Oberösterreich, 14. Jahrgang, Heft 3/4, 1964

An jedem Werktag strömen Pendler als Arbeitnehmer nach Linz Foto Albrecht darf sich mit der häßlichen, städtebaulich ungeordneten, weder sozial noch biologisch funktionierenden Fabrikstadt nicht abfinden, sondern muß die Industriestadt als menschenwürdig gestaltetes Lebensmilieu anstreben. Diese Einsicht und die Fülle der von ihr ausgelösten sozialen Anstrengungen scheiden die moderne industrielle Gesellschaft von der kapitalistischen alten Stils. Das ist keine Frage parteipolitischen Ermessens oder des Wirtschaftssystems allein, sondern ein Wesenszug der sich abhebenden neuen Epoche. Die funktioneil organisierte Großstadt ist das Gehäuse der industriellen Gesellschaft. Deshalb muß eine Stadt, die leben will, die Verstädterung des Menschen planmäßig fördern. Diese Verstädterung darf keineswegs nur negativ als zu be dauernde und zu bekämpfende „Landflucht" aufgefaßt wer den; sie ist vielmehr ein positiv zu wertender zivilisatorischer Anspruch. Die Stadt darf sich nicht damit begnügen, auf das umgebende Land eine gewaltige Anziehungskraft auszu üben — sie muß auch vielfältige Voraussetzungen schaffen, damit die Angezogenen, die Zuziehenden der Stadt nicht hilflos ausgeliefert bleiben wie Nachtfalter dem Licht, sondern existieren können, die veränderten Umweltbedingungen be wältigen lernen und als Neubürger zum integrierenden Teil einer gesellschaftlich geordneten Bevölkerung werden. Dieser Vorgang ist überwiegend ein Akt der sozialen und im weite sten Sinne erzieherischen Einbürgerung des vierten Standes, wenn man diesen bereits Geschichte gewordenen Begriff sinngemäß anwenden will. Ohne sich dem Vorwurf der Schönfärberei auszusetzen, darf und muß festgestellt werden, daß in solchem Sinn die Zeichen der Zeit und der Zukunft in Linz erkannt und ihre Forderungen anerkannt worden sind. Wer das Linz von 1964 mit dem von 1946 vergleicht, um Anzeichen einer behaupteten Veränderung zur Industriegroß stadt zu finden, wird zunächst bemerken, daß in diesen achtzehn Jahren ganze Stadtteile entstanden oder systema tisch erweitert worden sind. Linz, die „Hauptstadt der Woh nungsnot" in Österreich, hat Jahr um Jahr Zuwanderer auf genommen und als Neubürger versorgt. Daß dabei das Not wendigste zugleich das Schwierigste war und noch immer ist — nämlich die ausreichende Produktion von Wohnraum —, darf nicht verschwiegen werden. Dazu hat der Linzer Bür germeister, Edmund Aigner, in seinem Vorwort zum „Amt lichen Adreßbuch der Stadt Linz", das im Herbst 1964 erschie nen ist, eindeutig erklärt: „Für die Linzer — von denen am 37

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