Oberösterreich, 12. Jahrgang, Heft 1/2, 1962

ALFRED MARKS Historische Burgenansichten in Oberösterreich Die Burgen und Schlösser haben in Österreich seit dem Jahre 1848 ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Funktionen eingebüßt. Bis dahin standen sie als Adelswohnsitze und Mit= telpunkte größerer oder kleinerer Grundherrschaften im Kreis= lauf des Alltagslebens. Als befestigte Anlagen erfüllten sie außerdem im Mittelalter auch wichtige militärische Aufgaben. Viele von ihnen sind schon sehr früh als Wohnsitze aufgege= ben und dem Verfall preisgegeben worden. Die bis zur Ge= genwart erhalten gebliebenen Burgen und Schlösser dienen als landwirtschaftlich genutzte Landsitze des Adels und des ver= mögenden Bürgertums oder sind zugleich mit ihrer baulichen Instandsetzung und Adaptierung neuen Aufgaben als Museen, Bildungsstätten, Jugendheime usw. zugeführt worden. Obwohl die Burgen und Schlösser schon frühzeitig in der landeskundlichen Literatur Beachtung fanden, und besonders die Romantik des beginnenden 19. Jahrhunderts mancherlei Beschreibungen und Erzählungen von mittelalterlichen Ritter= bürgen beisteuerte, kann im wesentlichen erst in unserem Jahrhundert von einer eigentlichen Burgenpflege gesprochen werden! Zu ihren Aufgaben zählt sowohl die Erforschung als auch die Erhaltung der Burgen. Die historische Forschung, die im Einzelfall meistens mit den praktischen Aufgaben der Bestandsaufnahme der vorhandenen Bauten und den denkmalpflegerischen Maßnahmen zu deren Erhaltung oder Wiederherstellung Hand in Hand geht, hat auf vielerlei Fragen Antwort zu geben. Ihr obliegt es, aus vorhandenen Urkunden und Akten dievielseitigen wirtschaft= liehen, politischen, rechtlichen und die Verwaltungsaufgaben der Burgen in ihren geschichtlichen Wandlungen darzustellen sowie die Baugeschichte, die besitzrechtlichen und genealogh sehen Entwicklungen der vergangenen Epochen zu erforschen. Für die Baugeschichte wird die archivalische Forschung, je nach der Quellenlage, aus alten Baubeschreibungen, Gutachten, Plänen, Abrechnungen und anderen Aufzeichnungen oftmals wertvolle Daten beisteuern können; doch wird es in vielen Fällen ohne sonstige Hilfsmittel schwierig, ja unmöglich sein, sich aus trockenen Beschreibungen oder mehr oder weniger ausführlichen Urkunden^ und Aktenzitaten ein richtiges und anschauliches Bild von der Lage einer Burg oder von architek= tonischen Formen und baulichen Maßnahmen der Vergangen^ heit zu machen. Dies gilt vor allem für jene Objekte, die seit langer Zeit ganz verschwunden und uns heute nur mehr aus historischen Erwähnungen bekannt sind. Bei den gegenwärtig noch in ihrem gesamten Baubestand oder wenigstens als Ruinen erhalten gebliebenen Anlagen sind die Voraussetzung gen wesentlich günstiger. Wo nicht der Kunsthistoriker schon aus Grundrißfragmenten zur Rekonstruktion der Gesamt= anlage Wesentliches zu sagen vermag, steht heute auch der Archäologe im Dienst der Burgenforschung. Es sei hier auf die Ergebnisse der in jüngster Vergangenheit durchgeführten For= schungen dieser Art in Neydharting verwiesen, wo die ge= nannten wissenschaftlichen Disziplinen sich in der Zusammen= arbeit und in den Forschungsergebnissen in erfreulicher Weise ergänzten". Weit anschaulicher und unmittelbarer als die ausführlichsten und verläßlichsten Beschreibungen oder auch Ausgrabungs= ergebnisse und Rekonstruktionsversuche vermögen uns zeit= genössische Bilder, seien es nun Gemälde, Zeichnungen oder Kupferstiche, über bestimmte historische Bauzustände unserer Burgen und Schlösser Auskunft zu geben. Sie vermitteln, wenn auch nur aus einer bestimmten Blickrichtung, doch je= weils eine mehr oder weniger genaue Vorstellung von der architektonischen Form des Objektes und von dessen näherer Umgebung. Voraussetzung für den Quellenwert solcher Bur= genansichten ist allerdings die topographische Genauigkeit und Verläßlichkeit der Darstellung, die nicht immer und ohne wei= teres überprüfbar ist. Eine weitere Voraussetzung ist die Feststellung der Entste= hungszeit, die in vielen Fällen schwierig und oftmals ohne sonstige Vergleichsmöglichkeiten und Hilfsmittel unmöglich erscheint. Hier muß vor allem wieder die archivalische For= schung helfend und ergänzend eingreifen. Wo die historischen Quellen versagen, kann die Kunstgeschichte mit ihren Metho= den in der Datierungsfrage vielfach wertvolle Dienste leisten, da die bildlichen Darstellungen von Burgen, Klöstern, Sied= Jungen und Städten, die ja bis zum Beginn des Zeitalters der Photographie im 19. Jahrhundert ausschließlich von Malern und Zeichnern geschaffen worden sind, im Rahmen der Land= schafts= bzw. Vedutenmalerei als besondere Gruppe in ihren stilistischen Wandlungen ohne weiteres verfolgt und erfaßt werden können. Wir besitzen heute außerdem schon eine Reihe von brauchbaren wissenschaftlichen Werken und Ab= handlungen zur allgemeinen und lokalen Entwicklung der Stadt= und Ortsansichten, die uns wertvolles Vergleichsmate= rial an die Hand geben. In den Bibliotheken, Museen, Archiven und auch in privaten Sammlungen liegen mehr oder weniger vollständige Serien von historisch=topographischen Bildern, nach internationalen oder lokalen Gesichtspunkten geordnet, für die Forschung be= reit. Die größte und bedeutendste, universell angelegte Samm= lung dieser Art besitzt die Osterreichische Nationalbibliothek in Wien. Für die historische Topographie von Oberösterreich

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