie Anton Bruckners mit ihrer herrlichen Klangfülle in meisterhafter Vollendung wiedergeben. Der jubelnde Beifall am Schluß gilt im gleichen Maße dem Orchester wie dem Dirigenten, der cs sich zur Aufgabe gestellt hat, die Musik unseres Öberösterreichischen Meisters populär zu machen. Als Ehrenobmann der rührigen Steyrer Ortsgruppe hatte er das Konzert unentgeltlich — und frei aus dem Gedächtnis — geleitet. Mit Genugtuung vermerkte man die zahlreich vertretenen .Jugendlichen unter den Zuhörern. Kann denn Bruckners Musik heutigen jungen Menschen etwas bedeuten? Vielleicht Studenten des Realgymnasiums, ilas ja auch Musikfächer hat, aber haben Schüler einer technischen und gewerblichen Schule Zeit und Interesse für „schwere“ Musik? Die Schüler unserer Anstalt haben die Frage mit Ja beantwortet. Enthält doch der Lehrplan dieser Schule neben den technischen auch zahlreiche allgemeinbildende Fächer (dies gilt besonders für die beiden I löheren Abteilungen), deren Aufgabe es nicht zuletzt ist, die Jugend auch für das Kulturleben zu interessieren und sie zu Theater- und Konzertbesuch anzuregen. Hier hilft der Bruckner-Bund tatkräftig mit. Jedes Jahr wirbt er durch seine Vertreter an den Mittelschulen für den Beitritt. Den Jahresbeitrag von 2 Schilling kann wohl auch der bedürftigste Schüler leicht aufbringen. Damit erwirbt er die Mitgliedschaft einer Vereinigung, die bestrebt ist, dem Lebenswerk Anton Bruckners allgemeine Verbreitung und Anerkennung zu verschaffen, und fördert somit die Bestrebungen, eines der wertvollsten Kulturgüter Österreichs, seine Musik, zu erhalten. Außerdem können Schüler-Mitglieder bei allen Veranstaltungen des Bruckner-Bundes in Steyr ganz bedeutend ermäßigte Eintrittskarten beziehen, sodaß der Mitgliedsbeitrag schon bei einem einzigen Konzert hereingebracht wird. Der Bruckner-Bund verdient also an diesen Mitgliedsbeiträgen gar nichts, im Gegen59

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