Oberösterreich, 12. Jahrgang, Heft 1/2, 1962

Oberösterreich • Landschaft Kultur Wirtschaft Fremdenverkehr 12. Jahr Hell 1/2 Sommer 1962 INHALT Dr. Alfred Marks Ing. Wilhelm Gotting Dr. Benno Ulm Georg Grüll Dr. Kurt Holter Otto Puchta Dr. Gilbert Trathnigg Dr. Othmar Hageneder Dipl.-Ing. Gerhard Sedlak Historische Burgenansichten in Oberösterreich Die technische Aufnahme der Burgruinen in Oberösterreich Mittelalterliche Burgkapellen im unteren Mühlviertel Burgen und Sitze im Bannkreis der Herrschaft Schwertberg Pollheimer und Jörger — ihre Schlösser im Bauernland Schloß Lichtenau bei Haslach Von den Welser Burgen, Schlössern und Freihäusern Passauische Burgen im nordwestlichen Oberösterreich Wasserschlösser in Oberösterreich Schriftleitung: Dr. Otto Wutzel Umschlag nach einer Folioseite der „Chronik der 95 Herrschaften" im oberösterreichi schen Landesarchiv. Einzelverkaufspreis: S 24.—, Jahresabonnement für 2 Hefte: S 36.— exkl. Porto. — Eigentümer, Herausgeber und Verleger: Oberösterreichischer Landesverlag; verantwortlich für den Inhalt im Sinne des Pressegeselzes: Dr. Otto Wutzel, sämtliche Linz, Landstraße 41, Ruf 26 7 21. — Druck: OÖ. Landesverlag Linz.

Burgruine Klingenberg, Musterbeispiel mittelalterlicher Burgbauweise Foto; Eiersebner Burgen und Schlösser in Oberösterreich

*.' Burg Klam, dreigeschossiger Laubenhof aus der Renaissancezeit Toto: Eiersehner

ALFRED MARKS Historische Burgenansichten in Oberösterreich Die Burgen und Schlösser haben in Österreich seit dem Jahre 1848 ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Funktionen eingebüßt. Bis dahin standen sie als Adelswohnsitze und Mit= telpunkte größerer oder kleinerer Grundherrschaften im Kreis= lauf des Alltagslebens. Als befestigte Anlagen erfüllten sie außerdem im Mittelalter auch wichtige militärische Aufgaben. Viele von ihnen sind schon sehr früh als Wohnsitze aufgege= ben und dem Verfall preisgegeben worden. Die bis zur Ge= genwart erhalten gebliebenen Burgen und Schlösser dienen als landwirtschaftlich genutzte Landsitze des Adels und des ver= mögenden Bürgertums oder sind zugleich mit ihrer baulichen Instandsetzung und Adaptierung neuen Aufgaben als Museen, Bildungsstätten, Jugendheime usw. zugeführt worden. Obwohl die Burgen und Schlösser schon frühzeitig in der landeskundlichen Literatur Beachtung fanden, und besonders die Romantik des beginnenden 19. Jahrhunderts mancherlei Beschreibungen und Erzählungen von mittelalterlichen Ritter= bürgen beisteuerte, kann im wesentlichen erst in unserem Jahrhundert von einer eigentlichen Burgenpflege gesprochen werden! Zu ihren Aufgaben zählt sowohl die Erforschung als auch die Erhaltung der Burgen. Die historische Forschung, die im Einzelfall meistens mit den praktischen Aufgaben der Bestandsaufnahme der vorhandenen Bauten und den denkmalpflegerischen Maßnahmen zu deren Erhaltung oder Wiederherstellung Hand in Hand geht, hat auf vielerlei Fragen Antwort zu geben. Ihr obliegt es, aus vorhandenen Urkunden und Akten dievielseitigen wirtschaft= liehen, politischen, rechtlichen und die Verwaltungsaufgaben der Burgen in ihren geschichtlichen Wandlungen darzustellen sowie die Baugeschichte, die besitzrechtlichen und genealogh sehen Entwicklungen der vergangenen Epochen zu erforschen. Für die Baugeschichte wird die archivalische Forschung, je nach der Quellenlage, aus alten Baubeschreibungen, Gutachten, Plänen, Abrechnungen und anderen Aufzeichnungen oftmals wertvolle Daten beisteuern können; doch wird es in vielen Fällen ohne sonstige Hilfsmittel schwierig, ja unmöglich sein, sich aus trockenen Beschreibungen oder mehr oder weniger ausführlichen Urkunden^ und Aktenzitaten ein richtiges und anschauliches Bild von der Lage einer Burg oder von architek= tonischen Formen und baulichen Maßnahmen der Vergangen^ heit zu machen. Dies gilt vor allem für jene Objekte, die seit langer Zeit ganz verschwunden und uns heute nur mehr aus historischen Erwähnungen bekannt sind. Bei den gegenwärtig noch in ihrem gesamten Baubestand oder wenigstens als Ruinen erhalten gebliebenen Anlagen sind die Voraussetzung gen wesentlich günstiger. Wo nicht der Kunsthistoriker schon aus Grundrißfragmenten zur Rekonstruktion der Gesamt= anlage Wesentliches zu sagen vermag, steht heute auch der Archäologe im Dienst der Burgenforschung. Es sei hier auf die Ergebnisse der in jüngster Vergangenheit durchgeführten For= schungen dieser Art in Neydharting verwiesen, wo die ge= nannten wissenschaftlichen Disziplinen sich in der Zusammen= arbeit und in den Forschungsergebnissen in erfreulicher Weise ergänzten". Weit anschaulicher und unmittelbarer als die ausführlichsten und verläßlichsten Beschreibungen oder auch Ausgrabungs= ergebnisse und Rekonstruktionsversuche vermögen uns zeit= genössische Bilder, seien es nun Gemälde, Zeichnungen oder Kupferstiche, über bestimmte historische Bauzustände unserer Burgen und Schlösser Auskunft zu geben. Sie vermitteln, wenn auch nur aus einer bestimmten Blickrichtung, doch je= weils eine mehr oder weniger genaue Vorstellung von der architektonischen Form des Objektes und von dessen näherer Umgebung. Voraussetzung für den Quellenwert solcher Bur= genansichten ist allerdings die topographische Genauigkeit und Verläßlichkeit der Darstellung, die nicht immer und ohne wei= teres überprüfbar ist. Eine weitere Voraussetzung ist die Feststellung der Entste= hungszeit, die in vielen Fällen schwierig und oftmals ohne sonstige Vergleichsmöglichkeiten und Hilfsmittel unmöglich erscheint. Hier muß vor allem wieder die archivalische For= schung helfend und ergänzend eingreifen. Wo die historischen Quellen versagen, kann die Kunstgeschichte mit ihren Metho= den in der Datierungsfrage vielfach wertvolle Dienste leisten, da die bildlichen Darstellungen von Burgen, Klöstern, Sied= Jungen und Städten, die ja bis zum Beginn des Zeitalters der Photographie im 19. Jahrhundert ausschließlich von Malern und Zeichnern geschaffen worden sind, im Rahmen der Land= schafts= bzw. Vedutenmalerei als besondere Gruppe in ihren stilistischen Wandlungen ohne weiteres verfolgt und erfaßt werden können. Wir besitzen heute außerdem schon eine Reihe von brauchbaren wissenschaftlichen Werken und Ab= handlungen zur allgemeinen und lokalen Entwicklung der Stadt= und Ortsansichten, die uns wertvolles Vergleichsmate= rial an die Hand geben. In den Bibliotheken, Museen, Archiven und auch in privaten Sammlungen liegen mehr oder weniger vollständige Serien von historisch=topographischen Bildern, nach internationalen oder lokalen Gesichtspunkten geordnet, für die Forschung be= reit. Die größte und bedeutendste, universell angelegte Samm= lung dieser Art besitzt die Osterreichische Nationalbibliothek in Wien. Für die historische Topographie von Oberösterreich

?r^ •Hl« •iflr.-»-»'- Abb. 1 und 2: Ansichten der Schaunherg aus 1670, Tuschpinselzeichnungen zu einer Eingabe des Pflegers von Schloß Gstöttenau Hans Kaspar Köck an den Abt von Lambach Placidus Hieber. Legende: Änderte Seiten deß Schloß. 1. Der auf zweyen Seilten allerdings eingefallene Eckhthurn. — 2. ein hocher starckher Turn. — 3. Eckhturn so mit Schließen zuuerwaren. — 4. ohne Dachung steende hoche dickhe sehr schadhaffte Maur. — 5. Daß Thor. — 6. ein dieffer graben. 7. ein faßt derglei chen hoche vneingedeckhte schadhaffte Maur. — 8. Rinckhmaur. — 9. stallung. — 10. Rinckhmaur. — 11. dieffergraben. — 12. Maur im ineren Schloß darob ein Prustwör oder gang. — 13. Schülder Meißel. —14. Absonderlicher Stockh im Inneren Schloß die Canzley genant. 15. Schilder Heißl. — 16. ein von grundt auff hoche starckhe Maur in formb eines rundels bis zur Capellen, darob ein gang vnd Prust wöhr. — 17. Closter Pupping. bietet die Ortsansichtensammlung des Oberösterreichischen Landesmuseums mit zusammen rund 5000 Blättern ein wert= volles Bildarchiv, das für Forschungszwecke laufend heran= gezogen wird. Im engeren Bereich haben auch die Ortsmuseen und Heimathäuser ähnliche Sammlungen angelegt. Wichtiges Bildmaterial findet sich auch in zahlreichen Hand= Schriften und Aktenbeständen des Oberösterreichischen Lan= desarchivs, oft mit ausführlichen Beschreibungen und Erläute= rangen. Meist handelt es sich um Besitzverzeichnisse, denen kartographische oder bildliche Darstellungen beigefügt sind, oder um Prozeßakten, in denen es um Herrschafts=, Gerichts^ oder Grundbesitzrechte geht. Ein schönes Beispiel stellt unsere Abbildung 9 dar, die einem solchen Prozeßakt entnommen ist und uns eine frühe Darstellung der Burg Spielberg an der Donau überliefert. Eine interessante Bildquelle zur Burgenkunde ist das im Ober= österreichischen Landesarchiv verwahrte „Stamm= und Schlös= serbüchl", das Johann Seyfried Hager von Allensteig (1611 bis 1687) in den Jahren 1661 bis 1670 angelegt hat. Es ent= hält aquarellierte Federzeichnungen der oberösterreichischen Herrschaftssitze mit den Wappen und zum Teil mit den Un= terschriften der damaligen Herrschaftsinhaber. Wenn auch die Abbildungen der Burgen und Schlösser klein und ziemlich schematisch sind, so bildet das kostbare Stammbüchlein doch interessante Vergleichsmöglichkeiten für die 1667/68 von dem oberösterreichischen Pfarrer und Kartographen Georg Mat= thäus Vischer (geb. 1628 in Wenns, Tirol, gest. 1696 in Linz) gezeichneten Bürgern und Schlösseransichten seiner „Topogra= phia Austriae Superioris Modernae". Vischer hatte sich im Mai 1666 den oberösterreichischen Land= ständen für die Anfertigung einer neuen Landkarte von öster= reich ob der Enns angeboten und ein Jahr später von diesen auch den Auftrag dazu erhalten. Während der kurzen Zeit von neun Monaten, die er für die Aufnahmearbeiten zur Karte benötigte, zeichnete er auch die Ortsbilder für seine Topogra= phie. Die Karte erschien in zwölf Kupferstichblättern im Jahre 1669, die Drucklegung der Topographie verzögerte sich noch bis zum Jahre 1674. Die Kupferplatten zu Vischers Oberöster=

« ocittm qegcit. 'J V ■ ^r t Legende: Erste Seiften gegen der Thonau. 1. Das Inner Schloß. — 2. Thum darinen. — 3. Capellen. — 4. Prustwehr vnd gang zur defension. — 5. Zimmer, darinen die Fenster, Thüren etc. manglen. — 6. Altan oder Lusthaus. — 7. reparirter Turn, vnd Zwinger. — 8. Diefer Graben, vnd pruckhen. — 9. reparirte pasteymaur. — 10. Thraydt Gasten. — 11. wider ein graben, vnd Piuckhl, — 12. reparirte pasteymaur. — 13. rner ein reparirte derglei chen hoch: vnd starckhe maur. — 14. Daß Haubtthor. — 15. Pulverthurn. — 16. reparirte Rinckhmaur. — 17. Auf zweyen Seiften aller dings eingefallene Eckhturn. — 18. Hoche dickhe ganz ohne Dach steende sehr eingefallene Rinckhmaur. — 19. änderte Eckhturn, so vor vnerdenckhlichen fahren beschossen worden vnd mit Schließen zuueysorgen. — 20. ein starckher hocher Turn. — 21. Hoftafern. — 22. Die ner Heißl. — 23. ein guten teils eingefallene Maur. — 24. ein tieffet graben. reich=Karte wie auch zur Topographie, die heute noch im Ober= österreichischen Landesarchiv verwahrt werden, fanden im Jahre 1923 Verwendung für einen vollständigen Neudruck. Von den insgesamt 222 Ansichten der Topographie sind 191 Abbildungen den Burgen und Schlössern gewidmet, die übri= gen Stiche stellen Städte und Klöster dar. Damit hat uns Vischer eine äußerst wertvolle Bildquelle geschenkt, die uns als einzige ein aufschlußreiches Gesamtbild der Burgen und Schlösser zu einer Zeit vermittelt, aus der sonstige bildliche Darstellungen in nennenswerter Zahl kaum erhalten geblieben sind. Für viele der heute noch bestehenden Anlagen und für so manches inzwischen verfallene oder ganz verschwundene Objekt sind die Aufnahmen Vischers für lange Zeit oder über= haupt die einzigen Abbildungen geblieben; denn ein so gro= ßes topographisches Unternehmen ist in unserem Lande seit dieser einzigartigen Leistung nie mehr zustande gekommen. Gewiß hat Vischer auch ältere Vorlagen benützt, wie dies beispielsweise für einige aus der Topographie von Matthäus Merian (1649) übernommene Stadtansichten einwandfrei fest= stellbar ist; ohne Zweifel zeigen seine Bilder im allgemeinen wenig künstlerische Begabung, sind schematisch behandelt und wirken steif. Sicherlich ist auch hinsichtlich der topographi= sehen Genauigkeit und Verläßlichkeit vielfach Vorsicht und Kritik angebracht, trotzdem ist Vischers Werk auch heute noch eine für die oberösterreichische Burgenforschung unentbehr= liehe Grundlage und als Zeitdokument von großer Bedeutung. Aus der Entstehungszeit der Topographie Georg Matthäus Vischers sind uns drei bedeutsame Bilddokumente zur Bau= geschickte der heutigen Ruine Schaunberg, der einst größten oberösterreichischen Burganlage, erhalten geblieben, auf die hier wegen ihres einzigartigen Quellenwertes kurz eingegan= gen werden soll. Es handelt sich um drei Tuschpinselzeichnun= gen, die während der Neuordnung des Stiftsarchivs von Lam= bach kurz nach dem zweiten Weltkrieg in den dortigen Archiv= beständen durch Herrn Oberlehrer i. R. Georg Grüll entdeckt worden sind (Abbildungen 1—2). Zu den Bildern gehört eine mit 16. April 1670 datierte Ein= gäbe des Pflegers Hans Kaspar Köck vom Schloß Gstöttenau an den Lambacher Abt Placidus Hieber als Vormund des min= derjährigen Grafen Maximilian Reichard von Starhemberg, in

-V'€f ^.;W. _ J-„| '• -1 . .. ¥i^Ar:^..%::- ~ ■■■*"- ■ f/: M ^C>-L ,4. , .ä«i der dieser gebeten wird, die vom alten Grafen begonnene Instandsetzung der Burg Schaunberg „per Extra Ordinari Mittel nach und nach fortzusetzen". Die erste der dem Schreiben beigeschlossenen Zeichnungen zeigt die Gesamtansicht der Burg von ihrer Nordseite („Erste Seitten gegen der Thonau"), die zweite aus der entgegen= gesetzten Blickrichtung („Änderte Seiten deß Schloß") und die dritte bietet eine Aufnahme der drei Türme der Vorburg. Besonders wertvoll sind die jeweils beigegebenen Bezeichnun= gen der architektonischen Details, die uns die gesamte Anlage in ihrer Zweckbestimmung bis ins einzelne erkennen lassen. Die für die damalige Zeit erstaunlich naturgetreue Darstellung des landschaftlichen Elements, die künstlerisch ansprechende Ausführung der Zeichnung und die sichere Beherrschung der Perspektive verraten einen geschulten Künstler, dessen Name uns leider nicht überliefert ist. Daß es sich auch um eine bis ins Detail verläßliche und naturgetreue Wiedergabe der archi= tektonischen Einzelheiten handelt, kann bei näherer Betrach= tung keinem Zweifel unterliegen. Der Quellenwert solcher, allerdings äußerst seltenen Darsteh lungen kann nicht hoch genug veranschlagt werden. Wie schematisch, unansehnlich und flüchtig erscheint dagegen die fast gleichzeitig entstandene Ansicht der Schaunberg in der Topographie G. M. Vischers! Oberleitner, der die hier kurz besprochenen Ansichten im Jahre 1947 erstmals veröffent= lichte'', hat bereits auf die Ungenauigkeiten und Flüchtigkeiten in der Aufnahme Vischers im Vergleich zu diesen hingewiesen. Leider besitzen wir bisher noch sehr wenige Burgenansichten von solch hervorragender topographischer Treue der Darstel= lung, und nur selten ist es uns, wenigstens für frühere Jahr= hunderte, möglich, auf Grund anderer gleichzeitiger Darstel= lungen eingehende Vergleiche anzustellen. Zudem ist ja auch die katalogmäßige Erfassung des in vielen Sammlungen ver= streuten und in Gemälden, Altarbildern, Fresken usw. an vielen Orten bisher unbeachtet oder unausgewertet gebliebe= nen topographischen Bildmaterials noch lange nicht so weit gediehen, daß auch nur ein annähernd vollständiger Überblick möglich wäre. Auf diesem Arbeitsgebiet ist von der Forschung noch viel zu leisten. Immerhin bietet schon das in einzelnen Sammlungen im Original vorliegende Bildmaterial reichliche Möglichkeiten für die topographische und baugeschichtliche Erforschung unserer Burgen und Schlösser. So läßt sich bei= spielsweise aus den Beständen der Ortsansichtensammlung des Oberösterreichischen Landesmuseums für manches Objekt eine ganze Reihe von Ansichten aus den verschiedensten Zei= ten zusammenstellen, aus denen die Baugeschichte oft deutlich verfolgt werden kann. Daß dabei die im 19. Jahrhundert entstandenen Darstellung gen zahlenmäßig überwiegen, ist selbstverständlich. Sind wir doch, wenn wir von seltenen Zufallsfunden absehen, für die Zeit bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in der Hauptsache auf die verhältnismäßig wenigen Kupferstichansichten der Topographien, Reisebeschreibungen und anderer Ansichten= werke angewiesen. Die Erfindung der Lithographie (1799), eines Reproduktionsverfahrens, das ebenso wie der ab 1820 aufkommende Stahlstich im Gegensatz zu dem kostspieligen Kupferstich eine sehr billige Vervielfältigung von Zeichnun= gen ermöglichte, brachte hingegen in der Zeit der Romantik und des Biedermeier im Vergleich zu früheren Jahrhunderten eine wahre Hochflut von Bilderserien und Einzelansichten mit sich, die gerne auch Burgen darstellen.

L>riLBtFvC> tF'>\'inkhetthi:r^ Für die Anfertigung von Lithographien und Stahlstichen Iie= ferten bekannte Künstler, wie etwa Jakob Alt, Johann Schind= 1er, Josef Höger oder Thomas Ender, an verschiedene Wiener Verlagsunternehmen (Kunike, Trentsentsky, Höfelich, Paterno u. a.) reizvolle Landschaftsmotive. In Linz errichtete in den zwanziger Jahren der aus Enns stammende Maler Josef Haf= ner eine lithographische Anstalt, aus der unter der Mitarbeit zahlreicher heimischer Künstler bis zur Mitte des 19. Jahr= hunderts mehrere hundert Stadt= und Ortsansichten, darunter auch viele Burgendarstellungen, aus Oberösterreich hervorge= gangen sind. Zeichnungen und Aquarelle begabter Dilettanten jener Zeit bieten vielfache topographische Vergleichsmöglich= keiten zu anderen gleichzeitigen Bildern und sind außerdem interessante Dokumente der romantischen Geisteshaltung und beschaulichen Lebensart jener längst vergangenen bürgere liehen Epoche. Schließlich sei noch auf eine Tatsache hingewiesen, die bei der wissenschaftlichen Benützung und Auswertung von histori= sehen Ansichten im vorhinein beachtet werden sollte. Bei der Durchsicht größerer topographischer Bildersammlungen fällt nämlich immer wieder auf, daß bestimmte Gebäude, Städte und Landschaften gegenüber anderen eine viel häufi= gere und vielseitigere Darstellung erfahren haben. Dies könnte zunächst bis zu einem gewissen Grad an der geschieht^ liehen Entwicklung und der Anlage der betreffenden Samm= lung selbst liegen, etwa in dem Sinne, daß gewisse Sammel= aufgaben aus irgendwelchen Ursachen vernachlässigt wurden oder daß aus geschichtlichen Gründen oder zufällig von dem einen oder anderen Objekt bildliche Darstellungen nicht erhal= ten geblieben sind. In dem einen oder anderen Fall wird dies sicherlich zutreffen. Die entscheidende Ursache für die auf= fallende Ungleichmäßigkeit der bildlichen Überlieferung ist jedoch meist in anderen, keinesfalls zufälligen Gegebenheiten zu suchen. Zunächst steht fest, daß größere und bedeutendere Siedlun= gen, die seit alter Zeit aus verkehrsmäßigen, politischen, kul= turellen oder anderen Gründen im Mittelpunkt des Interesses standen oder gar Berühmtheit erlangten, viel eher und häufi= ger auch von Künstlern in Bildern festgehalten wurden als kleine, unbedeutende und abgelegene Dörfer oder Märkte, es sei denn, das Objekt, gleichgültig, ob ein einzelnes Ge= bände oder eine Landschaft, wäre als künstlerisches Motiv besonders anziehend oder lohnend. Dieselbe Beobachtung ist schließlich auch heute, im Zeitalter der Photographie, in ganz ähnlicher Form gültig. Dabei spielen heute wie ehedem weit= gehend auch gewisse „Mode"=Gedanken und Zeitströmungen mit. So hat die künstlerische Entdeckung der Salzkammergut= landschaft in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ihren Niederschlag in einer großen Zahl von Bildern aller Techniken gefunden, während man nach gleichzeitigen Darstellungen etwa aus dem Mühlviertel in auch nur annähernd gleicher Zahl vergeblich suchen wird. Einige Bestandszahlen aus der Ortsansichtensammlung des Oberösterreichischen Landes= museums sollen dies verdeutlichen. So sind hier die Salz= kammergut=Orte Ischl mit 292, Hallstatt mit 202, Gmunden mit 164 und St. Wolfgang mit 75 Blättern vertreten, während beispielsweise Freistadt 34, Haslach 37 und Grein 42 Darsteh lungen aufzuweisen haben. Von vielen oberösterreichischen Orten, die weder durch ihre Verkehrslage noch durch beson= dere historische Vergangenheit oder malerische Motive eine besondere Bedeutung haben, sind nur einzelne Blätter er= halten, manche scheinen überhaupt in der Sammlung nicht ■ m

X"'. - _ '>■ ■ ,>' r • ' r-Vv. --X. . m KÄS »f ■ ■-»9«*^.räVV-*'S' ' %- - !,'■.' ^■«iairr , ifr " fe-sr** ■e;.r/, jA>-yad>^» Afafc. 11: Ansicht der Burg Spielherg an der Donau aus einem Prozeßakt im Schloßarchiv Steyregg vom Jahre 1692. Kopie in der Ortsansichtensammhmg des Oö. Landesmuseums, Sign. II 289ll. auf. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit den bildlichen Dar= Stellungen von Burgen und Schlössern. Auch hier sind es wie= der bestimmte, meist größere, historisch bedeutsame oder besonders malerische Objekte, von denen sich Ansichten in nennenswerter Zahl erhalten haben. Als Beispiele seien hier nur die Schaunberg mit 30 und das Schloß Klam bei Grein mit 23 Bildern erwähnt. Selbstverständlich besagt die Tatsache, daß in einer bestimm= ten Sammlung manche Sparten weniger gut oder gar nicht vertreten sind, nicht, daß es dazu in anderen Kollektionen oder anderwärts nicht doch unter Umständen sogar reiches Material geben kann. Dies wurde ja bereits oben angedeutet. Erst die möglichst vollständige zentrale Erfassung aller ein= schlägigen Denkmäler wird hier weitgehend Klarheit schaf= fen können. Es mögen daher die genannten Zahlen nicht als leichtfertige Verallgemeinerungen, sondern lediglich als be= dingt gültige Beispiele mit allen nötigen Einschränkungen ver= standen, und auch die hier geäußerten Gedanken zur Beurteilung von historischen Ansichten im Rahmen der Bur= genpflege wollen keineswegs als programmatisch oder allge= mein gültig aufgefaßt werden. Der Zweck dieser Zeilen ist lediglich, dem großen Kreis an den Aufgaben der Burgen= forschung und =pflege interessierter Personen mit ein paar Gedanken, Beispielen und Bildern einen kleinen Einblick in das reizvolle, aber oft auch beschwerliche und entsagungsvolle Arbeitsgebiet der historischen Bildtopographie zu vermitteln. Anmerkungen : ' E. Trinks, Burgenpflege in Oberösterreich. Heimatland 1955, S. 2—3. - E. Beninger, Die Wasserburg Neydharting. Ausgrabungen zur Klärung der Burgenforschung, Linz 1959, und F. Wilflingseder, Neydharting. Skizzen und Quellen zur Geschichte der Herr= Schaft. 6. Jahrbuch des Musealvereines Wels (Wels 1960), S. 33—91. ^ H. Oberleitner, Unbekannte Ansichten der Schaunburg. Ober= österreichische Heimatblätter, Jg. 1 (Linz 1947), S. 109—118. Abb. 3 bis 6 auf Seile 6: Die Schaunberg. Federzeichnung nach dem Kupferstich der Topo graphie Georg Matthäus Vischers 1674. Oö Landesrnusenm, Orts ansichtensammhmg II 275119. Das Haupttor der Schaunberg. Unvollendetes Aquarell um 1850. OO. Landesmuseum, Ortsansichtensammlung II 275110. Ruinen der Burgkapelle in der Schaunberg. Aquarell eines unbe kannten Dilettanten um 1840/50. Oö. Landesmuseum, Ortsansich tensammlung I 275/11. Architektonische Detailstudien aus der Schaunberg. Aquarell von Karl Hafner um 1890. Oö. Landesrnusenm, Ortsnnsichtensanimlung II 275/14. Abb. 7 bis 10 auf Seite 7: Schloß Spielberg. Kupferftich aus der Topographie von Georg Matthäus Vischer, 1674. „Ruinen des Schlosses Spielberg." Lithographie nach einer Zeich nung von Jakob Alt, gedrudct von Knnike in Wien, 1862. Oö. Laridesmuseum, örtsansichtensammlung II 289/4. Ansicht des Schlosses Spielberg um 1840. Aquarell eines unbe kannten Künstlers. OÖ. Landesmuseum, Örtsansichtensamm lung II 289/5. Innenansicht der Ruinen von Schloß Spielberg. Sämtliche Aufnahmen: Oö. Landesmuseum/Eicrsebner.

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WILHELM GOTTING Die technische Aufnahme der Burgruinen in Oberösterreieh Die Burgenpflege umfaßt zwei Aufgabengebiete: erstens die wissenschaftliche Erforschung, und zweitens, wenn es der Bau= zustand noch zuläßt, die Erhaltung der Mauern, Türme und Gebäude. Beiden Aufgaben dient die genaue Abmessung der Burgen, denn gute Pläne vermitteln ein klares Bild von der Lage und Größe der historischen Wehr= und Wohnbauten. Der Gedanke, sich für eine sorgsame und genaue Einmessung der Burgruinen einzusetzen, kam in Oberösterreich über einen Umweg zustande. Im Winter 1951 richtete die Kommission für Burgenforschung der österreichischen Akademie der Wis= senschaften an die oö. Landesbaudirektion ein Schreiben mit der Bitte um die Beistellung eines Zeichners. Es hieß darin unter anderem; „Die Erstellung der Herrschaftsverzeichnisse bedeutet eine Aufgabe für Jahre, die nur vom Oö. Landes= archiv gelöst werden kann. Wesentlich rascher dürfte die An= läge der Situationsskizzen 1:1000 gelingen. Die Unterlagen dazu liegen im Zentralmappenarchiv, und es wäre nur ein Umzeichnen der dortigen Pläne auf den Maßstab 1:1000 not= wendig, um für die Bauaufnahme und Baualterpläne die er= forderlichen kartographischen Hilfsmittel zu gewinnen." So leicht und verlockend billig diese erste Burgenplanaktion aussah, sie bewährte sich nicht, denn bei so manchem schon arg verfallenen öbjekt war in der Katastermappe statt einem kleinen dürftigen Grundriß ein Schutthalde= oder Steinbruch= zeichen eingetragen. Dieser erste Mißerfolg trug sicher we= sentlich dazu bei, daß in öberösterreich von nun an der tech= nischen Abmessung der Burgruinen ein wirkliches Augenmerk zugewendet wurde. Die Baugruppierung und auch die Flächenausdehnung einer Burg oder einer Burgruine lassen sich am leichtesten richtig und anschaulich durch einen Grundrißplan darstellen. Die Fuß= punkte der Mauern und Gebäudeecken sind in diesem Plan mit Höhenkoten versehen. Daß neben der Grundrißaufnahme auch der Geländedarsteh lung annähernd die gleiche Sorgfalt gewidmet wurde, dient nicht nur dazu, den Burggrundriß lebendiger zu gestalten,son= dem dem Bearbeiter ging es darum, möglichst augenscheinlich und eindringlich auf die Tatsache hinzuweisen, daß die Um= rißgestaltung einer Höhenburg in einem innigen Zusammen= hang mit dem Gelände des Burgberges steht bzw. gestan= den hat. Zu dem Grundrißplan gesellen sich Pläne von Gebäudeschnit= ten, Ansichten, Stockwerkspläne und meistens noch einige oder manchmal auch mehrere Einzelpläne von noch erhaltenen Baudetails, wie zum Beispiel von Türmen, Toren, Fenstern und so weiter. Wie entsteht nun so ein Burggrundrißplan? Die Meßarten und deren Genauigkeit, mit welcher eine Burgmessung zur Durch= führung gelangt, werden vom gewählten Planmaßstab be= stimmt. Zum Beispiel bei einem Verhältnis 1:100, das heißt 1 cm Plan bedeutet 100 cm in der Natur, wird die Messung maßreicher und mit größerer Sorgfalt durchzuführen sein als bei einem kleinen Planmaßstab. Ein kleiner Maßstab verein= facht die Messung bedeutend, denn es ist nützlich, in der Natur nur so viele Maße und Punkte aufzunehmen, als diese in den Plänen noch gezeichnet und kotiert werden können. In Öberösterreich wurde für die Burgaufnahme der M a ß = Stab 1:100 gewählt. Diese Wahl läßt sich leicht be= gründen, wenn man bedenkt, daß ja auch heute noch die bau= reifen Hochbaupläne in Österreich und in den meisten Nach= barstaaten in diesem Maßstab gezeichnet und den verschiede= nen Baubehörden zur Begutachtung oder zur Genehmigung vorgelegt werden. Die Steinburgen, das kann niemand bestreiten, sind oder wa= ren Hochbauten im wahrsten Sinne des Wortes. Ist der verbaute Durchmesser einer Burg größer als 150 m, dann ist es zweckmäßig, für den Hauptplan den Maßstab 1:200 zu wählen, weil sonst das Planformat zu unförmig aus= fallen würde. In diesen Fällen wird zusätzlich ein Grundriß= plan ohne Geländedarstellung im Maßstab 1:100 gezeichnet. Bei der technischen Aufnahme einer Burg berühren sich zwei Fachgebiete: A. Die Abmessung der meist winkeligen Gebäude, Türme, Ringmauern, Geschoßhöhen, Keller, Stockwerke, Stiegen, Ge wölbe, Decken, Rauchfänge, Fenster, Tore, Türen, Dachstühle usw. ist eine hochbautechnische Aufgabe. B. Die planmäßige Erfassung der Lage der Mauern und Ge= bände zueinander und die Abmessung des Geländes in= und außerhalb der Burg ist eine messungstechnische Aufgabe. * Die Höhenburgen von öberösterreich stehen auf Bergkuppen, Bergrücken oder auf einem Felsgrat. Die wehrtechnisch ungün= stige Hanglage kommt nur selten vor (z. B. Falkenstein, Alt= pernstein). Von 26 Höhenburgen, die ohne Ausnahme alle auf gewach= senem Fels stehen, liegen die Messungen vor. Die Felslage dieser steinernen Höhenburgen lockt zu einer kurzen Betrach= tung, obwohl diese vielleicht nicht ganz zum Thema paßt. Wurde also in einer bestimmten Landschaft ein Höhenburg= platz gesucht, so wurde der Felsberg hiefür bevorzugt, ja es kann sogar mit einiger Sicherheit behauptet werden, daß für den Bau einer Steinburg das Felsvorkommen eine notwendige 10

Voraussetzung war. Gewiß, der Bau auf dem Fels bot in jener Zeit ein hohes Maß an Sicherheit, doch sinngemäß paarte sich diese Bedingung mit der Möglichkeit der Gewinnung der Bau= steine am Burgberg. Eine felsige Kuppe war noch kein Bauplatz. Die Kuppe oder der Grat wurde unter der Anleitung eines Baumeisters bis zu einer gewissen Höhe eben oder in breiter Stufenform abge= baut und der dabei gewonnene Baustein reichte sicher für den Bau der ersten festen Mauern. In vielen Fällen muß ten zum weiteren Ausbau der Burg Bausteine aus einem be= nachbarten Steinbruch herangeschafft werden, doch haben wir in Oberösterreich eine gute Anzahl von Höhenburgen, die — mit Ausnahine der vom Steinmetz bearbeiteten Formsteine, das sind die Tor=, Tür= und Fenstergewände, Eckquadersteine usw. — ganz aus dem Burgbergstein gebaut sind. Der Bau= endstand einer Steinburg war in unserem Land wohl in den seltensten Fällen in einer einzigen Bauperiode entstanden, vielmehr erst im Laufe der Zeit wurde die Burg erweitert und vergrößert. Gerade dieser allmähliche Baufortschritt kam der Steingewinnung am Burgberg sehr entgegen, denn auch die menschlichen Arbeitskräfte standen in jener Zeit oft nur im beschränkten Ausmaß zur Verfügung. Ein einziger Burgbau im unteren Mühlviertel, die Ruine Windegg, ist anders geartet. Die Innen= und Außenseiten der Ringmauern und des Turmes bestehen aus sorgfältig bearbei= teten hellfarbigen Quadersteinen, die vermutlich weit heran= gebracht werden mußten. Der Mauerkern, der zwischen der inneren und äußeren Quaderverkleidung liegt, ist mit Bruch= stein und Kalkmörtel ausgegossen. Dieser Bruchstein wird sehr wahrscheinlich vom Burghügel stammen. In allen bisher abgemessenen Burgruinen stammen die stei= nernen Tor=, Tür= und Fenstergewände, Friese, Kragsteine und meistens auch die Eckquadersteine und sonstigen Form= steine, die vom Steinmetz hergestellt wurden, aus einem nähe= ren oder auch weiter entfernt liegenden Steinbruch, denn der Steinmetz braucht einen geeigneten, gleichmäßigen, feinkörni= gen und lassenfreien Stein, der am Burghügel in der Regel nicht vorkommt. Es heißt „Ausnahmen bestätigen die Regel". Diese Ausnahme trägt den Namen Rotinstein (Ruttenstein). Im östlichen Teil der Hochburg steht ein Wohnturm mit zwei romanischen Fen= Stern und einem Türgewände, die der Steinmetz sehr wahr scheinlich aus dem Burgfelsen geformt hat. Ihr Aussehen ist rauh und urtümlich. Nöbetibur'geii ?ti OboOst. NoßlbacK Ii rui«ns+e k ÜJeroitef k Falkenste* Watcl^e^bac kh^opnocb i^aptensteln /k k neukau k fcjuutldberg , ^ LTcktenl^aag k N*eolcgg Neickcnstem ensiein r * fc Klitjgeobepg J COinäeqq ^ \ k Jßlelb N fc Losensieiw fc jcbai'nst Iden&te -HtBOO.OOO 11

Sliwfif Burgruine Lobenstein, Turm und Turmeinstieg. Aus der Felslage der Höhenburgen ergibt sich die Annahme eigentlich von selbst, daß auf Lauf= und Quellwasser wenig Wert gelegt wurde. Notgedrungen fand man mit dem Dach= Wasser, das in Zisternen gesammelt wurde, das Auslangen. Das Quellwasser wurde meistens mit einem Tragtier auf die Burg geholt. * Es kostet viel Mühe und Geduld, diese felsigen Burghänge, die ja fast immer mit Bäumen und Strauchwerk reichlich be= wachsen sind, für einen Plan einzufangen. Ohne Übertreibung sei so nebenbei erwähnt, daß sich die Burgenmesserei in einem linde gesagt sehr bewegten Gelände abspielt. Für diesen Zweck muß daher auch die technische Ausrüstung, die von der oö. Landesbaudirektion, Unterabteilung Vermessung, zur Ver= fügung gestellt wird, entsprechend geeignet sein. Die Ausrüstung Ein Höhenbarometer, mit dem gewöhnlich gleich bei der An= fahrt ein aus der Landkarte 1:50.000 entnommener Punkt be= sucht wird, dessen Lage über dem Meeresspiegel in der Land= karte eingetragen ist. Von diesem Punkt ausgehend, wird die Höhenlage eines festen Punktes am Burghügel bestimmt. Alle in dem Burgplan eingetragenen Höhenkoten und auch die Höhenschichtenlinien werden von diesem gewählten Punkt abgeleitet. Ein Reduktionstachymeter, das ist ein Universalinstrument mit einer zusätzlichen Einrichtung, die es ermöglicht, daß die Ent= fernung und der Höhenunterschied eines beliebigen Punktes im Gelände auf der Tachymeterlatte direkt im Fernrohr abge= lesen werden kann. Ein ausziehbares Stativ, auf dem das Instrument steht und festgeschraubt wird, eine Nivellierlatte, eine Tachymeterlatte, 10 Stück Fluchtstäbe, ein großer Instrumentenschirm, 2 Stück Handrollstahlmeßbänder, 10 Stück Stecknägel, ein Winkel= prisma (Doppelpentagon), eine Wasserwaage, zwei Anlege= libellen, ein Kompaß, 2 Stück Senkel, ein Zweimeterstab, eine elektrische Taschenlampe, 10 Stück Kerzen, 100 Stück Nägel für die Polygonpunkte, blaue und rote Stabkreide, drei Berg= mannshelme gegen Steinschlag, zwei Krampen und eine Schaufel für kleine Grabungen, eine Säge und eine Hacke zum Anfertigen der Holzpflöcke an Ort und Stelle, zum Schla= gen der Pflöcke und vor allem zum Ausholzen der Visuren. Von der jeweils zuständigen Straßenverwaltung werden schließlich zwei Meßgehilfen für die Dauer der Messung dem Ingenieur zur Verfügung gestellt. Sind die Meßgeräte mit einem Auto möglichst nahe zur Burg gebracht, so kann mit der eigentlichen Messung begonnen werden. Mit einem Bund Rundpflöcke, Nägeln, Säge, Hacke und den Fluchtstangen versehen, folgt der erste Gang auf den höchsten Geländepunkt der Burg. Von diesem aus wird in der Natur innerhalb und außerhalb der Burg ein Vieleck gelegt, dessen Eckpunkte (Polygonpunkte) mit je einem Rundpflock und einem Nagel festgelegt werden. Die Entfernung dieser Beide Fotos: OO. Landesbaudirektion, Lichtbildstelle. 12

Burgruine Prnridegg, Hauptburg mit Felsuutergrurid. Foto: Eiersebner. Polygonpunkte untereinander wird auf 1 bis 3 cm genau mit dem Stahlmeßband gemessen. Dieser Polygonzug ist nichts anderes als ein sehr verzweigtes, aber starres Gerippe, auf das sich die folgende Einmessung mit hunderten, ja tausenden Zahlen und Maßen stützt. Oft ist diese Vorarbeit, besonders im Gelände außerhalb der Burg, recht mühsam. Von einem Pflock zum nächsten muß die Sicht durch die Beseitigung des Strauchwerkes erst hergestellt werden. Die Höhenlage der Polygonpunkte wird durch ein Nivellement genau bestimmt. Eine erfahrene und geschickte Anlage des Polygonzuges kann die Burgmessung erleichtern und beschleunigen. Ist diese Vorarbeit geschehen, so wird mit der Einmessung sämtlicher Mauer= und Gebäudeeckpunkte begonnen. Jede Ecke, jeder Mauerbruch wird auf die am nächsten liegende Polygonseite mit Hilfe des Winkelprismas rechtwinkelig ein= gemessen. Auf diese Weise wird Punkt für Punkt in einer Handskizze beiläufig gezeichnet und die am Maßband abge= lesenen Maße werden dazugeschrieben. Die Grundrißlage der oft vielgestaltigen Gebäude kann so verhältnismäßig leicht und doch genau festgehalten werden. Nicht selten kommt es vor, daß ein oder auch mehrere Punkte auf sehr steilem Gelände liegen. In diesem Falle ist die vorher beschriebene Einmessungsart nicht günstig. Solche ausgesetzte Punkte werden vom nächsten Polygonpunkt mit dem Instru= ment anvisiert und die Entfernung wird mit dem Maßband gemessen. Sind die vielen Ecken und Winkel alle auf dem Papier fest= gehalten, so wird die Geländeaufnahme(Tachymeteraufnähme) in Angriff genommen. Über jedem Polygonpunkt wird nun das Instrument aufge= stellt, genau zentriert, und bei der ersten Aufstellung wird die Burgaufnahme mit der Instrumentenbussole oder, wenn diese nicht vorhanden ist, mit einem Kompaß nach Norden orien= tiert. Nun werden die Horizontalwinkel zu den nächsten Poly= gonpunkten und zu den Streupunkten, ihre Entfernung und ihr Höhenunterschied mit dem Instrument gemessen und in das Punkteverzeichnis (Manuale) notiert. Zu gleicher Zeit muß die Handskizze gezeichnet und jeder Punkt beiläufig der Lage nach mit seiner laufenden Nummer eingetragen werden. Die Übereinstimmung zwischen dem Manuale und der Handskizze muß dabei fortwährend unter Kontrolle gehalten werden. Diese Tätigkeit erfordert vom Morgen bis zum Abend eine ständige Konzentration und eine sich gleichbleibende unbarm= herzige Systematik. Die Ausbeute, die nach Hause gebracht wird, besteht aus flüchtigen Handskizzen und einigen tausend Zahlen, wovon jede einzelne ihre genau festgelegte Bedeutung hat. Aus den Zahlen entwickelt sich im Büro allmählich ein Plan. Die kleine Burgruine Stauf z. B. besitzt eine Länge von 46 m, die um= baute Fläche hat ein Ausmaß von 1170 m^ für die technische Aufnahme wurden in der Natur folgende Zahlen aufgeschrien ben und Längen= und Höhenmaße gemessen: 8 Polygonpunkte, je zweimal beobachtet . . 80 Zahlen 100 Kleinpunkte 500 Zahlen Längen und Höhenmaße 920 Maße Aufnahme mit Winkelprisma, rund 300 Maße 1800 Für das Gelände außerhalb der Burgruine: Polygonpunkte 10 100 Zahlen Kleinpunkte 160 800 Zahlen Aufnahme mit Prisma rund 100 Maße 1000 Das ergibt 2800 in der Natur festgehaltene Zahlen und Maße. Die Aufnahme dieser Burgruine wurde in 10 Arbeitstagen durchgeführt, die Büroarbeit nahm 23 Tage in Anspruch. Die Burgruine Schaunberg hat eine Länge von rund 240 m, die umbaute Fläche der Hochburg mit der Vorburg beträgt rund 15.000 m". Für die Aufnahme waren 72 Polygonpunkte und 860 Kleinpunkte erforderlich. Die Aufnahme nahm 29 Tage, die Büroarbeit 61 Tage in Anspruch. Meistens reiht sich die bautechnische Abmessung der Gebäu= deteile, Stockwerke, Stiegen usw. an das Ende der Messung in der Natur. Sie muß mit Umsicht und manchmal auch mit Vorsicht vor Steinschlag oder Einsturzgefahr durchgeführt werden. Doch einmal brauchten wir neben der Vorsicht auch noch ein wenig mehr. Im Frühjahr 1953 war der Turm von Lobenstein an der Reihe Die Messung war bereits beendet, bis auf das Innere des Turmes. Der Vormittag war windstill und der blaue Him= mel war mit kleinen weißen Wölkchen belebt, nur die dunk= len schwarzen Dohlen waren unruhig. Sie schwärmten von Zeit zu Zeit vom Turm ab mit lauten „Dia"=Rufen, zogen ein paar wilde Kreise und flugs waren sie wieder da und scharr= ten und pickten den lockeren Kalkmörtel aus den Fugen. Zu= weilen war ein leises Rieseln von Sand und Staub zu hören. 14

RAUM UBER DEM E1N6ANG3T0R AN3ICWT '^■S0. 1 KiZfo VERBANDELUN6 KS EISERNEN GITTERS. FENSTER -1:20. 6RUNDRISS M:-I00. ,r \ f■J W1 u r 0 tn 0 0 Z.oo 9o Wo\?>3-v*au"m ^x. di. o N -1.0« &.70 •4'>O0 I r m 6UAN1T _&2 4, Burgruine Falkenstein, einige Bauteilstücke in der Ansicht soioie im Grund- und Aufriß. endgültigen Verfall der Vergessenheit entrissen werden kön= nen. So kann eine Putzrille an der Turmwand den Dachansatz und die Dachneigung vom Palas verraten, Dachziegelreste in und außerhalb der Burg lassen darauf schließen, daß die Burg mindestens in ihrem Endstadium hart gedeckt war, eine er= haltene Mauerschmatze läßt eine Mauer vermuten, auch wenn von ihr nichts mehr zu sehen ist, waagrecht aneinandergereihte Putzreste knapp über den sichtbaren Balkenlöchern geben die Fußbodenoberkante des betreffenden Geschosses an, aus der Anordnung der im Steinmauerwerk ausgesparten Balkenkopf= auflager kann geschlossen werden, ob die längst verfaulte Raumdecke eine Dippeldecke oder eine Riemlingdecke war, ob sie mit einem oder mehreren Tragbalken gestützt war usw. Oft sind auch Kellerräume oder andere tiefe Gelasse noch zu= gänglich. In diesem Fall werden 5 bis 8 Kerzen im Raum ver= teilt auf dem Kellerboden aufgestellt, und anschließend wird die Abmessung bei flackerndem Kerzenlicht vorgenommen. Die Maße selbst werden mit der elektrischen Taschenlampe abgelesen. Hauptsächlich in den Wintermonaten werden die Pläne ange= fertigt. Alle Polygonpunkte werden koordinatenmäßig gerech= net und kartiert. Die Mauer= und Gebäudeecken werden maß= stabgerecht auf die Polygonseiten, deren Richtung nunmehr genau festliegt, aufgetragen und mit Hilfe eines Vollkreis= transporteurs werden sodann die Geländepunkte (Kleinpunkte oder Streupunkte) von den zugehörigen Polygonpunkten aus aufgetragen. Anschließend werden die Schichtenlinien gezeich= net. So findet nach und nach jede in der Natur aufgeschriebene Zahl auch im Plan ihren ganz bestimmten Platz. Bei dieser Arbeit, die langsam voranschreitet, erlebt der Ingenieur seine Arbeit in Gedanken noch einmal, aber in einer bedeutend verkleinerten Form. Dieses Nachempfinden einer Frühlingsarbeit mitten im Winter ist etwas sehr Schönes. Jede Mauer, jede Zahl, die im Plan gezeichnet wird, ist ja mit einer räumlichen und sichtbaren Vorstellung in der Natur verbunden. Zu den grauen Mauern gesellen sich auf einmal weiße Frühlingswolken, bei dieser Ecke stand der erste zögernd grünende Haselstrauch, und nicht weit unterhalb am Hang blühte der Schlehdorn übervoll in seinem weißen Kleid, und rund um ihn herum war der Boden bis zum nahen Wald dicht mit Immergrün bedeckt, das so wunderbar blau im Oster= mond blühte! Sind alle Pläne fertig gezeichnet, so wird der jeweiligen Bur= genplanfolge noch ein kurz gefaßter Aufnahmebericht mit auf den Weg gegeben. Der Techniker wurde förmlich in der letzten Minute mit die= ser großen, umfangreichen Aufgabe betraut. In naher Zeit wird von mancher abgemessenen Burgruine nur mehr ein Schuttkegel übrig sein, über den die gute Mutter Natur ihren weiten grünen Mantel mit jungen Sträuchern und blühenden Sommerblumen ausbreitet. 16

DER AN m TÖDLICHEN BÜR6ECKE GELEGENE RAUM. AUFW33 A-^oo. *82.70 ■yrrrr *.BO Ljii air TORANSICHI' ^■. so HAUCHFAN6 12. Lichtenhag 13. Rottenegg 14. Neuhaus 15. Haichenbach 16. Oberwallsee 17. Schaunberg 18. Stauf 19. Klingenberg 20. Ruttenstein 21. Prandegg 22. Saxenegg 23. Partenstein 24. Wildenstein 25. Wernstein 26. Scharnstein 27. Altpernstein 28. Reichenstein 29. Windhaag 30. Riedegg 1957 1957 1957 1957 1957 1958 1958 1959 1959 1959 1960 1960 1961 1961 1961 Grundril? 1:100 84 X Planfolge 70 X 294 X Noch nicht bearbeitet Grundriß Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge 1:200 1:100 1:100 1:100 1:200 1:100 1:100 1:100 90 cm 40 cm 30 cm 61 cm 60 cm 30 cm 168 X 147 X 565 X 84 X 120 cm 273 X 30 cm 120 X 147 cm 63 X 84 X 147 X 105 X 705 X 113 X 336 X 60 cm 30 cm 91 cm 78 cm 30 cm 72 cm 30 cm Grundriß 1:200 Grundriß 1:100 Planfolge Noch nicht bearbeitet 147 X 100 cm 399 X 30 cm 114 X 165 cm 126 X 60 cm 357 X 30 cm 84 X 150 cm 171 X 64 cm 621 X 30 cm Grundriß Grundriß Planfolge Grundriß Grundriß Planfolge 1:200 1:100 1:200 1:100 147 X 105 X 210 X 90 cm 60 cm 30 cm, 84 X 127 cm 62 X 105 cm 44 X 84 cm 21 X 30 cm Noch nicht bearbeitet Daran wird zur Zeit gearbeitet Aufnahmevorhaben 1962 Aufnahmevorhaben 1962 Aufnahmevorhaben 1962 Aufnahmevorhaben 1962 OnUNDRIii ^:'1O0. OEZ. WILHELM BOTTINfa Die Burgpläne und die Aufzeichnungen über die Geschichte werden dann für immer die letzten Zeugen einer längst ver= gangenen Epoche sein. Die Burgabmessungen wurden bisher in folgender Reihen folge durchgeführt: 1. Falkenstein 1952 Grundriß Geländeplan Planfolge :100 ilOOO 100 X 108 cm 63 X 57 cm 104 X 44 cm 2. Pürnstein 3. Klaus 4. Dornach 5. Lobenstein 6. Windegg 7. Piberstein 8. Wildberg 9. Losenstein 10. Waxenberg 11. Spielberg 1953 1953 1953 1953 1954 1954 1955 1956 1956 1957 84 X 48 cm 472 X 30 cm 100 X 130 cm 62 X 45 cm Grundriß 1:100 Geländeplan 1:1000 Grundriß und Gelände 1:200 110 X 82 cm Planfolge 5 Stück Pläne je 84 X 70 cm 110 X 211 cm 52 X 45 cm 294 X 30 cm 11 X 146 cm 294 X 30 cm 100 X 120 cm 126 X 30 cm 104 X 144 cm 116 X 136 cm 44 X 40 cm 95 X 44 cm 76 X 78 cm 77 X 78 cm 110 X 143 cm 57 X 73 cm 88 X 100 cm 63 X 74 cm 84 X 30 cm Noch nicht bearbeitet Grundriß 1:100 177 X 105 cm Planfolge 210 X 30 cm Grundriß 1:100 110 X 198 cm Planfolge 252 X 30 cm Noch nicht bearbeitet Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge Grundriß Grundriß Planfolge Grundriß Planfolge 1:200 1:100 1:100 1:200 1:100 1:100 3 r m0 0 T ?.o ZO Ä 0 0 r 2.0 3o ■ BURG-EINBANB 4:50. 17

y mäiemi Reichenstein, ehemalige Schloßkapelle, Blick in das Gewölbe. BENNO ULM Mittelalterliche Burgkapellen im unteren Mühlviertel Heiligtümer in Befestigungen hat es gegeben, seit die Mensch= heit besteht. Aus Mesopotamien und Ägypten kennen wir Priesterburgen. Griechenland hatte in jeder Siedlung eine Akropolis. Die mittelalterlichen Burgkapellen unterschieden sich jedoch in vielen Punkten von diesen Beispielen; die, Pfalzkapellen der Karolingerzeit sind hiezu noch keine echten Vorformen. Der Grund hiefür ist in der Lebenshaltung des mittelalterlichen Menschen, im ritterlichen Ideal des feudalen Herrn zu suchen. Aus dieser Lebenshaltung resultiert die be= sondere Form der Befestigungsanlage mit allen Erfordernissen des täglichen Lebens und der kriegerischen Notwendigkeiten. Für diesen in sich abgeschlossenen Wohnbezirk der mittel= alterlichen Burg verlangte die damalige religiöse Bezogenheit allen Lebens einen Raum für gottesdienstliche Zwecke. Die karolingischen und ottonischen Pfalzen waren als kleine Städte mit Repräsentationsräumen, Wohn= und Wirtschafts= bauten und auch meist sehr aufwändigen kirchlichen Bau= werken ausgestattet. Der Befestigungscharakter spielte noch eine sehr untergeordnete Rolle, denn das karolingische Reich war nach außen und innen durch seine Stärke gesichert. Da= gegen gewannen die Burgen des späteren 9. und des 10.Jahr= hunderts in den Normannen= und Ungarnstürmen einen rein militärischen Charakter; sie waren Waffenplätze, die in Zeiten der Gefahr neben den Truppen in beschränktem Maße auch die Bevölkerung aufnehmen konnten. Diese Waffenplätze be= saßen keinen eigenen Raum für den Gottesdienst. Erst als die Burg Wohnung für die Ritterschaft wurde, abgelegen auf 18

üYrisfe »'♦ ♦ S' / ' » * V, *■ ,* X »»*r Klam, Schloßkapelle, hl, Kreuz aus Ende des 15. ]hs. 19

Berghöhen und schwer zugänglich, erhielt sie einen eigenen Kultraum. Der Burgkaplan wurde vielfach auch zum Schreiber des Burgherrn und zum Lehrer seiner Kinder. Die Institution der Burgkapelle hängt auch innig mit dem germanischen Be= griff des Bigenkirchenwesens zusammen. Gerade dieses Kapi= tel der Kirchengeschichte ist leider für den oberösterreichischen Raum noch nicht untersucht worden. Die Kenntnis der Besiedlungsgeschichte des unteren Mühl= vierteis vermittelt manchen Einblick in die Zusammenhänge Kirche — Besiedlung — Burg. Als die Roder von der Donau in den Nordwald eindrangen, wurden sie von Rodungs= geschlechtern angeführt, die im Dienste der Kirche, besonders der Bistümer Passau und Regensburg, und verschiedener Klö= ster wie St. Florian standen. Die Burgen dieser Ministerialen sind heute zum größten Teil verschwunden, aus ihren Burg= kapeilen haben sich jedoch häufig die späteren Pfarrkirchen entwickelt. Jede dieser frühen Befestigungsanlagen wird aller= dings keine Kapelle besessen haben; sie wurden oft Mittel= punkt eines Gemeinwesens, und es könnte somit auch sein, daß außerhalb gelegene Kulträume als Burgkapellen dienten. Die Forschungslage erlaubt es jedenfalls heute noch nicht, für jeden Fall eine konkrete Antwort zu geben. Als vornehmstes Beispiel der Umwandlung eines Burgplatzes in eine Kultstätte ist wohl die Gründung des Klosters Säbnich= Waldhausen zu nennen, das Otto von Machland in einer sei= ner Burgen stiftete. Die Zisterzienser von Baumgartenberg dagegen verwendeten von Anfang an nicht eine Burg Ottos, die er ihnen gestiftet hatte, sondern siedelten in der Ebene am Fuße des Burgberges. Burgkapellen, aus denen bereits im hohen Mittelalter Pfarrkirchen hervorgegangen sind, wären auf den Plätzen von Rodungsburgen in Perg, Pergkirchen, Altenburg, Altenberg, Arbing, St. Thomas am Blasenstein usw. zu vermuten. Dadurch wäre aber auch eine Linie der ersten Rodungswelle angegeben. Das romanische Mauerwerk im Kerne dieser Kirchen dürfte jedoch nur in Arbing und St. Thomas Teile dieser Burgen beinhalten. Eine grabungs= technische Untersuchung des Burggeländes — besonders in Altenburg — könnte hier grundsätzliche Erkenntnisse liefern. Für die erste Phase der Besiedlung des unteren Mühlviertels kann also die Burganlage nur analog anderer gleichartiger Forschungslandschaften erschlossen werden. Das Vorhanden^ sein einer Burgkapelle wird rückgeschlossen aus dem altertüm= liehen Patrozinium einer jetzt bestehenden Pfarrkirche. Aber auch die Burggründungen der zweiten Rodungswelle sind heute nicht mehr erhalten. Mit Sicherheit ist das Mauers werk dieser Anlagen nicht früher als in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts aufgeführt worden. Das beginnende 14. Jahrhundert erbaute Pürnstein, Prandegg, Reichenau, Riedegg, Ruttenstein und Glam und in der zweiten Hälfte die späteste Burg des Mühlviertels, Freistadt. In allen diesen An= lagen sind nicht nur die Kapellen, sondern auch andere Räume und damit auch der Gesamtbau durch Bauglieder datierbar. Wie die Untersuchung zeigen wird, gehören dem 14. Jahr= hundert einfache rechteckige und kreuzrippengewölbte Räume an; das 15. Jahrhundert lehnt sich in der baulichen Gestaltung der Burgkapellen an die allgemeine kirchliche Architektur klei= ner Dorf= und Stadtkirchen an. Die älteste erhaltene Burgkapelle ist wahrscheinlich im Palas der 1149 zuerst genannten Burg Clam zu suchen. Im vierten Geschoß des Wohnturmes liegt ein rechteckiger, geosteter Raum, der an der Ostwand eine Wandnische besitzt. Gedeckt ist er heute mit einer rohen Balkendecke; sicher war er nie gewölbt. Die Osthälfte ist mit bemerkenswerten Fresken be= malt, die um 1380 bis 1390 entstanden sind und stark von der gleichzeitigen böhmischen Malerei beeinflußt wurden. Der Zyklus zeigt über einem hohen bemalten Sockel mit Blatt= ranken und eingestreuten Tieren Darstellungen aus der Heils= geschichte und dazwischen eine Reihe einzelner Heiliger. Die Wandmalereien sind aber nicht in einen neuen, sondern in einen umadaptierten Raum geschaffen worden, wie verschie= dene Hinweise ergeben. Auch die Wandnische, die Ursprünge lieh den Altar aufgenommen haben dürfte, ist älter als der Freskenschmuck. Deswegen ist es möglich, zu schließen, daß diese Kapelle noch im 13. Jahrhundert erbaut wurde, wenn auch nur dürftige Hinweise der Mauertechnik dafür zeugen. Den Burgkapellen des 14. Jahrhunderts ist die gleiche einfache Grundform zugrunde gelegt, die auch in anderen Landschaften des deutschen Raumes bekannt ist. Es treten in diesem Zeit= räum, der als eine Art Übergangszeit für die diesbezügliche Architektur angesehen wird, Vereinfachungen auf, die in der profanen Baukunst ihre Wurzeln zu haben scheinen. Der Grundriß ist ein Rechteck, eine Wandgliederung durch Dienste fehlt, alle Gewölbe ruhen auf Konsolen. Lanzettähnliche, schlanke Fenster beleuchten den Raum. Dieser wird aber nicht nach einem bestimmten Canon angelegt, sondern man schnei= det in die freien Wände, wo Höfe oder unverbaute Seiten dies gestatten, Fenster ein. Das Gewölbe ist zweijochig; das westliche Joch besteht aus einem annähernd quadratischen Gewölbeteil mit einem einfachen Kreuzrippengewölbe. Das Joch über dem Altar hingegen zeigt Rippenanordnungen wie bei einem ^/8=Schluß eines Chores einer gleichzeitigen Dorf= kirche, d. h., daß das Quadrat oder Rechteck in seinem größe= ren westlichen Teil mit einem Kreuzrippengewölbe geschlos= sen ist; vom Kreuzungspunkt gehen überdies noch zwei Rip= pen aus, die die Ostwand in einen größeren Mittelteil (oft mit einem größeren Fenster) und in zwei kleinere Seitenteile (mit zwei kleineren Fenstern) zerlegen. Die Zwickel in den Ecken werden dann durch eine Querrippe abgetrennt, von deren Mitte eine Rippe in die Kante des Raumes läuft. Durch diese Anordnung der Rippen und der Fenster entsteht die Illusion eines Raumes, der mit fünf Seiten eines Achteckes geschlos= sen ist. Dieser Eindruck ist im Hauptchor der Kaplaneikirche St. Laurenz in Lorch in höchster technischer Ausbildung er= reicht. Um vierzehnhundert zeigt uns diese Formen die Nord= kapeile der Kirche in St. Thomas am Blasenstein. Lorch wurde im zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts errichtet, der gerade geschlossene Chor hat aber, wie die laufenden Ausgrabungen ergeben haben, mit den einfachen Räumen der Burgkapellen keine genetischen Zusammenhänge. Es werden nur die glei= chen Prinzipien zur Andeutung eines "/s^Schlusses über einem rechteckigen Grundriß verwendet. Diese Form dürfte aus dem Profanbau des Bürgerhauses kommen, in welchem außer Ka= pellen auch andere Räume mit Kreuzrippengewölben geschlos= sen waren. Die Burgkapelle der Ruine Reichenstein ist das älteste Werk dieser Reihe und stammt nach Aussage der Bauteile aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Der jetzige Raumeindruck leidet durch die außergewöhnliche Steilheit, denn der Fuß= boden wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts um zirka ein= einhalb Meter gesenkt. Trotzdem ist diese Steilheit ein Stil= merkmal des 14. Jahrhunderts, besonders seiner ersten Hälfte. Die dünnen Rippen sitzen nicht auf Konsolen, sondern biegen, in weichen Rundungen abgefaßt, in die Wand. Die Fenster, besonders die Seitenfenster (von denen das rechte noch ein 20

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