Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 23, Dezember 1962

Veröffentlichungen des Kulturamtes der Stadt Steyr Schriftleitung: Adolf Bodingbouer Die Bürgermeister der Stadt Steyr und ihre Zeit (Fortsetzung) Das „Kaiserliche Armaturswerk" Zwei bemerkenswerte Weihnachtsbilder in Steyr Heit 23 Dezember 1962 Dr. Erlefried Krobath Dr. Josef Ofner Adolf Bodinqbauer

Alle Rechte Vorbehalten Eigentümer, Herausgeber und Verlag : Stadtgemeinde Steyr Für den Inhalt verantwortlich : Adolf Bodingbauer Druck: Vereinsdruckerei Steyr

Dr. ©riefrieb Krobath Ae Bürgermeister Der stakst stepr und ihre j^nf ifortictnum Joachim Händl (1618, 1619, 1620, 1621, 1622, 1623, 1624); Johann Mayr von Puchenau (anch Wuchenau) zn Lindenfcld (1625, von 1626 bis 2. September 1627); Nicolaus Frizler von Ober- und Unterhuthofen (3. 9. 1627 bis Ende Juli 1628, 1630, 1631, 1632, 1633, 1636, 1637); Gottlieb Hoffmann (1640, hat das Amt nicht angctreten). Joachim Händl (1618 — 1624) Joachim Händl war der dritte Bürgermeister, den das Eisenhändler- und Hammerherrengeschlecht Händl der Stadt schenkte?) Sein Vater. Sebastian Händl, war Steyrer Bürger und Hammerherr zu Kleinreifling und Weher, seine Mutter, Sophia Ochs, die zweite Gattin Sebastians, war eine Weberin. Wir finden Joachim Händl schon im Jahre 1605 als Mitglied des Rates der Stadt. Einige Jahre später bekleidete er die Stelle eines Stadtkämmerers und hatte als solcher die Oberaufsicht bei der Erbauung des Getreidestadels am Grünmarkt (heute Steyrer Heimathaus). Als der Rat im Oktober 1614 beschloß, Händl als Anwärter für das Stadtrichteramt im folgenden Jahre namhaft zu machen, bat Händl, ihn hiefür nicht in Betracht zu ziehen, da er derzeit in der Stadt kein eigenes Haus besitze und aus dem „Matches Vrkausnschen Haus" (heute Stadtplatz 2) vertrieben worden sei. Der Rat fand diese Ablehnung unerheblich und ermahnte Händl dringlichst, wenn die Wahl der Bürgerschaft und Gemeinde doch auf ihn fiele, dies als „Göttliche providentz (Vorsehung) vnd Schickhung" zu betrachten und das Amt anzunehmen?) Joachim Händl war Baumeister?) und Baumaterialienhändler gewesen. Zu dem von seinem Vater ererbten Kalkofen erwarb er noch den Hammer der Familie Fürst in der Pufferau und baute ihn zu einem Sägewerk um. Bei der mit kaiserlicher Genehmigung am 18. Dezember 1617 abgehaltenen freien Wahl der Stadtämter für das Jahr 1618 wurde Händl mit 11 von 14* 2 3 ') LV 1, 268, 290: LV 8. 9. Wolfs Händl, Bürgermeister 1571—1575, 1577—1578, 1582—1583, 1587—1589. Hieronymus Händl, Bürgermeister 1601—1602; t 1603 in Regensburg, 2) RP 161 1, 327. Er war Stadtrichter in den Jahren 1615 und 1616. 3) Ratsprotokoll 1620, Seite 134, 12. 8.: Der Bürgermeister Bittet im Rate, ihn entweder seines Amtes oder des „mifgctragenen Gebens in den Würgraben (Wehrgraben)" zu erlassen. Nach dem Tode Sebastian Händlls, des Vaters des Bürgermeisters, verblieb das Haus Stadtplatz 21, das Haus mit Garten vor dem Gilgentore (heute Brucknerplatz), und ein weiteres, von Georg Steer ererbtes, im Eigentum der Witwe. Joachim erbte von feinem Vater einen Hof. der später „Plautzenhof" genannt wurde. Dieser war ein Edelsitz, zu dem noch ein kleines Haus gehörte. Aus dem Nachlaß dels Bürgers Hirsch erwarb Joachim Händl drei Häuser in Aichet: Schleifergasse 5, Hammerschmiedberg 5, 7, 9 und Hammerschmiedberg 2; ein weiteres kaufte er von Peter Aichingcr in Aichet. Obere Zeile. 3

abgegebenen Stimmen erstmalig zum Bürgermeister Steyrs erkoren. Im folgenden Jahre, am 17. Dezember 1618, konnte er bei der Wahl für das Jahr 1619 neuerlich von 14 abgegebenen Stimmen 8 für sich buchen. Von 1620 bis 1624 wurden keine Ratswahlen abgchalten. In diesem Zeitabschnitte verblieben die im letzten Wahljahre bestellten Räte, und somit auch der Bürgermeister, im Amte. In einem der kritischen Abschnitte der Stadtgeschichte wurde Joachim Händl an die Spitze der Stadt gestellt. Die Gegensätze zwischen Katholiken und Protestanten trieben einer Lösung zu. Steyr mit seiner lutherisch gesinnten Bevölkerung schloß sich weitgehend der ständischen Politik an. Diese wieder wurde seit 1617 vom Landmann Georg Erasmus Tschernembl, als Vcrordneten des Herrenstandcs beeinflußt, der - das Land in den Jahren 1617 bis 1620 „an die Seite der aufständischen Böhmen" führte?) Joachim Händl war ein getreuer Bekenner der evangelischen Lehre und seine Handlungen sind von dieser Perspektive aus zu betrachten. Schon 1617 kam es zwischen dem Abte Anton von Garsten und ihm, dem städtischen Kirchenvcrwal- ter, wegen Abhaltung des katholischen Gottesdienstes in der Spitalskirche zu Differenzen. Der Abt reichte deshalb beim Magistrate eine „Gewallt Clag" gegen Händl ein.4 5 6) Von einem seiner Gegner wurde ihm 1618 vorgeworfen, daß er immer gegen den Kaiser rebelliert und ihn bekämpft habe?) In Braunau (Böhmen) erbauten die Protestanten eine Kirche (1611). Der Abi des Benediktinerstiftes, dem Braunau gehörte, beklagte sich Beim Kaiser, was zur Folge hatte, daß der Bau eingestellt werden mußte. Unter Berufung auf den Majestätsbrief von 1609, der den nichtkatholischen Ständen Böhmens volle Religionsfreiheit und das Recht, Schulen und Kirchen bauen zu dürfen, einräumtc, protestierten die Stände! gegen die Einstellung des Baues und erklärten, daß der Bau von> Kirchen auch den Bewohnern königlicher Güter erlaubt sei und meinten weiters, daß unter königlichen Gütern auch geistliche Güter zu verstehen seien. Der Klerus sei nur Nutznießer, der König jedoch Eigentümer der geistlichen Güter. Auch in dem zum Sprengel des Prager Erzbischofs gehörigen Orte Klostcr- grab wurde die von den Protestanten erbaute Kirche nicdergerissen. Diese Vorfälle und andere Unstimmigkeiten in Glaubensdingen führten dazu, daß sich in weiterer Folge am 23. Mai 1618 Mitglieder des Protestantentages in die kaiserliche Burg begaben. Es kam hier zum „Prager Fenstersturz", bei dem die Protestanten die ihnen mißliebigen Personen durch ein Fenster in den Schloßgraben warfen. Dieser Feirstersturz war das Wetterleuchten vor dem Ausbruche eines Krieges, der als religiöser Bürgerkrieg begann und dann als politischer Weltkrieg dreißig Jahre dauern sollte. Die Aufständischen bestellten eine aus dreißig Direktoren bestehende Landcs- verwaltung und bemächtigten sich des königlichen Schlosses, des Staatsschatzes und der Reichskleinodien. Sie schrieben Steuern ans und sperrten die Grenzen. Durch Werbungen in ganz Böhmen gelang es eine Armee aufzustellen, die den Graten Matthias Thurn zum Kommandanten erhielt. Mit Ausnahme weniger Orte fiel ganz Böhmen 1618 vom Kaiser ab. Sehr bald nach deni Fenstersturz bahnten sich Beziehungen zwischen den Ständen des Landes ob der Enns und den böhmischen Direktoren an. Diese ersuchten die obcrösterreichischen Verordneten, nicht zu erlauben, daß von ihrem 4) LV 19, 262 ff. Die Freiherren von Tschernembl kamen im 16. Jhdt. aus Krain und erwarben die Herrschaften Windcck und Schwcrtbcrg. Aus dieser Familie ragt Georg Erasmus hervor, der Bei den evangelischen Ständen einen überwältigenden Einfluß besaß. Er war der geistige Führer der ständischen Bewegung des Jahres 1619. 5) RP 1617, 26. 6) LV 5, 345. 4

Lande aus Feindseligkeiten gegen Böhnien unternommen würden. Wolf Griental ersuchte am 13. Juni 1618 über Auftrag des Kaisers bei den Ständen um Unterstützung gegen die rebellierenden Böhmen. Diese wurde nicht gewährt, im Gegenteil, die Stände taten alles, um Matthias von einer militärischen Intervention in Böhmen zurückzuhalten. Auch als kurze Zeit später derselbe kaiserliche Abgesandte den Ständen mitteilte, der Kaiser wolle friaulisches Kriegsvolk nach Böhmen schicken und dieses durch das Land ob der Enns marschieren lassen, da man ihm ja im Lande keinen Musterungsplatz zur Verfügung gestellt habe, waren diese damit nicht einverstanden. Sie entfalteten eine lebhafte Tätigkeit, den Kaiser zu einem friedlichen Vergleich mit den Böhmen zu bewegen. Dies geschah mit Erfolg. Schließlich erreichten sic auch, daß Matthias sie mit dem Durchmarsch fremder Truppen verschonte uub auf den Musterungsplatz verzichtete. Am 20. März 1619 starb Kaiser Matthias in Wien. Das Reich befand sich bei seinem Tode in Hellem Aufruhr. Der Tod befreite ihn von der Aufgabe, die er sich gestellt hatte, die Vorherrschaft von Kirche und Kaiser im Römischen Reiche Deutscher Nation wieder hcrzustellen. Sein Neffe, Ferdinand von Steiermark, gekrönter König von Ungarn und Böhmen, der zum Nachfolger bestimmt worden war, folgte auf den Thron. Ferdinand war jedoch als unversöhnlicher Gegner des Protestantismus bekannt und fand deshalb bei seinen Versuchen, die Regierung anzutreten, stärksten Widerstand bei den mächtigen Geschlechtern des Landes ob der Enns. Auf einem im April 1619 nach Linz einbernfenen Landtage erklärten die Stände, mit Ausnahme der nicht sehr zahlreichen katholischen Edclleute und der Prälaten, den in der Niederlande residierenden Bruder des verstorbenen Kaisers, Erzherzog Albrecht, als alleinigen Nachfolger und forderten ihn auf, die Regierung im Lande anzutrcten. Dies, trotzdem den Ständen bekannt war, daß Albrecht auf den Thron in den österreichischen Ländern Verzicht geleistet hatte. Im Hinblick auf die sich abzeichnende bedrohliche allgemeine Lage schien es Bürgermeister Händl notwendig, von den Ständen die Verlegung eines Fähnleins von Kriegsknechten nach Steyr zu verlangen. Er brachte einen diesbezüglichen Vorschlag am 1. 4. 1619 im Rate ein. Die Ratsmitglieder billigten die Vorsorge des Stadtoberhauptes und gaben den Auftrag, dieses Verlangen bei nächster Gelegenheit den Ständen vorzutragen.') Anfangs Mai 1619 kam aus Linz der Auftrag, die Musterung des 30. und 10. Mannes in der Stadt für die Landesverteidigung vorzunehmen.* 3) Diese erfolgt über Vorschlag des Bürgermeisters am 18. Mai morgens. Die für den Soldatendienst ausgelosten Bürger wurden in Rotten eingeteilt. Für ihre Unterhaltung und die Ausrüstung hatte die Bürgerschaft aufzukommen. Es wurden für diesen Zweck Abgaben ausgeschrieben und diese, über Verfügng Händls, „wie vormallen brauchig", von den Viertelmeistern bei der Bürgerschaft eingehoben.') Beim Färbermeister Zettl machte der „Anschlag" wöchentlich 15 Kreuzer aus.'°) Die gesammelten Beträge wurden dem Ratsherren Rcdlhammer übergeben, der sie dann der weiteren Verwendung zuführte. Auch die städtischen Untertanen auf dem Laude hatten ihre Beiträge zu leisten. Dieses Bürgermilitär zog dann, „nach Soldatengebrauch", täglich mit Pfeifen und Trommeln auf die Wache. Am 24. Mai wurden die für den Soldatendienst geeignet befundenen 30. und 10. Männer nochmals überprüft; anschließend wurden ihnen ihre Befehlshaber vorgestellt.") ') RP 1619, 75. 3) RP 1619, 86. ’) RP 1619, 92. ,0) LV 6, 10, 11. ") RP 1619, 94. 5

Den Äusgemusterten wurde auch versprochen, daß sic mit einem „gebührlichen Liffergeit (Aufdingsummc, Handgeld)" versehen würden. Weiters teilte man ihnen mit, daß sie im Falle einer auswärligen Verwendung auch den üblichen Sold erhalten mürben.'2) Während Ferdinand im August 1619 in Frankfurt zum Römischen Kaiser erwählt und im September gekrönt wurde, fiel Gabor Bethlen über Aufforderung der Protestanten Ungarns und Böhmens in Ungarn ein. In weiterer Folge vereinigten sich die Truppen Bethlens mit den bei Wien stehenden böhmischen Truppen des Grafen Thurn. Schon am 31. Juli 1619 hatten die böhmischen, mährischen und Lausitzer Stände auf dem Landtage in Prag eine Union abgeschlossen, der am 16. August auch die ober- und niederösterreichischen Stände beitraten. Am folgenden Tage beschlossen die Böhmen die Absetzung Ferdinands und wühlten, mit Zustimmung der Lausitzer und Mährer, das Oberhaupt der 1608 gegründeten protestantischen Union, Friedrich IV. von der Pfalz, zum böhmischen Könige. Am 30. Juni 1620 hatte Kaiser Ferdinand seinen Jugendfreund, den Herzog Maximilian von Bayern, seit 1609 das Oberhaupt der katholischen Liga, mit der Niederwerfung des Ausstandes betraut. Er verpfändete ihm das Land ob der Enns als Ersatz für die Kriegskosten und verlangte, daß der Herzog die rebellischen obderennsischen und böhmischen Stände zum Gehorsam bringe. Maximilian sammelte bei Ulm ein großes Heer und teilte den obderennsischen Ständen mit, daß er vom Kaiser bevollmächtigt sei, die Angelegenheiten im Lande nach des Kaisers Willen zu regeln. Er verlangte die Auflösung der Konföderation und eine Jnterimshuldigung. Inzwischen war den Hauptleuten des in Steyr befindlichen Kriegsvolkes aufgetragen worden, bedacht zu sein, so viel als möglich im „teilten (Drillen)" fortzufahren. Für jedes Ausrücken bewilligte der Rat vier bis fünf Pfund Pulver, um Schießübungen abhalten zu können. Die Reiterei wurde neu. organisiert und für sie ein Feldtrompeter eingestellt. Hauptmann Wurmbrandt untersuchte das Aichet auf die günstigste Anlegung von Schanzen, Ratsherr Christian Richter wurde beauftragt, die städtische Artillerie überholen zu lassen und Doppelhaken'2) auf die Wehren bringen zu lassen. „Ledige Bursch" in Bereitschaft zu halten hatte das Ratsmitglied Hopffer über.") Im Juli 1620 richteten die Welser Stadtväter einen Bericht an ihre Kollegen in Steyr wegen „Einfall des Bayrischen Volckhs". Der Rat dankte den Schreibern für die Nachricht und bat gleichzeitig um weitere Verständigung, falls sich etwas Wichtiges ereignen sollte. Dieser Bericht hatte zur Folge, daß man beschloß, in der Stadt jeden Abend ein ganzes Fähnlein auf die Wache ziehen zu lassen und die jungen Steyrer raschest zu bewaffnen. Man bestimmte den Ratsherren Hopffer zu ihrem Hauptmann. Seinem Kollegen Wurschenhoffer wurde aufgetragen, aus dem städtischen Zeughaus Waffen und Wehren auszugeben.'2) „ ... wegen Anzug eines großen Vollckhs, so an den Bairischen Frontieren gegen dieses Landt khombt..." war man im Juli 1620 in Steyr so fieberhaft mit den Vorbereitungen für eine eventuelle Verteidigung der Stadt beschäftigt, daß man sogar manchmal die laufend anfallende Kanzleiarbeit im Rathause nicht verrichtete.") Am 1. August schien dem Rate dis Lage schon so gefährdet, daß er '-) RP 1619, 95. ’3) LV 20, 38. Doppelhaken waren gebrauchsfertige Feuerwaffen, die an der Unterseite angeschweißte Haken zum Auffangen des Rückstoßes trugen. Die Reichweite dieser Büchsen betrug 200 bis 250 m. ">) RP 1619, 97, 108, 111. '-) RP 1620, 124. ") RP 1620, 116. 6

Siegel (1616) und Unterschrift des Joachim Händl (1605) alle Bürger zu Robotarbeiten an den Schanzen aufrief. Weiters wurde eine ständige Ratskommission, bestehend aus sechs Ratsherren und dem Ratsschreiber, bestellt, um bei außerordentlichen Ereignissen jederzeit zur Verfügung zu stehen. Bürgermeister Händl übernahm wieder die Stelle des Stadtobersten, ihm beigeordnet waren fünf Ratsherren. Weiters wurde mit Hauptmann Wurmbrandt vereinbart, daß er die Reiterei der Bürgerschaft in Ordnung halten foffe.'7) Die Landstände hatten ja schon in den letzten Tagen des Jahres 1619 den Hauptmann Fuchs nach Steyr geschickt, der mit den von der Stadt geworbenen Kricgsknechten, in Abwesenheit des Burggrasen, Schloß und Herrschaft Steyr besetzt hatte. Er ließ Schanzen aufwcrfen und Verhaue errichten. Die Schanzen im Felde hinter dem Ennsdorf erregten den Ärger des Färbcrmeisters Zetl, der sich beklagte, daß er wegen dieser sein gefärbtes Tuch nicht zum Trocknen „aushenken funnte"18). Auf der Fischhub wurde ein hölzernes Blockhaus gebaut und mit Militär besetzt. Am Gilgentore (heute Brucknerplatz) ließ Fuchs einen hölzernen Turm mit Schußlöchern bauen. Verschiedene Gehölze vor der Stadt wurden abgeschlagen, damit sich in ihnen kein „Feund" aufhalten könne.") Es sollte noch mehr Militär nach Steyr verlegt werden, doch ließ der Rat den Ständen mitteilen, daß man kein weiteres Kriegsvolk in der Stadt einquartieren lassen wolle?8) ”) RP 1620, 128. '°) LV 6, 11. ") RP 1620, 133. -») RP 1620, 129. 7

Die Erle, mit der man im Lande Schanzen aufgeworfen, Sperren errichtet und die Städte befestigt hatte, war vergebliche Liebesmühe gewesen. Da die Stände den Forderungen des Herzogs nicht nachgekommen waren, rückten die bayrischen Truppen unter Oberkommando Tillys am 25. Juli 1620 im Lande ob der Enns ein. Die Streitmacht der Stände, die lediglich 3.300 Mann Fußvolk, ein 1.000 Mann zählendes „Schifers Fändl", vier „einschichtige Compania zu Roß" und 424 Pferde betrug, von einzelnen „Bauernhaufen" abgesehen, reichte nicht aus, um einen entsprechenden Widerstand zu leisten?') Der Vormarsch der bayrischen Truppen vollzog sich also mit entsprechender Schnelligkeit. Bereits am 4. August 1620 zog der bayrische Herzog im Linzer Schlosse ein. In Steyr herrschte ob dieser Entwicklung eine nervöse Spannung. In der Ratssitzung vom 3. August kam zur Sprache, daß Ratsherr Rcinhart aus Linz mitgeteilt hatte, man müßte in Steyr mit der Einquartierung feindlicher Truppen rechnen. Weiters empfahl Reinhart mit den Kommandanten der ständischen Besatzung im Schlosse Steyr, den Hauptleuten Fux und Wurmbrandt, zu sprechen und sie zu veranlassen, die Wachen einzuziehen. Lediglich zwei oder drei Rotten sollten die Stadt und zwei Rotten das Schloß selbst bewachen. Ein anderer Ratsherr, Jörger, teilte seinen Kollegen mit, daß man auch in Steyr noch am 14. August mittags etliche „Fand! Bayrisch Volckh" zu erwarten habe. Diese Nachrichten hatten zur Folge, daß die Steyrer Stadtväter den städtischen Quartiermeister beauftragten, unverzüglich ein Verzeichnis der Quartiere anzulegen. Weiters beschloß man die Kommandanten der cin- rückenden Truppen durch Vertreter der Stadt empfangen zu lassen. Tobias Geßl, der französisch sprach, sollte die Offiziere Bitten, sich die Stadt „befohlen" sein 311 taffen.21 2 23 24 ) In Linz liefe Herzog Maximilian die Stände nach seiner Ankunft wissen, daß ihm das Land ob der Enns, mit allen Regierungsvollmachten, bis zur Bezahlung der Kriegskosten verpfändet worden war. Er verlangte, daß ihm im Namen des Kaisers sofort gehuldigt werde. Die Stände erkannten noch nicht den Ernst der Situation und versuchten, die Huldigung hinauszuschicben. Als ihnen aber mit Repressalien gedroht wurde, falls sie nicht innerhalb von 48 Stunden Gehorsam leisten würden, kam cs am 20. August zur unbedingten Huldigung. Gleichzeitig wurde auch das Bündnis mit Böhmen gelöst.22) Maximilian zog dann weiter nach Niederösterreich, wo er seine Truppen mit denen des kaiserlichen Feldherren Boucquoi vereinigte und dann in Böhmen einrückte. Im Lande ob der Enns verblieben zwei Regimenter als Besatzung, als Statthalter amtierte in Linz der bayrische Graf Adam von Herbcrstorf. Aus dem Weißen Berge vor Prag kam es zur Entscheidungsschlacht, die von Tilly gewonnen wurde. Prag ergab sich dem Sieger, Bürger und Stände leisteten den Treueid und lieferten die Waffen ab. Der böhmische Aufstand war niedergeschlagen. Über die Übergabe Steyrs an die bayrischen Truppen berichtet uns ein kurzer Vermerk in einem Protokolle. Der Rat erfuhr durch Bürgermeister Händl, daß dem bayrischen „Obristen Wachtmeister" am 14. August 1620 die Schlüssel zu den Toren der Stadt ausgehändigt und bisher noch nicht zurückgcgeben worden waren.22) Zetl vermerkt, daß am 17. August insgesamt sieben Fähnlein Fußvolkes vom Rcgimente Anhalt in Steyr cingezogen waren, ohne irgendwelche Gegenwehr zu finden.22) Das Anhaltische Regiment bestand zum größten Teile aus Fran21) LV 19, 331, Fußnote 207. ”) RP 1620, 134. 23) LV 2, 249; LV 7, 87. 24) RP 1620, 135. Auch dieSchlüssel für das Rathaus und das Zeughaus wurden abgefordert. Die Torewurden mit starkenbayrischen Wachenbesetzt. --) LV 6, 11. 8

zosen und Niederländern und wurde vom Oberstwachtmcister Gallus befehligte Die Unterbringung dieser Soldateska, die int Verhältnis zur Bevölkerungszahl Steyrs eine große Besatzungstruppe darstellte, bereitete ben Ratsherren mancherlei Kopfzerbrechen. Vor allem mußte man für die Truppenpferde Heu und Stroh beschaffen und zwar in den Klöstern Garsten unb ©leint, vom Pfarrer in Sierning und vom Pfleger in Stadelkirchcn. Zu diesem Zweck wurden Ulrich Haydcr und Pan- rraz Taxhammer zu Futtcrmeistern bestimmt. Für kranke Soldaten wurde je eine Hütte beim Lazarett an der Steyr und eine in der Stadt erbaut.26) Die von der Stadt geworbetren Kriegsknechte brachte man nach, Mauthausen. Hier wurde aus ihnen ein neues Regiment ausgestellt. Sie bekamen andere Hauptleute und mußten einen neuen Eid leisten.22) Schon am zweiten Tage nach der Besetzung der Stadt faßte der Rat den Beschluß, beim Obcrstmachtmeister und beim Komissar Schultheiß „anzubringen", daß sie sich die arme Stadt unb ihre arme Bürgerschaft befohlen lassen sein solltet:. Besonders aber mögen sie bei der Abfertigung ihrer Gutachten an den bayrischen Kurfürsten auf eine Verringerung oder den gänzlichen Abzug der Besatzungstruppen hinwirken. Außerdent sollten der Stadtschreibcr und noch eilt Ratsherr beim Herzog Maximilian um Verringerung der Garnisoi: ersuchen. Ebenfalls an die niederösterreichische Kammer wurde am 19. 8. ein Ersuchen gerichtet, itl dem um Verringerung der Besatzung gebeten wurde.26) ' Die Stünde in Littz unterstützten das Ansuchen dadurch, daß sie den Landeshauptmann Pohlhaim zum bayrischen Kurfürsten entsandten. Den Viertelmeistern war am 17. August der Auftrag erteilt worden, von den Bewohnern ihres Betreuungsabschnittes die „dargeliehenen Wehren" abzufordern und täglich zwei- bis dreimal Kontrollen zu ntachen, damit keine Ungelegenheiten entstünden. Schließlich sollten sie darauf achten, daß sich die Bevölkerung nach acht Uhr abends nicht mehr auf den Straßen sehen lasse. Den jungen Leuten solle der Bürgermeister unter Androhung hoher Strafen auftragen, sich gegen das fremde Volk ruhig zu verhalten.* 2') Alle möglichen Wege beschrittei: die Steyrer, um die Besatzungssoldaten wohlwollend zu stimmen und dadurch eine Erleichterung ihrer Lage zu erreichen. Wie Bürgermeister Händl in der Ratssitzung vom 16. September 1620 berichtete, war dem -Obersten Mortaigne ein „Praesent" versprochen worden. Es bestand aus 24 Eimer:: Wein, den sich Händl beim Stettner in Steyrdorf erhandelte. Hievon sollten 12 oder 13 Eimer dem Obersten selbst und etwa 8 Eimer dem Obersten Wachtmeister Gallas „verehrt" werden. Mit dem Weine nach Linz zu reisen wurde der Ratsherr Himmelperger beauftragt, der den Beschenkten gleichzeitig einen Brief wegen „ringerung der Garnison" ztt überreichen hatte. Auch mündlich sollte der Ratsherr dieses- Ansuchen begründen?") Neun Tage später, am 25. September 1620, berichtete der Stadtrichtcr in der Ratssitzung, daß Mortaigne und die Kommissare über Auftrag des Statthalters in eine Verringerung der Garnison willigen würden, wenn man von den Bürgern alle „Oberwern" und Rüstung abfordcrte und diese dann, zusammen mit den „Stuckh", ins Schloß lieferte. Auch in Linz und Enns sei dies geschehen, da die Stände dieser Maßnahme des Statthalters zustimmten. Geschehe die Ablie- l'erttng der Waffen und Rüstungen freiwillig, so werde die Garnison in Steyr auf 26) RP 1620, 135. 22) LV6. 14. 2S) RP 1620, 137. 2') RP 1620, 136. -°) RP 1620, 141. Für den Eimer Wein (56,6 Liter) wurden 13 Gulden bezahlt. 9

ein ober zwei Fähnlein eines disziplinierten Fußvoltes vermindert werden. Sollte diesem Verlangen nicht Rechnung getragen werven, würde die Steyrer Garnison künftighin aus vier dis fünf Fähnlein Fußvolk und 200 Reitern bestehen?') Nach lebhajier Debatte entschied man sich, „da die Not da sei", dem Begehren des Obersten und der Kommissare nachzukommen und zu bitten, daß künftighin durch die verringerte Garnison gute Disziplin gehalten werde. Es wurde auch vorgebracht, daß man vom bayrischen Kurfürsten eine „gnädige Entscheidung" erwarte. Im Laufe der Beratungen einigte man sich über Vorschlag des Bürgermeisters, daß der Stadtrichter und drei Räte dem Obersten Mor- taignu mitteilen müßten, die Waffen abliefern zu wollen. Doch solle man dem Magistrate erlauben, Waffen unb Rüstungen selbst abzufordern, damit es bei der Dürgerschaft nicht so viel „nachdenkhens verursachen mecht"?3) Man willigte in die Wafsenablieferung nur ein, „um die Gewißheit, daß nicht mehr als zwei Fähnlein zur Garnison sollten gelegt werden". In weiterer Folge erging man sich in Einzelheiten über die Art und Weise der Ablieferung der Hellebarden, Spieße, Halbhaken,31 32 3 34 35 * ) „Gußerten" und Rüstungen. Der Stadtrichter meinte, diese könne am besten durch die Viertelmeister geschehen. Diese sollten die abgenommenen Waffen ins Rathaus bringen, wo sie verzeichnismäßig erfaßt werden sollten. Außerdem unterstützte der Bürgermeister den Vorschlag des „Raitmaisters", alle hiesigen Schiffe, Schiffsknechte und Flöße in Bereitschaft zu halten, damit man die abge- liefcrten Waffen und Rüstungen nach Wien bringen könne. Ratsmitglied Redl- hamer wurde beauftragt, zu erheben, wieviele Mann und Pferde man mit den vorhandenen Transportmitteln verschiffen könne. Zwei Tage später teilte Bürgermeister Händl im Rate mit, daß die Schiffe „sambt den Knechten" für Zwecke des Militärtransportes bereit seien. Die Schiffleute und Flößer aber, zusammen 45 Mann, würden nunmehr eine Erhöhung ihrer Tageslöhne auf 15 Kreuzer für den Naufergen und 12 Kreuzer für den Schiffsknecht verlangen. An Oberst Mortaigne in Linz fertigte die Stadt am 28. September ein Schreiben ab, in dem über das Verhalten der Besatzungstrnppe geklagt wurde: „ . . . morth, Mündern und Raubett (Mord, Plündern und Rauben)" geschehen sowohl in der Stadt als auch in ihrer unmittelbaren Umgebung. Alan ersuchte den Austausch der Garnison ohne weitere Verzögerung vorzunehmen, widrigenfalls „allerlei weitere Ungelegenheiten erfolgen" würden?") Stadtrichter Madlseder u. Ratsherr Talhammer konnten schon am 30. Sept. als Vorkommando der neuen Garnison deren Oberstleutnant Schödl empfangen und ihm über die Sorgen und Nöte der Stadt berichten.33) Auch mit den neuen Machthabern gab es manche Schwierigkeiten, die eine Besetzung durch fremde Truppen stets mit sich bringt. So interessierte den neuen Garnisonskommandanten vor allem die städtische Artillerie und bei dieser die „großen Stückh" im Zeughaus. Er verlangte, daß diese durch die dazugehörige städtische Bedienungsmannschaft am Stadtplatze abgefeuert würden?") Nur mit größter Mühe konnten ihn das Ratsmitglied Himmelperger und der Stadtrichter von diesem Begehren abbringen, „wegen allerlei gefahr so darauß entstehen mechte". Anfangs Dezember 1620 begehrten Oberstleutnant Schödl und Hauptmann Andre Gottfredis den kompletten Unterhalt für die in Steyr stationierten Truppen, bis für diese von ihren Vorgesetzten 31) RP 1620, 147. 32) RP 1620, 148. 33) LV 20, 40. Halbhaken ober „gemeine Haken" waren leichtere Büchsen, bereit Lauf an der Unterfeite einen Haken aufgeschweißt hatte. Der Lauf war etwa 1 nt lang. 34) RP 1620, 149. 35) RP 1620, 150. 3‘) RP 1620, 184. 10

isvommaitbeu Geld einlange. Der Rat beschloß, beit beiden Offizieren Mitteilen zü tQ]]'en, daß man vorerst bei Oberst Btortaigne über dieses Begehren sprechen müsse?') Zwei Tage vor Weihnachten 1620 schlug Bürgermeister Hündl den Räten Steyrs vor, die zwei Fähnlein des Oberstleutnants Schödl in der Stadt selbst unterzubringen, dabei müsse man jedoch den Bürgermeister, den Stadtrichter und die Eisenhaudelsgesellschast von der Einquartierung verschonen?3) Schödl war einverstanden, daß das Fußvolk in der Stadt und in Ennsdorf, die Reiter hingegen in Steyrdorf Unterkünfte erhielten?') Um die Jahreswende wurde die Stadt aus Linz verständigt, daß sic weitere 50 Reiter aufnehmen müsse?") Ats am 11. Jänner 1621 der Oberstleutnant verlangte, daß man ihm 600 Gulden auszuzahlen habe, beschloß man, das Geld unter den Ratsmitgliedecn aufzubringen und dem Kommandanten zu geben, da die Stadtkasse nicht mehr über diese Summe verfügte?') In einer weiteren Sitzung einigte man sich darauf, den Oberftleutnant als Gast zu halten, ihm „jeden Sonntag mittags eine Mahlzeit anzurichten und einen guten Wein herzugeben"?') Gleichzeitig brachte man eine Beschwerde an den Statthalter an, daß man säst nicht mehr in der Lage sei das Futter für die Pferde der Reiterei zu beschaffen.") Als der Ratsherr Abraham Jörger sich, über Auftrag der Stadt, beim Statthalter über die Forderungen, die von der Steyrer Garnison gestellt wurden, beklagte, meinte dieser, man gebe dem Militär zu viel. Dem einzelnen Reiter möge man nicht mehr als % oder 1 Maß Bier reichen. Wolle er diese nicht nehmen, sei ihm nur ein Krug Wasser vorzusetzen und zu essen das, „was der Wirt hat".") Nach einem zwanzigwöchigen Aufenthalte in Steyr wurden die zwei Fähnlein unter Oberstleutnant Schödl und Hauptmann Gottsredis am 18. Februar 1621 abgelöst und in die Pfalz in Marsch gesetzt. Sie wurden am nächsten Tage durch sieben Fähnlein niederländischer Kriegs- kncchte des Grafen von Anhalt ersetzt.") Um das Geld zu beschaffen, das wegen der Besetzung erforderlich war, sah sich der Rat am 4. März 1621 genötigt, aus die Bürgerschaft einen „Anschlag" zu machen. So hatte, zum Beispiel, der Färbermeister Zeit ein Jahr lang wöchentlich an die Stadt 30 Kreuzer abzuführen. Rach einem Aufenthalte von rund 4 Monaten wurden die Anhaltischen Truppen abgezogen und in die Pfalz versetzt. Anfangs September wurden die in Steyr geworbenen Soldaten, zusammen mit denen, die im Lande geworben worden waren, in das Feldlager des Generales Tilly geschickt. Sie wurden durch sieben Fähnlein Bayern ersetzt, die längere Zeit in Steyr blieben. Am 18. Oktober 1621 suchten die wenigen katholischen Bürger Steyrs beim Statthalter um Befreiung von der Einquartierung an, die ihnen dieser bewilligte.") In diesem Jahre wurde noch ein weiteres Fähnlein Fußvolk in die Stadt gelegt.37 * * * 41 * 43 * * * 37) RP 1620, 188. 3S) RP 1620), 195. 3') RP 1620, 196. 4°) RP 1620, 198. 41) RP 1621, 210. Ende Jänner forderte ber_ Oberstleutnant nochmals 500 fl. Der Rat Beauftragte deshalb den Ratsherren Stauder, bei den Wroebneten und dem Magistrate in Linz anzufragen, wie mau es mit den in dieser Stadt liegenden drei Fähnlein hielte. «) RP 1621, 216. 43f RP 1621, 217. «) RP 1621, 219. ") LV6, 16. ") LP 6, 17. Am 11. Mai 1621 wurden der Frau „Obristin Vom Onhalt lAnhalts" von der Stadt 2 Akut Hafer und ein „schönes Essen Fisch" gegeben. 11

Im April des folgenden Jahres 1622 wurde die gesamte Garnison aus Steyr abgezogen und nach Bayern geschickt. Dafür rückten in Steyr ein Fähnlein Fußvolk und 600 Reiter ein. Diese Truppen hatten außer der Unterkunft ihren Sold, Essen und Trinken, Futter für die Pferde und das Brennmaterial von der Stadt zu erhalten.") Die Reiter kosteten viele tausend Gulden und richteten großen Schaden an, obwohl sic nur einen Monat in Steyr blieben. Auf der Reise zum Reichstage nach Regensburg übernachtete Kaiser Ferdinand mit seiner Gemahlin am 2. November 1622 im Schlosse. Er reiste in Begleitung von 1000 Bewaffneten und 200 Heereswagen. Es galt wohl noch den Stey- rern die kaiserliche Macht eindrucksvoll vor Augen zu führen.") Für die Verpflegung Ferdinands und seines Gefolges versprach der Magistrat aufzukommen, wir wissen nicht, ob dies freiwillig geschah. Jedenfalls richtete acht Monate später der Rentmeister des Schlosses an Den Magistrat die Mahnung, die aus diesem Anlasse geschlachteten Ochsen bezahlen zu luoffen.47 * 9 50 * ) , Wiederholt kann man in den Ratsprotokollen dieser Zeit über den drückenden Geldmangel, der in Steyr herrschte, lesen. Die finanziellen Schwierigkeiten nahmen solche Ausmaße an, daß sich der Bürgermeister im November 1620 genötigt sah, den Räten mitzuteilen, man könne derzeit „mit gelt nit gcuolgen" um Kirchen und Schulen zu erhalten.9") Aber nicht nur für Schulen und Kirchen, auch für andere Bedürfnisse der Stadt war kaum Geld aufzutreiben.9') Händl ersuchte daher in der Ratssitzung vom 23. November, daß die Eintreibung ausständiger Steuern und Abgaben mit aller Härte und „sondern Ernst" betrieben werde. In der Sitzung vom 19. Oktober 1621 führte Bürgermeister Händl aus, daß cs vor allem notwendig sei, der Stadt in Wirtschaftsdingen die Kreditwürdigkeit zu erhalten. Er zeigte auch aus, welche Mittel in der Stadt noch zur Verfügung stünden.52) Um eine genaue Übersicht über die Tätigkeit der Handelsleute der Stadt zu erhalten, erließ Händl am, 11. Feber 1622 ein Dekret, demzufolge die Kaufleute innerhalb von drei Tagen ein „glaubwürdiges Verzeichnis ihres Handels im Jahre 1621" bei ihm zu erlegen hatten.99) In dieser Zeit, da niemand der Stadt Geld leihen wollte, fand sich ein weißer Rabe, und zwar der Bürger Jakob Senat aus Laibach, der Steyr das Anbot machte, 5000 Gulden gegen fünfprozentige Verzinsung „auf Ewig" zu borgen.94) In Zeiten der Not und des Mangels blüht immer der Wucher und die Sucht, sich auf Kosten Darbender zu bereichern. Aber hier griff die Stadt rasch zu. Als der Bäckermeister Lobhartsperger im Juli 1623 wegen zu geringen Gewichtes seiner Brote zur Strafe des „Schupfens" verurteilt wurde, setzten sich das Handwerk der Bäcker und der Freundeskreis des Verurteilten vergeblich für ihn ein. Die Fleischhauer wurden im November 1622 vom Magistrate aufgefordert, Kalb- und Schweinefleisch für die Bürgerschaft „in so hohen Prciß wider die Christlich Lieb nit also hoch bschwärn" zu sollen. Im übrigen wurden die Fleischhauer vor den Magistrat geladen und ihnen vorgehalten, daß sie das Pfund Fleisch, ohne Wissen des Magistrates, von 14 bis 18 Kreuzer erhöht hätten. Bis zu einem zu erwartenden Bescheide des Statthalters durften sie das Pfund ungarischen Ochsenfleisches nur um 15 Kreuzer verkaufen, widrigenfalls sie eine „ernstliche leibs önd 47) LV 2, 250; LV 6, 20. 4=) LV 1, 379; LV 2, 250; LV 6, 30. 49) RP 1623, 189. 50) RP 1620, 179, 181. 91) RP 1621, 215. ”) RP 1621, 363. ”) RP 1622, 27. 94) RP 1623, 10. 12

Die „Bäckerschupfen" (Nach einer Zeichnung im Heimathaus der Stadt Steyr) guetts straff" zu gewärtigen pttert.55) Die Metzger hatten nämlich ungarisches Vieh eingekauft,") weil die Herrschaft Steyr ihren Untertanen verboten hatte den städtischen Fleischern Vieh zu verkaufen.") Wider den ausdrücklichen Befehl des Rates hatten alle städtischen Fleischhauer wie auch die Seifensieder Ruprecht Teufl und Thomas Metkrug Kerzen zu höheren als den vorgeschriebenen Preisen verkauft und damit unter der Bevölkerung „Unmut" hervorgerufen. Die Metzger wurden daher zu je 30 und die Seifensieder zu je 10 Talern Strafe verurteilt.") Letztere baten um Minderung der Geldstrafe, der Rat ermäßigte sie auf 6 Taler.") Um die Not zu lindern, erhielten städtische Bedienstete vom Magistrate „Getreidehilfe". Jeder Ratsdiener und der Kantor empfingen im Jahre 1623 drei ”) RP 1622, 194. ") RP 1622, 119. ") RP 1622, 56. Die Herrschaft bot ihr Vieh dm „Gaifleischhauern" an. Der Rat beschloß am 21. 3. 1622, deshalb mit dem Rentnermcister und dem Schloßverwalter zu sprechen. ") RP 1621, 389. ”) RP 1621, 392. 13

Metzen (186 Liter) Korn, die Wegmacher *toci Metzen (124 Liter)/") „In Ansehung der Theuern Zeit" wurde den Ratsdienern überdies wöchentlich 1 Gulden Zulage gewährt/') Eine Erhöhung ihres Taglohnes auf 15 Kreuzer forderten Maurer und Zimmerleute. „Bis sich die Wolfaille des Traidts vnd andern mehrers erzaigt (bis das Getreide und andere Waren billiger würden)", sollten den Maurern und Zimmerleuten täglich 12 Kreuzer, einem Meister 15 Kreuzer und einem Taywerker 10 Kreuzer gegeben werden, was der Rat in der Sitzung vom 23. Juni 1623 beschloß.«) Von allen möglichen Stellen wurde der Magistrat bestürmt, Hilfe zu leisten. Die städtischen Jleischer baten um ein Darlehen von 500 Reichstalern, damit sie Vieh einkaufen könnten, der Müller Lazarus Holzmüller begehrte eine Erhöhung seines Mahllohnes und die Bäcker klagten über Getreidemangel«) Wer Waren hatte, tauschte diese aegen Getreide. Am 24. Mai ersuchten die Gewerken Cbristovh Panz und Hannß Egger den Rat, 5 Mut Korn und 8 Pfund Hafer, die sie beim Rentmeister im Schlosse gegen 100 Pfund Scharsachstabl eingchandelt hatten, durch die Eisenhandelsgesellschaft nach Linz bringen zu dürfen.") Die Inhaber eines Münzregals hatten das Recht. Münzen zu vrägen und diese innerhalb eines bestimmten Gebietes als allgemein gültige Zahlungsmittel in Verkehr zu sehen. Dabei mußte aus einer festgelegten Gewichtseinheit eines bestimmten Metalles (Gold. Silber. Kuvfer) eine gewisse Anzahl von Münzen gevräat werden. Durch Verschlechterung, das heißt durch Herabsetzung von Rauhgewicht und Jeingehalt der Münzen, konnten die Münzherren bedeutende Mehreinnahmen erzielen. Solche unterwertiae Münzen wurden im Jahre 1620 auch im Lande ob der Enns in Umlauf gesetzt. Ihren .fSöfieimnft erreichte die Münzver- schleckteruna im Jahre 1621, als auch Kaiser Jerdinand zu diesem Mittel griff, um seinen Jinanzen aufzuhelfen. Das minderwertige Geld, von der Bevölkerung „langes Geld" aenannt, unterlag einem Annabmezwana. Der Ausdruck „langes Geld", zum Unterschied von gutem „kurzem Geld", rührt sicher daher, daß man bei der damaligen Teuerung für Waren ein Vielfaches der früheren Preise, also lange Reiben von Münzen, zahlen mußte. ..Da hat jeder Geld genug gehabt", meinte ein. Chronist dieser Zeit. „Aber alle Sachen werden teurer und kein gutes Geld war zu. bekommen", klagte er weiter. Selbst die Kupfermünzen verschwanden im Geldverkehr. Um das „lange Geld" wollte niemand verkaufen. Die Bauern erschienen nicht mebr am Wochenmarkt. So mußten die Steyrer mit ihrem Zinnaeschirr, ihrem Silbergeschmeide, dem entbehrlichen Rettzeuge und Tuch in die Umgebung wandern. um von den Bauern Getreide einzutauschen. Tn Sierning. in der Raming, in Steinbach und an anderen Orten konnte man Jleisch nur gegen Reichstaler, die eine vollwertige Münze blieben. i>mfoufen. Moraens sab man die Menschen in langen Reiben vor den Lebensmittelläden stehen und warten.«) Als Bestandsinhaber des Landes ob der Enns erließ der bayrische .verzog wenige Tage vor dem Christfest 1622 ein Patent, nach dem das lange Geld auf die Hälfte des Nominalwertes gesetzt und der Umlauf der bavrischen Münzen im Lande ob der Enns untersagt wurde. Eine weitere dekretierte Abwertung des Geldes erfolgte in den Psingstfeiertagen des Jahres 1623. Ein Dukaten wurde mit 60} 61) «) 63) 61) 66) 14 RV 1623, 25 163. 189, 192. 305. RP 1623, 144. RP 1623, 202. Am 13. 1. 1623 bewilligte der Stadtrat den Zimmerleuten bereits 201 Kreuzer Taglohn. RP 1623, 204. RP 1624, 209. LV 6, 18 ff.

20 Gulden, ein Rcichstaler mit 10 Gulden bewertet. In der zweiten Jahreshälfte 1623 vrägte man wieder vollwertiges Geld. Das „lange Geld" wurde in den Münzbanken umgewechselt. Alle diese Machenschaften mit dem Gelde bedeuteten für viele WirtschaftsUnternehmen. und Handelsleute den finanziellen Ruin. Ist manchem ein grober Schaden und Verlust kommen, hat oft einer vermeint in langen Geld reich zu sein, bernach ist ihm bei zweimaligen Abfall das Geld unter denen Händten verschwunden", schreibt ein Zeitgenosse.") Im Eisenwesen machten sieb wirtschaftliche Störungen durch die Verpfändung des Landes, den 30jährigen Krieg und die Unstimmigkeiten im Jnlande nachteilig bemerkbar. Eine grobe Rolle Mette auch der Ilmstand, daß der Woblstand der Stadt sehr gelitten hatte und diese daher der Eisenhandelsgesellschaft nicht mit den benötigten Summen unter die Arme greisen konnte. Der Stadtrat hatte den Vorgehern im Juni 1619 enMohlen. sich ..Lehen" bei den Nürnberger Kaufleuten und anderen „Reichst Handelßleuthen zu beschaffen 57) denn Stadt und Eisenhan- delsaesellschaft hatten bei den Hammermeistern beträchtliche Schulden für nicht bezahlte ..monatliche Zusähe"."'! Während der babriscken Vesehung hatte der Statthalter am 21. August 1623 befohlen, daß den bghriscben Eisenhändlern 3000 Leniner Eisen und Stahl zu liefern wären. Jede andere Lieferung wäre bis zur Erfüllung dieses Auftrages hintanzustellen.") 2tn den Zwanzigeriahren des 17. Iabrhuudertes erfolgte nun der vollkommene Zusammenbruch. Die „unerhört starkhen gelts Veränderungen" hatten das ganze ..Eisenwesen in solche gfar f@eMir) gesetzt." berichtete ein Ratsprotokoll des Jahres 1624.70) Es war wohl schließlich und endlich die Münzverschlech- teruna gewesen, die dem Verlagswesen und damit der ganzen Eisenhandelsqe- sellschast. den Todesstoß verseht batte. Scholl im Jahre 1620 hatte der damalige Eisenobmann beim Stadtratc bittere Klage wegen der „Minnz" geführt.7') Die folgenden Iabre brachten aber keine Besserung. Es kam schon im Mai 1624 so weit daß verschiedene Amts- und Radmcister von der Stadt Rroviant und Geld für die Eisenwurzen forderten, sonst, kündigte man an. hätte die Gesellschaft mit ablegung und feier aller arbeiten" zu rechnen. In dieser Notlage beschloß der Rat am 11. Mai 1624 sofort Getreide aus Weber nach Eisenerz zuführen zu lassen. Weitere Lieferungen von Rroviant und Getreide würden feinen, doch, meinten die Stadtvätcr, müßten sich die Eisenerzer auch selbst um Verpflegs- nachscbub kümmern.77) Hier sei noch erwäbnt. daß die mit der Leitung der Eisenbaudetsgesellschaft betrauten Händler manche Privatgeschäfte machten, die sich zum Nachteil der Firma auswirkten. Sie bezogen die Ware zu dem für die heimischen Handwerker festgesetzten Preise, dem sogenannten ..Landsatze", und verkauften sie an oberdeutsche Firmen, zu bedeutend erhöhten Preisen für eigene Rechnung. Auch dieses Vorgehen bedeutete eine Schwächung der Gesellschaft und trug zu deren Nieder-* 67 * * * * * «) LV 6, 23. 67) RP 1619. 101. ") LV 16. 616, Fu. 6. Bis 1614 war die Schuld schon auf 211.000 Gulden auacwachsen. ») RP 1633, 157. 7°) RP 1624. 170. 7') RP 1620. 165. Die Hammer- und Radmeister rechneten die vollwertigen Münzen der deutschen Handelsstädte zu einem niedrigeren Kurs, als die EisenhandelsgeseMchast von den Geaeubäudleru erhielt. Es kam daher zu fortwährenden Streitigkeiten zwischen der Gesellschaft und den steirischen Gliedern. 77) RP 1624, 170. 15

gang bei. Schon in der ersten Ratssitzung unter Vorsitz Bürgermeisters Händl, beauftragte dieser, daß der Kassier und die Vorgeher einen Tag je Woche mit ihren Ausschreibungen im Rathaus erscheinen sollten, damit man im Rate einen Überblick über die Kassen- und Geschättsgebarung habe.") Es wurde in dieser Sitzung auch beschlossen, daß der Kassier nur wichtige und unumgänglich notwendige Reisen verrichten solle, über die er spätestens 14 Tage später zu berichten hätte. Eine gewisse Unordnung schien auch bei den Unterbeamten der Gesellschaft zu herrschen, denn auch von ihnen forderte der Rat am 8. 7. 1622 sied unter Eid zu verpflichten, wenigstens einmal in der Woche alles Geld, das sie für „Zeug" eingenommen hatten, an die Kasse abzuliefern. Weiters wurden sie verpflichtet, kein Zeug ohne Mitwissen der Vorgeher, und in wichtigen Fällen, ohne Vorwissen des Stadtrates zu verkaufen. oder dieses heimlich abzugeben. Diese Verbote wurden für sie, wie auch für die Eisenkämmerer und Pfundaus- wäger unter Androhung von Leib- und Geldstrafen, in Kraft gesetzt.") Im Bergbau war es wegen der Beschaffungsschwierigkeiten üblich geworden, daß die Gewerken ihren Beschäftigten die Lebensmittel zu verbilligtem Preise, gegen Abrechnung vom Lohne, lieferten. Als einem Partner der Eisenhandelsgesellschaft oblag auch der Stadt die Pflicht, neben der Versorgung der eigenen Bevölkerung auch zur Verpflegung der Eisenarbeiter und Hammermeister beizutragen. Aus diesen Gründen hatten die Steyrer Stadtväter ihre Lager vorsorglich mit Getreide füllen lassen. Besonders den bei den vielen kleinen Häm mern im Ennstal Beschäftigten und den Bergarbeitern in Eisenerz mußte geholfen werden, da diese ja schon in normalen Zeiten Lebensmittel zugeführt erhielten. Anfangs Jänner 1620 besuchten die steirischen Hammermeister Hans Kerzenmandl, Christiair Panz, Hans Egger und Paul Schweinzer den Magistrat, um hier wegen Lieferung von Lebensmitteln vorzusprechen, da ihnen derzeit von Waidhofen, ihrem normalen Getreidelieferungsgebiete, wenig zugeführt werde. Vor allem war es ihnen um Korn für das tägliche Brot und um Hafer für die Pferde zu tun.* 75 76) Im April 1622 begehrten diese Hammermeister wieder Korn. Die Stadt bot ihnen 40 Mut (2459,6 Liter) zum Preise von zwei Pfund Pfennig je Mut an. Auch der Eisenobmann wollte in der Stadt Getreide kaufen. Bei einer Ratssitzung klagte man, daß derzeit weder von Kremsmünster, noch von Weißenburg, die beide Hauptlieferanten für Steyr waren, Getreide zu bekommen wäre.75) Man müsse wegen der Erschließung einer neuen Lieferquelle, beim Landeshauptmanne vorstellig werden. Die Salzamtsleute in Ischl und Hallstatt wieder wollten, daß ihnen die Stadt zu Beginn jedes Vierteljahres zwei Zentner Unschlitt liefere.77) Hier mußte der Rat ablehnen, da er an diesem begehrten Stoffe kein entsprechendes Lager besaß. Wiederholt baten in diesen Jahren Bäcker, Holz- und Hammerarbeiter den Rat um Getreide. Dieser tat sein möglichstes, um die gewünschten Lebensmittel zu beschaffen. Mehrmals berichtete er auch dem Statthalter über die trostlose Versorgungslage.75) Um den Kremsmünsterern doch noch etwas Getreide abzuhandeln, wurden die zwei bewährten Ratsherren Jglseder und Hopffer dorthin entsandt. ") RP 1617, 399. ”) RP 1622, 125. 75) RP 1620, 5. 76) RP 1622, 68. ”) RP 1622, 157. Jnslet (Unschlitt) war ein wichtiger Rohstoff für die Kerzen- und SeifenerMgung. Unter Zusatz von Asche, Salz u. a. konnten ans einem Zentner unausgelassenen Unschlittes fast 2 Zentner Seife hergestellt werden. 7°) RP 1622, 167, 171, 193, 194. 16

Als Joachim Händl das Bürgermeisteramt antrat, herrschte noch eine gewisse Toleranz in Glaubensdingen. Die gegenseitigen Fronten waren abgesteckt, im übrigen nahmen beide Parteien eine abwartende Haltung ein. Es gab kleinere Reibereien zwischen Protestanten und Katholiken. Diese beschränkten sich aber im wesentlichen auf Wortgefechte. Während der protestantische Ratsherr Michael Händl bei Errichtung der Schanzen sich zu den Arbeitern äußerte, daß auf den Pfählen bald „die Köpfe von Mönchen und Pfaffen" aufgespießt würden, beleidigte der katholische Apotheker Markus die Wachen und wurde deshalb bestraft.") 1619 wurde von den katholischen Bürgern wieder erstmalig eine große Prozession abgehalten, die nicht gestört wurde, obwohl „die Lutheraner kaum den Hut vor dem Hochwürdigen Gut gerückt" hatten?") Die Situation änderte sich, als die Schlacht am Weißen Berge von den katholischen Feldherren gewonnen worden war. Die Katholiken Steyrs hielten aus diesem Anlasse einen Dankgottesdienst, ab?') Der sehr rührige Garstener Abt Anton sah jetzt die Möglichkeit gekommen, in seinem Sinne wirken zu können. Er forderte im Juni 1621 vom Magistrate neuerlich die Aufzeichnungen über das Kirchenvermögen, über Stiftungen und die ausstehenden Kirchenrechnungen. Der Magistrat reagierte auf diese Forderungen nicht, worguf sich der Abt an den bayrischen Statthalter wandte. Dieser entsandte Kommissare, die sich im Juni 1623, gemeinsam mit dem Abte, im Rathause einfanden und, trotz der Proteste des Bürgermeisters und der Ratsherren, die Rechnungen von 1543, dem Jahre der öffentlichen Einführung des Protestantismus in Steyr, bis zum Jahre 1621 genau prüften?2) Sonst blieb es vorläufig beim alten. Außer der Einquartierung der fremden Truppen geschah den evangelischen Stadtbürgern nichts, wenn man davon absieht, daß ja schon die Beherbergung von geworbenen Kriegsknechten, deren Sinn ja auf Beutemachen gerichtet war, immerhin eine Bestrafung bedeutete. Auch der beim Einmärsche der Truppen Herzog Maximilians festgenom- mctte Stadtrichter Madlseder war im März 1621 wieder enthaftet worden?2) Der Stadtrat beschäftigte sich nach der für den Protestantismus so entscheidenden Schlacht sofort mit den Problemen, die im Gefolge dieses Ereignisses entstanden waren. In der Sitzung vom 28. Dezember 1620 wurde eingehend beraten. wie man künftighin die hiesige evangelische Kirche und die Schulpcrsonen erhalten werde?") Als in den folgenden Jahren vertriebene evangelische Pfarrer beim Stadtrate um ein Reisegeld vorsprachen, erhielten sie dieses auch. So wurden, zum Beispiel, dem Pfarrer Johann Diomeri, der, auf der Durchreise befindlich, beim Rate um. ein „viaticum"1 bat, zwei Taler „verehrt.""2) Es sei hier eingeflochten, daß anscheinend die schwere Verantwortung ihrer Ämter manche Ratsherren mitunter vom Besuch der Sitzungen abhielt. Häufig klagte Bürgermeister Händl über den schlechten Besuch?") Er forderte die Ratsherren auf, die Beratungen doch „embsiger" zu besuchen, da die „ganze Last auf ihm allein läge.""2) Die militärischen Erfolge des katholischen Feldherren Tilly in den Jahren 16212 und 1623 brachten es mit sich, daß die Aussichten der Protestanten auf ”) LV 15, 354. -°) LV 6, 10. »’) LV 15, 383; LV 6, 14. °2) LV 3, 64; RP 1620, 181, 183, 195, 198. °") LV 7, 87 ff; LV 15, 389. °") RP 1620, 198. =5) RP 1624, 92. «) RP 1621, 218. °2) RP 1623, 163. 17

weitere Duldung ihrer Lehren zu sinken Begannen. Die zur Ausmerzung des Protestantismus bestimmten Maßnahmen setzten mit aller Schärfe im Jahre 1624 in den kaiserlichen Landen ein. In Steyr hatte zu Fronleichnam 1624 der evangelische Prediger Tobias Schaidthauff über die Prozession selbst, die Salutschüsse und den katholischen Pfarrer Achatius Schrott gespottet. Deshalb wurde er festgenommen, nach Linz eingeliefert und schließlich des Landes verwiesen. Alle Versuche der Stande, die Abschabung Scheidthauffs rückgängig zu machen, blieben vergebens?") Am 5. August 1624 schlug Bürgermeister Händl im Rate vor, den Prediger gebührend zu verabschieden, ihm einen Paßschein auszustellen und, neben seiner Besoldung, noch 100 Gulden zu reichen?') Das Ausscheiden des Predigers machte eine Beratung über den Nachfolger notwendig. Hier kam man im Rate überein, sich an die Städte Wels und Vöcklabruck zu wenden und sie zu befragen, wie sic ihre Prediger ersetzten. Die Illusion, nochmals einen Prediger ersetzen zu können, sollte jedoch nur mehr kurze Taae dauern. Am vorletzten Tage des Monates August, und neuerlich am 4. Oktober, erließ Statthalter Graf Herberstors ein Ausweisungsdekret gegen die protestantischen Schullehrer und die Prediger, die innerhalb von acht Tagen das Land ob der Enns zu verlassen hatten. Zur Kontrolle, ob die Anordnungen auch durchaeführt würden, erschien am 9. Oktober eine Reformationskommission im Rathause. Ihr gehörten der Statthalter, der Göttweiger Abt Dr. Georg Falb. Zohann Spindlcr von Hofeck und Konstantin Goundemann von Falkenberg an. Dieser Kommission oblag es auch, die Ersetzung der Stadtämter durch Katholiken dnrchzusühren. Sie ließ vorläufig am 12. 10. die Dominikanerkirche schließen, so daß die Protestanten der Stadt nicht mehr ö^sentliche Gottesdienste abhalten konnten. In Anwesenheit der Kommissionsmitglieder wurde auch nochmals das Abschaffungsedikt für Prediger und Lehrer an verschiedenen Plätzen Stevrs öffentlich verlesen. Würden diese noch innerhalb von 8 Tagen in Steyr angetroffen werden, hätten sie mit Strafe an Leib und Leben zu rehnen. wurde versautbart.'") Bis Ende Oktober reisten nun alle Aus- aewiesenen, versehen mit Pässen, Empfehlunaen, ausbezahlten Gehalten und Belohnungen von der Stadt ab. Auch die lutherischen Offiziere der Besatzungstruppen wurden abgedankt und durch katholische ersetzt.") Der Dominikanerorden stellte ebenfalls Forderungen an den Rat. Er begehrte die Rückaabe der ehemaligen Dominikanerkirche und verlangte überdies, daß ihm die Stadt auch das Kloster übergebe. Der Rat weigerte sich jedoch ener- gish dieses ahrutreten. ehe nicht die von der Stadt ausaelegten Erbauunaskosten vergütet würden. Auch der Statthalter erließ zwei Befehle, die vom Stadtrat behandelt wurden und die ebentalls die gleichen Forderungen enthielten.") Der Magistrat wandte sich shließlich an die Stände und den Landshaftsadvokaten Dr. Shwarz zur Verteidigung seiner Recktsansprühe. mit dem Ergebnisse, daß das Kloster weiterbin in Eigentum der Stadt verblieb, während die Kirhe dem Orden am 10 November übergeben wurde.") Der Orden verlangte vom Magistrate die Rückaabe des Kirhenornates, doch erklärte der Rat nihts zu wissen, es besäße den Ornat nicht und habe ihn auch nicht in Verwahrung.") °°) RP 1624, 247; Nr. 1727, K. XI, L. 24, St. A. -') RP 1624, 254, ">) LV 2, 252; LV 7, 88. ") LV 6, 35. ») LV 2, 252; RP 1624, 295, 387. ”) LV 7, 89. «) RP 1624, 413. 18

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