Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

OBERÖSTERREICH IN DER GEGENWART Oberösterreich bei der XIII. Triermale in Mailand 1964 Dr. Gustav Walter Baumgartner, Kammeramtsdirektor Oberösterreichs Wirtschaft heute Dr.Erich Widder Die Theresienkirche zu Linz — ein Dokument Elfriede Frillinger Werke der Nächstenliebe — Die oberösterreichischen Kinderdörfer Prof. Herbert Lange Vom Agrarzentrum zur Industrie-Großstadt. Wachstum und Wandlung der Landeshauptstadt Linz Kurt Ohnsorg Internationales Gmundner Sommerseminar für Keramik 1964 Dr.Franz Handlbauer Der oberösterreichische Bauer und sein Betrieb heute Erich M.Meixner Entwicklungsprobleme der oberösterreichischen Schwerindustrie Dr. Herbert Maurer Industriegeographie Oberösterreichs Schriftleitung: Dr.Otto Wutzel Thema des Sommerheftes 1965: Die Kunst der Donausdiule. Umschlag nach einer Farbaufnahme aus der XIII. Triennale in Mailand (Foto Casali): Blick in den 19eckigen öster reichischen Ausstellungsraum, der dem Thema „Freizeit" gewidmet wurde. Halbjahreszeitsdirift — Kunst, Gesdiidite, Land schaft, Wirtschaft, Fremdenverkehr, 14. Jahr gang, Heft 3/4, Winter 1964/65. Eigentümer, Heiausgeber und Verleger: Ober österreichischer Landesverlag; verantwortlidi für den Inhalt im Sinne des Pressegesetzes; Dok tor Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: Oö. Landesverlag, Linz. — Einzelverkaufspreis: S 28.—, Jahresabonnement für 2 Hefte S 48.— exkl. Porto.

Oberösterreich bei der XIII.Triennale in Mailand 1964 Das Thema OBERÖSTERREICH IN DER GEGENWART könnte nicht besser und treffender eingeleitet werden als durch Wort und Bild von der XIII. Triennale in Mailand 1964. Es war eine Triennale des Erfolges für Österreich, eine „Triennale der Provinz" gemäß dem Katalog der Gestalter: Regierungskommissär: Generalkonsul DDr. F. J. Haslinger, Wien. Architekt: Fritz Goffitzer, Linz. Spannteppich: Joh. Backhausen & Söhne, Wien. Holzaufbauten: G. Emmersberger, Linz-Urfahr. Fertigung der Aluminiumwände: Dr. Kurt Seiler, Fural, Gmunden. Aluminiummaterial: Vereinigte Metallwerke RanshofenBerndorf AG,Braunau am Inn. Gummibelag: Semperit, Wien. Wollteppich: Philipp Haas & Söhne, Wien. Podeste, Leuchtscheiben: J. T. Kalmar, Wien. Glasluster (Entwurf F. Goffitzer): J. & L. Lobmeyer, Wien. Keramische Säulenverkleidung: Kurt Ohnsorg, Wien und Gmunden. Notenständer (Entwurf F. Goffitzer): Josef Stadler, Linz. Keramische Medaillons: Prof. Gudrun Wittke-Baudisch, Hall statt. Sitzmöbel (Entwurf F. Goffitzer): August Zwettler, Wels. Künstlerische Wandgestaltung des runden Raumes: Rudolf Kolbitsch, Linz. Katalog: Johannes Schreiber, Linz. Der Werkschau des „Kunsthandwerks" (Architektur, Dekora tive und Angewandte Kunst, Industrial design) wurden von diesem Team, das geistig von oberösterreichischen Künstlern angeführt wurde und in dem sich heimische Industrie- und Handwerksbetriebe international behaupteten, neue Impulse gegeben. Wesentliche Form- und Stilelemente unserer Gene ration wurden zum lebendigen Ausdruck gebracht. Die „Sprache der Zeit" wurde dinglich formuliert. Eine Humanität in gänzlich neuem Gewände wurde demonstriert. Aus gerechnet aus dem „bäuerlichen" öberösterreich kam die Partitur zu dieser Demonstration. Die Problemstellung „Ober österreich in der Gegenwart" wird durch sie geradezu aktualisiert. Zum besseren Verständnis des Gesagten und der Bilder seien aus dem Katalog die Einleitungen wiedergegeben. Der österreichische Regierungskommissär Generalkonsul DDr. F. J. Haslinger: Die Teilnahme Österreichs an der XIII. Triennale stellt uns vor eine zweifache Aufgabe: Einmal geht es um die Sinn erfüllung des gestellten Themas, dann aber auch um die Bewährung in einer internationalen Leistungsschau. Beiden Aufgaben will die österreichische Abteilung durch Konzept, Gestaltung und Auswahl der Exponate gerecht werden. Das Thema „Freizeit" ist aktuell, vielseitig, herausfordernd; es ist ebenso schwierig wie reizvoll. Wir haben versucht, dieses Thema so zu behandeln, daß es unsere eigenständige und für unser Land eigentümliche Auffassung von Freizeit ausdrückt: nämlich die für den Österreicher kennzeichnende „freie" Wahl des einzelnen, seine freie Zeit nach individuel lem Empfinden frei gestalten zu können. Jedem Zwang ab hold, sieht der Österreicher die eigentlich schöpferische Nutzung der Freizeit in dieser Freiheit; damit wird die Nutzung zur „Freizeitgestaltung". Dem Aufbau der österreichischen Schau ist ein Konzept zu grunde gelegt, das die zwei Pole der österreichischen Wesens art anschaulich macht: den nüchternen, dem Alltag zuge wandten und diesen bewältigenden Wesenszug des Öster reichers spiegelt ein Raum wider, der in betont sachlicher Atmosphäre Material, Form und Gerät des Alltags wirken läßt; den anderen, immer gegenwärtigen und vom öster reichischen nicht wegzudenkenden Wesenszug des Musischen aber zeigt ein intimerer, der Phantasie, dem Gemüt und dem künstlerischen Schaffen gewidmeter Raum. Hier wählten wir Dinge, deren Beziehung zur Freizeit durch handwerkliches Können und Geschmack augenfällig wird. Die traditionellen Leistungen unseres Landes auf dem Gebiet der Musik und des Theaters werden damit sichtbar gemacht. Während das Gesamtkonzept der österreichischen Abteilung in der Selbstdarstellung unseres ureigensten Wesens auch unsere Auffassung von „Freizeitgestaltung" darstellt, wurde die Wahl der einzelnen Exponate bewußt unter dem Gesichts punkt einer internationalen, wirtschaftlichen Leistungsschau getroffen. Weder das Thema des Jahres 1964 noch die ursprüngliche Grundidee der Triennale stehen damit im Widerspruch. Vielmehr glauben wir, daß kein anderer Anlaß so geeignet ist, mit dem vermeintlichen Gegensatz von Wirt schaft und Kultur aufzuräumen. Er ist überholt, weil er über wunden ist. Wäre er dies nicht, hätte eine Ausstellung von Gebrauchsgut hoher Qualität ihren Sinn verloren. Die Form von Gebrauchsgegenständen sagt über Wesen und Haltung, über Lebensauffassung und Zielsetzung einer Nation mehr aus, als andere Mittel dies vermögen. So erhält der Begriff der „angewandten Kunst" wieder seine alte Bedeutung zu rück. Die Entwicklung der modernen Industriewirtschaft hat auch im Rahmen der Triennale eine Verschiebung vom handwerk lichen Einzelstück zu serienweise hergestellten, reproduzier baren Gegenständen gebracht und der „Formgebung" ihre Aufgabe gestellt. Wir sind davon überzeugt, daß der Wert künstlerisch gestalteter Einzelexponate durch die Gegenüber stellung mit industriellen Produkten nicht geschmälert, son dern erhöht wird. Und hier sehen wir unsere Verantwortung und einen wesentlichen und direkten Bezug zum Thema: Gerade in der Zeit des Massenkonsums und bei freier Wahl des Käufers ist es entscheidend, wie jene Dinge gestaltet sind, mit denen der Mensch seine Freizeit verbringt. Im Be wußtsein dieser Verantwortung muß die Wahrung der schöpferischen Idee in der Formgebung als echte Kultur leistung betrachtet werden, welche die Wirtschaft ihrer Auf gabe gemäß zu erbringen vermag. Wir hoffen, daß auch die Triennale 1964 schöpferische Ge danken im Zusammenwirken mit wirtschaftlicher Leistung in die Welt hinaustragen wird, wo sie weiterwirken mögen. Wir hoffen aber auch, daß Österreich in diesem internationalen Leistungsvergleich von thematischer Idee, technischer Dar stellung, echtem Formbewußtsein und wirtschaftlichem Kön nen mit Erfolg bestehen wird. Der Architekt Fritz Goffitzer: Es war immer schon eine wesentliche Aufgabe der Triennale, sich mit den Problemen des Raumes und der Ausstellungs technik auseinanderzusetzen. Viele richtungweisende und stil bildende Anregungen sind von ihr ausgegangen.

r M S Deshalb wurde bei der Gestaltung der österreichischen Ab teilung der Versuch unternommen, die Raumkomposition und die sich daraus ergebenden Proportionen nach einem musikali schen Teilungssystem aufzubauen und in Verbindung mit entsprechenden Materialien die Überschaubarkeit des Raumgefüges aufzuheben. Die gegebene Ausstellungsfläche sollte dem Grundkonzept entsprechend aufgeteilt werden, wobei mehrere vorhandene Betonsäulen berücksichtigt werden mußten. Die angestrebte Gehrichtung der Besucher wird durch die Anordnung der Raumfolge erreicht; zwei größere Ausstellungsräume sind durch einen kleineren, neutralen Raum miteinander ver bunden. Zuerst betritt man den „Aluminiumraum", durch den der Besucher die Ausstellung auch wieder verläßt, so daß die ser Raum nach einem Rundgang ein zweites Mal passiert wird. Der rechtwinkelige, in den Ecken abgerundete Raum erhielt eine Wandkonstruktion aus 4,20 Meter hohen Alu miniumplatten. Durch eine Reihe von Vorarbeiten war es uns möglich, die großen Aluminiumblechtafeln (1,20 m mal 4,20 m) zu sandwichartigen Verkleidungsplatten zu verarbei ten. Für die Plattenoberfläche wurde ein neues Verfahren entwickelt. Der Fußboden wurde mit einem einfärbigen Gummibelag versehen, dessen Farbe mit der Materialwirkung der Aluminiumwandverkleidung harmoniert. Die einzige sicht bar gebliebene Betonsäule erhielt eine perlmuttfarbene gla sierte Keramikplattenverkleidung. Die Ausstellungsgegen stände werden auf runden Podestscheiben, die auf einem Metallfuß montiert sind, gezeigt. Über jeder dieser Scheiben befindet sich in Augenhöhe ein Beleuchtungskörper, der als Lichtscheibe geformt ist. Diese Beleuchtung dient in erster Linie der Ausleuchtung der Exponate und teilt darüber hin aus den Raum in helle und dunkle Zonen. Die Decke wurde mit Glasvliesbahnen ausgespannt. Vom Aluminiumraum aus gelangt man in den Verbindungs raum. Der bewußt niedrig und dunkel gehaltene Raum er gibt den erwünschten Kontrast zur sachlichen Raumillusion des Aluminiumraumes und schafft zugleich den Übergang zu dem zweiten, runden Raum. Wände und Decken sind in mattem Schwarz gehalten. Der Fußboden ist mit dunkel blauem Velour ausgespannt. An den Wänden sind sparsam glasierte keramische Medaillons angebracht, die durch in die Decke eingebaute Strahler ausgeleuchtet werden. Die Wände des nun folgenden 19eckigen Raumes wurden malerisch gestaltet. Die Vitrinen für die Exponate sind, dem Raumkonzept entsprechend, in die Wände eingeschnitten. Der Rhythmus dieser Anordnung bestimmt weitgehend den Raumeindruck. Im Gegensatz zu den vorwiegend technischen Gegenständen, die im Aluminiumraum gezeigt werden, wurde hier bei der Auswahl der Exponate dem musischen Konzept des Raumes Rechnung getragen. In der Raummitte ist eine Quartettgruppe mit Sesseln und Notenständern aus Plexiglas aufgebaut, die jene Atmosphäre des Musik- und Theater lebens verstärkt, die schon durch die künstlerische Gestaltung der Wände angedeutet wurde. Die Quartettgruppe steht auf einem niederen, mit einem naturfarbigen Wollteppich ausge spannten, runden Podest. Die zentrale Beleuchtung dieses Raumes geht von einem aus einzelnen tropfenförmigen, ge blasenen Glasteilen zusammengesetzten Lichtkörper aus. Abbildungen: Fotos Gasali 1 Blick in den „Aluminiumraum" 2 Notenständer aus Plexiglas und Sessel, Entwurf Fritz Goffitzer 3 Detail aus dem Aluminiumraum mit beleuchtetem Exponat und keramischer Säulenverkleidung 4 Keramisches Medaillon von Gudrun Wittke-Baudisch mi i ■ 'i * V- J

- - - ■ ' . JUNGE KUNST IN OBERÖSTERREICHHANNES HASLECKER ALS BEISPIEL FÜR VIELE Oben; HI. Nepomuk,Bronzestatuette, aus der früheren Schaffensperiode des Künstlers Rechts: Leidenswerkzeuge, Entwurf

Odyssee,10. Gesang:... Die Lästrygonen vertilgen elf Schiffe ... Zwei Graphiken des Künstlers aus dem Zyklus der Odyssee, Es geht hier nicht um das Thema, sondern um die strenge Form, die für die Entwicklung einer ganzen Bildhauergeneration in Oberösterreich von entscheidender Wirkung war.

..V KÜNSTLERISCHE IMPULSE AUS OBERÖSTERREICH- DIE BILDHAUERISCHE HANDSCHRIFT WALTER RITTERS Odyssee, 12. Gesang: ... Begegnung mit den Sirenen

GUSTAV WALTER BAUMGARTNER Oberösterreichs Wirtschaft heute Die oberösterreichische Wirtschaft zeigt in ihrer Entwicklung vom Gestern zum Heute in vieler Hinsicht Parallelerschei nungen zum gesamtösterreichischen Geschehen, nur mit dem Unterschied, daß im Land ob der Enns manches noch dynami scher, noch drastischer und drängender hervortritt als im großen Rahmen aller Bundesländer. Österreich ist wirtschaft lich und auch politisch in den letzten Jahrzehnten einen sehr schweren Weg gegangen, der vorübergehend sogar zum Un tergang der staatlichen Existenz, zum Krieg und zum voll ständigen wirtschaftlichen Zusammenbruch von 1945 führte. Die innenpolitischen Schwierigkeiten der Ersten Republik waren nicht zuletzt dadurch verursacht, daß jenes kleine Rumpf-Österreich, das 1918 von der großen, den mitteleu ropäischen Raum politisch und wirtschaftlich einigenden Dop pelmonarchie übriggeblieben war, in wirtschaftlicher Bezie hung einen Torso darstellte, der seiner wichtigsten Glieder beraubt war und erst allmählich wieder zu einem lebens fähigen örganismus umgestaltet werden konnte. Dieses Be mühen wurde durch die Weltwirtschaftskrise ungeheuer er schwert und späterhin aus machtpolitischen Gründen von außen her bewußt sabotiert, so daß die Katastrophe wohl kaum abwendbar war. Die gewaltsame Umgestaltung zu einer großräumigen Kriegswirtschaft und späterhin deren Zerstö rung durch die militärischen Ereignisse hätten im Herzen Europas zum Chaos und einem volkswirtschaftlichen Vakuum geführt, wäre nicht in den Jahren des Krieges und der poli tischen Unterdrückung ein neues österreichisches Selbstver trauen, gepaart mit einem gesunden Vaterlandsstolz, ge wachsen, das sich sodann als treibende Kraft des öster reichischen Wiederaufbaues und des folgenden steilen Wirt schaftsaufstieges erwies. Letztlich war im Wirtschaftlichen sodann auch das ausschlaggebende Moment dafür gelegen, daß Österreich durch den Staatsvertrag wieder die volle Souveränität erlangen konnte. Österreich entfaltete sich in den letzten zwei Jahrzehnten Das neuzeitliche Landschaftsbild in Oberösterreich — Werkansicht Chemiefaser Lenzing AG. Foto Bernatzik 1 •aF* ■ AS mJtmMBIBKm '' f ' S iHK ss is rs ^ •• i "T-SJ ff-'-" 51 SS r: — , SBw» , '8 fft .K fs s; ES ff -;.5 55 Stf Bff SS es ::: m Ä ^ — iiaar,,, Sä,™», /trst' ■ -i-y *'t - B t- 0--,

von einem in der Zwischenkriegszeit noch in weitem Um fang wirtschaftlich vom Bäuerlichen gekennzeichneten Land zu einem Gebiet mit starken industriellen Kapazitäten. Die österreichische Industrieproduktion beträgt heute mehr als das Dreifache der Vorkriegszeit, das österreichische Export volumen gleichfalls, die Bevölkerungsstruktur hat sich bezüg lich der wirtschaftlichen Zugehörigkeit wesentlich gewandelt. In keinem anderen Bundesland hat sich dieser Industriali sierungsprozeß mit einer derartigen Vehemenz und so revolu tionierend vollzogen wie zwischen Enns und Inn. Oberöster reich ist hierdurch zu einem für den gesamtösterreichischen Status außerordentlich bedeutsamen Faktor geworden. Ob wohl das Bundesland mit 11.978 km- nur etwa ein Siebtel des gesamten Bundesgebietes umschließt und mit rund 1,130.000 Bewohnern auch in der gleichen Größenordnung an der österreichischen Gesamtbevölkerung beteiligt ist, hat jeder fünfte in der gewerblichen Wirtschaft Österreichs be schäftigte Arbeiter und Angestellte in Oberösterreich seinen Arbeitsplatz. Vor dem zweiten Weltkrieg war Oberösterreich noch ein überwiegend bäuerliches Land. Nahezu 40 Prozent der Bevölkerung lebten von der Arbeit auf dem Feld und im Forst. Heute beträgt dieser Anteil kaum mehr ein Fünftel. Nur mehr 226.000 der in Oberösterreich beheimateten Men schen können ihrer wirtschaftlichen Existenzgrundlage gemäß der Land- und Forstwirtschaft zugerechnet werden, hinge gen 600.230 bzw. rund 53 Prozent zur gewerblichen Wirt schaft. Dieser wirtschaftliche und bevölkerungsmäßige Struk turwandel ist noch keineswegs abgeschlossen. Trotzdem pro duziert die oberösterreichische Landwirtschaft infolge ihres in den letzten Jahren erreichten hohen Standes der Tech nisierung und Rationalisierung um 15 bis 20 Prozent mehr als vor dem Kriege. Wie weit die Mechanisierung fortgeschritten ist, erhellt daraus, daß 28 Prozent aller Traktoren, 23 Pro zent aller Mähdrescher und Motormäher sowie nahezu 40 Prozent aller Melkmaschinen, die im Bundesgebiet in Ver wendung sind, in landwirtschaftlichen Betrieben Oberöster reichs laufen. Nach wie vor ist daher unser Bundesland ein Hauptlieferant für den österreichischen Agrarmarkt. 21 Pro zent des gesamtösterreichischen Aufkommens an Brotgetreide, 30 Prozent der Milchleistung werden zwischen Enns und Inn erbracht, wo etwa ein Viertel des österreichischen Rinder und Schweinebestandes in den Ställen steht. Diese bei alleVrielzahl schwerwiegender Probleme verhältnisDas Zukunftsbild der Donau in Oberösterreich — Der moderne Donauhafen in Linz Foto Wöhrl L i- i i t Wji Ii T.

mäßig günstige Entwicklung der Landwirtschaft ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß nach wie vor auch im hochindustrialisierten Bundesland Oberösterreich die beiden tragenden Säulen unserer Volkswirtschaft einander in glück licher Weise ergänzen. Seit jeher spielten die agrarische Urpro duktion und der bäuerliche Bedarf an Geräten und Ver brauchsgütern für die gewerblich-industrielle Entwicklung in Oberösterreich eine maßgebliche Rolle — auch hinsichtlich der exportorientierten Erzeugung. Man denke — um nur zwei Beispiele zu nennen — an die seit Jahrhunderten im Gebiete um Steyr und im Ennstal ansässige Sensen- und Sichelindu strie oder an die gleichfalls vielhundertjährige Tradition der Mühlviertler Leinenweberei. Neben der landwirtschaftlichen Erzeugung waren es vor allem vier Faktoren, die schon in der frühen Zeit des Industrialismus die wirtschaftliche Entfal tung Oberösterreichs bestimmten: Die Salzvorkommen und der Holzreichtum des Alpengebietes, die Wasserkraft der aus dem Gebirge kommenden Bäche und Flußläufe sowie das Erz der benachbarten Steiermark. Zu diesen Grundlagen von der Rohstoffseite und der Energiedarbietung kam die günstige verkehrsgeographische Lage des Landes, insbesondere jene des oberösterreichischen Zentralraumes, die nunmehr auch in der jüngsten Vergangenheit die so umfassende industrielle Ex pansion bewirkte. So wurde etwa mit dem Blick auf die geplante Rhein-Main-Donau-Verbindung und ihren Schnitt punkt mit der kürzesten Transportlinie vom steirischen Erzberg die Linzer Schwerindustrie geschaffen. Linz wurde damit zum größten Donauhafen Österreichs und zu einem der um schlagreichsten Häfen an der gesamten schiffbaren Donau. Immer mehr zu einer Drehscheibe des Handels zwischen West und Ost wird die gleichfalls auf Grund der ver kehrsgeographischen Situation im Linzer Hafen unter Feder führung der Handelskammer Oberösterreich gemeinsam mit Stadt und Land geschaffene erste österreichische Zollfreizone. Andererseits bestimmte etwa die Wasserkraftnutzung des Inns den Standort der Aluminiumwerke in Ranshofen, während für den Ausbau der Lenzinger Chemiefaserproduktion die Nähe des Waldgürtels der Voralpen mit ausschlaggebend war. Es sind also naturbedingte Voraussetzungen, auf denen die dynamischen Schwerpunkte des Wachstums der oberösterrei chischen Wirtschaftspotenz und vor allem der Industrie in den letzten Jahrzehnten basierten. Der Beschäftigtenstand in der gewerblichen Wirtschaft des Bundeslandes erhöhte sich gegenüber dem Jahresdurchschnitt von 1935—37 einschließ lich der Selbständigen und mitarbeitenden Familienangehö rigen von 155.000 auf ca. 312.000 bzw. um mehr als 100 Pro zent. Charakteristisch für diese Zunahme ist die Steigerungs quote bei der Industrie, die nicht weniger als ca. 255 Prozent erreichte. Vor 25 Jahren verzeichneten die oberösterreichi schen Industriebetriebe einen Gesamtbeschäftigtenstand von 32.000 Menschen (inkl. E-Werke). Heute sind in ihren Unter nehmen, deren Zahl sich ebenfalls auf ein Mehrfaches er höhte, inklusive E-Werke 119.465 Beschäftigte tätig. Der oberösterreichische Anteil am gesamtösterreichischen Be schäftigtenstand beträgt ca. 18 Prozent, jener an der Produk tionsmenge rund 24 Prozent. Die Produktivität ist somit in Oberösterreich relativ hoch. Dieser erfreuliche Umstand ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, daß es sich bei einem Großteil der industriellen Anlagen um neue Einrichtungen handelt. Für die Struktur der oberösterreichischen Industrie ist die Aufgliederung der Beschäftigten nach den Rohstoffbasen ihrer Arbeitsstätten aufschlußreich. Demnach sind etwa 22,4 Pro zent der industriellen Arbeitnehmer Oberösterreichs in der Gruppe Kohle, Salz, Steine, Erden bzw. Bergbau, der Steinund keramischen sowie der chemischen Industrie beschäftigt, 43 Prozent entfallen auf die Eisen- und Metallerzeugung sowie -Verarbeitung, 15,1 Prozent auf die Verarbeitung des wichtigen Rohstoffes Holz und schließlich 19,5 Prozent auf die Veredelung von Produkten aus Pflanzenbau und Tier zucht. Die Bedeutung Oberösterreichs innerhalb der gesamt österreichischen Industrieproduktion ist aus folgender Auf stellung zu entnehmen (Daten von 1963): OberÖsterreichs Anteil an wichtigen österreichischen Industrieprodukten Roheisen 68,1 Roh-Kaolin 65,9 Rohstahl 56,5 Schnittholz 17,0 Stahlbleche 92,7 Zellulose 31,6 Stahlguß 23,9 Papier 28,3 Grauguß 30,3 Sudsalz 54,5 Wälzlager 92,0 Zucker 5,8 Traktoren 82,8 Bier 17,8 Lastkraftwagen 56,8 Kaffeemittel 46,9 Braunkohle 23,7 Baumwoll-, Bauxit 100,0 Zellwollgarne 13,4 Aluminium 78,0 Wollgarne 5,9 Aluminium- Leinengarne 48,3 Halbfabrikate 91,3 Baumwoll-, Zellwoll Stickstoffdüngemittel 100,0 gewebe 114 Zellwolle 100,0 Wollgewebe 26,3 Kohlensäure 18,3 Leinengewebe 39,9 Zement 17,2 Kunst- u. Naturseide Mauerziegel 26,0 gewebe 11,7 Dachziegel 17,0 Glühlampen 29,2 Asbestzementprodukte 100,0 Die Stromerzeugung wurde in der letzten vollständig vor liegenden Statistik 1963 für Oberösterreich mit 26,3 Prozent der gesamtösterreichischen Stromerzeugung ausgewiesen, das waren 4,058.929 MWh. Oberösterreichs Wirtschaft hat jedoch nicht nur eine Schlüs selstellung in der Produktion inne, sondern sie hat sich auch in zunehmendem Maße in den österreichischen Außenhandel eingeschaltet. Vor dem Kriege mit etwa 8 Prozent an der Aus fuhr beteiligt, erhöhte sich der Exportanteil 1963 auf mehr als 25 Prozent. Vom oberösterreichischen Exportwert, der 1963 rund 8,7 Milliarden Schilling erreichte, entfällt der Hauptanteil auf die Industrie. Oberösterreichs Industrieexportwert 1961 1955: 4,12 Mrd. S 1960: 6,75 Mrd. S 1962 1963 7,23 Mrd. S 7,64 Mrd.S 8,15 Mrd. S 100 Prozent der Produktion wurden 1963 z. B. exportiert bei Stahlwerksanlagen, Bahnbaumaschinen und bei KrollhaarVerarbeitungsmaschinen, 95 bei Schmuckwaren nach Gablonzer Art, 87 Prozent bei Jagdwaffen, 81 bei Stickstoffdüngemitteln, 80 bei Werkzeugmaschinen, 79 bei Elektro-Schweißaggregaten, 73 bei Stahlblechen, 70 bei Hohlglas, 68 bei Zell wolle, 64 bei Zellglasfolien, 60 bei Landmaschinen, 59 bei optischem Glas, 56 bei Kugellagern und Papier, 53 bei Lei nengarnen, 52 bei Schnittholz, 51 bei Aluminium-Halbfabri katen, 47 bei Asbestzementrohren, 42 bei Besteck- und Mes serwaren, 41 bei Kaolin, 39 bei Aluminium und Legierungen, 26 bei Lastkraftwagen, 25 bei Zellulose, 22 bei Traktoren, 19 bei Baumwoll- und Zellwollgarnen und bei Leder, 15 bei Pappe und 14 bei Baumwoll- und Zellwollgeweben. In zunehmendem Maße ist jedoch auch das oberösterreichi sche Gewerbe an der Exportentwicklung beteiligt. Die domi nierende Position haben hierbei die Erzeuger von Waren nach Gablonzer Art inne, die sich, soweit sie nach ihrer Ver treibung aus der alten Heimat nach 1945 nach Osterreich einwanderten, in der überwiegenden Mehrheit in Oberöster reich niedergelassen haben. Lediglich der Handelskammer 10

■ Das Menschenbild der Gegenwart an der Maschine Foto Bernatzik Oberösterreich gehört eine eigene Landesinnung der Gablonzer Betriebe an. Trotz schärfster internationaler Konkurrenz haben die Gablonzer 1963 in europäische Länder und nach Übersee Waren im Werte von rund 260 Millionen Schilling ausgeführt. Daneben sind jedoch auch noch zahlreiche andere Handwerkssparten exportintensiv geworden, so die lederund papierverarbeitenden Gewerbe, ferner eine Reihe hoch technisierter gewerblicher Betriebe der eisen- und metallver arbeitenden Sparten sowie Unternehmungen der gewerbli chen Holzverarbeitung, Werkstätten der Textilgewerbe, die sich vor allem mit der Herstellung modischer Bekleidungs artikel befassen, sowie das chemische Gewerbe und insbe sondere kunstgewerbliche Herstellungszweige, die hauptsäch lich auch im sogenannten „stillen Export" bzw. dem Verkauf an ausländische Besucher in den Fremdenverkehrsgebieten erfolgreich sind. Bedauerlicherweise wird es erst in Hinkunft möglich sein, eine genaue Exportstatistik für das Gewerbe aufzustellen, doch ließ sich schon für 1963 auf Grund von Teilmeldungen ein Ausfuhrvolumen von rund 300 Millionen Schilling feststellen. Das tatsächliche Ausmaß ist jedoch we sentlich höher anzusetzen. Trotz großer Schwierigkeiten infolge der technischen Neuerun gen und der hierdurch bewirkten Änderung der gesamten Marktsituation hat das oberösterreichische Gewerbe sich in der jüngsten Vergangenheit nicht nur erfolgreich behaupten, sondern seine Kapazität noch steigern können. Einschließ lich der Meister und mitarbeitenden Familienangehörigen sind im oberösterreichischen Handwerk noch immer mehr als 100.000 Menschen beschäftigt bzw. nahezu gleich viel wie in der Industrie. Eine Schlüsselstellung nimmt naturgemäß das Baugewerbe ein, das mit etwa 36.000 Beschäftigten zur Hoch saison der größte Arbeitgeber im Gewerbe ist. 11

Die allgemeine Hebung des Lebensstandards hat jedoch auch die Beschäftigung in den meisten anderen Gewerbezweigen begünstigt. Sowohl der Österreicher selbst wie auch das Ausland greifen in wachsendem Umfang nach Erzeugnissen, die dem persönlichen Geschmack entsprechen und nach indi viduellen Anweisungen handwerklich hergestellt werden. Ne ben den gewerblichen Produktionsbetrieben sind auch die mei sten Dienstleistungssparten voll beschäftigt. — Wohl ist das Gewerbe jene Wirtschaftsgruppe, die von den großen Um wälzungen, die in der Wirtschaftsstruktur eingetreten sind, am meisten betroffen wurde — so ging etwa infolge der Stillegung von Werkstätten alter Handwerkmeister nach Einführung der gewerblichen Fensionsversicherung und da durch, daß manche der traditionellen ländlichen Gewerbe weitestgehend ihre Existenzgrundlage verloren haben, die Zahl der Sektionsmitglieder des Gewerbes bei der Han delskammer Oberösterreich in den letzten zehn Jahren von 24.072 auf 19.066 zurück. Die Zahl der Fachgruppenmitglied schaften hingegen hat sich fast nicht verändert. Hieraus ist zu ersehen, daß die Verringerung der Betriebe mit einer Un ternehmenskonzentration verbunden war, die ihrerseits durch das Ausscheiden vieler Elendsbetriebe, deren Inhaber sich nach Verwirklichung der Altersvorsorge zur wohlverdienten Ruhe setzen konnten, eine Gesundung des Gewerbestandes bedeutete. So ist der Anteil der Kleinstbetriebe im oberöster reichischen Handwerk von etwa 80 Prozent auf 50 Prozent zurückgegangen und rekrutieren sich viele Sparten nunmehr bereits aus lebensfähigen bzw. hinsichtlich ihrer Größe opti malen Betriebseinheiten. Durch die großen wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Schwergewichtsverlagerungen im oberösterreichischen Raum ergab sich für den heimischen Handel, der mehr als 16.000 selbständige Kaufleute zählt und insgesamt rund 45.000 Menschen beschäftigt, eine Fülle neuer Aufgaben und Funk tionen. Ein Zeichen für die Aufgeschlossenheit der oberöster reichischen Kaufmannschaft ist die Tatsache, daß in jenen Sparten, in denen der moderne Selbstbedienungsladen mög lich ist, der Anteil der Geschäfte mit diesen neuen Einrich tungen größer ist als im Bundesdurchschnitt. Nicht zuletzt durch die im Bildungsheim Schloß Hochscharten der Handels kammer Oberösterreich veranstalteten Bundesfachkurse des Lebensmitteleinzelhandels ist Oberösterreich ein Zentrum der Bestrebungen, die neuen Vertriebsformen, die das Zeitalter des Massenbedarfes und der Motorisierung hervorgebracht hat, in einer Weise zu realisieren, die den Möglichkeiten des mittelständischen Kaufmannes ebenso gerecht wird wie den Wünschen der Konsumentenschaft. Es liegt auf der Hand, daß die wirtschaftliche Expansion des Landes auch eine entsprechende Ausweitung des Geld-, Kre dit- und Versicherungswesens nach sich zog. Erfreulicherweise befassen sich die oberösterreichischen Geldinstitute in zu nehmender Intensität mit jenen Agenden, die einer Aus weitung und besseren Betreuung des Außenhandels zugute kommen. — Oberösterreich ist aber auch ein Gebiet der ra schen Verkehrsentwicklung. Etwa die Hälfte des Güterbe förderungsvolumens der Osterreichischen Bundesbahnen kon zentriert sich auf den Direktionsbereich Linz, die oberöster reichische Landeshauptstadt ist zum größten Umschlag- und Hafenplatz an der oberen Donau geworden und auch der Kraftfahrzeugverkehr hat gewaltig zugenommen. Der Bestand an Kraftfahrzeugen in Oberösterreich beträgt derzeit rund 215.000 Personen- und Lastkraftwagen. Er hat sich seit 1950 mehr als vervierfacht. Nicht berücksichtigt sind hierbei die etwa 100.000 Mopeds, die in Oberösterreich in Verwendung sind. Die Zunahme der Wirtschaftskraft des Landes und der rege Export brachten erweiterte Anforderungen an den Güter und an den Personenverkehr mit sich sowie insbesondere an die weltumspannende Aktivität des Speditionswesens. Der wirtschaftliche Aufstieg des Landes zwischen Enns und Inn in den letzten Jahrzehnten zog auch mancherlei proble matische Begleiterscheinungen nach sich. So wurde zunächst vor allem der Sog, den die neuen industriellen Produktions zentren auf ihre Umgebung ausübten, infolge der hierdurch bewirkten siedlungsmäßigen Zusammenballung und starken Pendlerbewegung zu einem Faktor, der viele schwierige Fragen aufwarf. Der Strukturwandel der oberösterreichischen Wirtschaft führte zu einem Strukturproblem, das sich vor allem in einer starken Konzentration der industriellen Wirt schaftskapazität auf einige wenige Standorte manifestiert und im weiteren Probleme des Wohnungsbaues, der Schaffung neuer VerkehrsVerbindungen, der Umschichtungen in der Konsumtion und bei den Versorgungseinrichtungen aktuell werden ließ, die ihr Gegenstück in Entwicklungshemmungen und einer Gefahr der Verödung abseits gelegener Gebiete finden. Ein Sonderproblem, das vor allem den Handel, nicht minder aber auch das Gewerbe berührt, ist das Eindringen ausländischer Kapitalkonzerne in den Bereich der großen oberösterreichischen Wirtschaftszentren durch die Gründung von Großkaufhäusern und Unternehmen des Versandhan dels. Auf Grund dieser Gegebenheiten sind in Oberösterreich von heute strukturpolitische Maßnahmen zugunsten der wirt schaftlich ins Hintertreffen gelangten Landesteile Aufgaben, denen sowohl seitens der Wirtschaftsvertretung wie auch des Landes ein Vorrang eingeräumt wird. Das gute Einver nehmen, das hier zwischen Landesregierung und Kammer organisation wirksam ist, verbürgt, daß die Bemühungen auch von einem entsprechenden Erfolg begleitet sind. Bedingt durch die Besatzungsverhältnisse der Nachkriegszeit und an derweitige Ursachen, wie z. B. der langen Verzögerung einer Entscheidung über den Kraftwerksbau an der mittleren Enns oder die Erschöpfung von Kohlengruben bzw. infolge der nahegelegenen Staatsgrenze, sind das Mühlviertel, das Ennstal, das Hausruckkohlenrevier sowie das Sauwaldgebiet im Bezirk Schärding jene Gegenden, denen die Entwicklungs förderung primär zugute kommen muß. Aber nicht nur in regionaler Beziehung gilt es, allen Landesvierteln und Be zirken einen gleichmäßigen Anteil an der Konjunktur zu sichern und damit ein ausgewogenes Wirtschaftsgefüge zu erreichen, sondern auch hinsichtlich der Realisierung einer aktiven Mittelstandspolitik, die den Klein- und Mittelbetrieb in seiner volkswirtschaftlich und staatspolitisch so eminent wichtigen selbständigen Existenz sichert. Der Konzentrations prozeß der letzten Jahrzehnte in Oberösterreich hat sich, wie schon erwähnt, in manchen Wirtschaftssparten bereits sehr spürbar ausgewirkt. Die Zahl der Sektionsmitglieder der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich ist von 1953 auf 1963 um rund 2400 von 50.668 auf 48.236 zurückgegangen. Die Zahl der Fachgruppenmitglieder nahm hingegen im gleichen Zeitraum erheblich zu, und zwar von 62.831 auf 67.134. Einem Weniger an Unternehmungen steht daher ein bedeutendes Größenwachstum der Einzelbetriebe gegenüber. Sicherlich ist dieser Wandel zum überwiegenden Teil eine Folge der Einführung der gesetzlichen Altersver sicherung für die gewerblich Selbständigen sowie zum an deren Teil dadurch bedingt, daß die technischen Errungen schaften in vielen Produktionssparten eben zu umfangreiche ren Betriebsgrößen zwingen. Andernteils bedeutet die Ver ringerung der Zahl der Selbständigen jedoch stets auch eine Schwächung der Grundelemente des freien Wirtschaftens an sich sowie mancherorts eine Beeinträchtigung des Wettbe werbs und der VersorgungsWirtschaft. Mehr denn je kommt es aber angesichts der europäischen Integrationsbewegung und damit dem Fallen der Außenhandelsschranken auf lei stungsfähige örtliche Versorgungseinrichtungen und auf eine möglichst große Anpassungsfähigkeit nicht nur der exportie renden,sondern aller Wirtschaftszweige an. Gerade in diesem Sinn hat die Entstehung neuer Großpro12

duktionen in Oberösterreich nicht nur die Wirtschaftspotenz des Landes erheblich erhöht, sondern auch zugleich eine ge steigerte Krisenanfälligkeit herbeigeführt. Dieser Kompo nente durch eine hohe Flexibilität der Wirtschaftsstruktur, die nur durch eine Vielzahl selbständiger Wirtschaftsunter nehmen gegeben ist, entgegenzuwirken, bedeutet eine außer ordentlich wichtige Aufgabe. In diesem Zusammenhang ist es wesentlich, daß das Leistungsniveau der heimischen Wirt schaft und aller in ihren Unternehmungen Tätigen stets in zeitgemäßer Weise eine weitere Hebung erfährt. Die große Breitenwirkung der Veranstaltungen des Wirtschaftsförderungs-Institutes der Handelskammer Oberösterreich ist hier bei ein gutes Vorzeichen, daß das derzeit im Bau befindliche neue Wirtschaftsförderungs-Institut in Linz sich als größte Einrichtung der beruflichen Weiterbildung im Lande be währen wird. Entscheidend für jene Gebiete, die für industrielle Nieder lassungen nur in beschränktem Maße in Frage kommen, ist die Ausweitung der Erwerbsmöglichkeiten durch den Frem denverkehr. Oberösterreich ist reich an landschaftlichen Schönheiten, es besitzt neben dem Salzkammergut und seinen bekannten Kurorten manche Urlaubsgebiete, die erst in den letzten Jahren in größerem Umfang dem Fremdenverkehr er schlossen wurden. In der Saison 1954/55 wurden in Ober österreich 3,4 Millionen Fremdennächtigungen gezählt, in der Jahressaison 1962/63 waren es 6,2 Millionen, also nahezu das Doppelte. Etwa 40 Prozent der Nächtigungen entfielen auf ausländische Gäste. Diese erfreuliche Entwicklung des Fremdenverkehrs ist mit bestimmend dafür, daß Oberösterreich und seine Wirtschaft in vielem die charakteristischen Merkmale Gesamtösterreichs zeigen. Auch Oberösterreich zeichnet sich durch eine starke Weltverbundenheit aus, die sich für ein Land, das geopolitisch und verkehrsgeographisch das Herzstück Europas ist, als naturgegeben und lebenswichtig erweist. Das Land zwi schen Enns und Inn ist daher auch maßgeblich daran inter essiert, daß sich die österreichische Volkswirtschaft in einer ihrem Wesen und der politischen Situation des Landes ange messenen Weise in die europäische Integrationsbewegung ein fügt. Und trotz der vielen Probleme und Hindernisse, die auf diesem Weg zu einem großen Markt noch zu überwinden sein werden, ist man in Oberösterreich davon überzeugt, sich erfolgreich behaupten und den bisherigen Aufstieg weiter fortsetzen zu können. Auch in Oberösterreich ist an die Stelle der handwerklichen Werkstatt die industrielle Werkhalle getreten Foto Wöhrl

Fenster der „Acht Seligpreisungen" von Georg Meistermann (Deutschland) in der Werktagskapelle ERICH WIDDER Mit Aufnahmen des Autors DieTheresienkirche zu Linz-ein Dokument Wir stehen den Werken unserer Zeit so nahe, daß wir nicht leicht Sicheres über ihre Wirkung in der Zukunft sagen können, aber ihren Ausgangspunkt kennen wir genau: unser Leid und unsere Hoffnung. Und sind nicht die dauerndsten Werke am meisten immer von ihren jeweiligen Gegen wärtigkeiten geprägt? Das Wort des deutschen Kirchenbaumeisters Rudolf Schwarz führt uns in medias res, wenn er sagt, man könne „heute schon übersehen, welchen Weg der Kirchenbau in diesen Jahrzehnten gegangen ist und wahrscheinlich auch weiter gehen wird. Es war, als wir begannen, eine ganz einfache Sache und ist es eigentlich bis heute geblieben, aber sie hat sich reich entfaltet. Konnte man vielleicht damals noch der Meinung sein, die Kirche sei der Abendmahlssaal und sonst nichts, so hat sich diese inzwischen als ein liebenswürdiger Irrtum erwiesen. Aber was wir ganz anfangs schon glaubten, das hat sich bestätigt: daß die Kirche ein Weltraum ist, der von unabsehbarer Inkarnation erfüllt ist. Hier entspringt Welt jungfräulich aus Gott. Hier beginnt die Erde, Sein heiliger Leib zu werden .. Möglichkeiten zeichnen sich in solcher Sicht für einen neuen Kirchenbau ab, die natürlich bei weitem die Notwendigkeit übersteigen, bei der wir zunächst verweilen wollen, gewisser maßen den Baugrund für das neue Werk näher bestimmend. Die große Kirche der Kleinen heiligen Theresia, die mit ihrem hochragenden Turm die Keferfeldsiedlung bekrönt, ist die Antwort auf die stürmische Siedlungsbewegung, von der dieses freundliche Großstadtrandgebiet seit Jahrzehnten erfaßt ist. Und sie hat Vorgängerinnen in dieser bewegten, allzu bewegten Zeit. Vor einem halben Jahrhundert hatten sich schon die Wohnbauten für die Eisenbahnbediensteten und für die Arbeiter der Solofabrik in dieses bäuerliche Vorland der Stadt Linz geschoben, der Errichtung einer Schule folgte bereits im Jahre 1913 die erste Kirchenbauplanung. Aber Weltkrieg und Inflation machten sie zunichte. 1928 bekam die Pfarre Leonding, der das Gebiet zugehörte, in Johann Haudum einen neuen Pfarrer, der sich die Errich tung einer Seelsorgestelle in diesem Raum besonders ange legen sein ließ. Die Gottesdienste wurden zunächst in der Schule und dann im Getreidekasten des Fischergutes in der Pollheimerstraße gehalten. Ein Jahr später konnte der Grund für einen Kirchenneubau erworben werden, der am 10. März 1930 nach den Plänen von Hans Schachermayr begonnen wurde und am 12. Oktober desselben Jahres nach Fertigstellung die kirchliche Weihe erhielt. Es war ein einfacher, neu barocker Saalbau mit vier Achsen, mit niedrigem eingezo genem Chor, hohem Giebeldach und Dachreiter. Das Keferfeld diente dann im Jahre 1938 zur Ansiedlung der Umsiedler aus St. Peter im Osten von Linz, das im Zuge der Errichtung der nachmaligen VÖEST-Werke Industriegebiet wurde. Am 1. Oktober 1941 wurde die Filiale zur Kooperator-Expositur erhoben, der erste Expositus, Gottfried Mayr, wirkte hier vier schwere Jahre. Während dieser Zeit, am 27. Dezember 1944, wurde die Theresienkirche durch Bombentreffer völlig 14

_ r:Ä Außenansicht der Kirche (Nachtaufnahme) 15

zerstört, der Kinosaal Untergaumberg wurde neue Gottes dienststätte. Nach dem Kriegsende begann sofort die Vor bereitung für den Bau der Notkirche,in der am 21. April 1946 zum erstenmal das heilige Opfer gefeiert werden konnte. Im Advent1945 war der damalige Kooperator an der Vorstadt pfarre Wels, Josef Zauner, dem Ruf des Bischofs an diese Seelsorgestelle gefolgt, die am 31. Dezember 1945 zum Rang einer Pfarrexpositur erhoben wurde. Mühevolle Aufbauarbeit kennzeichnet die nimmermüde Tätigkeit dieses Priesters, der den Bau der Notkirche zu Ende führte und einen Pfarrhof mit den notwendigsten Seelsorgeräumen errichtete. Das neue Pfarrleben ließ die leider bald baufällig werdende Notkirche zur Keimzelle werden für etwas Neues; es stand fest, daß eine neue Kirchenanlage diese geistige Aufbauarbeit bekrönen müsse. Durch das Entgegenkommen von Senatsrat Dr. Albert Schöpf gelang es, durch einen Vertrag mit der WAG mit Datum vom 22. November 1953 den neuen Kirchenbau grund südlich der Losensteinerstraße zu erwerben. Für den kommenden Bauherrn, Pfarrer Josef Zauner, stellte sich die Frage nach dem Wie des neuen Kirchenbaues mit jenem Ernst, der einem derartigen Auftrag gemäß ist: In den Jahren an der Welser Vorstadtpfarre hatte er als Jugend seelsorger die innere Erneuerung des christlichen Gemeinde lebens aus dem Geist der Liturgie gefordert und dem wachsenden Kreis der Getreuen in schwerer Zeit mitgeteilt, damals hatte er schon in seinen Runden vom neuen Kirchen bau gesprochen, der in diesem zerstörerischen und zugleich schöpferischen Jahrhundert eine neue Prägung aus der frischen Einsicht in die geistigen Grundlagen erhalten müsse; es war damals gerade das große Werk über den Kirchen baumeister Dominikus Böhm erschienen. Nach der dunkelsten Notzeit der Nachkriegsjahre war nun im neuen Kirchenbau unserer Nachbarländer die Saat der Knebelung des katholi schen Geistes im Dritten Reich aufgegangen: Es entstanden schon im ersten Jahrzehnt nach dem großen Zusammenbruch aus beispielloser Not beispielgebende Bauten. In Deutschland, wo alles nach einem geistigen Wiederaufbau schrie, in der Schrveiz, die das Licht der neuen Ziele über die dunkelsten Jahre fortgetragen hatte, und im gepeinigten Frankreich begann die Kunst zu beten. Das Gespräch über die Grenzen war wieder möglich, es wurde zur Notwendigkeit, wo im eigenen Land einfach die Vorbilder fehlten, von einigen Versuchen zwischen den Kriegen abgesehen. Kundfahrten zu den neuen entscheidenden Kirchenbauten führten zum Verständnis und schließlich zur Entscheidung für das Werk des Kirchenbaumeisters Rudolf Schwarz. Wort und Werk des einleitend bereits zitierten Architekten werden später in seinen Gedanken zur Planung der neuen Linzer Kirche noch deutlich werden. Man ermißt dann leicht, wie hier das seelsorgliche Bemühen des Bauherrn mit dem reifen Werk eines Mannes zusammentraf, das zu einer großen Lebensaufgabe geworden war. Es muß der Diözese Dank gesagt werden, daß sie diese Begegnung ermöglicht hat. In unermüdlichen Gesprächen, auf vielen Wegen des Pfarrers nach Köln und Frankfurt, des Architekten nach Linz, wuchs das Projekt dieser Kirche. Ein geistlicher Bezirk sollte er stehen mit dem Wahrzeichen des Gotteshauses, einer kleineren Werktagskapelle, einer Beichtkapelle und in sinnvoller Ver bindung mit diesen Sakralbauten die Räumlichkeiten der Katholischen Aktion, ein Pfarrsaal und das Pfarrhaus. Nach zweieinhalbjähriger Vorbereitung wurde im Juni 1959 die Baubewilligung erteilt und am 1. September desselben Jahres konnte die Baustelle eingerichtet werden. Es wurde sofort mit dem Aushub der Fundamente begonnen, und es gab zunächst eine unangenehme Überraschung durch die Auf findung der Grundmauern eines Pulverturmes der Stadt befestigung im vorigen Jahrhundert, dessentwegen die gesamte Anlage um sieben Meter nach Osten verschoben werden mußte. Die Schalungen für die aufgehenden Säulen ergaben schon einen Eindruck von der Gewalt des in Ent stehung begriffenen Raumes, über den noch die Wolken zogen. Für Pfarrer Zauner begann eine neue manuelle Pionierzeit wie einst beim Notkirchen- und Pfarrhausbau, seine technische Begabung ließ ihn nicht ruhen, überall mit Hand anzulegen, wo Entscheidendes geschah. Seiner Gemeinde verkündete er das geistige Anliegen des Baues. Anfang 1960 zwang eine erste schwere Erkrankung seine Hände zur Ruhe, aber die Sorge um den Bau und seine Ausstattung hielt ihn wach, der Neubau schritt mit dem Betonieren des Riegel werks sowie des Flachdaches der Kirche voran. Im Juli 1960 wurden bereits die fensterlosen Felder zwischen den Säulen ausgemauert, dann begann schon der Aushub und das Betonieren der Fundamente für den Sakristeitrakt, für die Beicht- und Wochentagskapelle. In der Frage einer künst lerischen Gestaltung der etwa fünfhundert Quadratmeter Fensterfläche des Hauptraumes mußte eine Entscheidung fallen. Die internationalen Sondierungen mit den auf diesem Gebiet erfahrensten Künstlern bestätigten eigentlich nur den Gedanken des Architekten, daß das reine Himmelslicht durch eine einfache Industrieverglasung in den Brennpunkt des Raumes, auf die Altarstelle, fallen sollte. Der Wiedergenesene hat mit dankbarer Freude, vielleicht aber auch schon mit dem Ernst der Todesnähe diese Beratungen in der Heimat und in der Fremde geführt. Das künstlerisch gestaltete Glasfenster konnte aber in der neuen Anlage den kleineren Kapellen räumen ein um so stärkeres geistiges Leben geben, wie es dann endlich durch die Entwürfe von Professor Georg Meistermann für die Marienkapelle und durch das abstrakte Fenster von Rudolf Kolbitsch für die Beichtkapelle geschehen ist. Mit diesen Künstlern hatte der erste Bauherr seit langem fruchtbringende Gespräche über das Wesen der zeitgenössi schen Bildkunst geführt. Das erste Fest im neuerstandenen Kirchenraum, dessen Fensteröffnungen über den ersten Winter noch offen lagen, war ein gutes Jahr nach Baubeginn die Übertragung des Missionskreuzes, das bisher vor der Kirchenbaracke stand, in den neuen Kirchenraum an die Stelle des künftigen Hochaltars. Die Festfanfaren verklangen an jenem 9. Okto ber 1960 und schwere Schatten zogen über die Baustelle. Die neugewonnene Kraft Pfarrer Zauners war in den harten Anforderungen dieses Baues, der ihm keine Ruhe ließ, bald verzehrt. Die Sorge um den Fortgang des Kirchenbaues und um den Beginn des zweiten Bauabschnittes haben seine letzten Stunden im Pfarrhaus kurz vor Weihnachten bei einer wichtigen Kirchenbausitzung erfüllt, die der Arzt noch erlaubt hatte. Im Spital traf ihn am Festtag der Unschuldigen Kinder der erste Schlaganfall, Pfarrer Zauner war seitdem halbseitig gelähmt und konnte nie mehr sprechen. Sein Baumeister Rudolf Schwarz brachte ihm noch das Modell für die Taufstelle ans Krankenlager, das große, ununter brochene Gespräch zwischen Bauherrn und Architekten wurde stumm beredt. Es war unfaßlich, daß Professor Schwarz noch vor dem Tod des Pfarrers, am Ostermontag 1961, plötzlich sterben mußte. Wenige Tage später, am 12. April, wurde Pfarrer Zauner von Gott heimgeholt nach einer furchtbaren Passionswoche. Man konnte in diesem Zusammentreffen wahrlich eine Fügung sehen; die Welt war ihnen beiden „Wartesaal an hochheiliger Schwelle", wie Rudolf Schwarz einmal gesagt hat: „All ihre Formen sind wie große offene Schalen, die hohl sind für die Gnade-." Die Trauerfahnen über der Kirchenanlage haben den Auftrag weitergegeben, dem diese beiden Männer gelebt und gestorben sind. Die das Werk zu Ende führen sollten, durften zu Ausführenden der großen Ideen werden, denen nichts hinzuzufügen war. Es ist hier wohl an der Zeit, daß wir die Gedanken des Baumeisters wenigstens im Auszug wiedergeben, die dieses 16

Werk bestimmt haben, und es wird viele überraschen, wenn hier nun gesagt werden muß, daß Professor Schwarz die ersten Skizzen für diesen Bau im Stift Wilhering entworfen hat: .. Es ist viel von Wilhering darin eingegangen, obwohl wir das gar nicht wollten. Der herrliche Bau lebte in uns. Die Kirche der Kleinen Therese liegt weit vor der Altstadt. Dort draußen hat sich ein Kranz neuer Vororte gebildet, die sich allmählich in neuen Kirchen bekrönen. Die nähere Umgebung besteht aus ganz niedrigen Siedlungs häuschen, über die die Kirche mit ihrer ungewöhnlichen Höhe herausragt, und was sie meint, ist wiederum die heilige Hochzeit. Sie darzustellen hatten wir nicht die überschweng lichen Mittel des Barocks; aber wir hatten unsere neue Bauweise, die mit geringem Aufwand große Räume weit über das Notdürftige hinaus schaffen kann. Der Grundriß der Kirche ist sehr einfach. Er bildet ein ziemlich langgestrecktes Eirund, in dessen vorderer Bucht der Altar steht. In der hinteren liegt die Taufstelle. Das gibt einen guten Gegensatz: Die Stelle der menschlichen Wieder geburt und die der göttlichen Fleischwerdung beantworten sich. Aber es sei hier schon bemerkt, daß die rückwärtige Bucht nicht durch die Taufe bedingt und erklärt wird. Ihre Bedeutung als Taufgegend ist überlagert von dem Gedanken der Gegenapside. Den Raum umkreist eine elliptische Bewegung, die vom Altar ausgeht, die Gemeinde einbezieht und dort in ihrem Rücken wendet. Die Altarapside reicht bis hinter das Volk zurück und bildet dort wiederum eine Bucht. Vorn am Altar tut sich der Raum in ein Nebenschiff auf, er erhält Zufluß aus einer kleinen Apsis, die sich zum Altar hin weit öffnet. Hier steht das Marienbild. Die planetarische Bewegung der Wand biegt ab, umkreist in kürzerem Lauf die Nebenapside und kehrt dann in den großen Verlauf wieder zurück. In dem Nebenschiff kann die kleine Gemeinde oder auch der Sängerchor stehen. Der Bau besteht aus einem Rasterwerk. Sehr schmale waag rechte Gurte und senkrechte Stäbe aus Stahlbeton bilden ein Gitter, dessen Felder nicht sehr breit und ziemlich hoch sind. So teilt sich der Bau von unten nach oben in Zonen, ver gleichbar den Notenlinien eines Musikstückes. Die Decke ist ein Plattenbalken mit sehr schmalen Rippen und nach beiden Köpfen des Bauwerkes hin schräg erhöht. Dieses große Rasterwerk ist zum Teil ausgemauert,in anderen Feldern aber offen gelassen und verglast. Die gemauerten Teile steigen vom Boden bis zu wechselnder Höhe hinauf. Dort ist der Bau ein Weltbehälter. Weiter oben aber ist er nur noch ein durchlässiges Weltgerüst. Die Decke schwebt also wieder einmal über einer Zone des Lichts. Von dort senkt sich das Licht in breiten Fensterschwärmen zur Altar stelle hinab. Die Fenster sitzen wie Notenköpfe einer Musik in ihren Linien. Ein Barockmensch hätte vielleicht gesagt, sie säßen wie Schwärme von Engeln in dem Gerüst der wohnlichen Welt, und damit hätte er eigentlich recht, denn das Licht ist hier ja wirklich als Bote gemeint. Vorne aber, um den Altar, schweigt sein Jubel. Der irdische Bestandteil bildet eine behütende Schale rund um die Stelle, wo Gott geboren wird. Das Volk, das auf der Erde steht, in ihrem aufgebrochenen Behälter einheimisch ist, wird in alles hineingenommen, die Apsis der Beichtkapelle mit Glasfenster von Rudolf Kolbitsch (Linz) ' *- •4. ■>

'H., 'ibk. 'i ^ hirl .k ■ ' , : /, .t ^'1 üvv- ü''.'ü;.- Ii' Krippe von Professor Walter Ritter (in Ton) Foto Wöhr! Auflichtung des Weltenbehälters zum Weltgerüst und den Einbruch des Lichts in die durchlässig werdende Welt, in ihren Verzehr und ihre neue Errichtung aus Licht und in der Eingeburt Gottes in die offene Höhle der Erde. Eigentlich wäre es nicht nötig, zu sagen, daß bei alledem Erde und Welt heilig gemeint sind. Sie vermählen sich weihnachtlich, wie es heißt:,Himmel und Erde küßten einander.' Die Vorbereitung auf den Eintritt in den hohen Raum ist besonders sorgsam bedacht worden. Die weitläufigen Sakri steien liegen am Eingang, quer zu der Kirche. Die Geistlichen gehen also auf dem gleichen Weg wie das Volk zum Altar und nehmen — indem sie von hinten nach vorn gehen — an dem eingebauten Drama des Raumes teil. Dem Zug der Sakristeien ist eine große Halle vorgelegt, die nach draußen eine gläserne Wand hat. Darein ist eine besonders kleine Kirche eingesetzt, die schwer aus Bruchstein gebaut und halbdunkel ist, eine Gnadenkapelle unterwegs. Die große Halle führt in der anderen Richtung zu dem Pfarrsaal und den Sälen und Räumen der Standesgruppen, zu Bücherei und Sekretariat, und daran schließen sich die Wohnungen der Geistlichkeit an. Das alles liegt in einem langen Zug, der wiederum quer zu der Vorhalle läuft und den Kirchplatz beschließt. Alles in allem entsteht eine weit läufige, vielfältig bestimmte Gottesstadt. In dem Ende der Vorhalle, das dem Gemeindesaal zugewendet ist, ist eine bedachte Durchfahrt. Hier ist die Brautpforte'." Es war keine leichte Aufgabe für den neuen Pfarrer Anton Haider, das Gesamtwerk zu vollenden, das in seiner ersten Etappe eben bis zu dieser Brautpforte im Rohbau mit offenen Fensterhöhlen stand, wo aber auch die zweite Bauetappe mit Pfarrheim, Pfarrsaal, Pfarrhaus und Turm erst begonnen werden konnte, nachdem durch neue Pläne dem verkürzten Bauprogramm entsprochen war. Die Pfarre dankt dem zweiten Bauherrn die Energie des Vollendens, die mit einer großen Behutsamkeit gegenüber dem Übernommenen gepaart war. Der Arbeitsanteil des verstorbenen Baumeisters blieb in den Händen seiner Witwe Dipl.-Ing. Maria Schwarz, der treuen und unermüdlichen Mitarbeiterin durch sein letztes Lebensjahrzehnt. Noch zu seinen Lebzeiten hatte Professor Rudolf Schwarz Professor Otto Prossinger aus Salzburg als örtlichen Bauleiter ausersehen. Für die Statik der Seelsorge anlage zeichneten von Anfang an Dr. techn. Dipl.-Ing. Hans Aigner und dessen Mitarbeiter Dipl.-Ing. Sackmauer. Nach den schweren Ereignissen kam es erst am 5. Jrmi 1961 zur Fortsetzung des Baues, das Granitsteinmauerwerk der Marienkapelle wuchs rasch empor. Ende Juli wurde bereits die zweite Bauetappe in Angriff genommen; aus statischen Gründen mußte der Turm, der ursprünglich aus dem Pfarr heimverband aufragen sollte, aus diesem herausgenommen und frei vor das westliche Ende des Pfarrhauses gestellt werden, an Stelle einer Pfahlfundierung wurde eine Turm fundamentplatte im Ausmaß von 14 mal 14 mal 1,60 Meter vorgesehen. Damit war nun das gesamte Konzept in Aus führung begriffen. Nach einem guten Jahr war die erste Bauetappe vollendet, so daß am 7. Oktober 1962 die Kirche durch den höchsten Bauherrn Diözesanbischof DDr. Franziskus 19

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