Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr, Heft 34, November 1796

bezeichnet, bedeutet auch den größten Gegensatz : Während die Intrada bei Peuerl ein stilisierter Tanzsatz im Dreiertakt ist, handelt es sich bei Thesselius um einen geradtaktigen Typus. Thesselius kommt demnach für Peuerl als unmittelbarer Anknüpfungspunkt nicht in Frage. Beide in Ober– österreich tätigen Komponisten gehören demnach verschiedenen Linien in der beinahe einhundertjährigen Tradition der Variationskunst, in der französische und niederländische, englische und italienische Anregungen ineinander aufgehen ,84 ) an . Zum Weiterleben dieser Werke Peue rls sei auch auf die Turine r Org el– tabulatur hingewiesen , süddeutscher Provenienz, zwischen 1637 und 1640 angelegt, mit 16 Bänden , 2703 Blättern und 1770 Kompositionen die um– fangreichste derartige Quelle, die im 15. Bd. ohne Autorsangabe 14 S•tücke aus Peuerls Sammlung von 1611 enthält (Nrn. 78 - 87, 95 - 100, davon 78 = 96, 79 = 98) .88 ) Die unregelmäßige Abfolge und die Unterbrechung durch einen Block von Werken Haßlers (Nrn. 88 - 94) lassen bereits auf eine Abschrift aus einer analogen Vorlage und nicht auf eine Absetzung nach der mehrstimmigen Version schließen. (In einem Fall - Nr. 78 - lautet die Überschrift „Gagliarda del Ms. Drexel" , was sich auf alle folgenden beziehen dürfte. Mit Drexei könnte der seit 1616 in Nürnberg belegte Valentin Dretzel gemeint sein) .89 Jedenfalls scheint daraus eindeutig her– vorzugehen - was ja schon durch die weiteren Sätze in der Linzer Tabu– latur nahegelegt war - , daß diese Versionen für Tasteninstrumente die ursprünglicheren waren und als solche Verbreitung gefunden haben . Ob– wohl selten die Reihenfolge der des Druckes entspricht, geschweige denn ganze „ Suiten " abgeschrieben sind , wurden die Stücke in dem Teil der Handschrift eingefügt, der die Tänze und Variationen enthält: hier figurie– ren sie ausschließlich als Tänze. Was schließlich die möglichen Anknüpfungspunkte Peuerls an geht, ist zu– nächst festzuhalten , daß die angebliche Übernahme eines Textes in den „Weltspiegel" (1613) von Kaspar Gl anner 1578 her90 ) nicht den Tatsachen entspricht. In mehreren Texten Peuerls finden sich Annäherungen oder Anspielungen an Texte anderer Komponisten ,91 ) so ist auch hier nur die erste Zeile ident (was immerhin zeigt, daß Peuerl den Salzburger Orga– nisten genau gekannt hat). Der Titel „Weltspiegel" mag von Bartholomäus Ringwaldts „Speculum mundi" (1590) inspiriert sein .91 ) Bezüglich der noch viel wichtigeren musikalischen Herkunft wird in Bezug auf die Vokalmusik die Suche in Weiterführung der obigen bi ographischen Ergebnisse zu beginnen haben . Vor allem käme Balduin Hoyoul , Niederländer und Lasso– Schüler (c. 1548 - 1594), Schwiegersohn und ab 1589 Nachfolger Ludwig Dasers als Stuttgarter Kapellmeister in Frage. Die Struktur von dessen Vokalwerken92 ) deckt sich jedenfalls auffällig mit der des „Weltspiegels", die doch ganz deutlich in der Tradition des deutschprotestantischen Lied– ideals der Niederländer93 ) steht und nicht in der italienischen (sopranbeton– ten oder an die Balletti a la Gastoldi anknüpfenden)94 ) der deutschen Zeit– genossen. Man wird daher auch die nicht erhaltene 8-stimmige Motette (s. o. Horn 1603) nicht ohne weiteres als venezianisch (2 x 4 Stimmen) 26

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