Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

Von fleißigen Frauenhänden werden viele tausend Span schachteln Im Jahr bemalt. Das Fräulein im Biid trägt eine der von Dr. Franz Lipp erneuerten Trachten. geholt und schöngeformte Lebzelten gebacken wie in Wels oder kunstvolle Kerzen gezogen wie in St. Wolfgang. Die gut beschäftigten Gewerbetreibenden haben im allge meinen einen beachtlichen Lebensstandard. Sie sind außer ordentlich fleißig und müssen aus Gründen der Konkurrenz fähigkeit um eine dem jeweiligen Handwerk gemäße tech nische Ausstattung besorgt sein. Sie verkaufen ihre Waren oder Dienstleistungen entweder direkt an den Letztverbrau cher oder an Handelsgeschäfte im In- und auch im Ausland. Ihr Bildungsgang ist meistens traditionell: Volksschule,Haupt schule, gewerbliche Lehre und Gewerbeschule, nach Möglich keit Fachschule. Seltener trifft man auf abgeschlossene Mit tel- oder Hochschulbildung. Damit ist jedoch der Kreis der Erzeuger von Waren im „Stile der Volkskunst" noch nicht erschöpft. Vom Handwerk aus gehend, können wir zwei Linien verfolgen, Großgewerbe, Industrie und das Kunsthandwerk. Beide treffen wir auch in Oberösterreich an. Das Großgewerbe und die Industrie werden auf unserem Sektor vor allem in den mechanischen und Automatenwe bereien des Mühlviertels wirksam. Während die Produktion von Trachtenstoffen mehr den Bundesländern Tirol, Kärnten, Salzburg, Steiermark und Wien vorbehalten bleibt, sind un sere Mühlviertler Betriebe auf dem Gebiete der Dekorware, also in Vorhängen, Tisch- und Bettwäsche und Möbelleinen lieferfähig. Natürlich werden Bettzeug und Reinleinen auch für Trachten verwendet. Weiter finden wir in den Landes teilen südlich der Donau fabriksmäßige Erzeugungen von Ziergegenständen aus Metall und Holz und Keramikmanu fakturen. Der Vertrieb dieser Erzeugnisse erfolgt durch Vertreter und zum Teil auf den Fachmessen, in der Regel werden nur Wiederverkäufer (Händler) oder Großabnehmer im In- und Ausland beliefert. Diese Betriebe unterliegen zwangsläufig dem starken internationalen Konkurrenzkampf und die le bensnotwendige Beschaffung und Erhaltung eines modernen Maschinenparks bereitet oft Kopfzerbrechen. Die Betriebsin haber erfreuen sich eines durchschnittlich hohen Lebens standards, ihre Ausbildung ist häufig doppelt, nämlich ge werblich und abgeschlossene Mittelschule bzw. Akademie. Das Kunsthandwerk ist eine typische Erscheinung unserer Zeit. Es gibt zwar auch in Linz Schulen, an denen Kunst handwerker ausgebildet werden, man braucht aber weder eine Schule noch eine handwerkliche Lehre, um ein Kunstge werbe anmelden und ausüben zu dürfen. Überschneidungen mit dem Handwerk aus zünftischer Tradition kommen dabei natürlich vor. Interessant ist, daß die kunsthandwerklichen Betriebe für die Erzeugung von Waren im „Stile der Volkskunst" außer ordentlich viel leisten, ja daß gerade sie unsere alte Volks kunst zu einer nie erwarteten Vollendung geführt haben und daß von ihnen stets neue Impulse ausgehen. Eine weitere Tatsache ist es, daß der Bildungsgrad unserer Kunsthandwerker im Durchschnitt über dem Niveau aller anderen Erzeugergruppen liegt und daß es sich hier oftmals um Menschen handelt, die trotz Matura oder Hochschulstu dium ihren künstlerischen Neigungen nachgehen und diese, namenlos dienend, in handwerklichen Arbeiten zum Aus druck bringen. Einige solcher Werkstätten möchte ich als Beispiele anführen: Da ist Frau Prof. Hertha Wascher in Kremsmünster. Sie hat ihr Mittelschullehramt längst aufgegeben und malt mit ihrer Familie und anderen Helfern Spanschachteln als Serien produkte, aber in einer solchen Vollendung, wie es sie vorher auch in den besten Zeiten der Volkskunst nicht gegeben hat. Natürlich fallen nicht alle gleich gut aus, es ist ja Serie,immer hin ist jedoch der Durchschnitt weitaus besser als der Ver gleich zu den Serien der „klassischen" Zeit! Frau Professor Wascher malt nicht nur Spanschachteln. Immer wieder hat sie neue Ideen für Kleingegenstände aus Holz, die aus dem Geiste der Überlieferung stammen, für Christbaumschmuck, für gedrechselte, bunt bemalte Krippenfiguren etc. Sie keimt jedes einschlägige Museum von Bregenz bis Eisenstadt und fast jede wichtige Privatsammlung in Österreich. Bei ihren Forschungen, die sie aus Passion betrieben und für die sie keinen Kreuzer Geld bekommen hat, ist sie auch auf bemaltes Glas gestoßen. Seither haben wir aus ihrer Hand die schönsten „Freudenthaler Flaschen", und ihre Malerei auf Hohlgläsern gehört zum Besten, was Österreich heute auf dem Gebiete des überlieferungsgebundenen Kunsthandwerks bieten kann. Da ist Frau Ingeborg Wertgarner-Riedler aus Enns. Sie ist eine Wienerin mit abgeschlossener Mittelschule und Fach ausbildung im textilen Musterentwerfen. Das Kriegsende führte sie nach öberösterreich und kürzlich feierte sie das zwanzigjährige Bestehen ihres Betriebes. Frau WertgarnerRiedler besitzt heute die bedeutendste kunsthandwerkliche Werkstätte für Strohflechtarbeiten in Österreich, und ihre modernen, dennoch aus dem Wissen um die alte Überlieferung in Form und Technik entstandenen Gebrauchsgegenstände finden nicht nur Freunde im Inland, sie betreibt trotz stärkster Konkurrenz auch einen regen Export in viele europäische Staaten und nach Übersee. Als dritten in dieser Reihe möchte ich mit einem männlichen Kunsthandwerker schließen. „Vater" Friedrich ( er heißt mit

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