7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

12 Allein es muss noch einmal bemerkt werden, dass, obgleich alle Wissenschaften immer mehr und mehr deductiv zu werden streben. sie darum nicht weniger inductiv bleiben, indem jeder Schritt in der Deduction immer noch eine Induction ist. Nach diesen Erörterungen können wir nun an die Beantwortung der Frage gehen: Welche von den erwähnten zwei Methoden soll beim Physikunterrichte auf der Elementarstufe die tonangebende sein? Zwar meinen Viele, vorgeschriebene Methode und Lehrbücher klemmen den Lehrer, wie fremde Stiefel den Gehenden, die beste Methode sei der Kopf des Lehrers, was insofern wahr ist, als der Lehrer gezwungen wird. nach einer bis in's kleinste Detail vorgezeichneten Methode vorzugehen. - zum Glück der Schule, und zu unser Aller Freude sind diese Zeiten schon vorüber, allein, ebenso richtig ist es, dass jede Wissenschaft ihre eigene Lehrmethode hat und dass sich gewisse allgemeine Grundsätze für ihre Behandlung auf¬ stellen lassen, die theils aus ihrer Eigenthümlichkeit folgen, theils durch die bestimmten Bildungszwecke, die durch sie erreicht werden sollen, gegeben sind. Namentlich für die formale Bildung des jugendlichen Geistes ist die rechte Weise der Behandlung die wichtigste Bedingung eines vollständigen Erfolges. — Ist der Naturlehre an einer Anstalt genug Raum verstattet, so wird wol der Schüler auch bei einer unrichtigen Behandlung derselben eini¬ gen materiellen Nutzen von dem Unterrichte haben, er wird z. B. ganz gut eine Dampfmaschine beschreiben oder die Natur des Blitzes erklären können, aber die Ausbildung der Beobachtungsgabe, die Schärfung des Urtheils und des gesammten Denkvermögens haben dabei sehr wenig oder gar nichts gewonnen. Wir wollen an einigen Beispielen die für den Anfänger richtige Art der Behandlung des Stoffes untersuchen. Ich sei bis zur Lehre vom Gleich¬ gewicht der luftförmigen Körper gekommen und gehe daran den Toricelli¬ schen Versuch zu erklären. Werde ich nun von der Thatsache, dass die Luft ein Gewicht besitzt und von dem allgemeinen Gesetze des Gleichge wichtes ausgehen und daraus die Thatsache ableiten, dass das Queck¬ silber in der Röhre bis zu einem Punkte steigen muss, wo die Queck¬ silbersäule einer Luftsäule von gleichem Durchmesser genau das Gleichge wicht halten wird? Oder werde ich, ohne irgend eine Voraussetzung zu machen, den Toricellischen Versuch anstellen, durch Einlassen der Luft in die Toricellische Leere den Schüler anhalten, die Ursache der früheren Er hebung der Quecksilbersäule selbst zu finden? -Auch der Laie wird sagen, dass es äusserst wenige Schüler (im Alter von 12—14 Jahren) geben wird, die bei der ersten Methode meinen Denkoperationen werden folgen, geschweige denn eine klare Vorstellung des Vorganges erhalten können. Oder ich beginne, um ein anderes Beispiel anzuführen, die Elektricitätslehre entweder mit der Definition der Elektricität als einer Eigenschaft, leichte Körperchen anzuziehen und wieder abzustossen, und lasse nun diese Wahrheit auf einige besondere Fälle anwenden, hinterher die Theorie durch Versuche controllirend;

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