Veröffentlichungen des Kulturamtes, Heft 23, Dezember 1962

Als Joachim Händl das Bürgermeisteramt antrat, herrschte noch eine gewisse Toleranz in Glaubensdingen. Die gegenseitigen Fronten waren abgesteckt, im übrigen nahmen beide Parteien eine abwartende Haltung ein. Es gab kleinere Reibereien zwischen Protestanten und Katholiken. Diese beschränkten sich aber im wesentlichen auf Wortgefechte. Während der protestantische Ratsherr Michael Händl bei Errichtung der Schanzen sich zu den Arbeitern äußerte, daß auf den Pfählen bald „die Köpfe von Mönchen und Pfaffen" aufgespießt würden, beleidigte der katholische Apotheker Markus die Wachen und wurde deshalb bestraft.") 1619 wurde von den katholischen Bürgern wieder erstmalig eine große Prozession abgehalten, die nicht gestört wurde, obwohl „die Lutheraner kaum den Hut vor dem Hochwürdigen Gut gerückt" hatten?") Die Situation änderte sich, als die Schlacht am Weißen Berge von den katholischen Feldherren gewonnen worden war. Die Katholiken Steyrs hielten aus diesem Anlasse einen Dankgottesdienst, ab?') Der sehr rührige Garstener Abt Anton sah jetzt die Möglichkeit gekommen, in seinem Sinne wirken zu können. Er forderte im Juni 1621 vom Magistrate neuerlich die Aufzeichnungen über das Kirchenvermögen, über Stiftungen und die ausstehenden Kirchenrechnungen. Der Magistrat reagierte auf diese Forderungen nicht, worguf sich der Abt an den bayrischen Statthalter wandte. Dieser entsandte Kommissare, die sich im Juni 1623, gemeinsam mit dem Abte, im Rathause einfanden und, trotz der Proteste des Bürgermeisters und der Ratsherren, die Rechnungen von 1543, dem Jahre der öffentlichen Einführung des Protestantismus in Steyr, bis zum Jahre 1621 genau prüften?2) Sonst blieb es vorläufig beim alten. Außer der Einquartierung der fremden Truppen geschah den evangelischen Stadtbürgern nichts, wenn man davon absieht, daß ja schon die Beherbergung von geworbenen Kriegsknechten, deren Sinn ja auf Beutemachen gerichtet war, immerhin eine Bestrafung bedeutete. Auch der beim Einmärsche der Truppen Herzog Maximilians festgenom- mctte Stadtrichter Madlseder war im März 1621 wieder enthaftet worden?2) Der Stadtrat beschäftigte sich nach der für den Protestantismus so entscheidenden Schlacht sofort mit den Problemen, die im Gefolge dieses Ereignisses entstanden waren. In der Sitzung vom 28. Dezember 1620 wurde eingehend beraten. wie man künftighin die hiesige evangelische Kirche und die Schulpcrsonen erhalten werde?") Als in den folgenden Jahren vertriebene evangelische Pfarrer beim Stadtrate um ein Reisegeld vorsprachen, erhielten sie dieses auch. So wurden, zum Beispiel, dem Pfarrer Johann Diomeri, der, auf der Durchreise befindlich, beim Rate um. ein „viaticum"1 bat, zwei Taler „verehrt.""2) Es sei hier eingeflochten, daß anscheinend die schwere Verantwortung ihrer Ämter manche Ratsherren mitunter vom Besuch der Sitzungen abhielt. Häufig klagte Bürgermeister Händl über den schlechten Besuch?") Er forderte die Ratsherren auf, die Beratungen doch „embsiger" zu besuchen, da die „ganze Last auf ihm allein läge.""2) Die militärischen Erfolge des katholischen Feldherren Tilly in den Jahren 16212 und 1623 brachten es mit sich, daß die Aussichten der Protestanten auf ”) LV 15, 354. -°) LV 6, 10. »’) LV 15, 383; LV 6, 14. °2) LV 3, 64; RP 1620, 181, 183, 195, 198. °") LV 7, 87 ff; LV 15, 389. °") RP 1620, 198. =5) RP 1624, 92. «) RP 1621, 218. °2) RP 1623, 163. 17

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