7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

17 zuerst erkannt haben, dass die vorgezeigte Vorrichtung eine kreisrunde Scheibe mit einer Rinne am Umfange ist. dann erst kann die Benennung „Rolle“ folgen; man muss zuerst mit beiden Arten von Rollen die Versuche angestellt haben, dann erst wird die Eintheilung gegeben, ja diese wird sich dann so zu sagen von selbst ergeben. Um aber auf diesem Wege zu der Gewinnung einer empirischen Wahrheit zu gelangen, ist noch ein wei¬ terer Schritt zu thun, der nämlich: in der beobachteten Erscheinung das Wesentliche vom Unwesentlichen zu treunen und so dahin zu gelangen, dass man Ursache und Wirkung unterscheide. Hat man in mehreren gleichartigen Erscheinungen Ursache und Wirkung erkannt. so wird man das Gemeinsame in ihnen aufsuchen und schreitet nun auf dem Wege der Induction zum Gesetze fort, welches einer ganzen Klasse von Erscheinungen zu Grunde liegt. Wir wollen die Sache an einem Beispiel verfolgen. Ein Schüler habe einen eben angestellten Versuch folgendermassen beschrieben: „Ein an der kürzem Wagschale einer Wage aufgchängter Messingeylinder hielt, als man ihn in's Wasser tauchte, nicht mehr das Gleichgewicht den Gewichten in der andern Wagschale. Welches sind die wesentlichen und welches die unwesentlichen Momente des Versuches ? Unwesentlich war es, dass es ein Cylinder und dass er von Messing war; ein Stein, ein Eisen- oder ein Holzstück hätten dieselbe Erscheinung hervorgerufen. Auch das war unwesentlich, dass man den Cylinder in's Wasser tauchte, man hätte ihn ebensogut in's Oel. in Weingeist, in concentrirte Kupfervitriollösung etc. tauchen können. Wesentlich war nur der Umstand, dass man einen festen Körper in eine Flüssigkeit tauchte und dass er leichter wurde. Das Tauchen in eine Flüssigkeit war die Ursache, der Gewichts¬ verlust die Folge. — Es fällt nun nicht schwer, aus diesen Daten das Gesetz abzuleiten: „Jeder in eine Flüssigkeit getauchte Körper verliert an Gewicht oder wird leichter“ Man sieht aber, dass ein derartiges Durcharbeiten des Experimentes vom Schüler bedeutende Verstandesoperationen verlangt. Zunächst hat er von Allem, was beim Versuch zufällig, unwesentlich ist, abzusehen oder zu abstrahiren und die wesentlichen Momente hervorzuheben. Diese hat er dann mit einander zu verknüpfen, was durch Fällung eines Urtheils geschieht; endlich sind noch Schlüsse zu ziehen, lauter Denkoperationen, welche schon einen gereiftern Geist erfordern einen Geist, dessen Beobachtungsgabe vorher schon auf andern Gebieten geübt worden ist. Am geeignetsten erweisen sich zu solchen Tebungen die beschreibenden Naturwissenschaften und unter diesen vorzüglich die Botanik. Der Unterricht in derselben hat also dem Physikunterrichte voraus zu gehen, und der letztere wird demnach nur den Schülern der Oberstufe der Volksschule können zugemuthet werden.

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