Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

Linz ist zu einem europäischen Industriestandort von Rang und Namen angewachsen. Kann man von einer allzu extremen Konzentration indu strieller Einheiten im Linzer Raum sprechen? — Man bedenke, daß es z. B. im Raum von Nürnberg, einer Stadt mit 600.000 Einwohnern, 6 Großbetriebe gibt, von welchen jeder mehr Dienstnehmer zählt als die Linzer Schwerindustrie. — Wenn man die Sachlage nach europäischen bzw. weltwirtschaftli chen Maßstäben betrachtet, ist Linz noch immer eine keines wegs überragende Industriestadt von mittlerer Größe. — Die weltwirtschaftliche Bedeutung von Linz ist aber auch weniger in Massenproduktionen, sondern vielmehr in ihrer Position als „Stadt der Erfinder" begründet, worüber an anderer Stelle noch berichtet wird. Kommen wir auf die ursprüngliche Planung zurück und be sinnen wir uns auf die gegenwärtige Kapazität der Linzer Schwerindustrie! Nur so können wir verstehen, welche grund legenden Veränderungen und Neuorientierungen hier statt gefunden haben. Wie bereits erwähnt, sollten ursprünglich 12 Hochöfen in Linz errichtet werden — die Gründung der Linzer Schwerindustrie und deren Ausbau in den Jahren 1938 bis 1942 war vor allem auf Roheisenproduktion zur Versorgung westdeutscher Stahl- und Walzwerke ausgerich tet. Der „Pleiger-Plan" enthielt erst für später die Errich tung größerer Anlagen der zweiten Stufe mit Stahl- und Walzwerken etc., für die in günstigen Vereinbarungen, z. B. bezüglich der Brammenstraße mit einem Großunternehmen des Maschinenbaues in den USA, schon vorgesorgt wurde. — Der erste der sechs Hochöfen ist 1941 angeblasen worden. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges waren insgesamt vier Hochöfen in Linz in Betrieb, und im gleichen Werksgefüge ist in diesen Jahren bereits das erste, wenn auch, gemessen an den Dimensionen von heute, noch relativ kleine Stahlund Walzwerk samt angeschlossener spanabhebender Fer tigung einer neuen Maschinenfabrik errichtet worden und angelaufen. Aber an Ort und Stelle weiterverarbeitet wurden damals nur ca. 2,2 Prozent, d. h. nur 14.750 von insgesamt 662.000 Jahrestonnen Roheisenerzeugung. Die Neuorientierung seit 1945 ist schon daraus ersichtlich, daß heute das gesamte im Linzer Hüttenwerk hergestellte Roheisen im eigenen Unternehmen verarbeitet wird — die letzten größeren Roheisenexporte haben zur Devisenbeschaf fung für Investitionen in den Jahren 1951—1957 stattge funden. Auch Rohstahlexporte werden seit langem nicht mehr durchgeführt. Hingegen ist diese seit 1. August 1945 als „Vereinigte österreichische Eisen- und Stahlwerke AG." (VÖESt) neu konstituierte Schwerindustrie samt ihren an Ort und Stelle zusätzlich ausgebauten Werken der Sekundär- und Finalstufe immerhin derzeit nicht nur das größte an einem Standort errichtete Industrieunternehmen des Bundesgebietes, sondern auch das größte Exportunternehmen Österreichs. Es ist nicht möglich, auf all die wechselnden Phasen von öptimismus und Pessimismus, von Hoffnungslosigkeit und kühner Initiative, welche für die Nachkriegsjahre kennzeich nend waren, näher einzugehen. Die im „Pleiger-Plan" von einst vorgesehene, in zweiter Etappe nach dem europäischen Südosten gerichtete örientierung der Entwicklungsziele der für später geplanten Ausbauphase ist gegenstandslos ge worden durch den Beginn des sprunghaften Ausbaues neuer nationaler Schwerindustrien in den Südoststaaten. Die Roh eisenabnehmer in Westdeutschland waren für lange Zeit mit ihrem eigenen Wiederaufbau beschäftigt und kamen als Kunden nicht mehr in Frage. Die zweite Hochofenreihe in Ebelsberg wurde aus den Planungen ausgeschieden. Im Rahmen des neuen „österreichischen Stahlplanes", wel cher die Arten der Fertigungen im Bundesgebiet arbeits eilig ordnete, ist hingegen hier in Linz die Sekundärstufe, d. h. vor allem die Erzeugung von Stahlblechen als Halb fabrikaten, und die Finalstufe so weit wie möglich ausge baut worden, um mit diesen Produkten den zunächst noch sehr aufnahmefähigen Inlandsmarkt zu versorgen und auf den Weltmärkten neue Absatzgebiete zu gewinnen. In diesem Sinne wurde die Dimensionierung der neuen, z. T. mit Hilfe von ERP-Kreditmitteln errichteten schwerindustriellen Linzer Anlagen auf Weltmarkt-Maßstäbe angelegt. Die neue Ausrichtung auf internationale Märkte und Er fordernisse ist, begünstigt durch die allgemeine konjunktu relle Entwicklung, aber auch durch sehr beachtliche qualitative und mengenmäßige Leistungssteigerungen im großen und ganzen in einer Weise gelungen, welche vor 15 Jahren noch kaum vorstellbar gewesen wäre. Um die Zusammenhänge erkennen zu können, ist es erfor derlich, sich kurz die wichtigsten technischen Aufbauergebnisse dieser Jahre, also während der Zeit des Anwachsens der Dienstnehmerzahl von 12.000 auf 19.000,vor Augen zu halten. Im Sektor Schwerindustrie sind in Linz derzeit fünf zum Teil technisch wesentlich verbesserte Hochöfen zur vollen Versor gung aller werkseigenen Stahlwerke im Betrieb samt den zugehörigen Anlagen der Erzaufbereitung und der Schlakkenverwertung für Baustoffe. Die vorgeschaltete Kokerei wurde nach einem Notbetrieb über das Kriegsende ab An fang 1947 in Etappen wieder angefahren und konnte seither, dem Bedarf in Linz, Donawitz sowie sonstiger Industrie- und Hausbrandkonsumenten entsprechend, bis auf eine Jahres kapazität von 1,9 Millionen Tonnen Koks erweitert werden. Die Teerdestillation kommt derzeit auf ca. 70.000 Jahres tonnen Rohteerdurchsatz. Die Benzolanlage mit ca. 28.000 Jahrestonnen erzeugt Reinbenzol, Reintoluol, Reinxylol und Lösungsbenzole. — Die Produktion von Kokereigas liegt bei maximaler Auslastung der Anlage derzeit etwa bei 690 Mil lionen Normalkubikmetern p. a. Zuerst angefahren wurde noch in der Schutt- und Trümmer periode ein aus der Zeit vor 1945 verbliebenes Elektrostahlwerk. Nach der ebenfalls schon 1947 stattgefundenen Wieder inbetriebnahme eines Siemens-Martins-Öfens konnte 1949 im Stahlwerk ein zweiter SM-Ofen in Betrieb gehen, welcher in der werkseigenen Maschinenfabrik und Stahlbauanstalt ge baut worden war. — Die nächsten großen Schritte nach vor wärts bezogen sich damals aber vor allem auf die neuen Walzwerke. — Nachdem das vor 1945 gebaute 2,7 Meter Grobblechquartogerüst nach Kriegsende in Betrieb gegan gen war, wurde ab 1949 auf dieser Strecke schon in zwei Schichten gefahren. 1948 waren im eigenen Betrieb auch be reits die ersten Gerüste für die Produktion von warmgewalz ten Feinblechen gebaut worden. Im August 1951 wurde die „Brammenstraße" — ein Ergebnis der Zusammenarbeit amerikanischer und österreichischer In genieure, Maschinenbaufabriken etc. — angefahren, und im Jänner 1953 ist die „Breitbandstraße" in Betrieb gegangen. Da auch im Hinblick auf die Abmessungen der erzeugten Grobbleche den ständig steigenden Anforderungen der Kun den entsprochen werden mußte, ist 1958 ein neu gebautes 4,2-m-Quartogerüst in Betrieb genommen worden. 1953 wurde ein Gerüst für die Herstellung von kaltge walztem Breitband angefahren, und zehn Jahre später, 1963, ist das Kaltwalzwerk mit einem zweiten Walzgerüst, das in der werkseigenen Maschinenbauanstalt gebaut worden war, erweitert worden. Zudem haben diese Walzwerksanlagen mit der Einrichtung einer nach neuesten Grundsätzen konstruier ten Adjustage sowie mit Anlagen für die Glühbehandlung der Stahlbleche wichtige Ergänzungen erhalten. Das ergab zusammengenommen ein in jeder Hinsicht international wett bewerbsfähiges Walzwerksgefüge. Was ist unterdessen in Linz in den Stahlwerken geschehen? — Die hier überaus bedeutsamen und schwierigen Aufgaben waren aus der Notwendigkeit entstanden, für die großen, schon 1948 vorgeplanten neuen Walzwerke entsprechend er51

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