7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

die Beobachtung selbst, die für sich richtig war, in ein falsches Licht. In Folge dieser Schärfe und Genauigkeit ist unter den übrigen Wissenschaften nur noch die Mathematik eine so strenge Schule für den jugendlichen Geist. Durch die exacte Methode lernt dieser ferner das Wahre von dem Halb¬ wahren unterscheiden, er lernt die Phantasie zügeln, indem er ihr nicht erlaubt, willkürlich mit den Thatsachen umzuspringen der sich von dem Reich der Thatsachen zu entfernen und die Dinge neu zu schaffen, indem er sie vielmehr zwingt, die Grösse, den Ort. und die andern Beziehungen der sinnlichen Dinge so abzuändern, wie sie den Forderungen des Geistes entsprechen. Der jugendliche Geist lernt endlich der Thatsache, die er als richtig erkannte, seine Ausicht, die er vielleicht gerne aufrecht erhalten möchte, zum Opfer bringen und gewöhnt sich, diese sichergehende Methode auch in anderen Fächern anzuwenden. Wer wollte behaupten, dass es für den künftigen Mann nicht von ungeheurem Vortheil ist. klar zu sehen und sicher zu schliessen? Eine andere Frage ist die: Werden beim Physikunterrichte die gewünschten Resultate auch wirklich erreicht? Leider, nicht. Besonders in der Volksschule sieht es an vielen Orten mit der Xaturlehre noch sehr traurig aus. Freilich, Schulen, welche im Lesen. Schreiben und Rechnen kaum notdürftig ihr Lehrziel erreichen, werden weder in der Xaturlehre, noch in den übrigen Zweigen der Naturwissenschaft etwas leisten; diese thuen besser, wenn sie die Naturwissenschaften ganz ignoriren. Aber selbst Schulen, denen sonst tüchtige Lehrer vorstehen, können sich mit keinen bedeutenden Erfolgen in der Xaturlehre ausweisen. Worin liegt die Ursache davon? Ich glaube, hauptsächlich in der Methode, nach der dieselbe gelehrt wird. Wie soll nun der Unterricht in der Naturlehre bei ihrer elementaren Behandlung eingerichtet werden? — (Wenn wir von elementarer Behandlung sprechen, so haben wir den Unterricht in der Volksschule und in den Unterklassen der Mittelschule vor Augen, für beide gelten so ziemlich die¬ selben Normen.) Aller Unterricht besteht darin, dass der Schüler durch den Lehrer zur Erkenntnis eines Gegenstandes gebracht, dass also der Geist des Schülers zu einer bestimmten Thätigkeit angeregt wird. Die Thätigkeit des Geistes lässt sich aber nach Kant unter drei Gesichtspunkte bringen: Unser Geist zeigt sich entweder aufnehmend = Erkenntnissphäre; oder aus sich herausgehend, zur Einwirkung auf die äusserlichen Dinge fortschreitend — Willenssphäre; oder der Geist tritt in solche Beziehungen zu den Dingen, durch welche dieselben nicht in ihn aufgenommen, sondern die nur einen Zustand in ihm erwecken, den wir Empfindung und in seinen Specificationen Lust und Unlust nennen = Empfindungssphäre. Diese Drei¬ faltigkeit des menschlichen Geistes ist aber in Wahrheit auch eine lebendige Dreieinigkeit.

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