Oberösterreich, 16. Jahrgang, Heft 3/4, 1966

jene Erzeugnisse der alten Volkskunst, die in ununterbroche ner Folge, ohne jede Einflußnahme durch Dritte, ungeachtet aller wirtschaftlichen Veränderungen und noch von den alten Erzeugerkreisen hergestellt werden. Wir finden hier nicht viel, und das meiste, was jetzt noch gemacht wird, ist zum Ab sterben verurteilt. Vereinzelt flechten alte oberösterreichische Auszugbauern schön geformte Strohsimperl (im Burgenland ist dagegen die Erzeugung von Strohflechtwaren auf der Basis des bäuerlichen Hausgewerbes noch sehr rege, doch macht sich in den letzten Jahren ein starker Konkurrenz druck aus der CSSR und aus Jugoslawien hemmend bemerk bar). Ein alter Handwerker macht hin und wieder noch einige Meter echten Blaudrucks (wir kommen darauf zurück), wäh rend die Anfertigung von Kreuzsticharbeiten und von hüb schen Strickereien nach alten Mustern noch häufiger von manchen Frauen und Mädchen betrieben wird. Auf dem Gebiete der Holzverarbeitung gehören hieher die gedrechselten und geschnitzten Buttermodel des bäuerlichen Hausgewerbes in der Viechtau (Lieferschwierigkeiten, es finden sich für diese Arbeiten kaum mehr Junge, weil diese beim Straßenbau mehr verdienen), die Osterratschen, Kripperl, die handge arbeiteten und mit Holzreifen versehenen Butterkübel und Butterschafferl der Binder (soweit diese eine besondere über lieferte Art der Beschnitzung und der Daubengestaltung auf weisen), die gehackten und teilweise geschnitzten Träme der Zimmerleute, das Weißholzgeschirr einzelner „Haus- und Küchengeräteerzeuger", soweit es sich um unbewußte, über lieferungsgebundene Formen von Fleischtellern, Schüsseln und Multern handelt. Nach einer Mitteilung von Professor Franz Schleiss werden auch das grüngeflammte Geschirr und die Bauernmajoliken der „Grünen Periode" ununterbrochen, also ohne jede zeitliche Zäsur, von den Töpfern des Salzkammereine leidenschaftliche Botanikerin (sie hat eine bisher unbe kannte Rosengattung in den oö. Kalkalpen entdeckt), betreibt die Möbelmalerei im überlieferten Genre seit den zwanziger Jahren mit viel Erfolg, Geschmack und Können. Der Textilindustrielle Hans Baron Jordis war bis 1956 in Oberöster reich ansässig und stellte hier sehr schöne und geschmack volle Handdrucke her, die einerseits für Dirndlkleider, ande rerseits für exklusive Tischwäsche, Vorhänge und Möbel bezüge verwendet wurden. Dies sind nur einige wenige Beispiele, aber sie zeigen schlagartig die Veränderung, die vor sich gegangen ist. Handelt es sich hier noch um „Volkskunst" im alten Sinne? Diese Frage muß eindeutig mit nein beantwortet werden. Was haben wir dann aber vor uns, Erzeugnisse eines exklusiv gewordenen Kunsthandwerks, die äußerlich zwar genau so bzw. sogar besser aussehen wie ihre alten Vorbilder, oder trotzdem „Volkskunst", nur müßte dieser Begriff dann eine gleiche Wandlung erfahren wie der des „Volkes" = vulgus, also eine „Volkskunst" für das „neue" bzw. „umgeschichtete" Volk? Vielleicht kommen wir dem Problem bei den folgenden Betrachtungen näher. Wir fragen uns: 1. Wie sieht die „Volkskunst" gegenwärtig aus (sachlich)? 2. Wie ist der Kreis der Verbraucher (Konsumenten) be schaffen? 3. Wie derjenige der Hersteller (Erzeuger)? „Herkunftsmäßig gesehen, gehören die Erzeugnisse unserer heutigen Volkskunst drei verschiedenen Schichten an, wobei die Zugehörigkeit zur ersten oder zweiten oftmals nicht mehr genau geklärt werden kann" (Huemer, siehe oben). Wir unterscheiden die „Primärschicht", die „Sekundärschicht" und die der „Neuschöpfungen". Zur „Primärschicht" gehören alle

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