Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

Aus dieser Einstellung heraus entdeckt der Städter (Nichtbauer) wieder die Schönheit des Landlebens und „flüchtet" in seiner Freizeit in die Natur zurück. Wenn wir aus dem Streit und Widerstreit dieser Kräfte nun den Saldo ziehen, müssen wir bekennen, daß die Voraus setzungen für das Entstehen einer auch geistig untermauerten, echten neuen Volkskunst gegenwärtig nicht schlecht sind. Wie stehen nun die einzelnen Bevölkerungsgruppen der „Volkskunst" bzw. dem, was wir so nennen, gegenüber? Die Bauern und Landarbeiter: Im allgemeinen verhält sich die ältere Generation (etwa ab 50 Jahren) ablehnend. Durch das verdienstvolle Wirken der oö. Landwirtschaftskammer und der Landwirtschaftsschulen steht jedoch die heutige Land jugend (Generation aufgewachsen nach dem zweiten Welt krieg) sehr positiv zu den von Dr. F. Lipp erneuerten ober österreichischen Trachten. Die Mädchen und die jungen Bäuerinnen waren leichter zu überzeugen als die Burschen. Der Einfluß durch die Weiblichkeit scheint sich nun auch bei den Männern positiv auszuwirken. Unbedingt notwendig ist jedoch eine ständige Aufklärungsarbeit, sollen die bisher gewonnenen Erfolge nicht gefährdet werden. Es sagt dies gar nichts gegen die Lebensfähigkeit der Tracht, da man das ununterbrochen auch auf die Landbevölkerung niederpras selnde Trommelfeuer der Modepropaganda bedenken muß. Die Wohnkultur (Möbel und Gerät) liegt noch im Argen. Es gibt dafür mehrere Gründe. Entscheidend ist die auch im Bauernhof ständige technische Verbesserung, für andere Zwecke fehlt es an Geld. Außerdem waren nur sehr mangel hafte Vorlagen vorhanden, und diese Materie ist nicht nur kostspielig, sie verlangt auch viel Geschmack! Die oberöster reichische Landwirtschaftskammer und das Oö. Heimatwerk bemühen sich in dieser Richtung und das Interesse vor allem der jungen Bäuerinnen scheint bereits geweckt zu sein. Die Arbeiter in Gewerbe und Industrie und im öffentlichen Dienst: Diese Gruppe hat, mit wenigen Ausnahmen, nur über die Trachtenvereine eine Beziehung zur „Volkskunst". Das Hauptinteresse liegt beim technischen „Standard", Kul turbedürfnisse werden in der Wohnung durch das Massen produkt,in der Kleidung durch die Mode befriedigt. Die Mehrzahl der Gewerbetreibenden, der besserverdienenden Angestellten und der Beamten: Hier ist durchwegs eine größere Aufgeschlossenheit gegenüber der Tracht festzustel len. Ebenso ist eine Freude an schönem Hausrat vorhanden. Nach Möglichkeit nimmt man sich eine Landwohnung oder baut ein kleines Wochenendhaus und richtet dieses gemüt voll im Stil der Volkskunst ein. Interesse für bäuerliche „Antiquitäten" ist vorhanden. Die Großkaufleute, die Beamten und Angestellten der höheren Einkommensklassen, die akademisch freien Berufe und die Reste des Adels: Hier kann man mit Recht von einer pluralistischen Lebensführung, doch durchaus im positiven Sinne, sprechen. Zur erstklassigen modischen Kleidung gesellt sich auch hier eine Tracht, zur modern oder antik eingerichteten Stadtwohnung gehört ein Landhaus oder Gutshof, dessen Glanzstücke bäuerliche Antiquitäten bilden und dessen Ein richtung im „ländlichen Stile" mit neugefertigten bequemen Möbeln ergänzt wird. Die Gegenstände des persönlichen Gebrauchs und der Hausrat werden in der Stadt nach der letz ten Mode, auf dem Lande nach der „Volkskunst" ausgewählt. Diese kleine Analyse zeigt eindeutig, daß die Kreise der Verbraucher größer geworden sind und daß die „Volkskunst" nicht mehr Stiefkind, sondern hoffähig geworden ist. Verallgemeinerungen haben immer einen unangenehmen Beigeschmack und es ist klar, daß es keine festgezogenen Grenzen gibt. Ich glaube aber dennoch aus einer jahrelangen praktischen Erfahrung heraus die Verhältnisse in Oberöster reich möglichst prägnant geschildert zu haben. Nun kommen wir zum letzten großen Kapitel, zu den Die Lebzelter und Wachszieher gehören zwar zu den „wei chenden" Gewerben, manchen von ihnen bringt aber die Liebe zu ihrem Handwerk noch immer dazu, reizvolle Ge bilde aus Wachs zu gießen und zu formen. Erzeugern (Herstellern) von Gegenständen der Volkskunst. Die bäuerliche Lebensgemeinschaft ist als Erzeuger ausge schieden, die Gründe hiefür haben wir bereits angedeutet. Das Selbernähen einer Tracht, eine gelegentliche Stickarbeit oder eine zufällige geschickte Bastelei eines Burschen sind zu wenig für eine Wertung. Das Können und die künstlerischen Fähigkeiten sind unter den oberösterreichischen Bauern aber immer noch vorhanden. Dies beweisen die Schlußausstellun gen unserer Landwirtschaftsschulen und manche Bauersleute

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