7. Jahresbericht der k. k. Realschule in Steyr, 1877

duction voraussetzte, und ebenso bedarf das Inductionsverfahren fort und fort der Deduction. Der Inductionsbeweis kann schon deswegen der Deduction nicht ent¬ behren, weil er gewöhnlich aus einer grossen Zahl von einzelnen Fällen ab¬ geleitet ist, während er doch, um allgemein giltig zu sein, aus allen Fällen abgeleitet werden müsste. Die Naturwissenschaft hat den Vortheil, das sie die durch Induction gefundenen Gesetze durch erneute Beobachtungen an Indivi¬ duen oder Erscheinungen, die bei dem ersten Inductionsverfahren noch nicht berücksichtigt werden konnten, controlliren kann. So wurde das Cesetz von der elliptischen Bewegung der Planeten für jeden neu entdeckten Planet controllirt und als richtig befunden. Aber auch bei den durch Deduction gefundenen Gesetzen bildet die Verification oder Bewahrheitung einen wesentlichen Grundbestandtheil; ohne diese besitzen alle ihre Ergebnisse wenig andern Wert als den eines blossen Muthmassens. Um uns auf die allgemeinen Schlüsse, zu denen wir durch diese Methode gelangt sind, verlassen zu können, muss sich nachweisen lassen, dass diese Schlüsse mit den Ergebnissen der unmittelbaren Beobachtung übereinstimmen. So hielt man es für ein wesentliches Erfordernis einer wahren Theorie von den Lrsachen der Himmelsbewegungen, dass sie auf de¬ ductivem Wege zu den Keppler'schen Gesetzen führen sollte, und das leistete die Xewton’sche Theorie. Man hat mithin das Bedürfnis, den einen Weg durch den andern hinterher zu controlliren und zu begründen, — mit andern Worten: es gibt nur eine gründliche Erkenntnismethode, welche die Induction und die De¬ duction zu ihren Momenten hat, wenn auch die eine den Ausgangspunkt und den Grundcharakter angibt. Wir nennen eine Wissenschaft, in welcher die inductive Methode den Ausgangspunkt bildet: Experimentalwissenschaft; - in derselben bedarf jeder neue Fall, der irgend welche eigenthümliche Seiten bietet, einer neuen Reihe von Beobachtungen und Versuchen, — einer frischen Induction. Deductiv ist eine Wissenschaft in dem Masse, als sie Schlüsse in Be¬ treff neuer Fälle durch ein Verfahren zichen kann, das jene Fälle unter alte Inductionen bringt. So lange in einer experimentalen Wissenschaft die Inductionen ver¬ einzelt daliegen, als: « ist ein Merkmal von 5, c ein Merkmal von d. e ein Merkmal von fu. s. w. ohne irgend etwas, das a oder à mit c oder d verknüpft, ist sie eine reine Experimentalwissenschaft. Solche vereinzelte und von einander unabhängige Verallgemeinerungen sind z. B.: Säuren¬ färben vegetabilisches Blau roth, Alkalien färben es grün, — wo wir aus keinem der beiden Sätze den anderen erschliessen können: daher ist die Chemie noch eine Experimentalwissenschaft. Gelingt es aber durch neue Versuche und neue Inductionen, den Zwi¬ schenraum zwischen zweien dieser Einzelfälle zu überbrücken, — z. B. nach¬ zuweisen, dass à ein Merkmal von c ist, so setzt uns dies sofort in den

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