7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

Siebenter Jahres-Bericht der k. k. Staats - Ober Realschule Steyr. Veröffentlicht am Schlusse des Studienjahres 1876-77. Steyr 1877. Herausgeber: Der k. k. Oberrealschul - Director Josef Berger. Druck von M. Haas Erben in Steyr.

Die elementare Behandlung der Physik. Von Dr. Josef Bittner. Unter allen Geschöpfen geniesst nur der Mensch das nicht be¬ neidenswerte Vorrecht, dass er einer Anleitung dazu bedarf, nach den Anforde¬ rungen seiner Gattung zu leben. Isolirt man ein Thier gleich nach der Geburt vollständig und versieht es nur mit den nötigen Nahrungsmitteln, so wird es wol kein Musterexemplar seiner Gattung, aber immerhin ein brauchbares Individuum werden. Ein menschliches Kind dagegen, das von menschlichen Bildungselementen abgeschnitten wurde, wird auf der Stufe der Thierwelt stehen bleiben. „Der Mensch wird Mensch nur durch fremde Einwirkung“ sagt Milde. Der Mensch muss also erst wahrhaft zum Menschen gemacht, zur Humanität d. i. zur Menschheit in ihrer höchsten Form herangebildet werden. Pädagogik heisst die grösste der Künste, welche jenes Problem lösen soll. Wenn wir aber sagen, die Pädagogik hat den Menschen zum Menschen zu machen, so meinen wir nicht, zu einem Menschen, wie ihn eine altgefertigte Schablone feststellt, sondern zu dem Menschen, den die treibenden Ideen, die bestehenden Verhältnisse, die Strebungen und Ziele der Zeit erfordern. Demnach ist der Begriff „Mensch“ in unserem Sinne heute ein anderer, als er vor 100 Jahren war; zugleich aber sieht man. dass die Aufgabe der P'ädagogik an Umfang und Tiefe stätig zunimmt. Immer neue Mehrerfordernisse treten an sie heran, die bewältigt werden wollen. Sache des Pädagogen ist es, bei der Anhäufung des Bildungsstoffes über Mittel zur Bewältigung desselben zu sinnen. Ein derartiges Mehr¬ erfordernis der Pädagogik ist auch die Naturlehre. — Bevor wir jedoch daran gehen, zu erörtern, wie diese neuc „Last“ am leichtesten bewältigt werden könnte, wollen wir noch die Frage zu beantworten suchen: Auf welcher Stufe soll man mit dem Unterrichte in der Naturlehre beginnen? Die Antwort: schon in der Volksschule — wird einer nähern Begründung bedürfen. Von vielen Seiten will man die Naturwissenschaften überhaupt und die Naturlehre insbesondere als etwas Unnützes und Leberflüssiges, ja sogar Schädliches von der Volksschule ausgeschlossen wissen. In letzterer Be¬ ziehung macht man geltend, die Naturlehre führe die Jugend dem Mate¬

4 rialismus und dem Unglauben zu. Materiellen Sinn soll die Natur¬ lehre verschuldet haben? War dieser nicht schon in Blüte, als die Natur lehre als unschuldiges Kind noch in der Wiege lag? Weil die materiellen Interessen sehr viel der Naturlehre zu danken haben, schliesst man, dass sie zum Materialismus führe. Man sehe sich nur die Naturforscher an, wie viele von ihnen können klagend vor Gottes Thron treten über den Undank materieller Interessen! Man denke z. B. an Galilei, an Keppler u. a. Aller der Naturforscher, die uns die grosse Fülle des Wissens ver¬ macht haben, was war der Beweggrund, der sie anspornte? Was trieb sie zu jenen Kämpfen und Siegen über die widerstrebende Xatur? Man darf es nie vergessen, dass nicht einer dieser Männer irgendein praktisches Ziel (in der gewöhnlichen Bedeutung des Wortes) vor Augen hatte. Keiner betrachtete den Geldverdienst als das Ziel seines Strebens; zum grössten Theil kehrten sie den Process um, setzten das Wissen als Ziel und ver¬ wendeten das Geld, das sie besassen, als Mittel zur Erreichung desselben. Und was war der Lohn dieser grossen Forscher? Nichts anderes, als die innere Freude, eine neue Wahrheit gefunden zu haben; durch Schmerz und Selbstaufopferung verfolgten sie oft ihre Arbeit, ja selbst im Tode noch von dieser Leidenschaft beherrscht, diktirten viele, wenn sie die Feder nicht mehr halten konnten, ihren Freunden die Resultate ihrer Arbeit. „Ich arbeite“, schreibt Fresnel an Young 1824, „weit weniger, um die Lobeserhebungen des Publicums zu gewinnen, als um den innern Beifall zu finden, der mir immer der süsseste Lohn für alle meine Anstrengungen war. Alle Lobeserhebungen, die ich von Arago, de la Place und Biot erhielt, haben mir nie so viel Freude gemacht, als die Entdeckung einer theoretischen Wahrheit oder die Bestätigung irgend einer Berechnung durch den Versuch.“ Wie sollte aber auch der jugendliche Geist durch die Weise, in der er sich mit der Natur beschäftigt, für materielle Interessen gewonnen werden? Der materielle Sinn hat seinen Grund in ganz andern Dingen, als in der Arbeit, die die Erkenntnis der Natur von dem Geiste fordert und wer die Anlage zum Materialismus in sich trägt, der wird sein Auge vor der Natur verschliessen oder doch in ganz anderem Sinne auf sie werfen, als um sie durch wissenschaftliche Erforschung zu begreifen. Was den zweiten Vorwurf anbelangt, die Naturwissenschaften ver¬ führen zum Unglauben, so gibt es wol immer noch Leute, welche gar erbaulich darüber sprechen, wie Gott die Welt so weise eingerichtet hat und nach seinen Gesetzen regiert, und die in demselben Athemzuge behaupten, die Erforschung dieser weisen Gesetze führe von Gott ab, verführe zum Atheismus. Man durchmustere doch die Naturforscher, und man wird unter ihnen gläubige, indifferente und ungläubige finden, ganz so wie unter den übrigen Menschen. Die Naturforschung kann also wol kein Specificum für den Unglauben sein. Gibt es doch unter den Geistlichen selbst viele und sehr anerkannte Naturforscher, ohne dass man von ihnen behaupten könnte, sie seien Atheisten geworden: geläutert haben sie ihren Glauben,

eingebüsst gewiss nicht. Denn die Betrachtung der Gesetzmässigkeit und Ordnung in der Natur, der Einheit in der unendlichen Mannigfaltigkeit, wo jedes Einzelne seinen Zwek, seine Bestimmung hat, damit das Ganze bestehen könne, — führt zu einer sittlichen Weltanschauung. „Schädlich“ also kann das Studium der Naturlehre nicht sein. Es ist aber auch nicht unnütz und überflüssig. Die „alte“ Volksschule — die katholische sowol als die protestantische war wesentlich eine kirchliche Bildungsanstalt, eine Religionsschule im engern Sinne. Die religiösen Disciplinen nebst dem Lesen machten ihr ursprüngliches Lehrpensum aus. Da konnten natürlich die Naturwissenschaften kaum eine gelegentliche, beiläufige Berücksichtigung finden. Dazu kam, dass der Wert naturwissenschaftlicher Kenntnisse für das Volk wenig aner kannt, das exacte Wissen auf diesem Gebiete überhaupt nud also auch unter den Volksschullehrern sehr beschränkt, der Lehrstoff für den populären Unterricht mangelhaft verarbeitet, die Hilfsmittel zur Naturkunde, wo so viel auf Veranschaulichung ankommt, in hohem Grade ungenügend waren. Anders ist es in der neuern Zeit geworden. Die Volksschule hat ihre Bestimmung allgemeiner gefasst und ihren Bildungskreis bedeutend erweitert. Sie soll die Jugend nicht blos für das kirchliche Leben herau¬ bilden, sondern auch für das bürgerliche und allgemeine Verkehrsleben; sie soll alles gewähren, was als die Grundlage einer allgemeinen menschlichen Bildung angeschen wird und was dem Bürger eines civilisirten Staates in unserer Zeit zu wissen nötig ist. Sie hat daher in ihren Unterrichtskreis nach und nach immer mehr Lehrgegenstände gezogen. Wie zum Lesen zuerst das Schreiben und das Rechnen als Lehrgegenstände kamen, so traten später noch solche Lehrfächer hinzu, welche gewisse nützliche Kenntnisse für's Leben den Kindern darbieten sollten; so die Geographie und die Geschichte. Die Xaturwissenschaften werden eigentlich erst in den letzten Jahrzehnten in höherem Grade berücksichtigt und die neuesten Lehrpläne haben ihnen einen bestimmten Platz angewiesen. So sind für die Physik in den 3 oberen Klassen unserer achtelassigen Volks- und Bürgerschulen je 2 wöchentliche Lehrstunden ausgesetzt. Ist es ein Fortschritt der neuern Pädagogik. den Naturwissenschaften in der Volksschule eine höhere Pflege zuzuwenden? Ohne Zweitel. Soll der Volksschule der Charakter einer allgemeinen Bildungsanstalt zukommen, so muss sic ein so wichtiges Objekt, wie die Natur ist. in den Kreis ihrer Lehrgegenstände aufnehmen. Was liegt dem Menschen, welches Standes und Berufes er sein möge, näher als das Bekanntwerden mit der Natur, an die seine Existenz mit tausend unlöslichen Banden geknüpft ist, aus der er keinen Augenblick heraustreten kann, über die er bis zu cinem gewissen Grade Herr werden soll, deren Ordnungen er sich andrerseits unbeding fügen muss und die seinem Nachdenken wie seiner praktischen Thätigkeit ein reiches Feld darbietet? (ewiss, die Natur an und für sich schon ver¬ dient es, und unsere innige Beziehung zu ihr verlangt es, dass die Schule

auf sie ihre volle Aufmerksamkeit richtet, und dass auf der elementarsten Bildungsstufe das Kind mit ihr bekannt gemacht wird. Auch die drei- und zweiklassigen Volksschulen sollen die Xaturlehre nicht ganz übersehen. Denn tagtäglich hat der gemeine Mann Gelegenheit. an jedem Fabrikorte, auf jedem grössern Oekonomiehofe, au jeder Eisenbahnstation Vorgänge zu be obachten, von denen er wenigstens einen allgemeinen Begriff besitzen muss. wenn er sich inmitten dieser Dinge nieht wie von magischen Zauberkreisen umtellt fhlen soll. as Barometer, das Thermometer, die Pumpen et sind Gegenstände, denen man überall begegnet und deren Einrichtung Jedermann verstehen sollte Aber abgesehen vom praktischen Xutzen, wie vieles wird ein zweckmässiger naturkundlicher Unterricht wirken können für Sinn. Verstand und Gemüth. für Weckung des ästhetischen und des sittlich-religiösen Gefühls: Das Gefhl des Erhabenen, die Freude am Sehönen, wo fiuden sie mehr Xahrung als in der Xatur? Von grosser Bedeutung ist endlich für den Elementarunterricht die mit dem naturkundlichen Unterricht verbundene l'ebung des Anschauunasvermgens. des tiedchtnisses und der l'hantasie, die Anleitung im genauen Beobachten und im Aufsuchen des Zusammenhanges zwischen Erscheinung und lrsache. — Die grndliche Beobachtung der Xatur aber ist eine Kunst. die. wenn sie nicht frih gelbt und das Interesse dafûr geweckt worden ist, im spätern Leben nicht erlernt und namentlich nie durch Bücher gewonnen werden kann. weil sie nicht eine rein gei-tige Thätigkeit ist, sondern vorzugsweise auf der Anwendung der Sinne beruht. Wer früh gewöhnt wurde die Stimmen der Vögel zu unterscheiden, der lauscht auch im Alter mit Freuden ihrem Chor. wo der andere ein unterschiedloses (ezwitscher hôrt und so verhält es sich auch mit allen andern Naturerscheinungen. Leber die Berechtigung der Xaturlehre als l'nterrichtsgegenstand in der Mittelschule zu sprechen, hiesse Eulen nach Athen tragen, fir uns i-t das schon ein berwundener Standpunkt und selbst der eingefleischteste l'hilolog erkühnt sich nicht mehr. der l'hysik den grossen Einfus, den sie auf die allgemeine ildung hat, abzusprechen. — Wir wollen hier nur einen Einflus noch erwähnen, den der exacten Methode, die in dei Aufuchung des Zusamenhanges der Einzelerscheinungen, in der Aufstellung der gemeinsamen Normen und in der Ermittlung der Vr-achen befolgt wird. Es wird durch dieselbe nicht nur die geistige Erziehung befördert sonderu mittelbar auch der t'harakter geläutert. Dadurch, dass der jugend liche Geist in ihr geübt wird. gewöhnt er sich an scharfes, strenz logisches Denken. Wol ist auch in andern Wissenschaften ein streng logisches Denken notwendig. allein nur in den Xaturwissenschaften rächt sich eine Ab¬ weichung von demselben sogleich aufs empfindlichste. Ein ganz geringes Versehen bei einem Versuch lässt das Resultat wertlos werden, eine unbe¬ deutende Täuschung bei einer Beobachtung oder eine noch so kleine Ab¬ weichung von dem richtigen Gang in den Urtheilen und Schlüssen, stellt

die Beobachtung selbst, die für sich richtig war, in ein falsches Licht. In Folge dieser Schärfe und Genauigkeit ist unter den übrigen Wissenschaften nur noch die Mathematik eine so strenge Schule für den jugendlichen Geist. Durch die exacte Methode lernt dieser ferner das Wahre von dem Halb¬ wahren unterscheiden, er lernt die Phantasie zügeln, indem er ihr nicht erlaubt, willkürlich mit den Thatsachen umzuspringen der sich von dem Reich der Thatsachen zu entfernen und die Dinge neu zu schaffen, indem er sie vielmehr zwingt, die Grösse, den Ort. und die andern Beziehungen der sinnlichen Dinge so abzuändern, wie sie den Forderungen des Geistes entsprechen. Der jugendliche Geist lernt endlich der Thatsache, die er als richtig erkannte, seine Ausicht, die er vielleicht gerne aufrecht erhalten möchte, zum Opfer bringen und gewöhnt sich, diese sichergehende Methode auch in anderen Fächern anzuwenden. Wer wollte behaupten, dass es für den künftigen Mann nicht von ungeheurem Vortheil ist. klar zu sehen und sicher zu schliessen? Eine andere Frage ist die: Werden beim Physikunterrichte die gewünschten Resultate auch wirklich erreicht? Leider, nicht. Besonders in der Volksschule sieht es an vielen Orten mit der Xaturlehre noch sehr traurig aus. Freilich, Schulen, welche im Lesen. Schreiben und Rechnen kaum notdürftig ihr Lehrziel erreichen, werden weder in der Xaturlehre, noch in den übrigen Zweigen der Naturwissenschaft etwas leisten; diese thuen besser, wenn sie die Naturwissenschaften ganz ignoriren. Aber selbst Schulen, denen sonst tüchtige Lehrer vorstehen, können sich mit keinen bedeutenden Erfolgen in der Xaturlehre ausweisen. Worin liegt die Ursache davon? Ich glaube, hauptsächlich in der Methode, nach der dieselbe gelehrt wird. Wie soll nun der Unterricht in der Naturlehre bei ihrer elementaren Behandlung eingerichtet werden? — (Wenn wir von elementarer Behandlung sprechen, so haben wir den Unterricht in der Volksschule und in den Unterklassen der Mittelschule vor Augen, für beide gelten so ziemlich die¬ selben Normen.) Aller Unterricht besteht darin, dass der Schüler durch den Lehrer zur Erkenntnis eines Gegenstandes gebracht, dass also der Geist des Schülers zu einer bestimmten Thätigkeit angeregt wird. Die Thätigkeit des Geistes lässt sich aber nach Kant unter drei Gesichtspunkte bringen: Unser Geist zeigt sich entweder aufnehmend = Erkenntnissphäre; oder aus sich herausgehend, zur Einwirkung auf die äusserlichen Dinge fortschreitend — Willenssphäre; oder der Geist tritt in solche Beziehungen zu den Dingen, durch welche dieselben nicht in ihn aufgenommen, sondern die nur einen Zustand in ihm erwecken, den wir Empfindung und in seinen Specificationen Lust und Unlust nennen = Empfindungssphäre. Diese Drei¬ faltigkeit des menschlichen Geistes ist aber in Wahrheit auch eine lebendige Dreieinigkeit.

Wenn auch eine der Thätigkeiten immer die determinirende, die ton¬ angebende ist. so sind doch alle drei untrennbar mit einander verbunden, jede derselben hält die beiden andern als lebendige Momente in sich. Soll also der l'nterricht fruchtbar werden, so muss er die Wechselwirkung der Geistesthätigkeiten auf einander festhalten, er muss alle drei anregen: ist er auch zunächst vorzugsweise auf die Erkenntnis des Schülers berechnet, so wird er doch todt, wenn er das Gefühl und den Willen unberührt lässt: er hinterlässt für diesen Fall in der Seele des Schülers ein blosses Gedächt niswerk, das für die Bildung und Erziehung nur einen sehr zweifelhaften Wert hat. (Leider geschieht es noch häufig, dass man den l'nterricht und die Erziehung als zwei gesonderte (iebiete betrachtet, indem der l'nterricht auf die Erkenntnis, die Erziehung auf den Willen und die Empfindung sich beziehen soll, eine Trennung. die schon viel Unheil in der Schule angerichtet hat und immer noch anrichtet. Der wahre l'nterricht wirkt unmittelbar immer auch erziehend, indem er das Gefühl und den Willen des Schülers für das Gute und Wahre gewinnt, das er erkennen lehrt. Daher ist ein guter Unterricht auch zugleich die beste Disciplin. Welch' ein unendlich wichtiger, ja unentbehrlicher Factor der Wille in allem Unterrichte ist. obschon es bei demselben zunächst nur auf die Er¬ kenntnis einer Sache abgeschen ist, darauf werden wir. Lebrer. täglich hin¬ gewiesen. Denn die Grundbedingungen für alles gedeihliche Lernen sind Aufmerksamkeit und Fleiss der Schüler: aber beide Eigenschaften sind Wir¬ kungen des Willens. Auch das Gefühl ist in jeder Erkenntnis wirksam. Es ist eine bekannte Thatsache, dass die Erkenntnis um so fruchtbarer wird, ein je lebendigeres Interesse ich an dem Gegenstande der Erkenntnis nehme: je mehr sich dieses Interesse zur Freude oder gar zum Euthusiasmus steigert. desto mächtiger schreitet die Erkenntnis fort. Ist dagegen das die Er kenntnis begleitende Gefuhl ein widerstrebendes oder unfreies, so wird die Erkenntnis gehemmt. kann sogar ganz aufgehoben werden. Von irgend einem Gefühl ist die Erkenntnis jedesmal begleitet und es ist unendlich wichtig, ob es ein positives oder ein negatives ist. Ein Lehrer. der dem Unterrichte eine solche Form gibt. dass er nicht blos den Verstand, sondern auch das Gefühl anspricht, dass er ein positives Cefühl in der Seele des Schülers weckt. wird Lust und Liebe zum Gegenstande hervorbringen, wird bewirken, dass der Schüler freiwillig sein Ich auf den bestimmten Gegen¬ stand richtet. wird also auch den Willen des Schülers stärken und läutern und gewiss bedeutende Erfolge erzielen. Auf welchem Wege gelangen wir aber zur Erkenntnis eines Gegen¬ standes, einer Wahrheit? — Alle Erkenntnis bewegt sich zwischen den beiden Extremen des Einzelnen und des Allgemeinen. Der Ausgangspunkt in dem Erkenntnisprocesse kann aber ein doppelter sein: entweder wird von dem Einzelnen ausgegangen und von dieser Basis aus durch Verglei¬ chung das Allgemeine gefunden: oder es wird von dem Allgemeinen aus¬

gegangen und aus ihm das Besondere und Einzelne abgeleitet. Das erste Verfahren nennt man das analytische oder inductive, das zweito das synthetische oder deductive. Wenn z. B. Keppler die Bahnen der zu seiner Zeit bekannten Planeten untersuchte und durch Vergleichung mit einander fand, dass jede einzelne Bahn eine Ellipse ist und nun schloss, dass das Gesetz, das an allen ein¬ zelnen Planetenbahnen sich findet, zur Natur der Planeten gehören müsse, so beobachtete er die inductive Methode. Wenn dagegen der Geometer von gewissen sich von selbst versteben¬ den Grundsätzen und von allgemeinen Definitionen aus bestimmte Lehrsätze beweist, die von den geometrischen Figuren gelten, so übt er das deductive Verfahren. Die analytische Methode bedient sich in ihrem Verfahren des Inductions¬ schlusses, die synthetische des Deductionsschlusses und beide Methoden unterscheiden sich von einander gerade so, wie der Inductionsschlus und der Deductionsschlus. Der Inductionsschlus besteht aber darin, dass man irgend ein All¬ gemeines (ein Gesetz, ein Princip) an allen Individuen oder doch wenigstens an sehr vielen Individuen derselben Gattung als Prädikat beobachtet und daraus schliesst, dass dieses Allgemeine auch ein Prädicat der ganzen Gattung sei. — Der Deductionsschlus aber besteht darin, dass man irgend ein All¬ gemeines, welches für eine ganze Gattung von Individuen oder für eine ganze Klasse von Erscheinungen gilt, auch auf das einzelne Individuum überträgt, wenn man sich überzeugt hat, dass dieses Individuum derselben Gattung angehört. So würde der oben erwähnte Keppler’sche Inductionsschlus in seiner logischen Form lauten: Obersatz: Merkur, Venus, Erde, Mars. Jupiter und Saturn bewegen sich in elliptischen Bahnen um die Sonne. Merkur, Venus etc. sind aber alle Planeten. Untersatz: Schlussatz: Daher beschreiben Planeten eine elliptische Bahn um die Sonne. Aus diesem als allgemein erkannten Satze kann man nun wieder De¬ ductionsschlüsse ableiten und in der That wurde dieses Gesetz auf jeden neu entdeckten Planeten übertragen. Als Uranus entdeckt wurde, schloss man nach dem Deductions¬ verfahren: Obersatz : Alle Planeten bewegen sich in Ellipsen um die Sonne. Untersatz: Uranus ist ein Planet. Schlussatz: Also bewegt sich Uranus in einer Ellipse um die Sonne. Es ist für jeden Lehrer ungemein wichtig, beide Methoden genau zu kennen und zu unterscheiden, zugleich aber den Grundsatz festzuhalten, dass beide Erkenntnismethoden stets gleichzeitig geübt werden müssen. Es gibt kein Deductionsverfahren, welches nicht Schritt für Schritt auch eine In¬

duction voraussetzte, und ebenso bedarf das Inductionsverfahren fort und fort der Deduction. Der Inductionsbeweis kann schon deswegen der Deduction nicht ent¬ behren, weil er gewöhnlich aus einer grossen Zahl von einzelnen Fällen ab¬ geleitet ist, während er doch, um allgemein giltig zu sein, aus allen Fällen abgeleitet werden müsste. Die Naturwissenschaft hat den Vortheil, das sie die durch Induction gefundenen Gesetze durch erneute Beobachtungen an Indivi¬ duen oder Erscheinungen, die bei dem ersten Inductionsverfahren noch nicht berücksichtigt werden konnten, controlliren kann. So wurde das Cesetz von der elliptischen Bewegung der Planeten für jeden neu entdeckten Planet controllirt und als richtig befunden. Aber auch bei den durch Deduction gefundenen Gesetzen bildet die Verification oder Bewahrheitung einen wesentlichen Grundbestandtheil; ohne diese besitzen alle ihre Ergebnisse wenig andern Wert als den eines blossen Muthmassens. Um uns auf die allgemeinen Schlüsse, zu denen wir durch diese Methode gelangt sind, verlassen zu können, muss sich nachweisen lassen, dass diese Schlüsse mit den Ergebnissen der unmittelbaren Beobachtung übereinstimmen. So hielt man es für ein wesentliches Erfordernis einer wahren Theorie von den Lrsachen der Himmelsbewegungen, dass sie auf de¬ ductivem Wege zu den Keppler'schen Gesetzen führen sollte, und das leistete die Xewton’sche Theorie. Man hat mithin das Bedürfnis, den einen Weg durch den andern hinterher zu controlliren und zu begründen, — mit andern Worten: es gibt nur eine gründliche Erkenntnismethode, welche die Induction und die De¬ duction zu ihren Momenten hat, wenn auch die eine den Ausgangspunkt und den Grundcharakter angibt. Wir nennen eine Wissenschaft, in welcher die inductive Methode den Ausgangspunkt bildet: Experimentalwissenschaft; - in derselben bedarf jeder neue Fall, der irgend welche eigenthümliche Seiten bietet, einer neuen Reihe von Beobachtungen und Versuchen, — einer frischen Induction. Deductiv ist eine Wissenschaft in dem Masse, als sie Schlüsse in Be¬ treff neuer Fälle durch ein Verfahren zichen kann, das jene Fälle unter alte Inductionen bringt. So lange in einer experimentalen Wissenschaft die Inductionen ver¬ einzelt daliegen, als: « ist ein Merkmal von 5, c ein Merkmal von d. e ein Merkmal von fu. s. w. ohne irgend etwas, das a oder à mit c oder d verknüpft, ist sie eine reine Experimentalwissenschaft. Solche vereinzelte und von einander unabhängige Verallgemeinerungen sind z. B.: Säuren¬ färben vegetabilisches Blau roth, Alkalien färben es grün, — wo wir aus keinem der beiden Sätze den anderen erschliessen können: daher ist die Chemie noch eine Experimentalwissenschaft. Gelingt es aber durch neue Versuche und neue Inductionen, den Zwi¬ schenraum zwischen zweien dieser Einzelfälle zu überbrücken, — z. B. nach¬ zuweisen, dass à ein Merkmal von c ist, so setzt uns dies sofort in den

Stand, durch Deduction zu beweisen, dass a ein Merkmal von c ist. Oder eine umfassende Induction überbrückt mit einem Male ganze Schaaren von Merkmalen, indem sich 5, d, f und alle übrigen als Merkmale eines einzigen Dinges oder mehrerer Dinge herausstellen. Damit kann eine Wissenschaft, die noch in hohem (rade experimental war, mit einem Schlage deductiv werden. Das grösste Beispiel, das noch vorgekommen ist, ist in dieser Bezie¬ hung die Entdeckung Xewton's, dass die Bewegungen aller Körper des Sonnensystems, regelmässige wie anscheinend unregelmässige, Merkmale Einer Bewegung um einen gemeinsamen Mittelpunkt sind, mit einer Centripetalkraft, die in geradem Verhältnisse mit der Masse und im umge¬ kehrten Verhältnisse mit dem Quadrate der Entfernung von jenem Mittel¬ punkte wächst. Ebenso wurde die Lehre vom Schall, die früher auf der niedrigsten Stufe der reinen Experimentalkeuntnis stand. deductiv, sobald es durch Ver¬ suche dargethan war, dass jede verschiedene Art des Schalles die Folge und daher das Merkmal einer besonderen und genau zu bestimmenden Art von schwingender Bewegung ist. In den dedurtiven Wissenschaften, die wir durch die Formel charakteri¬ siren wollen: « ist ein Merkmal von 5, à ein Merkmal von c, c von d, d von e u. w., können wir die Leiter, die von « bis e führt, durch Schluss¬ folgerung hinaufsteigen: wir können schliessen, dass a ein Merkmal von e ist, wenn wir auch vielleicht niemals im Stande waren, a und e vereinigt zu beobachten. Dadurch können zahllose Wahrheiten, die man durch Induction aus eben so vielen Experimenten kaunte, als Deductionen von viel einfacherer und allgemeinerer Xatur dargethan werden: die Experimentalwissenschaft wird dadurch zur Wissenschaft des reinen Denkens. So sind die Mechanik, die Hydrostatik, die Optik, die Schall- und Wärmelchre eine nach der andern zu deductiven Wissenschaften geworden, und die Astronomie wurde durch Newton unter die Gesetze der allgemeinen Mechanik gebracht. — Es lässt sich nicht läugnen, dass das inductive Ver¬ fahren einfacher und natürlicher ist, und dennoch sprechen gewichtige wissen¬ schaftliche Gründe dafür, jeder Wissenschaft so viel als möglieh von dem Charakter einer deductiven Wissenschaft zu geben, darnach zu trachten, die Wissenschaft aus wenigen und einfachen Inductionen aufzubauen, und dies in vielen Zweigen der Xaturwissenschaften erreicht zu haben, hält man für den grössten Triumph der Naturforschung. Der deductiven Methode verdanken wir alle Theorien, durch welche massenhafte und vielfach verschlungene Erscheinungen unter wenige einfache Gesetze begriffen werden, die man niemals durch unmittelbare Erforschung hätte als die Gesetze jener grossen Erscheinungen entdecken können. Wir brauchen uns nur der Himmelsbewegungen zu erinnern, um zu schen, was die Methode für uns geleistet hat.

12 Allein es muss noch einmal bemerkt werden, dass, obgleich alle Wissenschaften immer mehr und mehr deductiv zu werden streben. sie darum nicht weniger inductiv bleiben, indem jeder Schritt in der Deduction immer noch eine Induction ist. Nach diesen Erörterungen können wir nun an die Beantwortung der Frage gehen: Welche von den erwähnten zwei Methoden soll beim Physikunterrichte auf der Elementarstufe die tonangebende sein? Zwar meinen Viele, vorgeschriebene Methode und Lehrbücher klemmen den Lehrer, wie fremde Stiefel den Gehenden, die beste Methode sei der Kopf des Lehrers, was insofern wahr ist, als der Lehrer gezwungen wird. nach einer bis in's kleinste Detail vorgezeichneten Methode vorzugehen. - zum Glück der Schule, und zu unser Aller Freude sind diese Zeiten schon vorüber, allein, ebenso richtig ist es, dass jede Wissenschaft ihre eigene Lehrmethode hat und dass sich gewisse allgemeine Grundsätze für ihre Behandlung auf¬ stellen lassen, die theils aus ihrer Eigenthümlichkeit folgen, theils durch die bestimmten Bildungszwecke, die durch sie erreicht werden sollen, gegeben sind. Namentlich für die formale Bildung des jugendlichen Geistes ist die rechte Weise der Behandlung die wichtigste Bedingung eines vollständigen Erfolges. — Ist der Naturlehre an einer Anstalt genug Raum verstattet, so wird wol der Schüler auch bei einer unrichtigen Behandlung derselben eini¬ gen materiellen Nutzen von dem Unterrichte haben, er wird z. B. ganz gut eine Dampfmaschine beschreiben oder die Natur des Blitzes erklären können, aber die Ausbildung der Beobachtungsgabe, die Schärfung des Urtheils und des gesammten Denkvermögens haben dabei sehr wenig oder gar nichts gewonnen. Wir wollen an einigen Beispielen die für den Anfänger richtige Art der Behandlung des Stoffes untersuchen. Ich sei bis zur Lehre vom Gleich¬ gewicht der luftförmigen Körper gekommen und gehe daran den Toricelli¬ schen Versuch zu erklären. Werde ich nun von der Thatsache, dass die Luft ein Gewicht besitzt und von dem allgemeinen Gesetze des Gleichge wichtes ausgehen und daraus die Thatsache ableiten, dass das Queck¬ silber in der Röhre bis zu einem Punkte steigen muss, wo die Queck¬ silbersäule einer Luftsäule von gleichem Durchmesser genau das Gleichge wicht halten wird? Oder werde ich, ohne irgend eine Voraussetzung zu machen, den Toricellischen Versuch anstellen, durch Einlassen der Luft in die Toricellische Leere den Schüler anhalten, die Ursache der früheren Er hebung der Quecksilbersäule selbst zu finden? -Auch der Laie wird sagen, dass es äusserst wenige Schüler (im Alter von 12—14 Jahren) geben wird, die bei der ersten Methode meinen Denkoperationen werden folgen, geschweige denn eine klare Vorstellung des Vorganges erhalten können. Oder ich beginne, um ein anderes Beispiel anzuführen, die Elektricitätslehre entweder mit der Definition der Elektricität als einer Eigenschaft, leichte Körperchen anzuziehen und wieder abzustossen, und lasse nun diese Wahrheit auf einige besondere Fälle anwenden, hinterher die Theorie durch Versuche controllirend;

13 — oder ich definire zuerst gar nichts, sondern mache eine Glas- oder Harz¬ stange elektrisch, nähere sie Papierschnitzeln, Hollundermark- oder Kork¬ kügelchen und lasse die Erscheinung durch die Schüler analysiren, und wenn dieses allgemein verstanden, definiren. Welche Methode wird bildender und für den Lernenden zugleich an¬ ziehender sein? Ohne Zweifel die zweite, die wir als die inductive kennen gelernt haben. Aber wer wird denn, werden Viele meinen, bei der elementaren Be¬ handlung der Elcktricitätslehre, dieser specifisch experimentalen Wissenschaft, heutzutage noch deductiv vorgehen? Leider Gottes kommt es noch häufig, ja sehr häufig vor, — ich könnte Beispiele namentlich anführen, — doch, nomina sunt odiosa — und gerade in der Volksschule, wo es am wenigsten am Platze ist, wird so vorgegangen. Da wird dogmatisirt, vordocirt, die Schüler werden vertröstet, dass man bei günstiger Gelegenheit die betreffenden Versuche, bis es sich der Mühe lohnen wird, auf einmal vornehmen werde, - wobei es zuweilen geschieht, dass die günstige Gelegenheit nie eintritt. Kann ein solcher Unterricht fruchtbar sein? Heisst das nicht, das Gedächtnis mit unnützem Ballast belasten, den der Schüler bei der ersten besten Gelegenheit über Bord wirft? - So betrieben, nützt die Naturlehre gar nichts, sie schadet vielmehr, indem sie früh schon einen Widerwillen gegen die Beschäftigung mit ihr in die Seele pflanzt, der für ein späteres Studium derselben vollkommen unempfänglich macht. Es erscheint demnach unzweifelhaft, dass für die clementare Behand¬ lung der Naturlehre als Hauptgrundsatz gelten müsse, den Ausgangspunkt habe das Experiment zu bilden, gerade so wie die Anschauung des Natur¬ körpers den für die Naturgeschichte. Was durch Beobachtung und Versuch nicht gefunde n und veranschaulicht werden kann, das finde in dem Elementarunterricht in der Naturlehre keine Stelle. Den inductiven Weg schreibt uns aber auch die Geschichte der Physik vor. Es genügt, einen oberflächlichen Rückblick auf dieselbe zu werfen, um sich zu überzeugen, dass diese Wissenschaft nur durch die inductive Methode im Laufe der Jahrhunderte zu dem geworden ist, was sie heute ist. Denn warum mussten die naturwissenschaftlichen Versuche der griechischen Philosophen fehlschlagen? Weil sie die Natur auf dem Wege der Specula¬ tion zu ergründen suchten. „Sie gaben sich nicht damit zufrieden“, sagt Stuart Mill, „zu wissen, dass eine Erscheinung immer auf eine andere folgt; sie glaubten das wahre Ziel der Wissenschaft nicht erreicht zu haben, wenn sie nicht in der Natur der einen Erscheinung etwas sehen konnten, aus dem man noch vor aller Erfahrung hätte wissen oder vermuthen können, dass die eine der andern folgen würde: sie suchten nicht nur nach Ursachen, die man nur zu nennen brauchte, um sofort in ihnen einen Grund ihrer Wirksamkeit zu finden, sondern sie waren auch überzeugt, solche Ur¬

14 sachen gefunden zu haben. Wenn Thales und Hippo der Meinung waren. dass Feuchtigkeit die Grundursache und der unvergängliche Grundstoff sei und alle anderen Dinge nur seine unendlich mannigfaltigen sinnlichen Kundgebungen. — wenn Anaximenes dasselbe von der Luft. Pythagoras von den Zahlen und Andere von anderen Dingen behaupteten, so dachten sie Alle, eine wirkliche Erklärung gefunden zu haben.“ Der einzige Aristoteles hat Bedentendes in den Naturwissenschaften geleistet; und aus welchem Grunde? Xur deshalb, weil er sich von der bisherigen Art der Betrachtung der Xatur losgemacht und einen neuen Weg eingeschlagen hat: den nämlich, immer am Einzelnen fortzugehen, immer an einem Gegebenen seine Gedanken zu entwickeln und aus einer Summe gegebener Thatsachen und Erscheinungen allgemeine Sätze abzuleiten. also die reine inductive Methode: — doch gilt dies mehr von der Xatur¬ geschichte, deren Vater er genannt werden kann. als von der Xaturlehre denn von ihm rührt der bis auf Galilei's Zeiten für richtig gehaltene Satz. dass ein Körper, der z. B. zehumal so schwer ist als ein anderer. auch zehn¬ mal so schnell zur Erde falle. Mehr als anderthalb Jahrtausende verstrichen seit Aristoteles, ohne dass die Naturlehre den geringsten Aufschwung erfahren hätte. Die Römer beschäftigten sich hauptsächlich mit der Moral und der Politik und besassen eine gewisse Abneigung gegen alles erfabrungsmässige Eindringen in die Xatur. So erzählt Plinius von Schlägen, die man durch gewisse Fische erhalte, als von einer durch Hörensagen ihm bekannten Er¬ scheinung, obwol er sich auf dem Markte, wo der Zitterrochen alltäglich zum Verkaufe ausgeboten wurde, sehr leicht von dieser Erscheinung hätte überzeugen können. Seit den christlichen Zeiten nahm die Theologie alle denkenden Köpfe ausschliesslich in Anspruch, — (die Alchymisten etwa ausgenommen). Ibren Reformator fanden die Xaturwissenschaften endlich in dem Engländer Bae von Verulam ( 1626), der zunächst verlangte, der Geist solle alle abstracten Theorien und überlieferten Vorurtheile abstreifen und die Wissenschaften seien auf die Erfabrung zurückzuführen. „Alles Heil der Wissenschaften hängt von der wahren Induction ab“, ist das wichtige Princip, das aufge¬ stellt zu haben Bacos Hauptverdienst ist. Dieses Theorem in Praktische ubersetzt und die Physik in die neue Bahn gelenkt zu haben ist alileis († 1642) Verdienst. Galilei ist der eigentliche Begründer der neuen For¬ schung; erst seit ihm datirt eine ununterbrochene Geschichte der Naturlehre erst von dieser Zeit an bekamen die Naturwissenschaften ihre welthistorische Bedentung. Galilei stellte Regeln für die natürliche Methode auf und ersann In¬ strumente, um sie zur Anwendung zu bringen. „Das Wesen der Dinge“ sagt er. „können wir nicht begreifen. Das Absolute entgeht uns, nur das Relative ist uns zugänglich. Die Ursachen sind für un- nicht wichtig. es kommt nur darauf an, den notwendigen Zusammenhang der Erscheinungen

aufzufinden." Er entdeckte selber die Axendrehung der Erde, das Gesetz der Pendelschwingungen, die Gesetze des freien Falls; er schuf die Mechanik, die eigentliche physikalische Wissenschaft. Mittelst des eben erfundenen Fernrohrs, das er vervollkommnete, machte er in kurzer Zeit eine Reihe der wichtigsten astronomischen Entdeckungen. So bemerkte er zuerst die Mond¬ berge und lehrte ihre Höhe aus ihren Schatten messen, entdeckte die Jupiters¬ trabanten und den Saturnring. Seine Bestätigung des Kopernikanischen Systems brachte ihn vor das Inquisitionstribunal in Rom, vor dem er die bekannten Worte: „E pur si muove“ gesprochen haben soll. Dieser Gang, welchen Galilei und seine Schüler einschlugen“, sagt Becquerel, „ist zu einer Verhaltungsmassregel geworden, von der man sich nicht eutfernen darf, wenn man sich nicht der Gefahr aussetzen will, vom rechten Wege abzukommen.“ Wenn es auch nicht unsere Absicht sein kann, eine Geschichte der Methodik des Physikunterrichtes zu schreiben, so müssen wir doch eines unserer grössten Pädagogen, des Amos Comenius († 1671), erwähnen. der schon damals die Physik in der Volksschule eingeführt und nach der inductiven Methode hehandelt wissen wollte. „Fast Niemand“, sagt er, „lehrt Physik durch Anschauung und Experimente. Alle unterrichten durch mündlichen Vortrag des Aristotelischen Werkes oder irgend eines anderen.“ Zwei Jahrhunderte mussten verstreichen, damit dieser grosse Genius verstanden werde ! Allein, aussordem, dass uns die Geschichte der Physik bestimmte Fingerzeige für ihre Behandlung liefert, indem die Schüler auf dem Wege den die Wissenschaft einschlug, um weiter zu kommen, auch am weitesten kommen werden, gibt es noch einen zweiten Grund, der dafür spricht, den Elementarunterricht in der Physik nur auf der Grundlage der Beob¬ achtung und des Experimentes aufzubauen. Die psychologische Untersuchung des menschlichen Geistes weist nämlich als ein wesentliches Vermögen desselben die sinnliche Wahrnehmung nach, die allein die Aussenwelt ihm zur Erkenntnis bringt. Der Nervenreiz wird auf die Seele übertragen, wodurch Vorstellungen ent¬ stehen, die man Empfindungen nennt. Aus den gleichzeitigen verschieden¬ artigen Empfindungen setzen sich Vorstellungsgruppen zusammen, durch welche wir uns die Dinge der Aussenwelt vorstellen. In diesen Vorstellungs¬ gruppen aber geben die Gesichtsempfindungen gleichsam den Stamm und Kern ab, an den sich die übrigen Sinnesempfindungen anschliessen. „Unsere wissenschaftliche Erkenntnis der Dinge“, sagt W. Volkmann. „ruht nicht auf der breiten Basis aller Sinne, sondern ist einseitig auf die Gesichtsvorstellung gestellt. So stellen wir uns andere Menschen vorzüglich durch ihre äussere Gestalt vor, wir träumen hauptsächlich in Gesichtsbildern. Das Gewicht messen wir nicht nach der Muskelempfindung, sondern durch die Wage die Temperatur eines Körpers nicht durch die Empfindung, sondern am

16 Thermometer, und so sind es fast nur sichtbare oder sichtbar gemachte Merkmale, nach denen die Naturwissenschaften charakterisiren. „Das Auge belehrt, das Ohr rührt“, sagt Erdmann. Die Sinne sind es also, welche dem menschlichen Geiste den Blick in die Aussenwelt eröffnen, und unter diesen wieder vorzüglich der Gesichts¬ sinn, so dass die ersten Pädagogen als Hauptgrundsatz der P'ädagogik erklärten: Unterrichte anschaulich. Wenn irgendwo, so gilt dies gewiss beim Unterrichte in den Naturwissenschaften, und doch scheint dieser Satz noch nicht allgemeine Anerkennung und Billigung, wenigstens insoweit es die P’hysik betrifft. gefunden zu haben. So würde man von einem Lehrer der Botanik, der dieselbe nur nach einem Buche lehren möchte, ohne die Pflanzen in natura vorzuzeigen, sehr geringschätzend urtheilen, und ihn als ein veraltetes, nicht mehr für die jetzige Zeit passendes Exemplar erklären; wenn aber Physik auf der Elementarstufe ohne Experimente gelehrt wird und physikalische Apparate etwa nur in Zeichnungen vor's Auge kommen, heisst das anschaulich unterrichten? Gewinnt dabei der Geist richtige und klare Vorstellungen? So betrieben, schadet die Naturlehre mehr, als sie nützt. Anschaulich wird der Physikunterricht nur durch wirklich angestellte Versuche, durch die künstliche Herbeiführung einer Erscheinung. Wenn aber der Schüler ein physikalisches Experiment in allen Theilen seines Herganges betrachtet, so darf er nicht blos sehen, was sich ihm von selbst aufdrängt, er muss vielmehr suchen, das zu sehen, worauf es ankommt, womit er zur Einsicht in den physikalischen Hergang wirklich gelangt. Er bleibt nicht dabei stehen, dass er etwas sieht, sondern es knüpfen sich Urtheile und Schlüsse an das Gesehene : das ist ein anderes Sehen, als wenn er sonst das Auge auf etwas richtet, ein viel bewussteres. Zu dieser Art des Sehens muss freilich der Schüler angeleitet werden, aber es gibt, wie schon erwähnt wurde, ausser der l'hysik kein zweites Lehrfach, das ihm für diese planmässige Sinneswarnehmung eine solche Gelegenheit bieten würde. In der Praxis muss der Lehrer dafür sorgen, dass das Experiment von allen Schülern möglichst deutlich wargenommen werde und dass die Wirksamkeit der Apparate kräftig genug sei: eine schwach elektrische Glasstange z. B. wird den elektrischen Pendeln so wenig Elektricität mit¬ theilen. dass die Abstossung derselben kaum sichtbar sein wird. Doch, die Anschauung des Experimentes ist nur der erste Schritt, der zweite, der zu thun ist, besteht in der Beschreibung des Versuches. Die Schüler werden veranlasst, anzugeben, womit und wie der Versuch angestellt wurde und welche Erscheinung in Folge dessen eingetreten ist. Erst nach der Beschreibung des Experimentes werden vom Lehrer die Gegenstände, mit denen der Versuch angestellt wurde, benannt. Es ist pädagogisch unrichtig auf der Elementarstufe den Versuch z. B. damit zu beginnen: „Hier schet Ihr eine Rolle“, und vielleicht gar noch hinzuzu¬ fügen: „man unterscheidet fixe und bewegliche Rollen.“ Die Schüler müssen

17 zuerst erkannt haben, dass die vorgezeigte Vorrichtung eine kreisrunde Scheibe mit einer Rinne am Umfange ist. dann erst kann die Benennung „Rolle“ folgen; man muss zuerst mit beiden Arten von Rollen die Versuche angestellt haben, dann erst wird die Eintheilung gegeben, ja diese wird sich dann so zu sagen von selbst ergeben. Um aber auf diesem Wege zu der Gewinnung einer empirischen Wahrheit zu gelangen, ist noch ein wei¬ terer Schritt zu thun, der nämlich: in der beobachteten Erscheinung das Wesentliche vom Unwesentlichen zu treunen und so dahin zu gelangen, dass man Ursache und Wirkung unterscheide. Hat man in mehreren gleichartigen Erscheinungen Ursache und Wirkung erkannt. so wird man das Gemeinsame in ihnen aufsuchen und schreitet nun auf dem Wege der Induction zum Gesetze fort, welches einer ganzen Klasse von Erscheinungen zu Grunde liegt. Wir wollen die Sache an einem Beispiel verfolgen. Ein Schüler habe einen eben angestellten Versuch folgendermassen beschrieben: „Ein an der kürzem Wagschale einer Wage aufgchängter Messingeylinder hielt, als man ihn in's Wasser tauchte, nicht mehr das Gleichgewicht den Gewichten in der andern Wagschale. Welches sind die wesentlichen und welches die unwesentlichen Momente des Versuches ? Unwesentlich war es, dass es ein Cylinder und dass er von Messing war; ein Stein, ein Eisen- oder ein Holzstück hätten dieselbe Erscheinung hervorgerufen. Auch das war unwesentlich, dass man den Cylinder in's Wasser tauchte, man hätte ihn ebensogut in's Oel. in Weingeist, in concentrirte Kupfervitriollösung etc. tauchen können. Wesentlich war nur der Umstand, dass man einen festen Körper in eine Flüssigkeit tauchte und dass er leichter wurde. Das Tauchen in eine Flüssigkeit war die Ursache, der Gewichts¬ verlust die Folge. — Es fällt nun nicht schwer, aus diesen Daten das Gesetz abzuleiten: „Jeder in eine Flüssigkeit getauchte Körper verliert an Gewicht oder wird leichter“ Man sieht aber, dass ein derartiges Durcharbeiten des Experimentes vom Schüler bedeutende Verstandesoperationen verlangt. Zunächst hat er von Allem, was beim Versuch zufällig, unwesentlich ist, abzusehen oder zu abstrahiren und die wesentlichen Momente hervorzuheben. Diese hat er dann mit einander zu verknüpfen, was durch Fällung eines Urtheils geschieht; endlich sind noch Schlüsse zu ziehen, lauter Denkoperationen, welche schon einen gereiftern Geist erfordern einen Geist, dessen Beobachtungsgabe vorher schon auf andern Gebieten geübt worden ist. Am geeignetsten erweisen sich zu solchen Tebungen die beschreibenden Naturwissenschaften und unter diesen vorzüglich die Botanik. Der Unterricht in derselben hat also dem Physikunterrichte voraus zu gehen, und der letztere wird demnach nur den Schülern der Oberstufe der Volksschule können zugemuthet werden.

18 Man hat sich vielfach daran gestossen, dass von den Kindern der Volksschule die Thätigkeit des Abstrahirens verlangt wird, indem man sagte, für die Kinder sei nur der concrete l'nterricht tauglich, der abstracte sei ganz zu verwerfen. Allein, wie will man dem Schüler Begriffe beibringen. wenn nicht auf dem Wege der Abstraction? Und ohne Begriffe kein Verstand. Richtig ist nur, dass der Unterricht stets mit der Anschauung beginnen muss, dass die Schüler Alles selbst schen und erfahren müssen: aber ebenso richtig ist es, dass man nicht bei der Anschauung stehen bleiben darf, sondern dass die Schüler vom Concreten zum Abstracten geführt werden müssen. Bei der Ableitung des (lesetzes aus der Erscheinung darf man schon auf der Elementarstufe nicht die Meinung aufkommen lassen, dass man dasselbe aus dem einzelnen Fall. aus dem einen Versuch erschliessen dürfe, sondern man muss darauf hinweisen, dass man eine grössere Reihe von Einzelfällen benötige, dass man sich zuerst umschauen müsse, ob die übrigen Erscheinungen der Natur mit unserem Versuch übereinstimmen. Die Schlüsse, die man bei dieser Induction zieht, werden nicht in der streng logischen Form gebildet. sondern abgekürzt, damit das Gesetz eine präcise Fassung erhalte. Hat der Schüler auf diese Art durch eigene Geistesthätigkeit das Gesetz gewonnen, so wird er dasselbe leicht einprägen und im Gedächtnisse behalten, er wird es als sein, vielleicht mühsam erworbenes Eigenthum betrachten, wird sich dessen freuen und wird nicht trachten, es je eher je lieber abzuschütteln. Doch wird man sich auf der ersten Stufe sowol als auch in den Unterklassen der Mittelschule mit einer oberflächlichen, nur angenäherten Einsicht in die von den Erscheinungen befolgten Gesetze begnügen müssen. In Untergymnasien und Unterrealschulen wird es sich auch empfehlen, namentlich dann, wenn die Schüler mit den Grundoperationen der Algebra schon etwas vertraut sind, das gewonnene Gesetz in eine mathematische Formel zu übersetzen: man fixirt damit die Anschauung mehr und schafft dem Gedächtnisse eine bedeutende Erleichterung. Den Zusammenhang ver¬ schiedener Gesetze mathematisch nachzuwcisen, z. B. die Fallgesetze aus einander abzuleiten, muss dagegen für die oberen Klassen der Mittelschule vorbehalten werden. Und selbst da kommt man häufig zu Fällen, bei denen die Ableitung nicht im Kreise der Elementarmathematik liegt. sondern, wie es so oft in Lehrbüchern geschieht, nur gezwungen erreicht werden kann, da ist der Schüler nur auf die Hochschule zu verweisen. — In der Volks¬ schule dagegen muss alles mathematische Beiwerk bei Seite gelassen werden: so die herkömmliche Aufstellung der bekannten Formeln für die gleichförmige Bewegung s=ct, t=» c=, oder der verwickelteren für die gleichförmig beschleunigte Bewegung c=2gs, oder für die Bestimmung der Dichte eines Körpers d = etc. Damit sei aber nicht gesagt, dass beim l'hysikunter¬

19 richte auch alles Rechnen ausgeschlossen werden soll; im Gegentheil es werde viel gerechnet, jedes gewonnene Gesetz werde durch passende, leichte Bei¬ spiele auf Fälle des gewöhnlichen Lebens angewendet. Denn, wenn nach¬ denkende Schüler sagen sollten, dass all ihr Lernen ihnen für's Leben nichts nütze, dass sie davon nirgends Anwendung machen können, würde sich nicht ihr Interesse am Lernen immer mehr vermindern? Der Schüler muss zu der Ueberzeugung gebracht werden, dass er für’s Leben lernt. Es ist das der materielle oder praktische Zweck des Lernens der Physik. Dass auch in der Mittelschule die physikalischen Lehrsätze, wenn der Unterricht frucht¬ bar sein soll, an gut gewählten Beispielen eingeübt werden müssen, ist heut¬ zutage ein von den Physikern allgemein anerkannter Grundsatz, und wir erinnem in dieser Beziehung nur an den Ausspruch des grossen Newton: „in addiscendis scientiis exempla plus prosunt quam pracepta“. Die praktische Verwertung der Physik zeigen wir ferner daran, dass wir das Gesetz als Erklärungsprincip anwenden sowol der in der Natur häufig vorkommenden atmosphärischen Erscheinungen und anderen beob¬ achteten Vorgänge, als auch der im Leben oft gebrauchten Instrumente und Vorrichtungen. So verwerten wir die Gesetze über die Brechung, Zurückwerfung und Zerlegung des Lichtes in farbige Strablen zur Erklärung des Regenbogens, die Gesetze über Elektricität zur Erklärung des Gewitters, das Gesetz, dass erwärmte Luft emporsteigt, zur Erklärung der Winde. Die gewöhnliche Wage führen wir zurück auf das Gesetz über den gleicharmi¬ gen Hebel, die Wirkung der Pumpen auf das Gesetz über den atmosphäri¬ schen Druck u. s. w. Als einen weitern materiellen Nutzen des Studiums der Physik müssen wir endlich noch anführen, dass nur dieses im Stande ist, den Aberglauben in seinen mannigfachen Formen auszurotten. Dass allen Natur¬ erscheinungen die Gesetzmässigkeit zu Grunde liegt, dass die Natur¬ erscheinungen trotz aller Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit ein bestimmtes Gesetz befolgen, — wir erinnern nur an die Witterungserscheinungen, dass überhaupt die Erscheinungen aus unwandelbarer Notwendigkeit hervor¬ gehen und in dieselbe zurückgehen, das kann nur durch das Studium der Physik zum lebendigen Bewusstsein gebracht werden. Der Aberglaube an Gespenster ist bis zu einem gewissen Grade beseitigt; wie gross ist aber das Gebiet des Unsinns, welcher an seine Stelle getreten ist! Wie fest steckt in den Köpfen der Jäger, der Seefahrer, der Gärtner, der Landleute der Glaube an tausenderlei Dinge, ein Glaube, der bei einiger Kenntnis der Naturgesetze keinen Augenblick bestehen könnte. Hier haben wir lauter Berufskreise, deren Angehörige beinahe im ununterbrochenen Verkehr mit der Natur leben und die, wenn sie die erforderlichen Grundkenntnisse besässen, das Wesentliche vom Unwesentlichen zu scheiden, einen natürlichen statt irgend welches mystischen Zusammen¬ hanges aufzusuchen, die beste Gelegenheit zur Erwerbung von Natur¬ kenntnissen haben würden.

20 „Ein schlagendes Beispiel“ — sagt J. Stuart Mill in seiner inductiven Logik — „ist der Glaube, welchen der nicht unterrichtete Theil der acker¬ bautreibenden Klasse immer noch an die Wetterprophezeihungen des Kalender¬ machers hat, obgleich ihnen eine jede Jahreszeit zahlreiche Fälle von ganz irrigen Prophezeiungen vorführt.“ — Dass dies aber nicht blos auf die ungebildeten Klassen zu beschränken ist, zeigen uns das noch vor kurzer Zeit in Schwung gekommene Tischrücken, die Furcht vor dem Weltuntergang, die Schriften gegen das Kopernikanische System, das immer noch angewendete Mittel des Besprechens von allerhand Krankheiten, die täglich zu lesenden Anpreisungen von Universalmedieinen, welche die öffentlichen Blätter anfüllen.“ Es fehlt eben die Kenntnis der einfachsten Naturgesetze und die feste l'eberzeugung von der allgemeinen Giltigkeit derselben. Die Kenntnis dieser Naturgesetze zum klaren Bewusstsein zu bringen und ins Leben mitzugeben, ist darum der materielle Zweck des physikalischen Unterrichts. Wenn aber diejenigen, welche zunächst berufen sind. dem Aberglauben zu steuern, selbst vom ärgsten Aberglauben befangen sind. dann ist freilich an ein baldigen Besser¬ werden nicht zu denken. Wenn man z. B. lesen muss: Der Laager Lehrerverein hat folgenden Sätzen seine Zustimmung gegeben: „Es kann nicht behauptet werden, dass Zauberei nicht hilft“. „Die Frage, ob es möglich sei, durch Hilfe des Teufels Wunder zu wirken, muss entschieden bejaht werden." „Die Zauberei, welche auf reinen Naturgesetzen beruht. ist einfach Betrügerei insoweit sie im Dienste der Mächte der Finsternis steht, ist sie eigentlicher Satansdienst.“ „Diesem Bollwerke des Sataus hat die christliche Volksschule durch die Guadenmittel des Wortes Cottes und des Ciebetes entgegenzu¬ wirken“. — So geschehen im Jahre des Heils 1876. Unglaublich, aber leider wahr! Wir sind in unserem inductiven Verfahren bis zur Aufstellung des Gesetzes gelangt und wir haben gezeigt, dass man aus diesem durch De¬ duction andere analoge Erscheinungen zu erklären im Stande ist. Darüber hinaus soll man aber auf der ersten Stufe auch nicht gehen. Allerdings ist der menschliche Gieist nicht befriedigt, wenn er von dem mühsam aufge¬ fundenen Gesetz nicht wenigstens hypothetisch zu den letzten Ursachen sich erheben kann. Was ist das Agens. das wir erzeugt. analysirt haben? fragen wir, von einem innern Antrieb dazu gedrängt. Da wir die Ursache einer Veränderung in der Natur allgemein als eine Kraft bezeichnen, so können wir das Aufsuchen der l'rsachen als gleich¬ bedeutend nehmen mit dem der Naturkräfte. Diese entziehen sich aber unserer Erkenntnis, weil wir sie niemals direkt beobachten können, wir nehmen sie nur war in ihren Wirkungen. I'm also über die Naturkräfte irgend etwas aussagen zu können, müssen wir aus den Wirkungen auf die Ursachen zurückschliessen. Aber diese Art des Schliessens ist immer mit grosser Lusicherheit behaftet, trägt immer den Stempel des Willkürlichen. des zufällig Angenommenen. ist. mit anderen Worten. eine Hypothese. „Denn

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