Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

Drachens den Teufel oder für die märchenhafte Außenwelt das Räuberhaus gesetzt haben, sind vielfach noch in guter Erinnerung. Ein Fleischhacker erwirbt drei wunderbare fiunde, die ihm das Leben retten und die Räuber vernichten. Er überlistet den Teufel oder tötet den vielköpfigen Drachen, heiratet jedoch nicht sogleich die befreite Königstochter, sondern geht noch ein Jahr auf Wanderschaft. Dann über führt er den Betrüger, der sich an seine Stelle setzen will, durch die Drachenzungen (Oö. 12, 71, 89, 138 und 165). Zu Beginn unseres Jahrhunderts hat der vielseitige Künstler und Forscher Siegfried Troll in der Gegend des Attersees auch Volkserzählungen aufgezeichnet, von denen einige unter die „Deutschen Märchen aus dem Donaulande" aufgenom men sind. Wir finden dabei auch eine Spielform des „Tier bräutigams", das „Marl von den drei Kaufmannstöchtern". Die Erzählerin, eine Bäuerin, hatte es aus ihrer südböhmi schen fJeimat mitgebracht. Eng verwandt damit ist jedoch ein Märchen von der „Weißen Rose", das der neue Sammel band enthalten wird. Das Geschehen erinnert an das Grimm sche Märchen vom „Singenden und springenden Löweneckerchen". Als der Vater seinen drei Töchtern die von ihnen gewünschten Geschenke bringen will, gerät er in die Gewalt eines seltsamen Wesens und kommt nur dadurch frei, daß er verspricht, seine jüngste Tochter zu schicken. Diese nimmt das harte Geschick willig auf sich und gewinnt nach vielen Leiden einen schönen Gemahl. Dieser schon in der Antike dichterisch gestaltete Stoff (Amor und Psyche) war vor kurzem Gegenstand einer weltweiten Untersuchung. Für das aus der Sammlung der Brüder Grimm bekannte Märchen von den sieben Raben lag den bahnbrechenden Sammlern eine Aufzeichnung aus Wien vor. Mit verschie denen Abweichungen lebte dieses Märchen von Mähren bis Kärnten noch um die Jahrhundertwende im Volksmund, so daß wir uns nicht wundern, es auch in Oberösterreich anzu treffen. Die ebenfalls durch Grimm geläufige Geschichte vom „Teufel mit den drei goldenen Haaren", die zu gewinnen der Held auszieht, wobei er auch die Antworten auf drei Fragen erhält, die ihm unterwegs gestellt werden, hat sich noch in drei oberösterreichischen Varianten gefunden. Auch das Märchen von den drei Brüdern war bekannt, desgleichen das Zwei-Brüder-Märchen, in dem der erste samt seinen Tieren von einer Hexe versteinert, durch seinen Bruder, der ihm zum Verwechseln gleicht, jedoch befreit wird. Als besonders zählebig hat sich die unheimliche Geschichte vom Räuber erwiesen, der um die schöne Müllerstochter freit. Diese bleibt während der Christmette allein daheim, köpft hintereinander die einsteigenden Räuber mit dem Beil, nur der Hauptmann entspringt mit einer Kopfwunde. Er kommt später unerkannt und ladet sie ein, ihn in seinem Schlosse zu besuchen. Das ist aber ein Räuberhaus, aus dem das Mädchen mit Mühe entrinnt. Beim Hochzeitsmahl wird der Übeltäter entlarvt und mit seinen Spießgesellen gefangengenommen. Sieben bisher unveröffentlichte Varian ten bezeugen das Fortleben dieser Erzählung bis in unsere Tage. Ebenso erfreuen sich die schwankhaften Geschichten großer Anteilnahme, in denen der „Schmied von Rumpel bach" den Teufel überlistet (Oö. 10, 94, 105, 143, teilw. 136). Die einschlägigen Geschichten bei Grimm (Bruder Lustig und Spielhansl) stammen aus Wien und Niederösterreich. Ähn liches war den Brüdern schon über den „Schmied von Biele feld" berichtet worden, und die Beliebtheit des Stoffes in früherer Zeit beweist auch das Lustspiel vom „weltberühmten Schmidtgen von Bielenfeld", das als Einlage in ein 1771 zu Münstereifel aufgeführtes Jesuitendrama bezeugt ist. Schwänke verschiedenster Art konnte man bis in die letzten Jahrzehnte je nach Zusammensetzung der Hörerrunde in reicher Zahl vernehmen, doch ist auch anderwärts nur ein Bruchteil der Geschichten schriftlich festgehalten worden. Gelegentliche Zeugnisse beweisen, daß wir mit einem reichen Altbestand rechnen können, Aufnahmen der jüngsten Zeit zeigen, daß viele von der internationalen Forschung ver zeichnete Schwanktypen im Burgenlande so gut wie in Nie der- oder Oberösterreich geläufig waren. Die Derbheit der Schwänke erweist sich manchmal schon beim Sammeln als Hindernis, erst recht bei einer Drucklegung, denn hochdeutsch Geschriebenes wirkt meist untragbarer als mundartlich Gesprochenes. Für wissenschaftliche Zwecke gilt es jedoch, ohne Rücksicht auf Geschmack und Werturteil festzustellen, was in mündlicher Tradition erzählt wurde. Im übrigen wis sen die Traditionsträger die Grenze gegenüber der Zote zu wahren, und gibt es auch eine große Zahl unverfänglicher Geschichten. So kann man noch heute den Schwank vom „Meisterdieb" (Grimm 192) derart häufig antreffen, daß der geplante Sammelband davon sechs Spielformen bringen wird. Oft heißt der schlaue Dieb „Stangelputzer", denn Stangelputzen nennt man sein Handwerk. Er zieht mit seinen Brüdern aus, während diese aber sich bei ehrsamen Meistern verdingen, geht er zu Räubern in die Lehre. Bei der Heim kehr bringt er zwar viel Geld mit, er muß aber seine Geschicklichkeit erweisen, weil es ihm sonst schlecht ergehen würde. Tatsächlich gelingt es ihm, die Wachen zu täuschen und des Pflegers Roß zu stehlen, er überlistet sogar den gestrengen Herrn und holt dessen Leintuch nachts aus dem Bette. Auch der durch Hans Sachs besonders bekanntgewor dene Schwank vom Wanderer aus dem Paradiese, der auch als „Die Not" oder „Der lange Winter" die einfältige Frau täuscht, verfehlt bis heute seine Wirkung nicht, wenn ihn ein guter Erzähler vorträgt. Gebärden und Mienenspiel unter stützen wie beim Märchen die Worte. Vom „Tapferen Schnei derlein" gab es seit jeher verwandte Geschichten, die neben einander überliefert wurden, die Streiche des Bauern Einochs (Unibos) aus einem lateinischen Gedichte des 11. Jahrhunderts wie des Bauern Einhirn in Valentin Schumanns Nachtbüch lein (1559) leben noch im Schwanke vom Schneider und den Bauern fort, der in fünf Spielformen aufgenommen werden konnte. Dieser kurze Überblick zeigt, daß Oberösterreich außer der Volkssage auch eine reiche, vielseitige Märchentradition be saß. Trotz ungenügender Sammeltätigkeit ist eine stattliche Zahl Märchentypen mit Varianten für immer geborgen. Ähnliches gilt für den Schwank, der sich auch nach dem Rückgang der natürlichen Gemeinschaften als Träger der Volkskultur bis in unsere Tage behaupten konnte. Angeführte Literatur; A. Aarne und St. Thompson, The Types of the Folktale. Helsinki 1961. P. Amand Baumgarten, Aus der volksmäßigen Überlieferung der Heimat, in: Berichte über das Museum Carolinum, Linz 1862. Adalbert Depiny, Oberösterreichisches Sagenbuch, Linz 1932. Brüder Grimm,Kinder- und Hausmärchen. Karl Haiding, Österreichs Märchenschatz, Wien 1953, zitiert als ÖM. Oers., Österreichs Sagenschatz, Wien 1965, zitiert als ÖS. Oers., Märchen und Schwänke aus Oberösterreich. Erscheint 1966 oder 1967; zitiert als Oö. Adalbert Hein, Ein oberösterreichisches Märchen, in: Zschr. f. österr. Volkskunde II, Wien 1896, S. 213 ff. Theodor Vernaleken, Kinder- und Hausmärchen, 2. Aufl., Wien und Leipzig 1892. F. Zaunert, Deutsche Märchen aus dem Donaulande, Jena 1926.

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