7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

Die elementare Behandlung der Physik. Von Dr. Josef Bittner. Unter allen Geschöpfen geniesst nur der Mensch das nicht be¬ neidenswerte Vorrecht, dass er einer Anleitung dazu bedarf, nach den Anforde¬ rungen seiner Gattung zu leben. Isolirt man ein Thier gleich nach der Geburt vollständig und versieht es nur mit den nötigen Nahrungsmitteln, so wird es wol kein Musterexemplar seiner Gattung, aber immerhin ein brauchbares Individuum werden. Ein menschliches Kind dagegen, das von menschlichen Bildungselementen abgeschnitten wurde, wird auf der Stufe der Thierwelt stehen bleiben. „Der Mensch wird Mensch nur durch fremde Einwirkung“ sagt Milde. Der Mensch muss also erst wahrhaft zum Menschen gemacht, zur Humanität d. i. zur Menschheit in ihrer höchsten Form herangebildet werden. Pädagogik heisst die grösste der Künste, welche jenes Problem lösen soll. Wenn wir aber sagen, die Pädagogik hat den Menschen zum Menschen zu machen, so meinen wir nicht, zu einem Menschen, wie ihn eine altgefertigte Schablone feststellt, sondern zu dem Menschen, den die treibenden Ideen, die bestehenden Verhältnisse, die Strebungen und Ziele der Zeit erfordern. Demnach ist der Begriff „Mensch“ in unserem Sinne heute ein anderer, als er vor 100 Jahren war; zugleich aber sieht man. dass die Aufgabe der P'ädagogik an Umfang und Tiefe stätig zunimmt. Immer neue Mehrerfordernisse treten an sie heran, die bewältigt werden wollen. Sache des Pädagogen ist es, bei der Anhäufung des Bildungsstoffes über Mittel zur Bewältigung desselben zu sinnen. Ein derartiges Mehr¬ erfordernis der Pädagogik ist auch die Naturlehre. — Bevor wir jedoch daran gehen, zu erörtern, wie diese neuc „Last“ am leichtesten bewältigt werden könnte, wollen wir noch die Frage zu beantworten suchen: Auf welcher Stufe soll man mit dem Unterrichte in der Naturlehre beginnen? Die Antwort: schon in der Volksschule — wird einer nähern Begründung bedürfen. Von vielen Seiten will man die Naturwissenschaften überhaupt und die Naturlehre insbesondere als etwas Unnützes und Leberflüssiges, ja sogar Schädliches von der Volksschule ausgeschlossen wissen. In letzterer Be¬ ziehung macht man geltend, die Naturlehre führe die Jugend dem Mate¬

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