Oberösterreich, 12. Jahrgang, Heft 1/2, 1962

Pollheimer und Jörger ihre Schlösser im Bauernland KURT HOLTER Burgen sind Stein gewordene Geschichte. Gewiß trii¥t dieser Satz in gewissem Sinne für jedes Bauwerk zu, besonders wenn wir von der Erbauungszeit schon einen gewissen Ab= stand gewonnen haben. Bei den Burgen und Schlössern hat aber dieser Satz deswegen umso mehr Gültigkeit, weil sie als Kernpunkte des politischen Lebens in unserer Vergangenheit anzusehen sind. Die Herren dieser Burgen in Stein und in Holz haben viele Jahrhunderte hindurch die Geschicke weiter Landschaften unserer Heimat bestimmt. Nimmt es Wunder, daß von den Holzbauten nichts erhalten geblieben ist, wenn sogar viele Steinbauten zur Ruine wurden oder dem Abbruch verfielen? Es gibt heute eine Burgenforschung, die sich nach verschie= denen Gesichtspunkten um diese stark bedrohten Denkmäler bemüht. Einer ihrer Zweige befaßt sich mit den Burgställen, mit den Plätzen, an denen zu dieser oder jener Epoche Be= festigungsanlagen oder Zufluchtsorte vorhanden waren, die man kaum mehr an der Bodenformation erkennt. Allein in Oberösterreich geht ihre Zahl in viele Hunderte. Dem Ge= dächtnis sind sie aber entschwunden, im Landschaftsbild oft= mals kaum kenntlich. Es zeigt sich damit, daß die Burgen und Schlösser und alle ihre Vorstufen als ungemein vergänglich zu gelten haben. Auch heute noch, da eine gewisse romantische Einstellung den Ruinen als Zeugen einer geschichtlichen Vergangenheit und als Stimmungsträgern eine nicht unbeträchtliche Wert= Schätzung sichert, ist ihr Fortbestehen, ist ihre nackte Existenz nicht gesichert. Gerade in diesen Tagen, da dieser Aufsatz geschrieben wurde, lag eine mächtige ehemals prachtvolle Anlage, das Schloß von Aurolzmünster, unter dem Hammer, und erst die Zu= kunft wird lehren, ob ein würdiger Fortbestand gesichert sein wird. Ein anderes Schloß, K ö p p a c h bei Schwanenstadt, einst Sitz einer weithin reichenden Herrschaft der Freiherrn Jörger, die sich danach und nach Tollet nennen ließen, ist in unansehnlichem Zustand vor wenigen Monaten zur Gänze abgebrochen worden. Wir möchten dieses Faktum zum Anlaß nehmen, den Schlös= sern und Burgen der Jörger und Pollheimer sowie ihrer wich= tigsten Nachbarn im mittleren Oberösterreich, besinnlich nachzugehen. Es wird uns freilich sogleich auffallen: vergeb= lieh suchen wir nach den ragenden Türmen der Berchfrite des Donautales und des Mühlviertels, nach den malerischen Ruinen, versteckt im Tannengrün, ehe wir nicht am Süd= rande dieses Gebietes in Wildenistein, Scharnstein, Seasenburg und Losenstein bis an die Hänge der Gebirge gelangt sind. Im Herzraum unseres Landes, dessen Gewinnung durch die Babenberger, dessen Durchdringung durch die Habsburger erst seine gegenwärtige Geschlossenheit ausgeformt haben, ist aus historischen Gründen ein anderer Typus der Schlösser maßgeblich geworden und wenigstens in Beispielen auf unsere Zeit gekommen. Im Ganzen gesehen, scheint uns dieser Landstrich als ein typisches Bauernland, so daß es nicht angeht, an der Proble= matik der Sozialstruktur vorüberzugehen. Burg und Bauer erscheinen uns als die am klarsten erkennbaren Pole jener alten Gesellschaftsordnung. Die Sitze und Burgen des Adels wuchsen als Mittelpunkte von Herrschaften zu politischen Kristallisationskernen heran, doch ist keine von ihnen ohne ihre Untertanen denkbar. Es wäre verfehlt, hier sogleich das Wort von der Leibeigenschaft und die Vorstellung einer klas= senmäßigen Unterdrückung einschießen zu lassen. Sie mögen in anderen Gebieten in vollem Umfang Berechtigung besit= zen. Nach allem was wir wissen, lagen die Dinge hierzulande wesentlich anders. Hier galten die Verbindungen, die als Schutz und Sicherheit von oben nach unten in der gleichen Dichte liefen, wie die Verpflichtungen und Dienste, die dem Burgherrn und Herrschaftsinhaber darzubringen waren. Auch die Robot war in diesem Gebiet auf nur wenige Tage im Jahr beschränkt und mit Verköstigungspflicht verbunden. Wer sogleich an die Bauernkriege denkt, darf nicht vergessen, daß sie in einer Zeit aufflackerten, in der die ersten großen Störungen in diesem Sozialgefüge zum Ausbruch kamen und vor allem, daß sie einen sehr erheblichen geistigen Hinter= grund hatten. Selbst im 17. Jahrhundert, als das alte Ver= hältnis innerlich weitgehend verändert war, ist die Scheide= linie der politischen und geistigen Fronten keineswegs immer ganz klar zwischen den Herren und ihren Holden zu ziehen. Und selbst dort, wo die „Sozialpartner" (wie man heute sagen würde) in ganz entschiedenem Widerspruch waren, sind die gemeinsamen Bande im Augenblick des Sieges der Mäch= tigeren von diesen nicht vergessen worden. Wir wollen uns indes hier nicht mit den Krisenzeiten be= schäftigen, als vielmehr mit der Tatsache, daß sich um jedes der Schlösser und Burgen eine Anzahl von Untertanen, Grundholden oder Rechtlehnern gruppierte. Mit diesen Be= Zeichnungen werden bestimmte Ursprungsfragen und Rechts= kategorien angedeutet, welch letztere, sobald sie einmal aus= gebildet waren, ein recht zähes Leben, oft bis zum Schatten= dasein, führten. In sehr vielen Fällen sind gehobene Rechts= qualitäten schon sehr früh, d. h. in den Entwicklungen des Spätmittelalters, zugrunde gegangen und aus einem Herren= 34

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