7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

13 — oder ich definire zuerst gar nichts, sondern mache eine Glas- oder Harz¬ stange elektrisch, nähere sie Papierschnitzeln, Hollundermark- oder Kork¬ kügelchen und lasse die Erscheinung durch die Schüler analysiren, und wenn dieses allgemein verstanden, definiren. Welche Methode wird bildender und für den Lernenden zugleich an¬ ziehender sein? Ohne Zweifel die zweite, die wir als die inductive kennen gelernt haben. Aber wer wird denn, werden Viele meinen, bei der elementaren Be¬ handlung der Elcktricitätslehre, dieser specifisch experimentalen Wissenschaft, heutzutage noch deductiv vorgehen? Leider Gottes kommt es noch häufig, ja sehr häufig vor, — ich könnte Beispiele namentlich anführen, — doch, nomina sunt odiosa — und gerade in der Volksschule, wo es am wenigsten am Platze ist, wird so vorgegangen. Da wird dogmatisirt, vordocirt, die Schüler werden vertröstet, dass man bei günstiger Gelegenheit die betreffenden Versuche, bis es sich der Mühe lohnen wird, auf einmal vornehmen werde, - wobei es zuweilen geschieht, dass die günstige Gelegenheit nie eintritt. Kann ein solcher Unterricht fruchtbar sein? Heisst das nicht, das Gedächtnis mit unnützem Ballast belasten, den der Schüler bei der ersten besten Gelegenheit über Bord wirft? - So betrieben, nützt die Naturlehre gar nichts, sie schadet vielmehr, indem sie früh schon einen Widerwillen gegen die Beschäftigung mit ihr in die Seele pflanzt, der für ein späteres Studium derselben vollkommen unempfänglich macht. Es erscheint demnach unzweifelhaft, dass für die clementare Behand¬ lung der Naturlehre als Hauptgrundsatz gelten müsse, den Ausgangspunkt habe das Experiment zu bilden, gerade so wie die Anschauung des Natur¬ körpers den für die Naturgeschichte. Was durch Beobachtung und Versuch nicht gefunde n und veranschaulicht werden kann, das finde in dem Elementarunterricht in der Naturlehre keine Stelle. Den inductiven Weg schreibt uns aber auch die Geschichte der Physik vor. Es genügt, einen oberflächlichen Rückblick auf dieselbe zu werfen, um sich zu überzeugen, dass diese Wissenschaft nur durch die inductive Methode im Laufe der Jahrhunderte zu dem geworden ist, was sie heute ist. Denn warum mussten die naturwissenschaftlichen Versuche der griechischen Philosophen fehlschlagen? Weil sie die Natur auf dem Wege der Specula¬ tion zu ergründen suchten. „Sie gaben sich nicht damit zufrieden“, sagt Stuart Mill, „zu wissen, dass eine Erscheinung immer auf eine andere folgt; sie glaubten das wahre Ziel der Wissenschaft nicht erreicht zu haben, wenn sie nicht in der Natur der einen Erscheinung etwas sehen konnten, aus dem man noch vor aller Erfahrung hätte wissen oder vermuthen können, dass die eine der andern folgen würde: sie suchten nicht nur nach Ursachen, die man nur zu nennen brauchte, um sofort in ihnen einen Grund ihrer Wirksamkeit zu finden, sondern sie waren auch überzeugt, solche Ur¬

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