Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

ERICH M. MEIXNER Entwicklungsprobleme der oö. Schwerindustrie Zur Darstellung einiger aktueller Entwicklungsprobleme der oberösterreichischen Schwerindustrie ist es zunächst erfor derlich, auf die vieldiskutierten Fragen nach der Standort wahl und auf die standortgegebenen Entwicklungsmöglich keiten einleitend hinzuweisen. — Günstige Standorte für Hüt tenwerke sind Kohlen- und Erzreviere oder Plätze, zu denen auf billigen Frachtwegen Kokskohle und Eisenerz herange schafft werden können. So entstanden z. B. die Hüttenwerke im Ruhr- und Saargebiet, in Oberschlesien und in Dona witz in unmittelbarer Nähe von Rohstoffvorkommen — in letzter Zeit aber auch an den Küsten der Nordsee, der Ost see, der Adria und des Atlantischen Ozeans; denn außer Kokskohle, Erz und anderen Materialien konsumiert der Be trieb schwerindustrieller Anlagen auch bedeutende Wasser mengen. Der Wasserverbrauch für die Produktion einer Tonne Koks beträgt 5 Kubikmeter, einer Tonne Roheisen 15 Kubik meter und einer Tonne Stahl ca. 15 bis 20 Kubikmeter. Man braucht also für die Erzeugung einer Tonne Stahlroheisen nicht nur ca. 680 kg Trockenkoks und im Mittel ca. 1900 kg Erz — das sind gewaltige Mengen von Rohstoffen —, sondern auch viel Wasser. Die Linzer Eisenhütte bezieht von Natur aus manganhältiges Erz im Kreislaufverkehr „Erz vom Erzberg — Koks für Dona witz" aus der Obersteiermark sowie zusätzliche Erzmengen und Kokskohle zum wesentlichen Teil stromabwärts auf dem Donauwege über Regensburg und in letzer Zeit immer mehr stromaufwärts aus dem Osten. Die Bezugsgebiete wechseln, je nach Angebot und Frachtkostenrelationen, so daß in den letzten Jahren aus Revieren fast sämtlicher Erdteile — aus Nord- und Südamerika, Nordeuropa, der UdSSR, Nordafrika, Indien etc. — Rohstoffbezüge einschließlich der Zufuhren von Heizöl, Zuschlags- und sonstigen Hilfsstoffen stattfanden. Zudem werden von der Linzer Schwerindustrie jährlich mehr als 500 Millionen Kubikmeter Nutzwasser der Donau ent nommen. Hieraus ist es verständlich, warum das neue Hüttenwerk an der Donau errichtet wurde. Daß die Wahl gerade auf Linz als Standort gefallen ist, erklärt sich aus folgendem: Es galt, einen Platz mit günstiger Bahnverbindung für die Einrich tung des vorerwähnten „Erz-Kokskohle-Kreislaufverkehrs" zu finden. Zuerst dachte man bei dieser schon lange vor 1938 von österreichischen Hüttenfachleuten konzipierten Planung an einen Standort nördlich Amstettens. Bedingt durch den Mangel an größeren Betriebswassermengen und IndustrieAusbauflächen, waren der Erweiterung des Donawitzer Hütten werkes der Alpine-Montan-AG. relativ enge Grenzen gesetzt. Vom Donaustrand nördlich Amstettens rückte der Standort der Hütte in den folgenden Planungen 1938/39 gleichsam immer mehr nach Westen — zuerst nach einem Ufergebiet nördlich St. Valentins, dann nach Asten, westlich von Enns. Hier war jedoch Rücksicht auf 40 große Bauernhöfe mit land wirtschaftlich wertvollen Anbauflächen zu nehmen. Auch schien es zu kostspielig und zeitraubend, eine eigene Industrie stadt mit Wohnungen für ca. 100.000 Menschen samt einer Schnellbahn Asten—Linz neu zu errichten. Die Linzer Stadt väter von damals dachten nicht zuletzt an die bedeutenden steuerlichen Einkünfte aus einer derartigen Gründung und so entschied man sich, das Hüttenwerk so anzulegen, daß zu nächst 6 Hochöfen am Standort St. Peter westlich der Traunmündung errichtet wurden. Gegebenenfalls waren als zweite Ausbaustufe weitere 6 Hochöfen an der Donau nächst Ebels bergs östlich der Traunmündung vorgesehen. Beide Hochofen reihen sollten somit auf Linzer Gemeindegebiet errichtet werden. Gleichzeitig ist die Gründung eines mit der Kokerei durch Gasabnahme verbundenen, Stickstoffdüngemittel erzeugenden Werkes beschlossen worden. Diese Neugründungen ergaben zusammen mit anderen großindustriellen Neugründungen und Werkserweiterungen, z. B. in Lenzing, Ranshofen, Steyr, Wels etc., den Beginn einer neuen, sprunghaft anwachsenden Industrialisierung im oberösterreichischen Raum. Nur auf Linz bezogen, ist seither die werktäglich anwesende Bevöl kerung der Landeshauptstadt von ca. 112.000/1937 auf ca. 240.000/1964 angewachsen. Ein sehr wesentlicher Grund, warum das Hüttenwerk an der Donau errichtet wurde, war aber auch die Planung einer europäischen West-Ost-Transversale im Zuge der energie wirtschaftlichen Nutzung des Mains und der Anlage von Ka nalschleusen über Nürnberg zur Donau. Diese „Rhein-Main-Donau"-Binnenschiffahrtsverbindung ist geradezu ein integrierender Bestandteil der Standortplanung der Linzer Schwerindustrie gewesen. Erst nach Fertigstellung dieser Verbindung werden die gegebenen Standortvorteile dieser Stadt in vollem Umfang zugute kommen. In den Jahren seit 1939 machten sich die Planungsexperten von den enormen technischen Schwierigkeiten und hohen Kosten der Realisierung des Rhein-Main-Donau-Projektes, vor allem im Hinblick auf die Ausbaukosten der Schiffshebe werke der Strecke Bamberg—Nürnberg—Regensburg und die Zuführung der erforderlichen Fahrtwassermengen, noch keine konkreten Vorstellungen. Bisher konnte die Mainstrecke bis Bamberg im Zuge der Anlage einer Kraftwerkskette bewäl tigt werden. Auf der Donau sind zugleich mit der Gewin nung neuer Energiepotentiale bedeutende Verbesserungen der Schiffahrtsverhältnisse durch die Errichtung von Großkraft werken, wie Passau, Jochenstein, Aschach und Ybbs-Persenbeug, geschaffen worden. Aber es wird noch längere Zeit dauern, bis die Linzer Schwerindustrie ihre Transporte ohne Umladungen auf der gesamten Transversale von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer durchführen kann. Auf diese Zukunftsaussichten war auch die Anlage der 7 Lin zer Hafenbecken samt Zollfreizone und anderen Institutionen ausgerichtet. Linz ist heute bereits der größte Güterumschlags platz im Schiffsverkehr der gesamten Donau, obwohl vorerst nur ein geringer Bruchteil der räumlich und technisch gege benen Umschlagskapazitäten genützt werden kann. Wenn man bedenkt, daß z. B. der Rheinhafen Duisburg allein jähr lich mehr Güterumschlag erreicht als sämtliche Donauhäfen von Regensburg bis zum Schwarzen Meer zusammengenom men, wird es offenbar, was der Binnenschiffahrtsverkehr zum Rhein,zur Nordsee und die Verbindung mit westeuropäischen und überseeischen Industriezentren für ein an der Donau ge legenes Hüttenwerk sowie für den Linzer Hafen bedeuten könnte — ganz abgesehen von verminderten Frachtkosten und anderen Vorteilen. Im übrigen wäre es heute wohl abwegig, darüber zu disku tieren, ob nicht doch ein weiter östlich gelegener Standort des Linzer Hüttenwerkes günstiger gewesen wäre. Dieses Werk ist heute eng mit dem Schicksal der oberösterreichi schen Landeshauptstadt, mit dem Lebensstandard ihrer Be völkerung, mit dem Gedeihen von Handel, Gewerbe, Geld wesen, Verkehr und zahlreichen Zulieferer- und Abnehmer industrien und schließlich auch mit der gesamtösterreichischen Wirtschaft verbunden. Es wäre trotz aller Einwirkungen auf die „Linzer Luft" aus unserem gesamten Wirtschaftsgefüge nicht mehr wegzudenken. In der Außenhandelsbilanz wird mit diesem Werk als Devisenbringer größten Ausmaßes gerechnet. 50

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