Oberösterreich, 12. Jahrgang, Heft 1/2, 1962

OTHMAR HAGENEDE Passauische Burgen im nordwestlichen R Oberösterreich Während des hohen und späten Mittelalters vollzog sich in unseren Gegenden der bedeutsame Prozeß der Landeswer= dung. Ehe er begann, also vor dem 12, Jahrhundert, war im Bereich des heutigen Oberösterreich von der Gewalt des bayrischen Herzogs, dem das Land westlich der Enns und des Haselgrabens unterstand, wenig zu spüren; mächtige Grafen= und Herrengeschlechter übten hier die Herrschaft aus. Sie hatten reichen Grundbesitz, beschirmten die Klöster und die nicht wehrfähigen Leute. Ferner besaßen sie das Recht, bei schweren Verbrechen Bluturteile zu fällen. Ihre Herrschaften waren beinahe über das ganze Mitteleuropa verteilt; ja, sie bildeten zum großen Teil das politische Gerüst des früh= und hochmittelalterlichen Reiches. Erst im 12. Jahrhundert gelang es bei uns den übergeordneten königlichen Amtsträgern, nämlich dem bayrischen Herzog und österreichischen Mark= grafen, sich den Grafen gegenüber durchzusetzen und — ge= fördert von neuen politischen und sozialen Kräften, wie z. B. den Städten und Ministerialen — eine spürbare Landesherr= Schaft aufzurichten. Im Lande ob der Enns kam diese Tendenz vor allem dem Herzog von Österreich zugute, der mindestens seit den achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts begonnen hatte, im Gebiet zwischen Hausruck und Enns politisch Fuß zu fas= sen und in den folgenden Dezennien im genannten Raum seine Herrschaft mit Nachdruck ausbaute. Die Richtung dieser Machtentwicklung ging nach Westen. Nachdem es nämlich den österreichischen Markgrafen aus dem Hause der Babenberger gelungen war, die Ost= und Nordgrenze ihrer Mark gegen Böhmen und Ungarn ungefähr in ihrem heutigen Verlauf zu stabilisieren, hatten sie ihr Interesse mehr ihren westlichen und südlichen Nachbarräumen zugewandt. Noch im 12. Jahr= hundert taten sie dann als Herzoge mit der Erwerbung des Traungaues und der Steiermark den ersten Schritt auf einem Weg, der ihre Nachfolger im Laufe des späten Mittelalters zu Herren jenes Länderverbandes machen sollte, dessen Konfi= guration sich ungefähr im heutigen Bundesstaat Österreich erhalten hat. In Oberösterreich blieb ihr Einfluß vorerst auf das Land östlich von Hausruck und Haselgraben beschränkt. Westlich davon, dem Laufe der Donau folgend, und nördlich des Flus= ses versuchten dagegen seit ungefähr derselben Zeit, also der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die Bischöfe von Passau eine eigene Landesherrschaft aufzubauen. Beide, der Herzog und der Bischof, die sich bald genug Konkurrenz machen solU ten, gingen dabei auf ähnliche Weise vor: sie versuchten, Grafschaften und dazugehörige Hochgerichtsbezirke in ihre Hand zu bekommen sowie dann die derart gewonnene Juris= diktionshoheit durch den Erwerb von Grund und Boden zu sichern. Ersteres wurde ihnen erleichtert, da um 1200 viele Herren= und Grafengeschlechter ausstarben, und zu letzterem bedienten sie sich hauptsächlich der Ministerialen. Bei diesen handelte es sich um ursprünglich unfreie Gefolgsleute, die durch Herrendienst in eine gesellschaftlich gehobene Position aufgestiegen waren und so als verläßliche Dienstmannen gel= ten konnten. Die letzteren waren es hauptsächlich, welche auf die verhältnismäßig zahlreichen nun neu entstehenden Burgen gesetzt wurden und die Landesherrschaft ausbauen halfen. Etwa 300 Jahre, von ungefähr 1200 bis 1500, rangen nun, meist still und verborgen, der Bischof und der Herzog mit= einander. Hauptsächlich ging der Kampf um das westliche Mühlviertel, und in dieser Zeit erfüllten die dortigen Burgen auch voll ihre Funktion, für die sie von Anfang an bestimmt waren: nämlich, wie schon angedeutet, die Landesherrschaft der beiden Gegner durchzusetzen. Später, seit dem Beginn der Neuzeit, als sich in Mitteleuropa die Grenzen der nun= mehr voll ausgebildeten souveränen Staaten weitgehend ver= festigt hatten, verloren die genannten Festungen auch ihre politische Bedeutung. Sie wurden einfache Verwaltungsmittel= punkte ihrer Herrschaften oder verfielen zu Ruinen. Vor allem mit den bezeichneten drei Jahrhunderten sollen sich die folgenden Ausführungen beschäftigen. Sie stellen zugleich einen Versuch dar, kurz zu schildern, wie das Bistum Passau zwischen den Flüssen 11z und Großer Mühl eine eigene Lan= desherrschaft errichten wollte. Die Möglichkeit zu solch einer Bildung war in der deutschen Reichsverfassung gegeben, da die Könige seit dem 10. Jahrhundert zahlreiche Hoheitsrechte ihren Bischöfen und sonstigen Prälaten übertragen hatten, in denen sie die treuesten und sichersten Garanten ihrer Herr= Schaft sahen. Im Zuge dieser Politik lag es, daß König Hein=: rieh 11. 1010 der Benediktinerinnenabtei Niedernburg in Passau Grundbesitz zwischen 11z, Rodel, Böhmerwald und Donau schenkte und 1161 sein Nachfolger Friedrich 1. Barbarossa das Kloster samt seinen Gütern dem Bistum Passau unterstellte. Dieses Gebiet, in dem die Bischöfe von Passau von nun an grundherrliche Rechte geltend machen konnten, war jedoch bereits seit dem 11. und beginnenden 12. Jahrhundert zum Großteil in der Hand mächtiger Grafen= und Herrengeschlech= ter, die es in mehrere parallel von Nord nach Süd verlaufende Landstreifen geteilt hatten, in denen sie, von der Donau aus= gehend, zum Böhmerwald hin rodeten. Da sind im heutigen Mühlviertel die Herren von Kirchberg zu nennen, welche aus der Regensburger Gegend stammten, um 1112 in unser Ge= biet gekommen waren und sich seit etwa 1180 nach der Feste 47

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