7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

18 Man hat sich vielfach daran gestossen, dass von den Kindern der Volksschule die Thätigkeit des Abstrahirens verlangt wird, indem man sagte, für die Kinder sei nur der concrete l'nterricht tauglich, der abstracte sei ganz zu verwerfen. Allein, wie will man dem Schüler Begriffe beibringen. wenn nicht auf dem Wege der Abstraction? Und ohne Begriffe kein Verstand. Richtig ist nur, dass der Unterricht stets mit der Anschauung beginnen muss, dass die Schüler Alles selbst schen und erfahren müssen: aber ebenso richtig ist es, dass man nicht bei der Anschauung stehen bleiben darf, sondern dass die Schüler vom Concreten zum Abstracten geführt werden müssen. Bei der Ableitung des (lesetzes aus der Erscheinung darf man schon auf der Elementarstufe nicht die Meinung aufkommen lassen, dass man dasselbe aus dem einzelnen Fall. aus dem einen Versuch erschliessen dürfe, sondern man muss darauf hinweisen, dass man eine grössere Reihe von Einzelfällen benötige, dass man sich zuerst umschauen müsse, ob die übrigen Erscheinungen der Natur mit unserem Versuch übereinstimmen. Die Schlüsse, die man bei dieser Induction zieht, werden nicht in der streng logischen Form gebildet. sondern abgekürzt, damit das Gesetz eine präcise Fassung erhalte. Hat der Schüler auf diese Art durch eigene Geistesthätigkeit das Gesetz gewonnen, so wird er dasselbe leicht einprägen und im Gedächtnisse behalten, er wird es als sein, vielleicht mühsam erworbenes Eigenthum betrachten, wird sich dessen freuen und wird nicht trachten, es je eher je lieber abzuschütteln. Doch wird man sich auf der ersten Stufe sowol als auch in den Unterklassen der Mittelschule mit einer oberflächlichen, nur angenäherten Einsicht in die von den Erscheinungen befolgten Gesetze begnügen müssen. In Untergymnasien und Unterrealschulen wird es sich auch empfehlen, namentlich dann, wenn die Schüler mit den Grundoperationen der Algebra schon etwas vertraut sind, das gewonnene Gesetz in eine mathematische Formel zu übersetzen: man fixirt damit die Anschauung mehr und schafft dem Gedächtnisse eine bedeutende Erleichterung. Den Zusammenhang ver¬ schiedener Gesetze mathematisch nachzuwcisen, z. B. die Fallgesetze aus einander abzuleiten, muss dagegen für die oberen Klassen der Mittelschule vorbehalten werden. Und selbst da kommt man häufig zu Fällen, bei denen die Ableitung nicht im Kreise der Elementarmathematik liegt. sondern, wie es so oft in Lehrbüchern geschieht, nur gezwungen erreicht werden kann, da ist der Schüler nur auf die Hochschule zu verweisen. — In der Volks¬ schule dagegen muss alles mathematische Beiwerk bei Seite gelassen werden: so die herkömmliche Aufstellung der bekannten Formeln für die gleichförmige Bewegung s=ct, t=» c=, oder der verwickelteren für die gleichförmig beschleunigte Bewegung c=2gs, oder für die Bestimmung der Dichte eines Körpers d = etc. Damit sei aber nicht gesagt, dass beim l'hysikunter¬

RkJQdWJsaXNoZXIy MjQ4MjI2