Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

. » Tfe,'. C-j So entwickelten sich auch seine Städte im Laufe ihrer tausend jährigen Geschichte zu Eigenpersönlichkeiten fester Prägung. Die Landeshauptstadt LINZ (205.000 Einwohner) zählt nicht allein mehr Seelen als alle übrigen Städte Oberösterreichs zusammen, sondern bildet als Verwaltungs-, Handels-, Wirt schafts-, Industrie-, Verkehrs- und Kulturmittelpunkt auch den echten Vorort des Landes. Die Bauern- und Messestadt WELS (46.000 Einwohner) behauptet daneben zäh ihre Eigenart als landwirtschaftlicher Vorort, Gewerbe- und Volksfeststadt. Ihre Messen ziehen mehr Besucher an als jene Wiens. Die alte Eisenstadt STEYR (41.000 Einwohner) bewahrt durch die Steyrwerke und andere Großbetriebe noch immer ihren Ruf als Vorort der „Eisenwurzen". Die jahrhundertelange, industrielle Führung hat sie längst an Linz abgetreten. Die Grenzstadt BRAUNAU AM INN (16.000 Einwohner), Behördensitz für das obere Innviertel, verdankt ihren gegen wärtigen Aufstieg in erster Linie den Aluminiumwerken im nahen Ranshofen. Die Kur- und Salinenstadt BAD ISCHL (13.000 Einwohner) rümmt als natürlicher Mittelpunkt des Salzkammergutes und seines Fremdenverkehres steten Aufschwung, obwohl ihr Glanz als Sommersitz des Kaisers längst verblich. Die Kur- und Seestadt CMUNDEN (12.000 Einwohner), Verwaltungsmittelpunkt des Salzkammergutes, hat zwar ihre Bedeutung als Hauptumschlagplatz des Salzes eingebüßt, durch die keramische Industrie und den Fremdenverkehr sich aber neuen Ruf erworben. Links; Hauszeichen einer Bäckerei in Hirschbach, Mühlviertel. Rechts: Unverändert ist der Zauber des Christkindlmarktes in unseren Städten. Aufnahine: F. Muhr Die Straßensiedlung VÖCKLABRUCK (10.000 Einwohner) verdankt ihren gegenwärtigen Aufschwung vor allem den Eternitwerken. Die Bauern- und Messestadt RIED IM INNKREIS (9500 Einwohner) ist Mittelpunkt der Verwaltung und Landwirt schaft des Innviertels. Ihre Messen wechseln ab mit denen von Wels. Der alte kirchliche wie weltliche Vorort des bairischen Stam mes ENNS (9000 Einwohner), durch Jahrhunderte auch Verwaltungsmittelpunkt des Landes ob der Enns, besitzt heute neue wirtschaftliche Bedeutung durch die Gablonzer Industrie. Der Handels- und Stapelplatz FREISTADT (6000 Einwohner) an der Salzstraße nach Böhmen ist heute Wirtschaftsmittel punkt des unteren Mühlviertels. Die Grenzstadt SCHARDING (6000 Einwohner), Behörden sitz für das untere Innviertel, wurde durch ihre Kneipp anstalt zur bekannten Kurstadt. Die Kirchensiedlung GRIESKIRCHEN (4500 Einwohner), ein kulturell wie wirtschaftlich gleich aufstrebender Behörden sitz, hat ihren Namen durch Großerzeugung landwirtschaft licher Maschinen und Kunstschmiedearbeiten bekanntgemacht. Die Straßensiedlung SCHWANENSTADT (4000 Einwohner) erhielt durch die Jokawerke neuen Aufschwung. Die stillen Landstädte EFERDING (3400 Einwohner) und STEYREGG (3000 Einwohner) werden immer mehr zu Vor orten von Linz. Die Schifferstadt GREIN (2500 Einwohner) verlor ihre alte Bedeutung durch die Entschärfung der Schiffahrtshindernisse und ist heute eine beliebte Sommerfrische. URFAHR ist in Linz aufgegangen. Selbst diese knappe Übersicht macht im Bilde seiner Städte die gewaltige Wandlung Oberösterreichs vom alten Bauern land zum jungen Industrieland deutlich. Es ist wohl selbst verständlich, daß auch die Volkstumsforschung diesem Um schwung Rechnung tragen und fortan, viel stärker als bis her, den Blick auf die Gegenwart richten muß, um die mit den wirtschaftlichen Veränderungen unausweichlich Hand in Hand gehenden Äußerungen des Volkslebens richtig zu wer ten. Als Beispiel sei auf die allüberall in der Umgebung von Städten wie Pilze aus dem Boden schießenden „wilden" Siedlungen hingewiesen. Der verzweifelte Stadtplaner nennt sie „Häuselpest", und von seinem Standpunkt aus hat er ja auch recht. Die Volkskunde aber erkennt in diesen mit eigenen Kräften unter größten Opfern entstehenden Garten siedlungen die angeborene Sehnsucht unserer Leute nach eigenem Haus und Boden als Erbe der bäuerlichen Ahnen. Als Geburtstagsgeschenk legten gütige Feen unseren Städten eine günstige Lage als Voraussetzung ihrer Entwicklung in die Wiege. Am Vergleich von Linz, Steyr und Steyregg läßt sich dies leicht erweisen. LINZ verdankt Entstehen wie Aufblühen der günstigsten Brückenlage zwischen Passau und Wien. Hier kommt das Flußgebiet der Elbe jenem der Donau am nächsten; hier weisen Quertäler durch Alpen und Böhmerwald auf den kürzesten, hochwasserfreien Donauübergang; die großeuropäi sche Trennungslinie zwischen Ost und West, der Glogersche Meridian, kreuzt im Räume von Linz fünf europäische Groß landwege und die Großwasserstraße der Donau. Klima, Flora, Fauna, Kultur und Volksart verschiedener Ausprägung geben sich hier ein Stelldichein. Die oberösterreichische Landes-

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