Heft 34 - November 1978 Gründungsjahr 1948 Vetö##entfidtun9en Jes Xuftutamtes Jet StaJt Steqt Schriftleitung: Dr. V o I k er Lutz D r. R u d o I f F I o t z i n g e r : Nachforschungen zu Paul Peuerl M a g. AI f red Raab - Luft e n s t e i n er : Gründung und Entfaltung des Jesuitenkollegiums in Steyr
Alle Rechte vorbehalten Eigentümer, Herausgeber und Verlag : Magistrat der Stadt Steyr Vereinsdruckerei Steyr
Vorwort Die in diesen „Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr" abge– druckten Beiträge „Nachforschungen zu Paul Peuerl" von Rudolf Flotzinger und „Die Gründung und Entfaltung des Jesuiten-Collegiums in S1teyr (1632 bis 1654)" von Alfred Raab-Luftensteiner beleuchten interessante Themen der Steyrer Stadtgeschichte aus dem 17. Jahrhundert und stehen im Zusam– menhang mit der Veröffentlichung der Folge 33 über den Bauernkrieg von 1626 von Volker Lutz. Paul Peuerl wirkte als Komponist und Orgelbauer knapp bis vor dem Aus– bruch der in religiösen und sozialen Ursachen begründeten Erhebung der Bauern in der Eisenstadt, während die Jesuiten nach diesem Aufstand und dem letzten Aufflackern des Widerstandes der Bauern ihre Residenz in Steyr gründeten, ausbauten und ihr zunächst bis 1773 dauerndes Wirken begannen. Die Schriftleitung hat bei den Beiträgen keine Änderungen vorgenommen und überließ den Verfassern die Wertung der einzelnen Ereignisse in der Stadt Steyr. Volker Lutz
Nachforschungen zu Paul Peuerl Von Rudolf Flotzinger (Graz) Die Lebensumstände von Paul Peuerl zu erhellen , sind von der Musik– geschichtsforschung mehrfach Versuche unternommen worden. Nachdem Eitner 1900 noch Paul Bäwerl und Peuerl unterschied (wohl aber unter Beurlin und Peyerl auf letzteren verwies1 ) , stellte Paul Frankl 1915 in seiner Dissertation deren Identität fest und fand in einer Reihe von autographen Briefen sowie Konzepten der Gegenseite die für lange Zeit ausschließlichen Anhaltspunkte für die Biographie2 ) . Diese wurden 1925 von Paul Nett! in extenso mitgeteilt3) . Im Zuge der Neuausgabe von Peuerls erhaltenen Wer– ken im Rahmen der „ Denkmäler der Tonkunst in Österreich " (DTÖ) Bd. 70 stellte Karl Geiringer 1929 in Horn und Steyr neuerlich Archivstud ien an , die zwar nicht allzu viele neue Daten erbrachten , aber doch zu einer geschlossenen Darstellung führten4 ) . Schließlich faßte , nachdem er mit der Veröffentlichung des Wilheringer Orgelbauvertrages von 16195 ) diese S'eite näher beleuchtet hatte, Othmar Wessely den bisherigen Forschungsstand unter Einschluß der Lokalforschung6 ) in seinem MGG-Artikel zusammen7 ) . Neuerliche Archivstudien erlauben nunmehr ein differenzierteres Bild . Herkunft Daß der Name des Komponisten Peuerl in Titelblättern und Vorreden seiner gedruckten Werke unterschiedlich (1611 Bäwerl, 1613/20/25 Peuerl, 1620 Beuerlin) geschrieben ist, sollte nach dem Usus der Zeit nicht weiter ver– wunderlich sein. Nicht ernst genug aber hat man bislang die S'chreibung des Namens in der Linzer Orgeltabulatur8 ) Beurlin (f. 28, 41 v) neben der (Genetiv-)Form Peurlini (f. 23 v, 49 v) genommen . Die Suche nach diesem Namen hatte nämlich in Württemberg , wo er sehr häufig vorkommt, bald Erfolg: nach Ausweis des Stuttgarter Taufbuches9 ) ist Paulus Beurlin am 13. Juni 1570 in Stuttgart als Sohn des Ehepaares Hans Beurlin aus Entrin– gen und Catharina geb. Ochs (Tochter von Jerg Ochs aus Stuttgart, verm. 1563) getauft worden. Daß es sich dabei tatsächlich um den gesuchten späteren Organisten und Komponisten handelt, läßt sich stützen durch die Tatsache, daß sonst der Vorname Paul in dieser Kombination nie vor– kommt10) und daß sich der am 9. Februar 1567 in Stuttgart getaufte Bruder9 ) Conrad Beurlin später ebenfalls in Österreich nachweisen und mit dem damaligen Steyrer Organisten Paul in Beziehung stehend namhaft machen 5
läßt.11) Näheres über die Eltern, die frühen Jahre wie Ausbildung etc. ist nach wie vor nicht zu eruieren, doch könnte in dem 1608 in Wertheim nach– weisbaren Organisten Hieronymus Beuerlin (Beuerlein)12 ) wohl mit Recht ein Verwandter vermutet werden. Verwandtschaftliche Beziehungen wären auch denkbar zu jenem Samuel Agricola gen. Beuerlin aus Markgröningen (bei Stuttgart), der durch Vermittlung des Rektors der Landschaftsschule in Linz M. Johannes Memhard 1584 Prädikant bei Wolfgang Jörger zu Tollet und Köppach {OÖ.) wurde und 1586 als Pfarrer in Wilfersdorf/Nö. (von hier wohl 1599 vertrieben) in Linz eine Elisabeth Guckelperger aus Miespach heiratete.13) Am naheliegendsten wäre, den Knaben Paul unter den Sing– knaben des 1536 gegründeten Tübinger Stifts zu vermuten , welche vor allem zur Kirchen-, aber auch zur Tafelmusik und gelegentlich sogar zur Ergänzung der Stuttgarter Hofkapelle herangezogen wurden . 14 ) In den Tübinger Universitäts-Matrikeln scheinen jedoch weder Paul noch Conrad Beuerlin auf (was allerdings nicht unbedingt die Vermutung ausschließt, sie hätten hier wenigstens einige Zeit studiert, weil vor allem ärmere Stu– denten gerne auf die Immatrikulation verzichteten). Jedenfalls hat gerade die Universität Tübingen im späten 16. Jh. zahlreiche in Österreich tätige Prädikanten, Schulmeister usw. hervorgebracht. Ebensowenig läßt sich kon– kret belegen, unter welchen Umständen und wann die beiden Brüder von Württemberg in österreichische lande kamen . Immerhin könnte aber auch hier die Namensschreibung einiges aussagen : in sämtlichen Archivalien (für Paul von der ersten Eintragung in den Ratsprotokollen - im folgenden zitiert als RP - der Stadt Horn vom 3. Jänner 1603 bis zum Ratsprotokoll der Stadt Steyr vom 5. November 1625, für Conrad die Ratsprotokolle von Wiener Neustadt zwischen 1613 und 1627) finden sich die Formen Peurl, Pewrl, Peüerl, Beürl, jedenfalls stets ohne die Endsilbe -in. Diese hatte auch damals in Österreich nicht Diminutivbedeutung entsprechend alleman– nisch und hochdeutsch -ein, sondern diente im Bayrisch-Österreichischen vor allem zur Bildung der weiblichen Namensform. Diesem Unterschied haben offensichtlich beide Brüder durch Weglassung der Nachsilbe -in Rechnung getragen, soweit es nicht durch ihre neue Umgebung selbst– verständlich geschah. Aus der Tatsache nun, daß dies der S1chreiber der Linzer Orgeltabulatur aber nicht tat, ist einerseits zu schließen, daß er den Komponisten und dessen nähere Umstände genau gekannt hat, wodurch deren Quellenwert erheblich gesteigert erscheint. Ja, es ist die Vermutung auszusprechen, daß das Monogramm A. S. P.15 ) in dieser Tabulatur als Samuel Agricula Peuerlin13 ) aufzulösen und dieser als Besitzer oder gar Schreiber von 1613 anzusehen wäre. Daß die Schreibung Beuerlin bei unse– rem Komponisten fast nie beibehalten wurde, macht wahrscheinlich, daß er selbst nicht erst als Dreißigjähriger nach Österreich kam. Bei dieser Namensangleichung an österreichische Verhältnisse könnten schließlich auch bodenständige Vorbilder eine Rolle gespielt haben , denn der Name Peuerl ist in Österreich keineswegs so selten anzutreffen, wie bisher ange– nommen16) wurde u. zw. in der Steiermark, in Kärnten, Niederösterreich und Oberösterreich, 17) darunter in Steyr und Linz. Aber nicht nur in Österreich wurde aus Beuerlin etc. gelegentl ich Peuerl.18 ) In Linz lebte zu Anfang des 17. Jhs. sogar ein Paul Peuerl , der während der letzten Nachforschungen 6
längere Zeit als der gesuchte Musiker angesehen wurde,19 ) bis er als Vor– reiter und Schöffmann (= Leiter der Schiffsreiterei) genannt erschien.20 ) (Jeweils sehr junge Heirat angenommen, könnte dieser sogar ein Sohn des Komponisten gewesen sein. Weitere Schiffsleute dieses Namens in Linz und Enns21 ) legen aber nahe, daß es sich um eine verbreitete Sippe gehandelt haben dürfte - immerhin ein weiterer möglicher Anknüpfungs– punkt für den Musiker, in diese Gegend zu kommen). An eine in den Bescheidprotokollen der oberösterreichischen Landstände am 26. März 1625 genannte Elisabeth Peuerlin Wittib hatte Geiringer die Vermutung geknüpft, sie könnte „die Gattin unseres Organisten " gewesen sein , was Wessely schon widerlegt hat, da sie „bereits 1619 verwitwet war ".7 ) (Dazu kommt, daß es sich woh l um die Witwe des Landschafts-Physikus Perill oder Peuerell22 ) handeln dürfte). Die Herkunft jener Dorothea Peuerlin, welche 1642 beim Nürnberger Rat um Hilfe für ihren Sohn einkommt, da er in Linz „wegen einer geh;obten offenbarung vnd gethaner prophecij in arrest genomen worden",23 ) geht aus dem Zusammenhang nicht hervor, so daß sich auch aus diesem Grund Schlußfolgerungen daraus erübrigen. Sie könnte aber gemäß ihrem Vornamen die Witwe des obgenannten Linzers Paul Peuerl sein. Horn Auch über Peuerls Zeit in Horn wußte man bislang lediglich, was er selbst in dem erhaltenen Briefwechsel anläßlich seiner Übersiedlung von dort nach Steyr24 ) angibt. Dies ist nun durch Homer Archivalien wie folgt zu ergänzen . Nach seinem Briet vom 17. August 1609 (BR 3)25 ) hat Peuerl seinem „gnädigen Herrn" (Grat Reinhard v. Puchheim)26 ) 8 Jahre gedient. Der Dienstantritt in Horn ist offensichtlich mit 1. November 1601 erfolgt, da die Anstellungen (bzw. Besoldungen) jeweils auf ein Jahr erfolgten27 ) und Peuerl vom „Ausgang meines Jars" (BR 3) und „Endtung meines Jars, welches ist der erste November" (BR 4) spricht. In den Homer Ratsproto– kollen scheint sein Name erstmals unterm 3. Jänner 1603 auf: ,,Khumbt Paul Peurl Organisten alhie supplication für, bittend / demnach man seinen Antecessorn järlich etwas zum neuen Jar / verehrt, man auch Jme in bedenckhung seiner geringen besol- / dung, vnd alle ding so teur sein, etwas zum neuen Jar verehren / wölle. dediciert benebens einem E(hrsa– men) Rat ein Moteten 8 Vocu(m) / ..." Für diese leider nicht erhaltene Komposition werden ihm daraufhin 6 t. versprochen . Am 9. Jänner 1604 begehrt er abermals, ,,weil er ohne das ein geringe besol- / dung, Jme ein neue Jars verehrung zu raichen" und erhält vom Bürgermeister dieselbe · Summe. Am 19. März desselben Jahres „erscheint Adam Nocolaj [der im November 1598 berufene Thurnermeister Nicolai] alhir, beschwert sich, das / man disen winter über in der Burgerschaff etlich Mal / Zeiten gehal– ten, dar :zue man Jne nit, sondern den Organisten / gebraucht, der Jme [damit das] Tagbrot Vorm maul abgeschnitten; / Welches wider sein bestal– lung sey, so doch Jme solches an- / fangs nit Vermeid worden. Er müsse 7
die Wach auf dem / Thurn verrichten, vnd sunsten grosse mühe vnd . . . haben // Organist aber schlag einmal in der wochen in der khirchen, Or- / ganist sey selbdritter Er aber sey selbzwelffter. Bitt sol- / ches ab zustel– len, khünne sich sunst nit erhalten. Erbeut sich / auf begern, selbander, dritter, ,oder . . . vnd weniger / zuerschweren. Bschaid. Er nimbt einer E(hrsamen) :Rath mit sol- / eher bschwer zu .. . wunder / Stehe es einem Burger frey Gasteney zuhalten, so sey / es Jme auch frey Turner oder einen andern Spilman / zuhalten. Organist hab gar ein geringe, Er dage– gen / eine grosse besoldung, darauß hab man Jm wenig für sein be- / neh– mung gegeben, ob man Jme schon gebraucht habe. Da er / hierüber anders gedacht wisse er seiner bestallung nach / die zeit der aufkhündung. Vnd weil er das Gsind außzuweisen / gedacht, sol er sich vmb guets Gsind bewerben, damit er dessen an / frembden orten Ehr habe." Derartige Auseinandersetzungen zwischen Kirchenmusikern und Thurnern sind häufig , geradezu üblich . Im vorliegenden Zusammenhang interessie– ren aber zunächst besonders folgende Angaben : Peuerl war 1604 Vater eines Kindes,28 ) hatte eine geringe Besoldung und wurde als Musiker bei einer bürgerlichen „Gasteney" offenbar den Thurnern vorgezogen , auch dieRatsherren scheinen ihn zu stützen . (In ähnlichen Fällen konnte der Bescheid du rchaus umgekehrt ausfallen. Der Thurnermeister unterschlägt ja auch , daß der Organist neben dem Kirchendienst sehr wohl weitere Verpfl ichtungen - wahrscheinlich in der Schule - hatte). In den Folge– jahren kommt Peuerl nicht mehr um Neujahrsgelder ein, möglicherweise hatte man ihm die Bezüge aufgebessert und sich dabei derartige Eingaben verbeten. Bezahlt wurde der Organist aus Mitteln der Stadt. Zudem hatte er freies Logis, wofür die Kirche aufkam (Zechmeisteramtsrechnung , Ste– phanskirche 1608 : ,,ltem dem Paul Peuerl Organisten zu / Hilft seines Bestant– zimers so ihme / verwilligt bezahlt + 4 f"). Wohl aber erhält er nach einem Gesuch vom 25. Februar 1606, in dem er für die Reparatur der Blasbälge an der Orgel 29 ) 20.- f. fordert, am 27. Februar für Material und Arbeit 14.- f. (RP 27. 2. 1606). Derartige Reparaturen mußte damals jeder Orga– nist an seinem Instrument durchführen können (in Steyr wird er dazu ver– traglich verpflichtet werden) . Trotzdem scheint sich hier bereits seine künftige Tätigkeit auch als Orgelbauer anzukündigen . Ungefähr zur selben Zeit wird Peuerls Name in dem (ursprünglich wohl bei der Musterung von 1604 angelegten) ,,Verzeichnis von Reisingen und Rüstungen auf der Herr– schaft Horn"30 ) als Nachtrag anstelle eines durch Tod ausgefallenen Bür– gers eingetragen „mit Sturmbhauben, Kleines Rohr, Schrittmacher". Im Jahre 1606 kann er für ein Darlehen des Rats, um das er am 21 . April eingekommen war, weil er „dem Gartner zu Hoff" auf Georgi 50.- f. schul– dig war, keinen Bürgen aufbieten und muß dafür sein „Silbergschirr" ein– setzen (RP 28. April 1606) . Für die Schulden wird sowohl die nach wie vor recht geringe Besoldung als auch die geradezu sprichwörtliche Geldknapp– heit der Musiker verantwortlich zu machen sein . Im übrigen hat man sich vielleicht Peuerl als eine zwar beliebte, in Geldangelegenheiten aber als unzuverlässig eingestufte Persönl ichkeit vorzustellen . 1608/09 scheint sein Name fast regelmäßig in den erhaltenen Aufze ichnungen anläßlich der „Ordinari" und der sog . Kranzei -Schießen der Horner Schützengilde31 ) (und 8
zwar durchwegs mit recht guten Ergebnissen) auf. Hier verkehrte Peuerl also in bürgerlicher Gesellschaft, zu der auch der Graf sich gerne gesellte, und es bedarf keiner allzu großen Phantasie, sich die „Begleitung " sämt– licher Veranstaltungen dieser Männergesellschaft - vorerst wohl nur ein lockerer Verband mehr zum Vergnügen, erst 1609 mit einer Schützenord– nung versehen und zur Verteidigung der Stadt aufgerufen 32 ) - wie Schmaus, Kegelschieben , Musik vorzustellen. Vor allem dabei wird Peuerl wieder seine Rolle gespielt haben: Tanz- und Tafelmusik in mehr oder weniger stilisierter Form (nicht nur in der Art der Linzer Orgeltabulatur). Über die sonstigen Lebensumstände ist aus seinen Briefen zu erfahren: noch 1609 spricht er von „Weib undt Khindt" (BR 3) , für die er sich sorgt, also war nach wie vor nur ein Kind am Leben , die Formulierung des weiteren , im November sei für „die klainen Khinder" eine Schiffsreise (auf der Donau von Krems nach Enns und dann die Enns aufwärts bis Steyr) schon zu kalt, ist eine Allgemeinaussage. Möglicherweise war Peuerl schon in Horn mit Jakob Tydeus (Tydaco) be– freundet. Dieser stammte aus Pommern und wurde offenbar ebenfalls zum 1. November 1601 (RP 31. Okt. 1601) Nachfolger des im September 1601 als Rektor der Homer Landschaftsschule zurückgetretenen M. Johann Hille– mair33). In dieser Funktion wurde er jedoch 1603 von Johannes Funck abge– löst und er blieb Konrektor. Das übereinstimmende Dienstantrittsdatum von 1601 läßt es zumindest als möglich erscheinen , daß bereits damals Peuerl und Tydeus gemeinsam hieherkamen, wie sie auch zur selben Zeit nach Steyr gehen sollten . Hier wird Tydeus als Taufpate eines Peuerlschen Sohnes aufscheinen , bevor er ca. 1619 weggeht oder stirbt (jedenfalls durch einen Nachfolger abgelöst wird). Einer der entscheidenden unmittelbaren Vorgesetzten sowohl von Peuerl als auch Tydeus ist in Horn der auch als Inspektor der Schule fungierende Prädikant M. Johann Bructerus oder Brueder. 34 ) Dieser stammte aus Balin– gen/Württemberg und war im April 1583 durch Empfehlung des Herzogs Ludwig v. Württemberg selbst von der Universität Tübingen an die Diako– natsstelle von Eferding gekommen , ab 1584 vierzehn Jahre lang Prädikant in Linz gewesen , bevor er 1598 in derselben Funktion nach Horn kam , 35) wo ihn 1603 Zacharias Hofmaier ablöste. 36) Brueder hat zweifellos bei ihrer Homer Bestellung ein gewichtiges Wort mitzureden gehabt - sie vielleicht von früher her gekannt. Der in dem wichtigen Brief an Spannesberger (BR 3) genannte Wirt „ Zum goldenen Straußen in Stein/ Donau , Hanns Grueber (der die Vermittlung der Antwort Spannesbergers an Peuerl übernehmen wollte) , ist der Schwie– gersohn von Veit Khunis, einem gebürtigen Kremser, der ca. 1588 - 1604 Konrektor in Horn war und sich dann hier einbürgerte. 37) Er versorgte auch die von der Herrschaft gehaltenen Diskantisten (die (1598 aus Linz, Weißen– kirchen , Krems, Stein und Wien stammten) . Khunis scheint in den Tübinger Matrikeln am 18. April 1581 als Präzeptor von vier aus Krems stammenden Studenten auf. 13) 1605 bedenkt er in seinem Testament sowohl die „Musici der Schuell" als auch die „armen khnaben daselbst'. 9
In einem Nachsatz von BR 3 leistet sich Peuerl genau das, was er unmittel– bar vorher für sich selber befürchtet : den Versuch, jemanden anzuschwär– zen. Der „Rector alhie" gebe vor, ,,er hette schon längst Rector zu Steier sein khünnen; wie er dann wär begertt wordten, hette denn Zustandt d(er) Schuelen allhie bedacht und solches abgeschlagen". Es handelt sich dabei um jenen Johannes Funckh, der 1603 Jacob Tydeus aus dem Rektorenamt in das des Konrektoren verdrängt hatte. Daß auch Peuerl diesem nicht allzu wohl gesinnt ist, dürfte auf einer Parteinahme für letzteren beruhen (und damit wiederum auf eine engere Freundschaft zwischen beiden schlie– ßen lassen). Die daselbst genannte „ander Person" schließlich, auf die Puchheim 1609 schlecht zu sprechen war, weil sie gemeinsam mit Peuerl „die Vocation an denn Herrn Conrektoren [Tydeus] angericht" hätte, kann nicht namhaft gemacht werden . Peuerl hatte 1601 den in Horn wenigstens seit 1596 als Organist tätig gewesenen Lorenz Khüniger abgelöst. Sein unmittelbarer Nachfolger wurde wahrscheinlich Hans Georg von Ende, zumindest wird dieser in den Homer Ratsprotokollen am 6. Dezember 1614 als „gewester Organist" bezeichnet. Am 31. Jänner 1620 scheint daselbst Reichard Khüniger als Organist auf. Dieser ist wohl ein Sohn des Lorenz Khüniger und vielleicht sogar gebü– tiger Homer gewesen, weshalb man ihn bevorzugt behandelte: als er nämlich Horn verließ, griff man am 31. Oktober 1620 (also wieder per 1. November !) auf Hans Georg von Ende zurück. Dieser war jedenfalls Nicht-Österreicher und entstammte offenbar einer traditionellen Organisten– familie.38) Steyr Warum sich Peuerl 1609 in Horn nicht mehr wohl gefühlt hat und im Som– mer dieses Jahres seinen Weggang nach Steyr in die Wege leitete, war mehrfach Gegenstand von Vermutungen. Meist wird die allgemeine poli– tische und religiöse Lage angeführt: Tatsache ist, daß am 31. August 1608 die oberösterreichischen Landstände, geschickt den Bruderzwist zwischen Kaiser Rudolf II. und Erzherzog Matthias ausnutzend, in allen landesfürst– lichen Städten den lutherischen Gottesdienst wiedereingeführt und sich dem sog . ,,Homer Bündnis " angeschlossen hatten. So gingen auch die Protestanten u. a. in Steyr wieder daran, mit dem Schuljahr 1609 ihre 1599 geschlossene Lateinschule wieder zu errichten . Als Rektor holte man Egydius Weixelberger aus Regensburg, 39) als Konrektor den genannten Ty– deus und gleichzeitig als Organisten Peuerl. In Horn regierte damals der angeblich unbändige und harte Reinhard v. Puchheim. Außerdem hätte im Zuge des Homer Bündnisses die Stadt einem Feldlager geglichen und so hätte dem Künstler Peuerl und Gelehrten Tydeus „das durch seinen Ge– werbefleiß berühmte und von keinem Stadtherrn regierte Steyr als Zufluchts– stätte des Friedens und der Freiheit" erscheinen müssen.40 ) Dabei wird von Geiringer als eher zufällig oder nebensächlich, von Neumann aber 10
geradezu als auslösend angesehen , daß ein Jahr zuvor in S'teyr der Orga– nist sich beim Rat beschwert hatte, als der Thurner ihm bei Hochzeiten und anderen Gelegenheiten ins Handwerk pfuschte (also die umgekehrt gelagerte Beschwerde gegenüber der oben zitierten in Horn 1604). Der Rat gab ihm zwar zum Teil recht, hielt ihm aber seinerseits Unzufriedenheit wegen dessen Dienstauffassung vor - kurzum, es kam zu Auseinander– setzungen zwischen dem Rat und dem Organisten, und man hätte 1609 nur die allgemeine Umgruppierung in der Ämterbesetzung als willkommene Gelegenheit angesehen , ,,sich auch um einen neuen Organisten umzu– sehen " .41 ) (Dabei hätte man, der Einfachheit halber, gleichzeitig mit zwei Männern aus derselben Stadt - eben Tydeus und Peuerl - verhandelt) . Wie gerne Peuerl im Ernstfall volle Kriegsausrüstung getragen hätte, wis– sen wir nicht; ebenso, ob er bei den Horner Schützen wirklich als voll– wertiges Mitglied oder doch hauptsächlich als Musiker tätig war. Immer– hin wollen diese Belege nicht ganz zu dem romantischen Bild von dem die Ruhe suchenden Künstler bzw. Gelehrten passen. Weiters ist eine Tat– sache, daß der Ruf an Tydeus lange vor Peuerl , nämlich bereits 1608 ergangen war.42 ) Und wenn beide letztlich zur gleichen Zeit ihren Dienst in Steyr antraten, bedeutet dies zunächst nur, daß sich die Verhandlungen mit Tydeus längere Zeit hinzogen, während Peuerl die Angelegenheit sehr rasch regeln konnte. Dasselbe zeigt der Briefwechsel: während die offi– zielle VocaHo (BR 1) mit 22. August 1609 datiert ist, meldet Peuerl schon Tage vorher (nämlich in BR 3 vom 17. August 1609), daß der Puchheimer sein Entlassungsgesuch ungnädig aufgenommen habe (und daß er sogar fürchte, er würde ihn nun bei seinen künftigen Brotgebern anschwärzen) . Peuerl hatte dieses also nur auf mündliche Zusagen hin gestellt. Zu dieser Eile mag beigetragen haben , daß Peuerl die Verstimmung zwischen dem Rat und dem Organisten von Steyr ausnutzen wollte. Ebenso dürfte zum einen nahe liegen, daß man erst über die Verhandlungen mit Tydeus auch mit Peuerl in Kontakt gekommen war. Es spricht also alles dafür, daß eher Tydeus Peuerl nach Steyr „ mitgebracht " habe, als daß umgekehrt dieser am Weggang von jenem aus Horn schuld sei. Diesen wahren Sach– verhalt gegenüber der Beschuldigung durch den Herrn von Puchheim aufzuklären, hat sich Peuerl natürlich in seinem Brief (BR 3) wohl gehütet, ist dieser doch offensichtlich geschrieben, seine Position in Steyr zu ver– bessern: Der Herr habe sein Abschiedsgesuch ungnädig aufgenommen und wolle ihn nicht weglassen, weil man auch in Horn die Landschafts– schule wieder errichten43 ) und (in der 1593-98 von Puchheimern auf dem Hauptplatz erbauten St. Georgskirche) eine Orgel errichten wolle. Da er davon etwas verstehe, bedürfe man seiner jetzt mehr denn je. Ja, der Puchheimer habe Peuerl sogar angeboten, ihn bei der Landschaft unter– zubringen, wo er „eine guete und ansehnliche Besoldung haben khunte" (BR 3) . Auf der anderen Seite ist nicht anzunehmen, Peuerl hätte dies alles frei erfunden. Vielmehr wird es sich um die persönlich gefärbte Dar– stellung realer Grundlagen handeln . Und dabei kann nur mit Vorurteilen gegenüber dem letzten Puchheimer44 ) (der an anderer Stelle geradezu als leutselig geschildert wird45 )) auf dessen tyrannisches Verhalten geschlos– sen werden , aus dem es zu fliehen gegolten hätte. Im Gegenteil : daß er 11
,,gebraucht " würde und man ihm Autorität gewissermaßen als Orgelsach– verständ iger bescheinigte, hätte Peuerl doch schmeicheln müssen , und wenn es ihm nur um eine Verbesserung seiner materiellen Lage gegangen wäre, hätte er auch hier versuchen können, aus dem Angebot aus Steyr Kapital zu schlagen. Daß aber Peuerl „ettlicher Bedenkhung halben ganz und gar" ablehnte, ja es offenbar sogar sehr eilig hatte, muß daher andere, unbekannte Gründe gehabt haben . Wahrscheinlich lagen sie - immerhin nennt sie Peuerl in BR 3 „genugsambe Ursachen" - primär im persön– lichen Bereich (die Aussicht, weiterhin mit Tydeus Kontakt zu haben , könnte zumindest mitgespielt haben). Eine große Rolle bei der Berufung Peuerls nach Steyr wird stets Isaac Spannesberger beigemessen . Dieser war als Sohn des 1583 gestorbenen Messerhändlers Abraham Spannesberger gebürtiger Steyrer, bis 1601 unter dem Rektor Matthias Anomaeus Schul-Collega an der Evangelischen Land– schaftsschule in Linz und ab 1608 in gleicher Funktion in Steyr tätig .46 ) Wann er in seine Heimatstadt zurückgekehrt war, ist nicht bekannt, doch dürfte 1601 am wahrscheinlichsten sein . Er führte gemeinsam mit einem gewissen Colman (Cosmas Mann?) das Geschäft eines Messerhändlers und Gastgebs, das offenbar nach dem Tod des Vaters eine Zeitlang die Mutter geführt hatte47 ) , weiter, war als solcher Besitzer des Hauses Berggasse 59 (heute Stadtplatz 42) und lange Zeit einflußreicher Ratsherr von Steyr. Erscheint es auf den ersten Blick unmöglich, daß Spannesberger Peuerl nicht gut gekannt habe und wären in der Folge persönliche Inter– essen zu vermuten, als er ihn im Stadtrat als Organisten vorschlug , so scheint bei näherer Betrachtung wiederum wahrscheinlich , daß die Initiative von Tydeus ausgegangen ist (indem er bei sich bietender Gelegenheit dem Ratsherrn, dem man als „ Fachmann " die Angelegenheit übertragen hatte, Peuerl „ offerierte "). Diese Annahme erklärt sowohl den unterwürfi– gen und nicht gerade auf persönliche Freundschaft deutenden Ton in Peuerls Brief an Spannesberger (BR 3) , als auch die Tatsache, daß man der Einfachheit halber in Briefen an Tydeus (BR 2, 5) auch die gleich– gelagerte Sache Peuerl zu regeln trachtete. Wenn später Spannesberger und dessen Frau in Steyr als Taufpaten von Peuerls Kindern (und zwar früher als für Tydeus) fungieren, wäre dies als Versuch , diese näher an sich zu binden - was sowieso nicht bei jedem Mitglied des Rats ohne weiteres mäglich war, wohl aber bei einem mit Schulfragen befaßten - hinreichend begründet. (Andernfalls wäre als möglicher Anknüpfungspunkt für eine älter datierende Bekanntschaft zwischen Peuerl und Spannesber– ger am ehesten eine gemeinsame Studienzeit oder Tätigkeit denkbar. Da man erstere von beiden Persönlichkeiten nicht kennt, letztere nur vor 1601 in Linz in Frage käme, wobei sie für Peuerl ein bislang kaum zu stützender Aufenthalt in Linz ergäbe, bliebe hiezu nur die Spekulation) . Eine wesentliche Rolle sowohl für Spannesbergers Tätigkeit an der Schule als auch für Peuerl hat schließlich der Rektor der Lateinschule Egydius Weixelberger gespielt. Der gebürtige Regensburge r war 1608 nach Steyr gekommen und hatte 1609 einen Ruf nach Linz abgelehnt.48 ) Vorher scheint er in Wels tätig gewesen zu sein, denn hier wurden offenbar seine 12
beiden Söhne Hieronymus (1594) und Simon (1600) geboren.49 ) Erstge– nannter studierte 1600 - 1609 am Gymnasium poeticum in Regensburg, 1618 in Wittenberg, wurde 1622 Diakon in Steyr und ging 1624 ins Exil.50 ) Der Zufall will es (oder ist es keiner?) , daß in einer der Exulantenlisten von 1626 unmittelbar neben seinem Namen der eines Melchior Beurlin steht.51 ) Als Kantor der neuerrichteten Schule von S'teyr wurde aus Eferding Georg Taubenrock berufen, der aus dem Weimarischen stammte und 1613 in Nürnberg einen Schulmusikleitfaden „ Epitome Musices " herausbrachte.52 ) . Im übrigen scheint er eine übersensible oder streitbare Persönlichkeit ge– wesen zu sein.53 ) Dem schriftlichen Angebot, nach Steyr zu kommen (BR 1), ging in Krems eine Besprechung zwischen Peuerl und dem Steyrer Bürgermeister Jahn54 ) voran (BR 3). Offenbar nur aufgrund von dessen Zusagen hatte er in Horn gekündigt. An ihn wendet er sich auch nach einem Probejahr zweimal mit der Bitte um endgültige Bestallung und ein Dienstreglement (BR 7, 8) , was jedoch - obwohl er 1611 am Titelblatt der Neuen Paduanen bereits als ,,bestellten Organisten bey der evangelischen Kirchen zu Steyer" bezeich– net wird - noch lange auf sich warten ließ: Am 18. Februar 1611 will ihm auf sein „bewegliches anhalten" (entweder BR 6, 8 oder ähnliche Formu– lierungen) der Rat „die hundert guld- / en zu järlicher ordinari Bestallung / verwilligt haben, was aber daß / werckh in der Khirchen anlangt, wirdt / Er destwegen, van Herrn Bürger- / maister, was eines Erß(amen) Rahtes wil / vnd mainung, spruch empfangen, / Eß soll auch auf den Sup(plikan– ten) der wohn- / nung halber gedacht werden" (RP 18. Februar 1611 ): In diesem Zusammenhang hatte man ihm anfangs ein Zimmer versprochen (BR 3) und es hängt wohl auch mit der Vergrößerung der Familie zusam– men , daß Peuerl diesen Punkt in den nächsten Jahren immer wieder aufgreift. Am 12. August 1610 war in Steyr sein (zweites?) Kind Isaac von Isaac Spannesberger aus der Taufe gehoben worden.55 ) In der Besoldung klaffen einmal zwischen der Bewilligung von jährlich 100 f. und den laut Rechnungsauszug der evangelischen Kirchen- und Schulbeamten der Jahre 1610 - 1612 ausbezahlten 8'ummen56 ) Lücken, des weiteren nennen die Aussagen des Anstellungskonzepts (BR 9) andere Beträge. Tatsächlich dürfte der Rat wie üblich mit der Auszahlung der Bezüge nicht allzu pünkt– lich gewesen zu sein . Dazu kommt aber auch , daß gewisse Beträge (wie z. B. die für die Wohnung) wahrscheinlich außerhalb dieser Abrechnung bezahlt wurden , schließlich daß einiges in Naturalien (Holz, Kerzen etc., vgl. BR 9) abgestattet wurde. Zumindest nominell hat demnach Peuerl anfangs 90.- f., ab 1611 100.- f. und nach 1614 160.- f. verdient. Auf– fällig ist außerdem , daß Peuerl seinen Dienst am 1. November angetreten hatte, das Bestallungskonzept (BR 9) aber ab 1614 den Georgitag (24. April) als Zahltag festlegt. Ob Peuerl dagegen Einspruch erhob und daraufhin in der endgültigen Ausfertigung ein anderes Datum eingesetzt, oder die Differenz einmal abgerechnet wurde, ist nicht bekannt. Wesentlich erscheint auch, daß die Stadtväter einen Nebenverdienst „au'l Hochzeiten, Preitspillen und Mailzeiten", wofür „ime ain geburlicher und der Burgerschaft laiden13
licher Tax gesetzt werden möge", bei der Bestallung ausdrücklich vorsehen (BR 9), d. h. nicht nur stillschweigend die Erlaubnis hiezu geben. Siche r– lich ist dies Peuerl entgegengekommen (wenn wir auch nicht nur an die gedruckten Werke denken dü rfen). Besagtes Anstellungkonzept erweist sich auch nach den RP als Ergebnis einer Folge von Eingaben von seiten Peuerls: Am 8. Mai 1613 heißt die „verfüegung / Paul Peürl p(ro) Haußzinß // Dem Herrn Statt-Cammerer zuezustellen, der soll / disen haußzins auß seinem Ambt ent- / richten" , am 3. Juni 1613 ergeht ein ähnlicher Auftrag an „Herrn Hansen Stauder. E. E. Eisen- / Gesellschaft Cassier ... Jnmas– sen vorige Jahr / gleichmässig beschehen, dem Herrn Dr. Ortner in / Gem(einer) Statt Namen entrichten vnd bezahlen" (ähnlich auch am 12. Mai 1614). Am 23. Oktober 1613 sollen mit Peuerl wegen einer Besoldungs– verbesserung sowie „des jährlichen Holzes vnd anderer Puneten halber" Verhandlungen gepflogen werden (RP) . Zu dieser Zeit (zumindest 1613/14) wohnte Peuerl also bei dem Arzt Dr. Wolfgang Ortner in der Altstadt Nr. 110 (heute Berggasse 18). Nachdem am 5. März 1614 als drittes Kind seine Tochter Anna Maria und am 1. Juni 1615 sein Sohn Thomas Jacob getauft worden waren57 ) - Taufpaten sind Frau Spannesberger und Herr Tydeus -, bittet Peuerl am 3. August 1615, man möge ihm künftig 20.- f. Zimmergeld reichen, dafür werde er sich selbst eine Wohnung suchen (RP) . Zugleich bittet er noch immer um eine Instruktion, seine Dienstangelegenheiten sind also nach wie vor nicht genau geregelt bzw. schriftlich fixiert - die in BR 9 genannte „Instruktion" ist also eineinhalb Jahre später noch immer nicht „aufgericht und verfertigt".) Aus der eigenen Versorgung mit Wohnung scheint aber trotz der Bewilli– gung durch den Rat nichts geworden zu sein, denn am 30. Oktober des– selben Jahres „begehrt (er) die wohnung, drin Dr. Ortner gewest", am 4. November 1615 „stehet diese Erledigung" noch an , ,,weill von der Frau Wittib der zeit noch nichts fürkommen", am 29. März 1616 soll der „Statt Camerer" für den Fall, daß „der Suppl(icant) in disem Hauß lenger nit zuuerbleiben Dahin vnfeyerlich bedacht sein, wie derselb in anderweg wiederumb möge bewohnt gemacht werd(en)", am 5. August 1616 soll er „bey der Er(würdigen) Orttnerin erkundigungen einziehen vnd E. E. Rhat berichten" und am 23. September 1616 sollen die Herrn Dürnberger und Schröffl „hierüber denn Augenschein / alsobald fuernehmen, vnndt die sach dahin / richten, damit der Peürl die Jhme verwil- / ligte wohnung beziehen könne". Erst 1618 scheint es zu einer Lösung gekommen zu sein (RP 11 . April 1618 „Paul Peürl wegen bewohntmachung / sein vnd der seinen // E. Ers. Raht willigt für dißmall, in Zuuer- / melten Bstand vnd Zinß"), die allerdings wiederum nicht lange hielt: Am 10. März 1621 bittet Peuerl den Rat neuerlich um „Verordnung eines andern zim(mers)", wobei sich herausstellt, wohin er aus dem Ortnerschen Hause gezogen war: ,,Es mag d(er) Peurl dem Tenner58 ) / die Aufkhündung selbst sahen, / Sol mit dem H(errn) Motchen59 ) vmb .. . gedeutes Zimmer (erg. : auf die 20 f Bstandt) hanndln". Am 8. Mai 1624 kommt er neuerlich „vmb verhelffung einer stätten woh– nung" ein und der Bürgermeister „wölle heutigen Verlaß nach die Flehe– rin60) erfordern / vnd des Lengern Bstandts halber die / notturfft fürkehrn". 14
Bis dahin war Peuerl stets in den RP als Organist bezeichnet worden. Ein einziges Mal wird er .,,Organist vnd Orgelmacher" genannt: am 5. November 1625, als es um seinen „Abschiedt vnd Abfertigung" geht (dazu später) . Organist und Orgelbauer über Peuerl als Organisten liegen bislang keine zeitgenössischen Berichte vor. Als Tafel- und Tanzmusiker scheint er sehr beliebt gewesen zu sein . In der Musikgeschichte gilt er als Schöpfer der sog. Variationensuite und neuerdings als Orgelbauer, der einen Orgeltypus realisierte, wie ihn zur selben Zeit Michael Praetorius theoretisch formulierte.61 ) In allen Funk– tionen war bisher nicht zu klären, wo und wie er sich die grundlegenden Kenntnisse, wie die Elemente seiner Neuerungen angeeignet hat. Zumin– dest für den Orgelbauer Peuerl lassen sich wenigstens einige Stationen angeben. Es gehörte wie gesagt seit Jahrhunderten zum selbstverständlichen (und notwendigen!) Handwerk eines Organisten, kleinere Reparaturen an seinem Instrument vornehmen zu können, der Schritt .von da zur nicht allzu seltenen Doppelfunktion Organist-Orgelbauer ist daher ein gradueller und kein prinzipieller. 1606 ist eine derartige Orgelreparatur Peuerls in Horn aktenkundig geworden (es werden sicher mehrere gewesen sein) und 1609 will ihn Puchheim nicht weglassen, weil er seiner als jemandes, der von Orgeln etwas versteht, bedarf. Dieser Ruf war sicher nicht von ungefähr entstanden. Und kaum nach Steyr gekommen und noch gar nicht endgültig installiert, weist er schon auf die Mängel seiner Orgel in der Schulkirche (Dominikanerkirche) hin (andeutungsweise in BR 6, deutlich s. o. RP 18. Fe– bruar 1611). 1613 hat er damit insofern Erfolg, als am 27. September „vmb 4 Uhr nachmittag der Augen- / schein (s)ein, vnd die werchleut sambt dem Orga- / nisten, Cantor, Thurner, vnd anders Music / Verständigen fürgenommen werden" soll. Am 30. September kommt es bereits zum for– mellen Baubeschluß und am 5. Oktober „auf Herrn Jahns, vbereingenom– menen Augen- / schein, vnd mit den Musicis gehaltener Vnderredung, / gethone Gründtliche Relation, ist beschlossen worden, / daß das Orgel– werckh in die rechten 2. Fellungen, / ueber der klainen Pfarkirchen, alda die Choral Mu- / sie ist, auf den Casten gesezt, vnnd solche nach mög– lichkeit befördert werden solle" (RP) . Tatsächlich hat man den Orgelneu– bau schon wenige Wochen später in Angriff genommen . Peuerl hat dabei nicht nur eine Art Oberaufsicht erhalten, sondern auch selbst dabei Hand angelegt (BR 9 „das Seinige mit seiner Fausst"). Für diese Tätigkeit wird er außerturlich von der Eisengesellschaftskasse mit 20 f. entschädigt53 ) . Auch hier weiß man also seine diesbezüglichen Kenntnisse zu schätzen. Als er am 17. Februar 1614 um Beurlaubung einkommt (auf diese wird noch zurückzukommen sein), heißt es „Fiat, wie begert. Doch daß Supp– (licant) zuuor / des Orglwercks halber, mit dem Orglmach(er) / sich sol– chermaßen vergleiche, damit das- / selb entzwischen seines ausseins, völ15
iig auf- / gericht, vnnd alßdann zum ganzen gebrauch, / vor dem h(eiligen) Osterfest eingestimbt werd(en) / möge (RP). Am 5. März 1614 arbeitet bereits der Maler „an dem Umbfang [Fassung] des Orglwerks" (RP). Ganz so schnell dürfte es aber trotzdem nicht fertig geworden sein (was auch ziemlich unmöglich erschiene) , denn als Peuerl im Oktober desselben Jah– res „auf 14. tag nacher Horn zureisen" gedenkt, wird ihm dies wieder bewilligt, ,,Doch soll er vorher / in beysein H(errn) Zehetners, d(as) Orgl– werckh besichtig(en}, / vnnd d(ann) noch hinderstelligen Mangl an demsel- / ben, vnd wie wolche zum Bstand zu werd(en), den / Orglmacher nach Notturfft informieren" (RP) . Der Erbauer dieser neuen Orgel war ohne jeden Zweifel aus Steyr selbst : Zum einen wäre es kaum möglich gewe– sen, in derart kurzer Zeit mit einem auswärtigen Orgelbauer langwierige Verhandlungen zu führen , zum andern wird auf entsprechendes Ersuchen , Herrn [Hans] Zehetner [ein Ratsmitglied , das 1616 Bruderhausverwalter war] gestattet, daß er sich das „Holzwerck, vnd Bälge [der abgerissenen Orgel] sambt der Zuegehörung, zu seiner gelegenheit [direkt] von Orglmacher weggbring" (RP 1614 f. 337 f). Erst ein Jahr zuvor war dem „Tischler und Orgelmacher in Steyr" Georg Hackher, Besitzer des Hauses Nr. 40 (heute Berggasse 30/32 bzw. Handel-Mazzetti-Promenade 23) , dessen Vetter Ulrich Schreyer, Sohn des Leonhard Schreyer aus Gröningen (ebenfalls Orgel– macher) , nachgefolgt62 } und es spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, daß er mit der neuen Orgel in der Schulkirche sich zuhause als neuer Meister vorstellen wollte. Wenn auch nichts über die Dispositionen der von ihm gebauten Werke (neben Steyr 1614 auch Freistadt 1614 und Linz/ Land– hauskirche 1616) bekannt ist, läßt doch seine Herkunft aufhorchen: Grönin– gen, wo 1596 anläßlich der Einweihung der neuen , vom Halberstädter Orgelbauer David Beck 1592-96 erbauten Schloßorgel (die Michael Prae– torius spielte und offenbar sehr schätzte) ein berühmtes Organistentreffen stattgefunden hatte und das durch den mit Peuerl etwa gleichaltrigen Praetorius zu einem Mittelpunkt der zeitgenössischen Musik und Theorie geworden war63 ) . Ulrich Schreyer hat wohl nicht nur bei Hacker das Orgel– bauergewerbe erlernt62 }, sondern zweifellos auch mit seiner Heimat Grö– ningen Kontakte gehabt. Peuerl wiederum hat nicht nur den Bau der neuen Steyrer Orgel durch Schreyer beaufsichtigt, sondern auch mitgear– _beitet und in diesem Umgang sicher noch viel Handwerkliches dazugelernt. Vor allem aber mag er durch diese Vermittlung all das kennengelernt haben, was in seiner späteren Wilheringer Orgel als Gemeinsamkeiten mit Praetorius greifbar wird!61 } Zunächst ist es kein Zufall , daß er unmittelbar nach dieser „Lehrzeit ", nämlich bereits im Oktober 1614 nach Horn reist (s. o. RP 11. Oktober 1614), offenbar um Verh·andlungen zu führen . Wenn auch die Steyrer Quellen über eine weitere Beurlaubung Peuerls in der nächstfolgenden Zeit schweigen, wissen wir aus den Homer RP, daß am 13. April 1615 hier „die Orgl, so von dem Peurl renovirt, probiret worden in Beysein Jhr(o) G(naden) vnndt se(m)tlicher des Rathes" (RP). Es han– delt sich also dabei um eine neuerliche Reparatur in der Homer Stephans– kirche und keineswegs um einen angeblich von Peuerl ausgeführten Neu– bau in der Georgskirche, der in der Literatur seit nahezu hundert Jahren immer wieder behauptet wird. Dieser Irrtum geht offensichtlich auf Bur16
ger64 ) zurück, der hiebei lediglich mehrere an und für sich gesicherte Tatsachen in unzulänglicher Weise miteinander verknüpft: a) den Aufent– halt Peuerls in Sachen Orgel 1615 in Horn, b) die Inangriffnahme der Finanzierungsfrage einer Orgel in der Georgskirche, die schon 1609 im Gespräch gewesen war (die gräfliche Herrschaft stellte 100 Dukaten zur Verfügung, den Rest sollten die Ämter und die Bürgerschaft der Stadt aufbringen , was aber noch 1616 und 1617 Schwierigkeiten macht),65 ) schließ– lich c) die Reise des Homer Organisten Reichard Khüniger „auf Nürnberg ... der Orgl halber" (nicht „um" die Orgel!) , wofür er am 31. Jänner 1620 (!) die Ausgaben von 16.- f. rückerstattet haben möchte (RP). Wann und von wem die Orgel in St. Georg tatsächlich gebaut wurde, ist nicht akten– kundig. (Alle bisherigen S'chlußfolgerungen daraus erübrigen sich). Hin– gegen ist nicht uninteressant für die Beleuchtung von Peuerls Persönlich– keit, was am 14. April 1615 (also am Tag nach der Orgelprobe) die Rats– protokolle Horn vermelden: ,,Demnach Paul Peürl den 14 di(ses Mona)tes bey dem [Adam] Nicolai [Thurner] I so wol auch bey dem Herrn Stain– mezen scabiose I vnndt spöttisch geredt, wirdt ihn(en) verwiesen, d(aß) I sie solches in ihren Häusern geschehen lassen, I vnndt dasselb E. E. Rath nit alsbalt an- I gezeigt, also d(aß) Ursach genug, sie deshalben I zu straffen, d(aß) sie ihre Pflicht nit besser in I acht genommen". Es ist also wie 1606: Man beklagt sich über Peuerl und nicht er, sondern die Klagen– den werden zurechtgewiesen . Diese verteidigen sich auch recht ungeschickt: Nicolai, er sei überhaupt nicht zuhause gewesen und habe es nur von seiner Frau gehört; Steinmetz, Peuerl habe gesagt, er wolle dem Rat zu seinen 10 f. Verehrung noch 10 dazugeben, er habe ihn aber nicht ganz verstanden, weil er schwerhörig sei. Immerhin wird daraus erkennbar: Wenn mit den 10.- f. die Orgelreparatur abgegolten werden sollte (was Peuerl jedenfalls zu wenig erschien) , kann es keine allzu umfangreiche Arbeit gewesen sein; und wieder ist der Thurnermeister Adam Nicolai Peuerls Kontrahent. Vielleicht ist auch damit ein Zipfel jener persönlichen Gründe gefaßt, weshalb Peuerl 1609 (und jetzt wohl erst recht) Horn den Rücken gekehrt hat. Der tatsächliche Neubau der Orgel in der Georgskirche (heute Stadtpfarre) wurde auch 1616 noch nicht in Angriff genommen: Das RP vom 23. März 1616 meldet „Wegen aufrichtung der Orgl. 11 5. Demnach Herrn Dunckhl– mayr neben dem Herrn Eschlbach I an E. E. Rath ein schreiben, d(a)ß man auß den I Ambtern Zu aufrichtung der Orgl etw(a)ß contribuiren solle, vermeldet Herr Burgermaister, d(a)ß I in seinem ambt nichts verhanden. Er seye I d(a)ß (sei) war dem Pfarhoffsverwalter ambt wenig (?) schuldig, wölle auf Begern alsbalt 50 f. richtig I machen. I E. E. Rath will wegen der Orgl auf michts (sie) I gedencken, die 50 f. aber, weil täglich auß- I gaben verhanden, solle H(er)r Burgermaister auff I khünftigen nothfall behalten." Und am 13. Februar 1617 heißt es in anderem Zusammenhang: „Darauß beschlossen, weil khein I gelt verhanden, vnndt man sich nicht allein mit den 1000 f. I gar entblöst, Sondern auch Zur Orgl noch gelt haben I solte, Ihre gn(aden) schrifftlich Zueberichten, d(a)ß es der I Zeit nicht sein khönne" (RP). Weitere Unterlagen scheint es nicht zu geben, aus denen das genaue Datum der Inangriffnahme oder gar eine Mitwir17
kung Peuerls klar ersichtlich wären. Diese angebliche Orgel Peu erls ist also aus dem Register zu streichen. Ein weiteres Problem besteht in einer möglichen Tätigkeit Peuerls in Enns: Am 2. März 1615 erhält nämlich hier der „Organist zu Steyr wegen der Orgl" 50.- f. , weitere Beträge der Weißgerber für „ein gaiß Heitel" und ein Hilfsarbeiter67 ). Dem Betrag und der Formulierung nach zu schließen und für sich betrachtet, könnte dies auf eine von Peuerl durchgeführte Orgelreparatur bezogen werden . Frühere Eintragungen jedoch , wonach am 10. Juni 1614 dem „Ulr(ich ) Schreier Orglmacher von 200.- fl bezahlt 50.-" und wenig später dem „Orglmacher von 150.- fl 50.-" übergeben wer– den68), zeigen, daß es Ratenzahlungen gab, die sich viel leicht noch auf den Neubau der Orgel in der Spitalskirche Enns von 1609G 9 ) beziehen . Dabei könnte auch einmal irrig Organist anstatt Orgelmacher stehen. Aber selbst jener Ausdruck dürfte sich nicht auf Peuerl beziehen, denn 1618 ist nicht nur eindeutig von „Hanns Ulrich Schreier Orglmacher" die Rede,70 ) sondern „Ott Organist von Steyr ist wegen der Orgl herab beschiden worden".il) Es ist dies wohl jener Andreas Otto, der den am 6. Februar 1615 abgefertigten (RP) Organisten der (katholischen) Pfarrkirche Steyr, Johann Kirchperger, abgelöst hatte (RP 10. März 1616) und der möglicher– weise vorher in Enns tätig war.72 ) Über eine mögliche Verwandtschaft mit dem Kasseler Hofkapellmeister Georg Otto, dem Thomaskantor Valentin Otto oder der Nürnberger Druckerfamilie Ott ist nichts bekannt. Insgesamt bedeuten die mehreren Orgelbauer in Steyr (zur gleichen Zeit ist noch Dietrich Wagner tätig)5 ' 3 ) (obwohl zu diese r Zeit eine der wirt– schaftlich führenden Städte Österreichs) eine nicht unerhebliche gegen– seitige Konkurrenzierung und es ist schwer vorstellbar, daß dieses Neben– einander immer ein freundschaftlich-friedliches gewesen sei. Tatsächlich weisen die RP Steyr am 26. Februar 1621 einen Fall „Peurl Declara(ti)on c(on)tra / Tischlerhandtwerck, / Orglmacher betr(effend) / Expetiat(ur)" aus. Diesen wenigen Stichworten ist zu entnehmen , daß es zu einem Rechts– streit zwischen Peuerl und einem Orgelmacher gekommen war, der - wie allgemein üblich - zur Zunft der Tischler gehörte und vo n dieser beim Rat vertreten wurde, und daß in dieser Angelegenheit ein Bescheid zugestellt werden sollte. Damit wird klar, daß auch eine Reihe von frühe– ren Eintragungen sich bereits darauf bezieht, d. h. daß der Rechtsstreit sich schon längere Zeit hingezogen hatte : Am 21. August 1619 meldet das RP „Paul Peyerl, organist / p(ro) eröffnung / der Declaration, II Fiat ein / andere Tag sezung auf den / 4. eingehenten Monats 7b(ris) / zu gewöhn– lichen Rhats Zeit . . . / dessen die Gegentheill mit zue- / steliung diß zueerindern". Die Gegenseite scheint aber den Termin 4. September nicht eingehalten zu haben, jedenfalls scheint dieser Fall in den RP dieses Datums nicht auf. Die Sache blieb offenbar lange liegen und am 17. Juli 1620 ergeht die Mahnung „Die declaration soll ehest / für das Statt– gericht wider / befüerdert werden" bzw. der Herr „Burgermaister wolle den H(errn) Urlperger mahnen laßen, d(aß) die Acta E. E. Rhat fuebring" (RP). Auch am 15. Februar 1621 geht es noch immer um die „Befeurdrung der declara- / tion II Zuuermelte Declarations Er- / khantniß solle souil müglich 18
be- / fürdert werden. Vnd mag der Suppl(icant) dieselbe bey / der Statt Canzley gebührlich / sollicitiern" (RP), bis es endlich zu dem genannten Bescheid kommt. Der Beginn des offenen Streits 1619 ist dabei sicher kein Zufall: Drei Wochen vorher hatte Peuerl mit Abt Georg II. Grill von Wilhering den Vertrag über einen Orgelneubau für die dortige Stiftskirche abgeschlossen (dat. 31. Juli 1619)5) und einen angestammten Orgelbauer mußte die Konkurrenz, möglicherweise ausgerechnet durch denjenigen, der ihm fünf Jahre zuvor genau auf die Finger gesehen hatte, auf die Barri– kaden bringen. So besehen erscheint aber auch die lange Verzögerung des Falles durch den Rat nicht ganz zufällig zu sein. Vielleicht sah man die Lösung darin, Peuerl in diesem Fall die Möglichkeit der Vollendung zu geben . Nach derselben ging die Ausstellung des Bescheids nämlich auffallend rasch (letzte Mahnung am 15. Februar und Zustellung am 26. Februar 1621). Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist dieser Bescheid für Peuerl negativ ausgefallen: Vorerst konnte der Rat wohl aus prinzipiellen Gründen nicht anders entscheiden , es sei denn , Peuerl hätte sich um die Aufnahme in die Tischlerzunft bemüht. Dies war jedoch zum einen nur behausten Bürgern möglich (was Peuerl nicht war) , zum andern hätten es die Zunftmitglieder wohl jedenfalls zu verhindern getrachtet, schließ– lich hätte es sicherlich die Aufgabe des Organistenamtes zur Folge ge– habt. Aber im Gegenteil: Peuerl wendet sich bald darauf wieder einmal an den Rat um „Veriordnung eines andern Zim(m)er" (RP 10. März 1621) bzw. ,,besoldungs besserung" (RP 23. Dezember 1622). Außerdem wird er in den Ratsprotokollen nach wie vor nur als „Organist" bezeichnet. Sicher– lich hat er bei der letztgenannten Eingabe auch auf die nun fehlende Mög– lichkeit, etwas dazu zu verdienen, hingewiesen und tatsächlich wird ihm bereits eine Woche später Verbesserung versprochen (RP 30. Dezember 1622). Daß andererseits 1625 nicht nur Peuerl sich selbst (auf dem Titel– blatt des letzten Druckes), sondern auch das RP bei der Abfertigung als „Organist und Orgelbauer" bezeichnet, könnte darauf hindeuten, daß einige Jahre später Peuerl mit einem neuerlichen Versuch , die Genehmigung als Orgelbauer zu erhalten, irgendwie durchgekommen ist. Weitere Anhalts– punkte fehlen allerdings. Neben den genannten Gesuchen um Beurlaubung, Gehaltsverbesserungen, Wohnung und dem Streitfall berichten die Steyrer RP nur selten von Paul Peuerl: Am 18. März 1613 „offerirt" er dem Rat „etlich exemplaria / seiner in truckh gebenen Compo- / sition" und der Rat verehrt ihm dafür „zehen Taler ... Die soll er aus dem Stadt Cassa / zuempfahen haben". (Wahrscheinlich handelt es sich dabei bereits um den ,,Weltspiegel"). Am 10. Februar 1614 bittet er neben „Bestallungs verbeß– rung" um „Consens in patriam zuuerraisen". Dagegen hat „E. E. Rhat, wann er sich zu rechten Zeit wider al- / hie einstellen wirdt, kain Bedenkhen." Dies scheint der Fall gewesen zu sein, denn im Oktober erlaubt man ihm die bereits genannte neuerliche Reise nach Horn. Während solcher Abwe– senheit hatte er wie üblich für entsp rechenden Ersatz in seinem Organisten– dienst zu sorgen, was ihm am 1. September 1617 in einer weiteren „Licenz in sein haimat abzuraißen" nochmals aufgetragen wird (,,doch solle Suppl– (icant) sein widerkhunfft vber / Zuuermelte zeit nit Verschiebe(n), S,ondern / sich eheist hieher verfüge(n), vnd hiezsichen / den Orgldienst dermaßen 19
bestelle(n), da- / mit hierin khain mangl Erscheine"). Eine für die Biographie nicht unwesentliche, zunächst rätselhaft erscheinende Eintragung findet sich z-um 17. Februar 1614: ,, Paul Peürl p(ro) Promo- / torial an die zur Neü- / stadt, wegen Rüstigkeit / seiner Erbsgeber halb(er) II Fiat, wie begert" (doch dürfe darunter der Orgelbau nicht leiden , siehe oben) . Dar– aus ist zunächst zu schließen , daß es sich nicht nur um ein Schriftstück handelte, das der Rat von s•teyr an den Rat von (Wiener) Neustadt schicken solle, sondern daß Peuerl selbst damit dorthin gereist ist. Als sein „ Erbs– geber" in Wiener Neustadt kommt wohl nur der Bruder Conrad in Frage, der hier zwischen 1613 und 1627 mehrfach in den RP aufscheint und am 9. Februar 1628 gestorben ist.73 ) Als dessen Beruf ist am 1. November 1622 Gerichtsschreiber und am 20. Juli 1627 Gerichtsadvocat angegeben. Bei den meisten aktenkundigen Fällen handelt es sich um Ansuchen um Steuer– nachlässe oder um Hilfe gegenüber säumigen Gläubigern , er hat sich also offensichtlich als Geldverleiher betätigt.74 ) In einer solchen Angelegen– heit dürfte ihn auch sein Bruder Paul aufgesucht haben (um Geld oder eine Bürgschaft zu erhalten?) ,75 ) vermutlich besteht auch ein Zusammen– hang mit der genau eine Woche vorher bewill igten Reise in seine Heimat (nach dem Tod der Eltern?) . Offensichtlich hat Peuerl beim Rat mit einer möglichen oder bevorstehenden Erbschaft operiert und es erhebt sich die Frage, ob er nicht damals schon - man stand mitten im Neubau de r Steyrer Orgel - mit dem Gedanken gespielt hat, sich auch in größerem Umfang und offiziell als Orgelbauer zu betätigen . Erste Voraussetzung dafür wäre eben einiges Kapital gewesen. Auffällig ist, daß zur Zeit des Wilheringer Orgelbaues um 1619/20 nichts von einer Beurlaubung zu diesem Zweck aufscheint. Weiters erhebt sich überhaupt die Frage, wo er eine Werkstätte betrieben haben könnte. Im Wilheringer Orgelvertrag ist festgehalten , daß er das Werk „auf seine Aignen unkosten dahaimb Zu Steyr . . . Inner Jahr und Tage machen und gentzlich verfertigen, nach Ververtigung derselben alhero auf Wilhering ohne entgeldtt des Closters verfertigter liefern, folgendts auch mit seinem gesindtt an das deputirte Orth in der Kirchen aufrichten"5 ) müsse. Das bedeutete für Peuerl zwar die Möglichkeit, nicht allzu lange von Steyr fort sein zu müssen, andererseits aber auch ein großes Risiko und Problem bei der Anfertigung , der Lagerung und dem Transport. Dazu schweigen die Quellen. Schließlich erhebt sich die Frage, wie das Kloster Wilhering dazu kam, ausgerechnet einen nicht entsprechend mit Neubauten ausgewiesenen und vor allem protestantischen Orgelbauer zu wählen. Wenn auch in geschäftlichen Angelegenheiten diese Grenzen fließend gewesen sein mögen , könnten auch dabei gewisse persönliche Beziehungen eine Rolle gespielt haben. Dazu ist bestenfalls die Vermutung möglich , solche Be– ziehungen könnten durch eine vorausgegangene Orgelreparatur zustande– gekommen und irgendwie über die Schwester des Abtes Georg Grill , Eva, die mit dem Steyrer Apotheker Kretschmann76 ) verheiratet war, gelaufen sein.77 ) Daß nur das Titelblatt von 1611 Peuerl als „der zeit bestellten Organisten bey der Evangelischen Kirchen zu Steyer" bezeichnet, 1613 und 1620 aber die Formul ierung durch „der löblichen Statt Steyr in Oesterreich ob der Enß bestellten Organisten" ersetzt wird, hat Geiringer mit der Lage 20
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