Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

Karl M. Kliert Vom Volkslied in Oberösterreich Während der Drucklegung unseres Heftes über die Volks kultur In Oberösterreich erreichte uns die Trauernachricht vom Ableben Prof. Karl M. Kllers am 29. September 1966. Wir verehren In dem Verstorbenen (geb. am 7. 12. 1892) einen der Nestoren der österreichischen Volkskunde. Mit seinen beiden Hauptwerken „Bibliographie der Burgenländlschen Volkskunde" und „Kinderspiele und Kinderreime aus dem Burgenland"(gemeinsam hrsg. mit Adalbert Riedl), so wie durch eine Unzahl von Abhandlungen hat er vorbildliche und bahnbrechende wissenschaftliche Arbelt geleistet. Es Ist der Zeitschrift „Oberösterreich" eine Ehre, ein letztes Manuskript von seiner Hand und seinem Geiste veröffent lichen zu können. Freude am Singen und Musizieren, gesunder, frischer Humor, schlagfertiger Mutterwitz, diese Eigenschaften des Oberöster reichers begünstigen Entstehen und Fortleben von Volkslied und Volksmusik. Auch die Lage des Landes und seine Boden formen haben an der Buntheit des Bildes dieser Überlieferun gen ihren Anteil. Von West nach Ost durchzieht die Donau das Land,eine Wander- und Heerstraße von der Zeit der Nibe lungen her; von Süden nach Norden gingen alte Handelswege, wie die Eisenstraße und die Salzstraße über den Böhmerwald. Alle die durchziehenden friedlichen oder kriegerischen Scharen — Flößer und Schiffsknechte, Soldaten, Auswanderer, Handwerksburschen — brachten Lieder mit, die zum Teil am Wege Boden faßten, weiterlebten und weiter vererbt wurden, den Vorrat des im Lande selbst Gewachsenen vermehrten und auffrischten. Das verschiedenartige landschaftliche Gepräge einzelner Teile des Landes bedingt auch verschiedene Formen der Wirtschaft, in der Art und im Wesen der Bevölkerung Unterschiede, die auch auf die Form des Volksliedes von Ein fluß sind. Eine systematische Darstellung würde jedoch weit über den hier gegebenen Rahmen gehen; daher sollen Einzel bilder vorgeführt werden, die das Eigenartige, aber auch das Gemeinsame im Volksliedleben der einzelnen Landesteile zeigen. Ein historisches Lied aus der Zeit des Bauernkrieges vom Jahre 1626 soll den Reigen eröffnen. Stefan Fadinger belagerte mit seinem Bauernheer die Stadt Linz, die vom Grafen Herberstorff verteidigt wurde. Da mochte das Spottlied aufgekommen sein Bist denn du a a Passauer, Bist denn du a a Soldat? Traust da not außa für d'Mauer, Traust da nöt außa für d'Stadt! Die Passauer waren das gefürchtete, in Passau angeworbene Kriegsvolk, mit dem die Oberösterreicher bereits üble Be kanntschaft gemacht hatten. Mit der Melodie wurde das her ausfordernde Lied noch im Jahre 1819 gelegentlich einer Volksliedsammlung aufgezeichnet, und zwar im benachbarten Niederösterreich, wo seinerzeit im Waldviertel das Luthertum stark vertreten war und die Stadt Horn dessen Mittelpunkt bildete. Norbert Hanrieder läßt in seinem volksmundartlichen Epos „Der oberösterreichische Bauernkrieg" das Spottlied mit den Zeilen beginnen: „Jatzt wölln ma ön Grafen oans singa, an Gsang is a allimal wert.. Jedes Gesätz schließt mit dem brausenden Kehrreim: „Ei, bist denn du a a Passaua, ei, bist denn du a a Soldat!" Ein sehr altertümlicher Arbeitsgesang ertönte beim Ein schlagen der Piloten bei Wasserbauten. An der Traun, die we gen des Salztransportes seinerzeit schiffbar gehalten wer den mußte, waren eigene Gruppen von „Steckenschlagern" mit dieser Arbeit beschäftigt. Sie hatten gewisse Vorrechte, wie auch die Holzknechte, die Arbeiter im Salzberg und an den Sudpfannen und beim Transportwesen, denn der Staat hatte an der Salzgewinnung lebhaftes Interesse — das beson ders organisierte Gebiet unterstand ja als Salzkammergut der Hofkammer,aus der später das Finanzministerium hervor ging. — Zu der eintönigen und langwierigen Arbeit gab es taktmäßige Gesänge, die nicht nur den Arbeitsgang regelten, sondern auch Abwechslung brachten. Es wurde z. B. gesun gen: Einmal hoch — pum,zweimal noch — pum, dreimal auf — pum, viere drauf — pum... Bei jedem „pum" fiel der Schlegel nieder, um alsbald wieder mit vereinter Kraft hochgezogen zu werden. Franz Schubert hatte sich 1825 sechs Wochen in Gmunden aufgehalten, die Steckenschlager beobachtet und in seinem Werk 148, einem Nocturno in Es-Dur, den eigen artigen Rhythmus festgehalten: Heute wird man ein solches Arbeitslied nur ganz gelegentlich hören können, wenn sich die Heranschaffung eines mechani schen Gerätes nicht auszahlt, etwa bei der Herstellung eines kleinen Landungssteges u. ä. Die Salzgewinnung zu Hallstatt geht in vorgeschichtliche Zei ten zurück, deren Fundobjekte den Namen des kleinen Ortes weltbekannt gemacht haben. Noch heute wird im Salzberg ge arbeitet, finden die Männer dort nach wie vor ihr Brot. Ihre Lieder künden von dem bescheidenen Los: „Der Bergmann im schwarzen Gewände so schlicht, geht still durch das Leben, man acht' seiner nicht..."; doch ist er zufrieden und schließt: „Der Bergmannstand sei hoch geehrt, es lebe hoch der Berg mannstand!" Selbstbewußt marschiert die Knappenkapelle in ihren schwarzen Uniformen in Hallstatt oder Ischl bei festlichen Gelegenheiten auf. Wieder ein historisches Bild! Im April 1770 erfolgte die „Brautreise" von Maria Antoinette; sie führte von Wien an die Reichsgrenze bei Kehl am Rhein und dann weiter nach Paris. Ein stattlicher Wagenzug bewegte sich bei unfreund lichem Wetter westwärts und fand abends jeweils gastliche Aufnahme in den am Weg gelegenen Stiften und Schlössern, so auch am 23. April 1770 in Lambach. Da gab es im Stift eine festliche Begrüßung und Tafel, dann Vorführungen. Auf der Traun waren Flöße verankert, auf denen bei Fackel beleuchtung ländliche Paare aus allen Vierteln des Landes ihre Tänze vorführten. Schließlich trat im Saal ein „ob der Ennsischer Bauer" auf und sang in Mundart ein Abschiedslied. Es war der k.k. Salzstadlschreiber Peter Gottlieb Lindemayr; er sang unter anderem:

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