Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

VOLKSKULTUR IN OBERÖSTERREICH Dr. Gilbert Trathnigg Volkstümliches Kunsthandwerk Thema des Sommerhefles 1967: Landschaft Oberösterreich Karoline ]anik Das Lied der Erntekränze (Gedicht) Dr. Helmuth Huemer Lebendige Volkskunst in Oberösterreich Prof. Karl Magnus Klier t Vom Volkslied in Oberösterreich Prof. Adolf Ruttner Das Seitelpfeifen im Salzkammergut Dr. Karl Haiding Oberösterreich — Land der Mörchen und Schwönke St. Florian von einer Haussegen truhe. Lambach-Gunskirchen, um 1790, Oö. Landesmuseum. Die Klischee unterlage stellte über Vermittlung von Dr. Franz Lipp freundlicherweise die österreichische StickstoffwerkeAG. aus ihrem Kalender für 1966 zur Verfügung. Farbfoto: Werksfotograf Kurt Roithner. Dr. Franz Lipp Bauernburgen — Von Haus und Hof oberösterreichischer Bauern Abb. auf S. 1: In Erwartung der fest lichen Zeit. Foto: Friedrich Muhr. Dr. Franz Lipp Von Gimpelbetten, Meisentruhen und Nußhöherkösten Dr. Hans Commenda Vergleichende Volkskunde der oberösterreichischen Stödte Prof. Otfried Kastner Bei den Löffelschnitzern und Loahmmandlmachern Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel OBERÖSTERREICH Halbjahreszeitschrift — Kunst, Geschichte, Landschaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr, 16. Jahrgang, Heft 3/4, Winter 1966/67. Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; verant wortlich für den Inhalt im Sinne des Presse gesetzes: Dr. Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: Ober österreichischer Landesverlag, Linz. Einzelverkauispreis: 8 28.—, Jahresabonnement für 2 Hofte S 48.— exkl. Porto.

Gilbert Trathnigg Volkstümliches Kunsthandwerk Sämtliche Aufnahmen: M. Eiersebner Im Landwirtschaftsmuseum in Weis befinden sich zwei Schlittenköpfe, die unser besonderes Interesse beanspruchen dürfen. Einer von ihnen stellt einen Löwenkopf dar und hat größte Ähnlichkeit mit einem römischen Löwenkopf aus Ton, der sich im Stadtmuseum befindet. Der andere hingegen hat unverkennbare Ähnlichkeit mit einem Tierkopf vom Osebergschiff. Beide sind aber in einer Zeit geschnitzt worden, in der die zum Vergleich herangezogenen Fundstücke noch lange nicht bekannt waren. Die stilistische Gegensätzlichkeit der beiden Schnitzwerke weist auf die beiden Pole hin, die unsere ganze Kultur neben dem Christentum stark beherr schen: Äntike und Germanentum. Sie beeindrucken deshalb so stark, weil sie nicht Werke der Kunst, sondern des Kunst handwerkes sind und zwar eines Kunsthandwerkes volks tümlicher Prägung, dessen Triebkraft das Bestreben war, die Geräte durch Form und Verzierung zu schmücken. Die Gren zen zwischen der Volkskunst und dem volkstümlichen Kunst handwerk klar und deutlich zu ziehen, ist schwer, weil sie gleitend sind. Vielleicht kann man für letzteres das Erlern bare, das Ärbeiten mit traditionsgebundenen Formen und Zieraten als Merkmale besonders herausstellen. Wie in uralten Vorstellungen verhaftete Formen sein kön nen, zeigen etwa in großer Fülle die Gebildbrote, die aus freier Hand geformt und zu bestimmten Festzeiten gebacken werden. Obwohl Brot vergänglich ist, von vornherein nicht auf Dauer berechnet, leben hier die alten Formen zum Teil bis zur Gegenwart fort. Das Älter durch Entwicklungsreihen erhaltener Brote nachzuweisen, ist nicht möglich. Bildnerische Darstellungen auf Zeichnungen, Bildwerken und gelegentlich sogar in Stein gemeißelt — so auf dem Grabstein des Welser Bäckermeisters Wolfgang Hefftner (gest. 1655) — führen einige Jahrhunderte zurück. Dann bleibt aber nur mehr der Vergleich mit Sinnbildformen, die in anderen Zusammen hängen überliefert sind. Daß trotz dieser Lücke ein Verbin den dieser und jener Formen möglich ist, zeigt sich, wenn man den Zeitpunkt untersucht, zu dem diese Brote gebacken werden, und wenn man den Sinngehalt der einzelnen For men herausarbeitet. Hier läßt sich nun vielfach nachweisen, daß der Anlaß, zu dem der Sinngehalt der Symbolformen paßt, in der vorchristlichen Zeit verankert ist und daß christ liche Festzeiten sie überlagert haben. Obwohl der ursprüng liche Anlaß früh vergessen wurde und zum Teil sogar eine Besonders reich verzierte Hconzibank mit Pferdekopf-Kiemmkopf im Landwirtschaftsmuseum Weis.

mmmß:mm » ■ m ■•» Ä■i^(i :.' 1'* s ■ ■« ■■ ^1 % ^m'* t~y- •i> ■ ■ * » Ni,^ > %\ SS?:" . «TS

Verbindung mit dem christlichen Volksglauben hergestellt werden konnte, haben sich auch Weiterentwicklungen erge ben, die neue Formen einführten, doch aus den Geist der alten Tradition erwachsen sind. Gerade in Oberösterreich sind wir durch die Sammel- und Forschungstätigkeit von Univ.-Dozent Dr. Ernst Burgstaller über die Gebildbrote sehr gut unterrichtet. Greifen wir nun die Gebildbrotformen der Nikolaus- oder Krampuszeit heraus, so müssen wir daran denken, daß diese Tage besonders reich sind an christlich geformten Bräuchen des Advent- und Weih nachtskreises, daß daneben Vorstellungen und Bräuche des Jahreswechsels hereinspielen und letztlich eine Schichte älterer Bräuche, die mit einem Mittwinternachtsfest verbunden waren, erhalten blieb. In diesem zunächst nicht christlichen Brauch tum spielt der Gedanke an das kommende Jahr, an seine Fruchtbarkeit in allen Bereichen der Natur und an die Sonne, die gleichsam wiedergeboren neue Kraft gewinnt, eine be sondere Rolle. So werden zu Krampus vielfach ganze Grup pen von Tieren gebacken, wobei darauf geachtet wird, daß die eine Hälfte weibliche, die andere männliche Tiere zeigt. Daneben treten einerseits die Taschen, andererseits die Boh rer und die jüngeren Pfeifen und Revolver. An die Zeit des Jahreswechsels gemahnen die alten Krampusformen. Da gibt es keine angesetzten Hörner, sondern der Kopf wird wie bei bronzezeitlichen Göttergestalten, die wir von Felszeich nungen kennen, gespalten. Die Haltung der Arme entspricht den Jahreszeitenmännchen, die als Sinnbild der Jahresmitte die Arme in die Hüfte stützen oder einen Arm heben und den anderen senken. Im absteigenden Jahr senken, im aufstei genden heben sie die Arme. Das sind die Gestalten, die vor dem Aufkommen des Krampus mit Kette und aufgesetzten Hörnern brauchtumsüblich waren. Dieser ist erst jung und noch später kommen die Nikolausformen auf. Dies läßt sich auch bei der Untersuchung der Lebzeltformen zeigen. Ausgesprochene Formen des Jahreswechsels sind Spiralengebäcke, die aus Doppelspiralen zusammengesetzt werden und in den reicheren Ausbildungen an die Verzierung bronze zeitlicher Gürtelbecken erinnern. Auch bei den Lebzeltformen stehen neben Beispielen, die auf barocke Vorlagen zurück gehen oder die Hand eines Künstlers verraten, andere, die dem Jahresbrauchtum oder besonderen Festzeiten im mensch lichen Leben entsprechen. Ls sind dies nicht die reichen und prachtvollen Formen, die vielfach besonders gern gezeigt werden, sondern einfachere, die oft auch alle Merkmale des häufigen Gebrauches an sich tragen. Fische, auch als Zeilenge bäck, wurden zu Neujahr gebacken, runde Zeitin zu Sil vester, Herzen als Patengeschenke zu Weihnachten. Line geringere Rolle spielten die vorweihnachtlichen Reiter oder ledigen Pferde. Den größten Formenreichtum weisen aber die Lebzelten auf, die sich verliebte Leute schenkten. Herzen aller Größen mit den verschiedensten Verzierungen, die nur Schmuck, zum Teil jedoch auch Ausdruck der verschiedensten Wünsche waren, standen ebenso zur Verfügung wie Täfelchen und Linzelfiguren, die wohl dazu geeignet sein konnten, spätere Liebesbriefe zu ersetzen. Und Jungverheiratete erfreute man nur zu gern mit Wickelkindern, die auch als Zwillinge oder als Zeilengebäck mit sechs oder zwölf Stück ausgeführt wurden. Neben der Lebzelterei standen immer die Wachszieherei und der Wachsguß in Modeln. Die Wachszieherarbeiten reichen von den einfachen Wicklungen, die nur für den Gebrauch bestimmt sind, bis zu kunstvollen Schlingformen, die feines handwerkliches Können und viel Geschmack verraten. Sie entwickeln sich aus den Möglichkeiten des Materials, das etwa so stark wie eine Schnur oder gar wie ein Kleinfinger sein kann. Nur durch die Wachsmalerei, die meist auf altes For mengut aufbaut, stoßen diese Erzeugnisse gelegentlich über unseren Bereich hinaus. In der Hauptsache sind es buchMi Formen der Wikingerzeit werden in diesem Tierkopf, in den beide Kufen eines alten Goßischlittens enden, wieder lebendig. Exponat aus dem Landwirtschaftsmuseum Wels. oder ringartige Formen, die für sich allein, oder durch Malerei verziert, das Herz des Besuchers erfreuen. Weniger stark treten beim Wachsguß von Votiven Formen hervor, die für jeden mit einigem Geschick begabten Hand werker erlernbar waren. Hier haben die künstlerischen Formen die einfacheren verdrängt. Ls liegt ja im Wesen der Opfergäbe, daß man das Beste, was man erreichen konnte, erwarb. Und doch stehen auch die schönen Formen der Votive weitgehend im Bereich alter Tradition. Herz, Ohren, Brust und Kröte (für die weiblichen Organe), Wickelkind, Mann und Frau, Arme und Beine, Pferd und Kuh sind die überwiegenden Grundformen gemäß den Wünschen, die man an die Heiligen herantrug. Die Bindung an die alte Tradition ist fühlbar — wer vermag zu sagen, wie alt sie ist. Bei den Gebildbroten wie bei den Opfergaben aus Wachs waren es die reinen Formen der Gestalt, die das Linzelstück auszeichnen. Beim Lebzelt tritt zu der besonderen Gestalt bereits die Verzierung, die zwar zum Teil in althergebrachten

mr':■■■■ »«■>■•■ I- <» < IWSlI r ( I I i i ; Windbreit mit Sonnwenddarstellung Im Doppelkreis, außen vier Dreisprosse, In Pichl bei Wels. Bahnen läuft, daneben aber doch immer wieder Neues ver sucht, angeregt durch Beispiele des städtischen Kunstge werbes. Gleiches gilt für die Wachszieherarbeiten. Beide sind Grenz gebiet, bei dem zwischen Gebundenheit an altes Herkommen und ständiger Neuentwicklung nicht leicht zu unterscheiden ist. Dies läßt sich auch von den Arbeiten der Hafner sagen, etwa von einzelnen Kachelformen sowie Krügen und Tellern. Überwiegend gehören auf diesem Gebiet die schöneren, be malten Stücke bereits der Volkskunst oder einem eigenen Springender Hirsch mit Rübe, Hafnerel WIesInger In Wels. Exponat aus dem Landwirtschaftsmuseum Wels. i.i f*". Handwerk städtischer Prägung an. Die geflammten oder einfärbig glasierten Stücke, die Arbeiten der Schwarzhafner zeigen in der Gestaltung jeder einzelnen Gefäßform deutlich das Bestreben, nicht nur zweckmäßig, sondern auch schön zu sein. Selbstverständlich fehlt es nicht an Entwicklungszu sammenhängen, die deutlich fühlbar sind. Wer sich mit römischen und frühgeschichtlichen Tongefäßen näher beschäftigt hat, findet immer wieder überraschende Parallelen. So greifbar diese Zusammenhänge aber auch erscheinen, sie sind nur erfühlt und noch nicht durch entsprechende Unter suchungen bewiesen. Die Kacheln mit vorgesetzter Zierplatte beginnen erst im ausgehenden Mittelalter und erreichen ihre erste Blüte in der Renaissancezeit. Sie gehören nur zu einem Bruchteil dem bäuerlichen Lebenskreis an. So nimmt es nicht Wunder, wenn die Verzierungen nur selten auf Motive zurückgehen, die hier einzureihen wären, etwa aus der Volkserzählung oder Blumenmotive. Ähnlich weit gespannt sind die Motive der Malerei auf Bauernmöbel. Welch Unterschied besteht etwa zwischen einer Vorform der Eferdinger und einer Florianer Truhe! Aber gerade die älteren Truhen zeigen wieder, wie zunächst Motive aus der alten Uberlieferung kommen und weiter verwendet werden, wie sie der Staubmalerei auf Scheunentoren nahestehen: Kreise, die durch alte Ornamentik oder Sinnbilder gefüllt werden, Ranken, die sich aus dem alten Dreisproß entwickeln oder aus dem Lebensbaum, und die immer wiederkehrende Verbindung von Gefäßen mit dem Lebensbaum. Die Weiterentwicklung läßt auf lange Strecken die Herkunft erkennen, führt aber über den skizzier ten Bereich hinaus. Auch das zunächst einfache Gefäß mit Blumen zeigt deut liche Veränderungen, die durch die barocke Verwendung von Maikrügen in Kirchen als Altarschmuck beeinflußt wurden. Diese Maikrüge, die nach Ausweis von Lichtamtsrechnungen auch bei uns bekannt und verwendet wurden, sind vielfach von Bildhauern aus Holz angefertigt worden und wurden mit künstlichen Blumensträußen versehen. Diese Art der Maikrüge ist von anderen, die den gleichen Namen führten, aber als Schmuck einen aufgemalten Blumenstrauß zeigten, zu unterscheiden. A. Haberlands Meinung, daß sie nur für Marienbilder oder Marienaltäre gebraucht wurden, schränkt ihre Verwendung zu sehr ein; soweit mir Quellen bekannt sind, handelt es sich eher um einen allgemeinen Altarschmuck. Die Verzierung der Staubläden, der Fensterläden und teil weise auch der Fensterstöcke sowie der Scheunentore zeigt hingegen deutlich, wie der Zimmermann und seine Helfer sich bemühten, ihre Arbeit mit den bescheideneren Möglich keiten, die ihnen zur Verfügung standen, zu schmücken. Hier sind es die alten Sinnbilder, die immer wieder verwendet werden. Zum Teil wurden sie ornamental weiterentwickelt und mit neuen Formen, die aus Gegebenheiten der neueren Zeit entstanden sind, verbunden. Dazu treten Ornamente, wie etwa die Zirkelschlagbänder auf den Scheunentoren und andere vereinzelte Formen. Bei Staubläden treten als Füllung auch Sprüche auf, die auf den langen, schmalen Feldern ihren Platz hatten. Leider sind die Beispiele dafür immer seltener zu finden. Die Verwitterung sorgt bei Altbeständen dafür, daß die Farben verblassen und schadhafte Bretter ausgewechselt werden müssen. Wo es notwendig ist, den alten Bau zu erneuern, verschwinden sie vollständig aus dem Landschaftsbild und man muß froh sein, daß sie wenigstens zu einem bescheidenen Teil in Museen Platz finden. Der Zug zur reinen Zweckform wird immer stärker. Den Beginn dieser Entwicklung darf man wohl mit den Auswirkungen der Aufklä rung und des Josefinismus auf dem flachen Land gleichsetzen. Aus der Himmelsleiter, die aus zusammengesetzten Doppel spiralen besteht, wird bei den Gebildbroten die einfache Leiterform, die zwar dem Namen des Gebäckes, aber nicht

w: 1 Nikolausgebäcke: Hahn, Hirsch, Reh und Hasen. Gebildbrotsammlung Dozent Dr. Ernst Burgstaller im Burgmuseum Weis.

mehr seinem Sinngehalt entspricht, der durch das Aneinan derreihen von einem Jahressymbol an das andere ausdrücken wollte, wie die wachsende Zahl der Jahre den Menschen zum Himmel, in das Jenseits führt. Und so verblaßt die lebendige Bedeutung der Sinnbilder, die Schutz gewähren oder die Erfüllung der guten Wünsche für das Leben des einzelnen, wie für den Jahresablauf fördern oder sichern sollten. Der Übergang zum reinen Ornament und der Verlust der Erinne rung an das eigentliche Wesen dieses Schmuckes führen, sobald auch äußere Einflüsse auf die Beschränkung zum Notwendigen hindrängen, zur Aufgabe der alten Übung, Flächen zu schmücken. Nur vereinzelt werden hier und da solche Traditionen weitergepflegt oder gar wieder neu auf genommen. Die Verbundenheit zwischen Mensch und Arbeit und seinem Arbeitsgerät hat in frühester Zeit auch immer wieder dazu geführt, sogar die Werkzeuge zu schmücken, soweit ihre zweckmäßige Form es eben zuließ. Egge und Pflug, Schollenschlägel, Sichel und Sense waren dafür natürlich wenig geeignet. Der Wetzsteinkumpf wurde jedoch bereits hier und da verziert. Gebiete, in denen viel und gern geschnitzt wurde, haben es zu schönen Formen gebracht. Tirol bietet hier vielleicht die besten Beispiele. Aber auch der Hornkumpf wurde wenigstens zum Teil mit feinen Ritzungen verziert, oder man versuchte seine Form zu ver schönern. Besonders beliebt war es, die Heinzelbank zu schmücken, die dem Mann, der daheim mit dem Reifmesser werkte, eine wertvolle Hilfe war. Schon die Form des Kopfes, mit dem das Werkstück gegen ein Widerlager gedrückt wird, zeigt neben einfachen Ausbildungen, die entweder gerundet oder aus abgeschrägten Flächen zusammengesetzt sind, gar nicht so selten die Gestalt eines menschlichen Kopfes oder eines Pferdeschädels. Eingeschnitzte Linien und Ornamente, zum Teil auch Sinnbilder, schmücken die Seitenflächen. Da die Flächen verhältnismäßig klein sind, ergab sich freilich nicht die Möglichkeit, wie sie etwa die Mangelbretter hatten, mit denen man kleinere Wäschestücke mit Hilfe einer hölzernen Walze rollte. Dort konnte sich die Freude am Schmücken vielfältiger auswirken. Seltener finden sich hingegen Verzierungen an der Werk zeugtragen für die Handwerker, die zu den Bauern auf Arbeit kamen. Aber auch da gibt es einige köstliche Bei spiele, wie etwa eine Zimmermannskraxe, die Sonnenwirbel Zimmermannstrage mit Kerbschnittverzierung: Sonnenwirbel und Sechsstern. Landwirtschaftsmuseum Wels.

iSÄ i# mmSm Gebäckformen vom Grabstein des Welser Bäckermeisters Wolfgang Hefftner (gest.1655), aufgestellt im Stadtmuseum Wels. M ife-J und Sechsstern zeigt, in Form und Technik völkerwanderungs zeitlichen Gegenstücken völlig gleich. Ebenso zeigen die Querbalken der Spindelpressen vielfältigen Schmuck: Zweige, die ihre Herkunft von Lebensbaumformen nicht verleugnen können, Sonnenwirbel, Fische, Initialen und geschnitzte Sprüche. Auch die Spindel des Walzels, an der die granitene Scheibe befestigt ist, die im runden Trog sich drehte, um das Most obst zu zerquetschen, ist kein runder Stamm, sondern wurde zu einer Säule mit mehr oder minder reichen Formen aus gearbeitet, die vielfach auch noch färbigen Schmuck zeigen. Besondere Sorgfalt wurde den Schlitten zugewendet. Abfas sungen der geschwungenen Streben, meist noch färbig abge setzt, zieren Pendel- und Gaßlschlitten. Der Korb der Pendel schlitten zeigt vor allem an der Rückseite geschmackvolle Verzierungen in Malerei. Bei den aus Spänen geflochtenen Körben sind die Eisenbänder in der Mitte der Rückwand mit einer geschmiedeten Rose oder Rosette geschmückt, wäh rend die anderen Eisenteile durch Windungen und Drehun gen oder durch Kerben und Tupfen verziert wurden. Die besondere Liebe galt jedoch den Schlittenköpfen. Von gedreh ten Knäufen über Soldatenköpfe bis zu Tierfiguren und -köpfen reicht der Spielraum mit einer großen Variations breite der Formen, die neben altem Herkommen auch große Erfindungsfreude erweisen. Natürlich wurden gerade die Schlittenköpfe besonders schön in Farben gefaßt oder sogar vergoldet. Die Freude an der Gestaltung im Schnitzen findet sich im Hausbau wieder. Die Balkenenden, die als menschliche Masken oder als Pferdeköpfe ausgearbeitet wurden, zeigen im allge meinen flächige und gröbere Formen. Viel mehr Feinheiten finden sich an den Rüstbäumen der Stubendecken, die durch

Links oben: Kuh mit Kälbchen. Votivgabe, obere Hälfte der Wachsgußmodei und Wechsabguß. Exponat aus der Kondi torei Urbann in Wels, derzeit im Burgmuseum Weis. Links unten: Pendelschlitten 1815 im Landwirtschaftsmuseum Weis. Die Rückseite ist durch Schnitzerei, farbige Fassung und schmiedeeisernen Zierat reich geschmückt. Rechts: Karikatur eines Nachtwächters. Lebzeltmodel der Welser Konditorei Urbann aus der Mitte des vorigen Jahr hunderts, Burgmuseum Weis. Rillen oder Absätze gegliedert und auf der Unterseite durch Schnörksel und einen Stab, der wie ein gedrehtes Seil geschnitzt ist, verziert wurden. Die Seiten zeigen außer den Initialen und Jahreszahlen vielfach Schmuck durch Sechs sternrosetten oder auch durch Wirbelsterne. Im Zusammenhang mit den Schlitten kann man bereits das Eisen in seiner Rolle als Zierde vorfinden. Tatsächlich war jedoch die Verwendung des Eisenbandes und der Eisenplatte für Schmuckzwecke äußerst vielfältig. Bei Traghölzern, die durch Eisenbänder verstärkt werden, sind diese Bänder viel fach mit Mustern aus Strichen oder Punkten verziert, die eingeschlagen wurden. Auch bei Türbeschlägen und bei den Platten der Türschlösser finden sich solche Verzierungen, wich tiger ist bei diesen aber die Formgebung, die durch Spiralen oder Blätter zu den Türbeschlägen überleitet. Der Schlüssel wirkt in seiner Formgebung vielfach ornamental; sowohl beim Bart als auch bei der Grifföse läßt sich dies beobachten. Reiche Möglichkeiten hat das Fenstergitter, dessen Stäbe sich kreuzen oder senkrecht durch Bänder oder Ringe ver bunden werden, wobei die Stäbe in den verschiedensten Formen enden können, von der Ausformung der Enden zu einer Spitze bis zu Blatt- oder Rankenmotiven. Andere Gitter zeigen kunstvoll gebogene Stäbe, die zusammengefügte Orna mente ergeben. Seltener sind Gitter erhalten, die Sinnbilder, wie etwa den Neidknoten, eingearbeitet haben. Unzweifelhaft einen Höhepunkt stellen jedoch die Türklopfer dar. Aus der einfachen Hammerform haben sich, je nach Landschaften verschieden, kunstvolle Gebilde entwickelt, die etwa in der Welser Gegend stärker auf Ornamentformen hinweisen, die aus dem Eisen herausgearbeitet sind, in anderen Landschaf ten, wie im Kremstal, aber vorwiegend Tierköpfe darstellen, wobei gebogene Hörner eine besondere Rolle spielen. Ehe das gußeiserne Kreuz, der Stein aus Kunst- und Natur stein den Grabhügel schmückte, standen dort das Holzkreuz oder das geschmiedete Eisenkreuz. Die Grundform des Kreu zes wurde nun auf die verschiedenste Art wiedergegeben, durch Ranken und Rosen aufgelockert und verziert. Barocke Formen wurden darüber hinaus durch Blechschnittfiguren be reichert, die bemalt waren. Von der großen Breite der Formen sind verhältnismäßig wenige Beispiele auf uns gekommen, an die nun einzelne Meister des Kunsthandwerkes anknüpfen. Eine besondere Art der Verzierung ihrer Erzeugnisse hatten die Binder. Sie nützten die Möglichkeit, verschiedenartiges Holz nebeneinander zu stellen, bei der Verfertigung kleinerer Gefäße und Schafferln bildnerisch aus. Sie handhabten aber auch mit großem Geschick Brenneisen und verzierten vielfach die Brautschafferl mit reichem Schmuck, der oft sinnbild hafte Züge trägt. Wir haben versucht, an Hand von einigen Beispielen einen Überblick darüber zu geben, wie einst Arbeitsgeräte, Erzeug nisse der Hausfrau oder der Handwerker im Dorf über die Zweckmäßigkeit der Form hinaus schön und reich geformt und verziert wurden, wobei wir die Weiterentwicklung zur eigentlichen Volkskunst abgrenzten, obwohl die Trennlinie nicht leicht zu ziehen ist. Die scharfe Abgrenzung von HandIW)' m'£ werk, Kunsthandwerk und Kunst war ja früheren Jahrhun derten fremd, sowohl in der Stadt wie auf dem Lande. Jeder begann als Handwerker und wie weit er sich dann emporarbeitete, war keine Frage einer gesonderten Ausbil dung, sondern seiner Begabung. Wie es besonderen Reiz besitzt, Werke großer Künstler zu betrachten, verhält es sich auch bei der Volkskunst. Ebenso wie man das städtische Handwerk und Kunsthandwerk und seine Erzeugnisse nicht übersehen soll, gilt dies auch für das volkstümliche Kunsthand werk und Handwerk. Beide Zweige sind nicht nur Vorstufen, sondern auch Träger einer Tradition, die in ihnen vielfach deutlicher auftritt, weil die Kraft oder auch Genialität des einzelnen fehlt, weil hier das Weiterschreiten in alten Bahnen eher gegeben war. Und noch eines ist zu bedenken: die Werke der wirklich genialen Meister waren immer nur einer verhältnismäßig kleinen Schicht zugänglich. Alle anderen Stände mußten sich mit dem begnügen, was der Durchschnitt ihnen bieten konnte. Wert oder Unwert der durchschnittlichen Leistungen entscheidet letzten Endes aber die Stellung der städtischen wie der ländlichen Kultur eines Landes, eines Zeitabschnittes.

p^i „Gumsen-Mandl", Strohpuppe mit Stoffresten bekleidet, aus dem Mühlviertier Heimathaus in Freistadt. Aufnahme; M. Eiersebner. .-M jÖQö tkh bei: Ömtefcänje ßacoUriE 7anlF I®eit08 £,anb im KeifEfclfnTimet:, bcin aud)une b'iE Oenfe üuotjt. 2lcl^, biß £.ECcl7En jubEln nimmEC, iinb biE 7flat)b micb balb jum 3cot. Iduc nad^ uns im OdKgEflimmcc fa^te nicbt bec bunfle TJob, uns allem, uns gcü^t nocb Immec $cül)llng8rdjem unb 7Flocgencot. i>cau^En bnlmen nun ble ©aaten, eine ungertüme $lut; üoll gebetmem i>cang ?um Leben, ob bec i^öinb aucb fcbmelgt unb cut)t. Unb nur einmal,tuenn bec ©d/öpfec Innig r^alm um !P)alm beftäubt, cubt bas nlmmecmöbe HJecben, mle üom eignen i>cang betäubt. Unb blemllbeWalenfonne fegnet bas bucdjfditüeilte 7tFteer, unb nadi fpleleclfdien HJogen trägt ülelleldit ein HJlnb 3egel)c, 25alb ecblüben 7Hol)n unb Kaben unb ecFUngt beclBadttelfdtlag. Unb fo reifen (le entgegen Ibrem lebten golbnen Uag. ^löeltes Lanb Im Örntefdpmmer, brln ble blanFe ©enfe brobt. 3dl, ble Lercben jubeln nimmer, unb ble Wlabb tolrb balb ?u ^rot. Flur ber ^ranjIm Llditgefllmmer Ift befreit uom bllnben Tfob unb erlebt aufs neue Immer ^rübllngsftbeln unb'?Horgenrot!

2 Schüsseln, vermutlich aus einer Steyrer Hafnerwerkstätte um 1700 mm 1 li dl MAX KISLINGER Alte bäuerliche Kunst 246 Seiten, 112 ganzseitige Bildtafeln, davon 40 Mehr farbentafeln, Ganzleinen band, mehrfarbiger Schutz umschlag, S 328.— Oberösterreichischer Landesverlag Linz I '^01 m

Oben: Kunst im Handwerk: „Knödelhäfen", wie es noch jetzt von einem Kupferschmied des Salzkammergutes erzeugt wird. Unten: Kunst im Handwerk: Hölzerner „Sechter", mit Holz reifen abgebunden,aus einer Binderei des Mühlviertels. Helmuth Huemer Lebendige Volkskunst in Oberösterreich Sämtliche Aufnahmen: M. Eiersebner Wie unser ganzes Zeitalter den Stempel des Überganges trägt, so auch die „lebendige Volkskunst" unserer Tage. Was früher organisch gewachsen und daher selbstverständ lich war, ist heute wurzellos oder bewufSt „erneuert", viel fach noch nicht genügend gefestigt und daher problema tisch. Grundsätzlich müssen wir uns, wenn wir von einer „leben digen Volkskunst" überhaupt zu sprechen wagen, von der assoziativen Vorstellung „Volkskunst" sei gleich „Bauern kunst" lösen (s. Karl v. Spieß, Bauernkunst), denn eine „Bauernkunst" gibt es nicht mehr, seitdem ihr Träger, der Bauernstand, von einer tiefgreifenden wirtschaftlichen und soziologischen Wandlung ergriffen ist. Wir sind in den letzten hundert Jahren von einem Agrarstaat, der seinen Ständen: Bauer, Bürger (Handwerker und Kaufleute), Adel und Geistlichkeit ein festes Gepräge hinsichtlich Religion, Wirtschaft und Lebensart gab, zu einem Industriestaat gewor den, der die alte ständische Gliederung des Volkes weit gehend aufgelöst hat und in dem die beiden größten Grup pen, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, den Ton angeben. Die Voraussetzungen für die „Volkskunst" unserer Tage sind also völlig andere als sie noch zu den Zeiten unserer Urgroßväter waren, andere hinsichtlich ihrer „Träger", also ihrer Hersteller (Erzeuger), und ihrer „Verbraucher" (Konsumenten). Vergegenwärtigen wir uns: Jede geistige und jede gegen ständliche Erscheinungsform des menschlichen Lebens braucht ihre bestimmten Voraussetzungen, die bereits die Art, in der diese Äußerung erfolgen kann, in einem gewissen Maße vorherbestimmt. Wie sah nun die Situation aus, die unserer alten „klassischen" Volkskunst vom ausgehenden Mittel alter bis zur zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts ihr Gepräge gab? 1. Die Verbraucher (Konsumenten) waren die Bauern auf dem Lande und die Handwerker in den (vom bäuerlichen Element geprägten) Märkten und Städten. Zahlenmäßig hatten diese Bevölkerungsteile das Übergewicht, einkom mensmäßig lagen sie durchwegs (mit Ausnahmen) unter dem Niveau der Handelsherren, Adeligen und der (höheren) Geistlichkeit. Soziale Unterschiede waren bei den Bauern und Handwerkern natürlich vorhanden, die damaligen Arbeit nehmer lebten aber im Familienverband ihrer Dienstgeber, Herren und Knechte hatten die gleiche Denkungsart, sie hatten eine weitgehend gleiche Bildung und gleiche Kultur bedürfnisse. Ein „Streik" der Knechte und Mägde gegen ihren Bauern oder ein solcher der Handwerksburschen gegen ihren Meister wäre nicht denkbar gewesen, wohl aber ein Kampf des ganzen Standes (also Bauern mit ihren Knech ten) gegen einen höheren (Adeligen und Herren) um soziale Besserstellung. Das geistige Leben wurde einerseits von der christlichen Religion bestimmt, andererseits waren nachhaltend starke Glaubensvorstellungen aus der heidnischen Zeit vorhanden, die neben dem Christentum, mit einem christlichen Mäntelchen leicht verhüllt, weiterlebten. Außerdem: Je unverbildeter ein Mensch oder eine ganze Volksgruppe ist, desto größer ist seine bzw. ihre Freude an naiven, leicht erfaßlichen Darstellungen (Kinder, unterentwickelte Völker) und je nach Temperament und anderen Gegebenheiten auch die Freude am Glitzernden und an der Farbe.

A # I I H 1 r I f»«l! 1 Ii Die Erneuerung unserer ländlichen Wohnkultur gehört zu den wichtigsten Anliegen der Volkskuiturpflege. Unsere Abb. zeigt ein gemütliches Wohnzimmer, das von Frau GretI Rienmüller im Oö. Heimatwerk gestaitet wurde. Als weitere Faktoren, die sich auf das Gepräge der alten Volkskunst ausgewirkt haben, mögen noch angeführt werden der jedem Menschen innewohnende Nachahmungstrieb und seine Geltungssucht, die ihm jeweils die Lebensform des nächsthöheren Standes erstrebenswert scheinen lassen, sowie konkrete Verordnungen von Seiten der kirchlichen und welt lichen Obrigkeit (z. B. Kleidervorschriften). Wesentlich hieher gehört auch die autarke bäuerliche Wirtschaftsform, das Leben, das sich von der Kindheit bis zum Tode in der geschlossenen Gemeinschaft der Familie, des Hofes und des Dorfes erfüllte. Nur das Wandern der Handwerksburschen brachte eine kleine Auflockerung und setzte in der Volks kunst reizvolle Glanzlichter, die den Norden mit dem Süden und den Westen mit dem Osten eines Kulturkreises ver banden. Es gab also keine störenden Einflüsse, die ständig zersetzend auf die Gemeinschaft einwirkten. In sachlicher Hinsicht umfaßte die Volkskunst das ganze einfache Leben dieser ebenso einfachen Menschen, sie war meist reine Dekorationskunst und diente zur Verzierung aller Gerätschaften, der kultischen und profanen, des Hauses und der Kleidung, die den Menschen von der Wiege bis zum Grabe umgaben. Sie ist funktionsgebunden, unpersön lich und wollte zunächst gar keine „Kunst" sein! Ihre Formen sprache ist durch eine lange Überlieferung fest geprägt. Neues wird entweder in das Alte organisch eingebaut oder abgestoßen. Gehen wir einmal durch die volkskundlichen Schauräume des Schloßmuseums in Linz! Wir sehen hier. rückblickend, eine Summe von verschiedenartigen Objekten aus vielen Jahrhunderten, und doch können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, daß wir etwas Geschlossenes, etwas Ganzes vor uns haben, das innerlich durch ein starkes gei stiges Band verbunden ist. 2. Die Hersteller (Erzeuger) waren zunächst alle Angehörige der bäuerlichen Lebensgemeinschaft. Die Männer fertigten ihre Geräte selbst und verzierten diese aus Schmucktrieb mit einfachen Ornamenten oder versahen sie mit Heils- und Schutzzeichen aus dem christlichen und heidnischen Formen schatz. Die Burschen schnitzten ihren Mädchen kleine Schmucktruhen, ihren Bräuten zierliche Spinnrocken und Mangelbretter, die sie häufig überreich mit Schuppen, Sonnen wirbeln und anderen überlieferten Formen in Kerbschnitt technik verzierten. Sogar Töpferwaren, Korbgeflechte und Textilien wurden im autarken Bauernhof selbst hergestellt und verziert. Dazu brauchte man natürlich Zeit, viel Zeit und eine geschlossene Gemeinschaft, die wieder anspornend auf das Zustandekommen besonders schöner Stücke wirkte. Die Mädchen und Frauen verwendeten ihr ganzes Können auf das Besticken ihrer Hauswäsche und ihrer Kleidung und halfen mit ihren zarteren Händen oftmals nach, um dem groben männlichen Werkstück die richtige Auszier in Farbe und Zeichnung zu geben. In weiterer Folge und vor allem dort, wo der Ertrag der Landwirtschaft nicht ausreichte, die Familie zu ernähren, fertigte das ländliche bäuerliche Hausgewerbe Gerätschaften

an, die durch die Art ihrer Ausgestaltung zur Volkskunst zählen. Sachlich gehören in Oberösterreich hiehier; Flechtwaren aus Weide und Stroh, Strickereien, Stickereien, Töpferwaren, Geräte und Spielzeug aus Holz. Als dritte und letzte große Gruppe treten die Handwerker in den Kreis der Erzeuger von Gegenständen der Volkskunst. Die Verarbeitung des Eisens sowie der anderen Metalle, wie Zinn, Kupfer, Silber, war von jeher Spezialisten vorbe halten, den Schmieden, Schlossern (Messerern), Zinngießern, Kupfer- und Silberschmieden. In den Kreis unserer Betrach tung gehören ferner noch als wichtigste Handwerkszweige: die Zimmerleute, Tischler, Wagner, Binder, Drechsler und Schnitzer, die Handweber (vorwiegend bäuerliches Haus gewerbe), Färber und Blaudrucker, die Schneider, die Töpfer (Gefäß- und Ofenkeramiker), die Sattler und Tapezierer. Der Vollständigkeit halber seien noch die vorindustriellen Arbeiter der oberösterreichischen Glasmanufakturen (Schncegattern, Freudenthal etc.) erwähnt, die zwar hübsche bemalte und geschliffene Hohlgläser herstellten, aber infolge ihrer geringen Anzahl nicht zur soziologischen Auswirkung kamen. Wesentlich ist: Die Erzeuger von Gegenständen der Volks kunst waren „identisch" mit den Konsumenten, sie ent stammten einer Familie, hatten die gleichen Lebensbedingun gen, die gleiche Bildung, die gleiche Religion, und sie ver standen alle die Bedeutung der im Ornament aufgelösten magischen Sinnbilder. Sie wollten keine „Kunst" schaffen, sie freuten sich lediglich an der Verzierung und traten auch dann namenlos hinter ihr Werkstück zurück, wenn ihnen ein „großer Wurf" gelang, ja sie ahnten dies nicht einmal, weil ihnen ihre Arbeit immer noch klein im Vergleich zu den von ihnen nachgeahmten Vorbildern der „Oberschicht" erschien. Die bäuerliche Gruppe dieser Erzeuger stellte gleichzeitig das statische Element, während die Handwerker durchaus bemüht waren, ihr Angebot dynamisch aufzulockern, doch immer so, daß sie das Neue, Modische so gut wie möglich mit dem Alten, bereits Bekannten verbanden, um ihre Kundschaft einerseits zum Kauf bzw. zur Auftragserteilung zu reizen. andererseits war man um den Ausgleich bemüht, da man sich durch schockartige Wirkungen auf den Kunden das Geschäft nicht verderben wollte (es gab damals noch keine staatlichen Subventionen). Erstaunlich ist aber, was dabei herauskam. Man denke nur an die Pagodenschränke des Tischlers im Moos, an die gewiß ungarisch beeinflußte rosa Malerei der Regauer Vogerlkästen und an die schwarzen Lackarbeiten der Viechtauer! So steht nun die Volkskunst Oberösterreichs in den vergan genen Jahrhunderten vor uns als eine geistige, weitgehend in sich geschlossene Einheit mit den vielfältigsten, oftmals reichlich gewagten Variationen, die alle wieder eines gemein sam haben,nämlich, daß sie vom Ursprung her „echt" sind. Die Entwicklung der letzten hundert Jahre wollen wir über gehen, da sie vom Niedergang und von den Umwälzungen, die das Industriezeitalter mit sich gebracht hat, bestimmt war. Wir wenden uns daher dem Schicksal der Volkskunst nach dem zweiten Weltkrieg zu und wollen dabei die Situation in Oberösterreich besonders berücksichtigen. (In diesem Zu sammenhang verweise ich auf meinen Aufsatz: Oberöster reichs Volkskunst in Vergangenheit und Gegenwart. Eine Studie. In „Oberösterreich", Jg. 11/1961, Heft 1,S 75 ff.) Unser Bundesland ist gegenwärtig führend in der Herstellung von Gegenständen der Volkskunst und es dürfte ihm hin sichtlich Vielfältigkeit, Qualität und Quantität der einschlä gigen Produktion kein anderes Land in Mitteleuropa gleich kommen. In Kremsmünster arbeitet die Mittelschulprofessorin Frau Dr. Hertha Wascher, Tochter eines Universitätsprofes sors, in einer reizenden und leistungsfähigen Werkstatt an der Herstellung und Bemalung wohl der schönsten Span schachteln und Gläser, die jemals erzeugt wurden. Aus dem Geiste der Tradition heraus, aber dennoch völlig eigen ständig, bemalt Frau Wimmer-Brunner in Lambach schon seit 1912 Bauernkästen, die jedem Vergleich mit den alten Stücken standhalten. Zu ganz bedeutenden, eigenwilligen und dennoch volkstümlichen Lösungen ist auf diesem Gebiet der erst vor einigen Jahren verstorbene akad. Maler Professor Franz v. Zülow in Hirschbach bei Freistadt gekommen, und die Linzer Industrielle, Frau Luise Heiserer, übrigens auch Links: Die Strohsterne gehören heute bereits zum festen Bestandteil vieler Christbäume in Oberösterreich. Der abgebildete prunkvolle Stern stammt aus der kunsthandwerklichen Werk stätte von Frau Luise Huemer in Timelkam. Rechts oben: Die Leben digkeit unserer Volkskuitur erweist sich am innigsten in den Geräten des Brauchtums. Ein Spritzkerzen mann und ein Räuchermandl berei ten jung und alt um die Weihnachts zeit viel Freude. Rechts unten: Der Verfasser dieses Aufsatzes erhielt als kleiner Bub vom hi. Nikolaus einen prunkvollen „Goidberg". Als dieser Bub groß und Geschäfts führer des Oö.Heimatwerkes wurde, erinnerte er sich an dieses ]ugenderlebnis und nahm den Goldberg zum Vorbild für die „Weihnachts pyramide", die sich seit Dahren zu nehmender Beliebtheit erfreut. Im übrigen wissen wir aus der Fach literatur, daß solche Goldberge, Pyramiden und Lichterhäuschen zum Brauchtum der Mittwinterzeit vom Norden bis zum Süden des deut schen Sprachraumes gehörten.

jene Erzeugnisse der alten Volkskunst, die in ununterbroche ner Folge, ohne jede Einflußnahme durch Dritte, ungeachtet aller wirtschaftlichen Veränderungen und noch von den alten Erzeugerkreisen hergestellt werden. Wir finden hier nicht viel, und das meiste, was jetzt noch gemacht wird, ist zum Ab sterben verurteilt. Vereinzelt flechten alte oberösterreichische Auszugbauern schön geformte Strohsimperl (im Burgenland ist dagegen die Erzeugung von Strohflechtwaren auf der Basis des bäuerlichen Hausgewerbes noch sehr rege, doch macht sich in den letzten Jahren ein starker Konkurrenz druck aus der CSSR und aus Jugoslawien hemmend bemerk bar). Ein alter Handwerker macht hin und wieder noch einige Meter echten Blaudrucks (wir kommen darauf zurück), wäh rend die Anfertigung von Kreuzsticharbeiten und von hüb schen Strickereien nach alten Mustern noch häufiger von manchen Frauen und Mädchen betrieben wird. Auf dem Gebiete der Holzverarbeitung gehören hieher die gedrechselten und geschnitzten Buttermodel des bäuerlichen Hausgewerbes in der Viechtau (Lieferschwierigkeiten, es finden sich für diese Arbeiten kaum mehr Junge, weil diese beim Straßenbau mehr verdienen), die Osterratschen, Kripperl, die handge arbeiteten und mit Holzreifen versehenen Butterkübel und Butterschafferl der Binder (soweit diese eine besondere über lieferte Art der Beschnitzung und der Daubengestaltung auf weisen), die gehackten und teilweise geschnitzten Träme der Zimmerleute, das Weißholzgeschirr einzelner „Haus- und Küchengeräteerzeuger", soweit es sich um unbewußte, über lieferungsgebundene Formen von Fleischtellern, Schüsseln und Multern handelt. Nach einer Mitteilung von Professor Franz Schleiss werden auch das grüngeflammte Geschirr und die Bauernmajoliken der „Grünen Periode" ununterbrochen, also ohne jede zeitliche Zäsur, von den Töpfern des Salzkammereine leidenschaftliche Botanikerin (sie hat eine bisher unbe kannte Rosengattung in den oö. Kalkalpen entdeckt), betreibt die Möbelmalerei im überlieferten Genre seit den zwanziger Jahren mit viel Erfolg, Geschmack und Können. Der Textilindustrielle Hans Baron Jordis war bis 1956 in Oberöster reich ansässig und stellte hier sehr schöne und geschmack volle Handdrucke her, die einerseits für Dirndlkleider, ande rerseits für exklusive Tischwäsche, Vorhänge und Möbel bezüge verwendet wurden. Dies sind nur einige wenige Beispiele, aber sie zeigen schlagartig die Veränderung, die vor sich gegangen ist. Handelt es sich hier noch um „Volkskunst" im alten Sinne? Diese Frage muß eindeutig mit nein beantwortet werden. Was haben wir dann aber vor uns, Erzeugnisse eines exklusiv gewordenen Kunsthandwerks, die äußerlich zwar genau so bzw. sogar besser aussehen wie ihre alten Vorbilder, oder trotzdem „Volkskunst", nur müßte dieser Begriff dann eine gleiche Wandlung erfahren wie der des „Volkes" = vulgus, also eine „Volkskunst" für das „neue" bzw. „umgeschichtete" Volk? Vielleicht kommen wir dem Problem bei den folgenden Betrachtungen näher. Wir fragen uns: 1. Wie sieht die „Volkskunst" gegenwärtig aus (sachlich)? 2. Wie ist der Kreis der Verbraucher (Konsumenten) be schaffen? 3. Wie derjenige der Hersteller (Erzeuger)? „Herkunftsmäßig gesehen, gehören die Erzeugnisse unserer heutigen Volkskunst drei verschiedenen Schichten an, wobei die Zugehörigkeit zur ersten oder zweiten oftmals nicht mehr genau geklärt werden kann" (Huemer, siehe oben). Wir unterscheiden die „Primärschicht", die „Sekundärschicht" und die der „Neuschöpfungen". Zur „Primärschicht" gehören alle

gutes weiter erzeugt. Bei den metallverarbeitenden Gewerben sind hier die Messerer und Taschenfeitelerzeuger der Bezirke Steyr und Kirchdorf und die Maultrommelmacher aus Mölln anzuführen. Zinngießer haben wir keinen mehr, hingegen werden noch Grießkochkupfer, Fleisch- und Milchhäfen, Fisch wandel u. a. in der originalen Art vor allem in einer Kupfer schmiede des Salzkammergutes erzeugt. Damit dürfte die primäre Gruppe in Oberösterreich erschöpft sein. Zur „Sekundärschicht" zählen fast alle neuen Erzeugnisse der sogenannten „Volkskunst". In sachlicher Hinsicht gehören hieher die Kleidung (Tracht), die Gerätschaften, kultische (für Religion und Brauchtum, z. B. Kruzifixe geschnitzt aus Holz, aus Stroh, Hinterglasbilder, Lebenskerzen, Weihnachts pyramiden, Räuchermandel) und profane (für den persönli chen Gebrauch und Hausrat zur Ausschmückung des Heims) und das Mobiliar zur Wohnraumgestaltung. Der Umfang ist also wiederum weitgespannt und reicht von der Wiege bis zum Grabkreuz. Die geistige Grundlage der „Sekundärschicht" bildet die be wußte, vom Akademischen her getragene Pflege der überlie ferungsgebundenen Volkskultur. Diese Erscheinung ist typisch für unsere Zeit des wirtschaftlichen und soziologischen Struk turwandels und als eine Art „reactio" geradezu naturnotwen dig bedingt. Sie hat auch bereits ihre eigene Geschichte, die in den Tagen des völkischen Zusammenbruchs nach dem ersten Weltkrieg allgemein sichtbar begann (Begründer war schon Erzherzog Johann) und die zunächst von den christli chen und nationalen Kräften mit dem Ziele getragen wurde, das deutsche Österreich zu erhalten und später, nach vielen Wirrungen, den Staat innerlich zu festigen. Heute ist die Volkstumspflege ein Teil der allgemeinen Kulturpflege und hat die Aufgabe, altes, noch lebensfähig und wertvoll er scheinendes Gut auf den Gebieten des Geistes und der Sach kultur unserem Volke zu erhalten und neue Impulse zu geben. Sie ist um eine sachliche, moderne Arbeitsweise bemüht und entfaltet ihre Tätigkeit in enger Zusammenarbeit mit den Bildungseinrichtungen des Landes, und zwar mit dem Landesinstitut für Volksbildung und Heimatpflege, mit den Volkshochschulen, der Landwirtschaftskammer, dem Wirtschaftsförderungsinstitut, den konfessionellen und überkon fessionellen Erwachsenen- und Jugendbildungseinrichtungen. Die bewußte Volkstumspflege entstand im Bereich der Stadt und geht auch heute noch von ihr aus. Die Erfolge, die sie bis jetzt erzielt hat, sprechen für sich. Über die Jugend organisationen wird die bäuerliche und die städtische Jugend angesprochen, über die Erwachsenenbildung werden die Erwachsenen und die Alten betreut und über die Organisatio nen der Wirtschaftsförderung, zu denen im weiteren Sinne auch das Heimatwerk gehört, werden die Betriebe des Gewer bes erreicht. Das Ziel ist kein geringeres als das Streben nach einer neuen Volkskultur und damit auch nach einer neuen Volkskunst, die organisch von der bodenständigen Über lieferung ausgeht und schließlich zu eigenen, unserer Zeit gemäßen, neu geprägten Gestaltungen führen soll. Wir sind heute von diesem Ziel noch weit entfernt, es „hängt" gleich sam vieles nebeneinander in der Luft, aber es wird vom Gelingen dieses Formungsprozesses abhängen, ob Verbrau cher und Erzeuger wieder zu einer großen Gemeinschaft mit einer jedem verständlichen Formensprache finden. Erst dann, wenn das bewußt Erneuerte zum unbewußt Verlangten, Selbstverständlichen, zum Bedürfnis wird, werden wir wieder zu einer echten Volkskunst gelangen. Was wir hingegen jetzt besitzen, ist nicht oder noch nicht „Volkskunst", sondern ein vielschichtiges Nebeneinander von Handwerk, Kunsthand werk, industrial designing in rustical style, von Freizeit- und Pensionistenbeschäftigung. Charakteristisch für unsere Zeit der absoluten Perfektion ist es auch, daß viele Erzeugnisse im „Stile der Volkskunst" absolute Spitzenleistungen in ge schmacklicher und qualitativer Hinsicht darstellen, die ihre Vorgänger bei weitem übertreffen. VHr betonen auch, daß es hier nicht um Wertungen geht, es soll weder das Alte noch das Neugeschaffene bevorzugt oder gar diskriminiert werden, sondern um den Versuch einer Diagnose, einer Fest stellung des gegenwärtigen Zustandes. Die Anzahl der „Neuschöpfungen", also jener Erzeugnisse, die, anknüpfend an die Überlieferung, aus unserer Zeit heraus geboren wurden, für diese bestimmt sind und von ihr, wie die Erfahrung beweist, auch gerne aufgenommen werden, ist zwar klein, aber immerhin hoffnungsvoll. Hieher gehören vor allem Brauchtumsgegenstände, wie Strohsterne und Christbaumschmuck, bemalte Wagenräder als Christbaum ständer, Apfellichter und Osterbäumchen. Wir haben hier in Oberösterreich sehr einfallsreiche und produktionskräftige gewerbliche und kunsthandwerkliche Betriebe. In diesen Kreis gehört auch eine Grabkreuzform, die einerseits das Ende einer langen Entwicklung und andererseits vielleicht den An fang einer neuen bilden könnte, das den Tod überwindende Monstranzenkreuz. Zwei tief religiöse Kunstschlosser kamen auf die Idee,zwei Menschen, die außerordentliches handwerk liches Können mit einem feinen künstlerischen Einfühlungsver mögen verbinden: der ältere Matthäus Müller aus Vöcklabruck und der jüngere Wolfgang Pöttinger aus Grieskirchen. Wenden wir uns nun den Verbrauchern (Konsumenten) zu. Wir haben gesehen, daß früher Bauern und Handwerker, also „das Volk", Verbraucher und Hersteller von Werken der „Volkskunst" waren, und daß dieses Volk in geistiger, kul tureller und materieller Hinsicht eine große Einheit bildete. Die anderen „höheren" Stände beachteten diese Volkskunst ihrer Zeit kaum. Ein gründlicher Wandel in der Struktur unseres Volkes bescherte uns zunächst zwei große Gruppen, die in sich viele Stufungen aufweisen: die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, oder, um in der Sprache des Finanzamtes zu reden, die „selbständig Erwerbstätigen" und die „unselb ständig Erwerbstätigen". Zu den ersteren gehören die Bauern (Klein- und Großbauern, Großgrundbesitzer), die Gewerbetreibenden (Handwerker, Industrielle, kleine und große Handelskaufleute) und die zahlreichen Freiberuflichen (aus meist akademischen Berufen). Zu den letzteren gehören die Landarbeiter, die Arbeiter in Gewerbe und Industrie, die Angestellten der Privatwirtschaft und die Beamten der öffentlichen Hand. Folgende Tatsachen sind für uns noch wesentlich: Die Bewoh ner der Stadt sind dem Bauern immer noch Vorbild. Der Geltungsdrang und die Nachahmung der wirtschaftlich stärkeren Schichten durch die wirtschaftlich schwächeren sind ein Naturgesetz, das stufenweise wirkt; es beginnt vehement bei der technischen Ausstattung des Lebens und endet, bereits abgeflacht, bei den kulturellen Bedürfnissen. Die industrielle Massenfabrikation, die modernen Kommuni kationsmittel und das Streben nach „Standard" bewirken eine Lockerung aller Gemeinschaften einschließlich der Familie in Stadt und Land. Besonders betroffen ist davon das bäuerliche Dorf durch eine „Flucht" seiner Bewohner zu den Industrie zentren und durch eine grundlegende wirtschaftliche Umfor mung. Die harten Gesetze der Technik und der Industrie bestimmen das Leben jedes einzelnen. Der Alltag des Berufes zwingt ihn meist zu einer zermürbenden, entnervenden Arbeit. Als natürliche Reaktion darauf sucht der Mensch wieder die Intimsphäre, die er je nach Bildungsgrad, Geschmack und Einkommen entweder im billigen Kitsch oder in einer Hin wendung zur naiven Volkskunst der alten Zeit bzw. in einer Liebe zu den neuen handwerklichen Erzeugnissen, die im „Stile der Volkskunst" geschaffen werden, zu finden hofft. Hektische Übersteigerungen ändern nichts an der Echtheit dieser Erscheinung, die einem Bedürfnis entspricht.

Aus dieser Einstellung heraus entdeckt der Städter (Nichtbauer) wieder die Schönheit des Landlebens und „flüchtet" in seiner Freizeit in die Natur zurück. Wenn wir aus dem Streit und Widerstreit dieser Kräfte nun den Saldo ziehen, müssen wir bekennen, daß die Voraus setzungen für das Entstehen einer auch geistig untermauerten, echten neuen Volkskunst gegenwärtig nicht schlecht sind. Wie stehen nun die einzelnen Bevölkerungsgruppen der „Volkskunst" bzw. dem, was wir so nennen, gegenüber? Die Bauern und Landarbeiter: Im allgemeinen verhält sich die ältere Generation (etwa ab 50 Jahren) ablehnend. Durch das verdienstvolle Wirken der oö. Landwirtschaftskammer und der Landwirtschaftsschulen steht jedoch die heutige Land jugend (Generation aufgewachsen nach dem zweiten Welt krieg) sehr positiv zu den von Dr. F. Lipp erneuerten ober österreichischen Trachten. Die Mädchen und die jungen Bäuerinnen waren leichter zu überzeugen als die Burschen. Der Einfluß durch die Weiblichkeit scheint sich nun auch bei den Männern positiv auszuwirken. Unbedingt notwendig ist jedoch eine ständige Aufklärungsarbeit, sollen die bisher gewonnenen Erfolge nicht gefährdet werden. Es sagt dies gar nichts gegen die Lebensfähigkeit der Tracht, da man das ununterbrochen auch auf die Landbevölkerung niederpras selnde Trommelfeuer der Modepropaganda bedenken muß. Die Wohnkultur (Möbel und Gerät) liegt noch im Argen. Es gibt dafür mehrere Gründe. Entscheidend ist die auch im Bauernhof ständige technische Verbesserung, für andere Zwecke fehlt es an Geld. Außerdem waren nur sehr mangel hafte Vorlagen vorhanden, und diese Materie ist nicht nur kostspielig, sie verlangt auch viel Geschmack! Die oberöster reichische Landwirtschaftskammer und das Oö. Heimatwerk bemühen sich in dieser Richtung und das Interesse vor allem der jungen Bäuerinnen scheint bereits geweckt zu sein. Die Arbeiter in Gewerbe und Industrie und im öffentlichen Dienst: Diese Gruppe hat, mit wenigen Ausnahmen, nur über die Trachtenvereine eine Beziehung zur „Volkskunst". Das Hauptinteresse liegt beim technischen „Standard", Kul turbedürfnisse werden in der Wohnung durch das Massen produkt,in der Kleidung durch die Mode befriedigt. Die Mehrzahl der Gewerbetreibenden, der besserverdienenden Angestellten und der Beamten: Hier ist durchwegs eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber der Tracht festzustel len. Ebenso ist eine Freude an schönem Hausrat vorhanden. Nach Möglichkeit nimmt man sich eine Landwohnung oder baut ein kleines Wochenendhaus und richtet dieses gemüt voll im Stil der Volkskunst ein. Interesse für bäuerliche „Antiquitäten" ist vorhanden. Die Großkaufleute, die Beamten und Angestellten der höheren Einkommensklassen, die akademisch freien Berufe und die Reste des Adels: Hier kann man mit Recht von einer pluralistischen Lebensführung, doch durchaus im positiven Sinne, sprechen. Zur erstklassigen modischen Kleidung gesellt sich auch hier eine Tracht, zur modern oder antik eingerichteten Stadtwohnung gehört ein Landhaus oder Gutshof, dessen Glanzstücke bäuerliche Antiquitäten bilden und dessen Ein richtung im „ländlichen Stile" mit neugefertigten bequemen Möbeln ergänzt wird. Die Gegenstände des persönlichen Gebrauchs und der Hausrat werden in der Stadt nach der letz ten Mode, auf dem Lande nach der „Volkskunst" ausgewählt. Diese kleine Analyse zeigt eindeutig, daß die Kreise der Verbraucher größer geworden sind und daß die „Volkskunst" nicht mehr Stiefkind, sondern hoffähig geworden ist. Verallgemeinerungen haben immer einen unangenehmen Beigeschmack und es ist klar, daß es keine festgezogenen Grenzen gibt. Ich glaube aber dennoch aus einer jahrelangen praktischen Erfahrung heraus die Verhältnisse in Oberöster reich möglichst prägnant geschildert zu haben. Nun kommen wir zum letzten großen Kapitel, zu den Die Lebzelter und Wachszieher gehören zwar zu den „wei chenden" Gewerben, manchen von ihnen bringt aber die Liebe zu ihrem Handwerk noch immer dazu, reizvolle Ge bilde aus Wachs zu gießen und zu formen. Erzeugern (Herstellern) von Gegenständen der Volkskunst. Die bäuerliche Lebensgemeinschaft ist als Erzeuger ausge schieden, die Gründe hiefür haben wir bereits angedeutet. Das Selbernähen einer Tracht, eine gelegentliche Stickarbeit oder eine zufällige geschickte Bastelei eines Burschen sind zu wenig für eine Wertung. Das Können und die künstlerischen Fähigkeiten sind unter den oberösterreichischen Bauern aber immer noch vorhanden. Dies beweisen die Schlußausstellun gen unserer Landwirtschaftsschulen und manche Bauersleute

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2