7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

26 Cursus beendet hat, das Ganze in cine Definition zusammenfassen. — Hat der Schüler die Einleitung glücklich überstanden, so erwartet er, da er gelernt hat, dass die Naturlehre sich mit Naturerscheinungen, Gesetzen und Kräften beschäftigt. mit einer Naturerscheinung bekannt zu werden. Doch weit ge¬ fehlt! Das Lehrbuch beginnt mit einer Betrachtung über die Körper im All¬ gemeinen, — als Aggregatzustände, verschiedene Arten fester Körper, und die sogenannten allgemeinen Eigenschaften der Körper. — Gilt nicht als Grundsatz, dass man mit dem Einzelnen und nicht mit dem Allgemeinen beginnen, vom Concreten und nicht vom Abstracten ausgehen soll? Was will man mit den allgemeinen Eigenschaften, diesem C'omplex so verschieden¬ artiger Vorstellungen, dass man nicht einmal im Stande ist, ein sie verbin¬ dendes Mittelglied zu finden, erreichen? Was ist das für eine Lehre, die aus so verschiedenartigen Ingredienzen besteht? Es sind das pure Reflexionen die Jemand. der nicht die ganze Wissenschaft kennt, unmöglich zu seinem geistigen Eigenthum machen kann. Haben doch selbst wissenschaftliche Werke, z. B. Wüllner's Experimentalphysik, die allgemeinen Eigenschaften als nutzlosen Ballast über Bord geworfen. Man wende nicht ein, dass man den Schüler zuerst mit den Vorbe¬ griffen bekannt machen müsse. - Begriffe haben zum Charaktermerkmal die Allgemeinheit, das Allgemeine aber kann nicht klar vorgestellt werden, ohne speciell zu werden, es hat als Allgemeines keine selbstständige Existenz. Wie sieht z. B. das Dreieck aus, das weder geradlinig noch sphärisch, weder gleichseitig noch gleichschenklig und ungleichseitig ist? Das zu be¬ antworten ist unmöglich, weil eben das Wesen des Allgemeinen darin be¬ steht, nicht besonders zu sein. Wenn ich mir das Dreieck im Allgemeinen vorstelle, so stelle ich mir in Wirklichkeit alle einzelnen Dreiecke vor, doch so, dass ich in dem Gesammteindruck nur das Bewusstwerden des ihnen Ge¬ meinsamen aufnehme. Daraus wird begreiflich, wie schwierig es ist, Be¬ griffe zu denken; der gemeine Mann spricht daher lieber von einem Menschen. als dem Menschen. Und Begriffe sollten das erste sein, was man dem Anfänger beim Physikunterricht beibringt? Denselben Fehler finden wir in dem von uns betrachteten, sowie in den meisten Lehrbüchern dieser Stufe bei dem Ab¬ schnitt über die Bewegung. Da wird zuerst die Ruhe und Bewegung im Allgemeinen behandelt, dann werden die verschiedenen Arten der Be¬ wegung, als die gleichförmige, beschleunigte, verzögerte, gleichförmig be¬ schleunigte und gleichförmig verzögerte u. s. w. definirt. Bei einer so ab stracten Lehrweise muss der Schüler ermüden und muss alle Lust an dem Gegenstande verlieren. Entweder lässt sich dieses für den angehenden Physiker wichtige Kapitel der inductiven Methode anpassen, — dann aber beginne man mit einer einzelnen Bewegung selbst, z. B. dem freien Fall, oder es lässt sich nicht inductiv bchandeln, — dann lasse man es nur getrost weg. Wir finden aber die Lehre von der Bewegung nicht nur unmethodisch

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2