Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

Steyr - auch im Winter aktuell Ü m. Alljährlich, wenn der Winter seinen Mantel über die alte Eisenstadt breitet und so ihren Liebreiz noch um einiges erhöht, öffnet in Steyr das wohl letzte mechanische Krippenund Puppenspiel Europas seine Pforten. Dieses „Steyrer Krip perl", wie es im Volksmund heißt, geht vermutlich auf Ma rionetten- und Krippenspiele zurück, die schon im 14. Jahr hundert existierten. Lfrkundlich wird ein derartiges Puppen spiel das erste Mal in den Steyrer Ratsprotokollen des Jahres 1759 erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit dem Mario nettenspieler Gallus Pöckl, der dann neun Jahre später den Magistrat um Bewilligung zur Errichtung einer eigenen Spiel hütte ersuchte. Die Bühne des heutigen Puppenspieles besteht aus drei Teilen: der Unterbühne mit der Weihnachtskrippe, der Mittelbühne mit den Arbeitsstätten der Handwerker und der Oberbühne mit vielen Bürgerhäusern, deren Türen beim Spiel geöffnet werden, um so dem Besucher in das Treiben im Hausinneren Einblick zu gewähren. Außerdem ist eine kleine Hintergrund bühne zur Darstellung von ländlichen Szenen vorhanden. Die etwa 20 cm großen, bekleideten Figuren werden von einem aus vier bis fünf Personen bestehenden Ensemble von der Rückseite der Bühne aus in Bewegung gesetzt. Die Puppen sind zumeist aus Holz geschnitzt und stammen von alten Krippentheatern aus Steyr und Sierning. Die ältesten Puppen weisen barocke Züge auf, woraus geschlossen werden kann, daß sie im 18. Jahrhundert oder noch früher entstanden sind. Das „Kripperl", das heute für Steyr eine besondere Winter attraktion darstellt, ging im Jahre 1915 in den Besitz des Vereines „Heimatpflege" über und hat einen würdigen Platz im „Innerberger Stadel", dem Gebäude des Steyrer Heimat hauses, gefunden. Jedes Jahr zwischen dem ersten Advent sonntag und Maria Lichtmeß entzücken Vorstellungen an Sonn- und Feiertagen jung und alt. Da werden auf der Bühne, die durchaus Alt-Steyrer Lokalkolorit trägt, Geschehnisse der Weihnachtszeit und Episoden aus dem früheren Steyrer Hand werksleben wach, und so mancher Ruf des Entzückens gilt den urwüchsigen Szenen, wie der des „Bäcker-Nazis", des „Liachtl-Anzünders" oder des „Nachtwächters". Detailansicht aus dem Steyrer Kripperl (Handwerkerszene).

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